3. Kapitel
Willow Jane Osborn
Schon früh morgens klopfte Irma an die Tür und weckte mich mit ihrer penetranten Stimme. Genervt wühlte ich mich aus dem Bett und machte mich für das Frühstück fertig. Mit schlichten Sachen bekleidet setzte ich mich an den Tisch.
»So, meine Lieben«, begann Irma und ich fragte mich, wie sie so früh schon so munter sein konnte. Die Antwort lag wahrscheinlich darin, dass sie dafür bezahlt wurde. »Heute steht das erste Training an und ich möchte, dass ihr euch ganz fest Mühe gebt«
»Wäre ja irgendwie unsinnig das Training nicht zu nutzen«, bemerkte Rune und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Sag ich doch«, machte Irma, »aber übt nicht nur kämpfen. Ihr könnt genauso gut sterben, weil ihr kein Essen findet oder ihr euch selbst vergiftet«
»Schon klar«, sagte Rune und schnappte sich ein Brötchen aus einem der gefüllten Körbe. Geräuschvoll biss er hinein und es knirschte knusprig.
»Klar soweit?«, fragte Irma.
»Und sucht euch Verbündete«, meldete sich Harper zu Wort. Sie sprach grösstenteils zu mir, denn ihr Blick ruhte auf mir.
Rune und ich nickten, dann frühstückten wir ausgiebig. Eigentlich hatte ich keinen Hunger, aber Harper brachte mich dazu, dennoch ein Stück Toast hinunterzubringen.
Während dem Frühstück schwärmte Irma noch von den Vorzügen des Kapitols, stellte uns verschiedenste Waffen vor und tat so, als würde sie sich ernsthafte Sorgen um uns machen. Ich nahm ihr das nicht ab. Wir waren nur zwei weitere Jugendliche um die sie sich zu kümmern hatte. Nächstes Jahr würde sie keinen Gedanken mehr an uns verschwenden, sondern die nächsten beiden Tribute betreuen. Denen würde sie wahrscheinlich auch eintrichtern, dass sie sich um sie sorgte. Es war doch immer dasselbe.
Nach dem Essen verschwand ich wieder in meinem Zimmer. Auf meinem Bett lag schon die Kleidung für das Training bereit.
Es war eine schwarze Hose und ein enganliegendes Oberteil mit weißen Ärmeln, auf dessen Rücken die Nummer vier aufgedruckt war. Alles passte wie angegossen, auch die schwarzen, robusten Schuhe mit den weißen Schnürsenkeln.
Kaum, dass ich fertig war, wurde ich auch schon von Irma erwartet. Sie schwärmte wieder einmal über die dämlichsten Dinge und begleitete uns zusammen mit Harper ins Trainingscenter. Rune sah genauso missmutig aus, wie ich es wahrscheinlich tat. Das Gerede von Irma ging mir ja sowas von auf den Sack. Am liebsten würde ich ihr ein Stück Stoff in dem Mund stopfen, damit sie endlich still war.
Wir gingen die Gänge entlang, bis zum Fahrstuhl, dann fuhren wir bis nach unten, wo sich das Trainingscenter befand. Während der Fahrt im Fahrstuhl, schaffte ich es, Irmas Gerede einfach auszublenden und mich auf meine Gedanken zu konzentrieren.
Wie würde ich vorgehen, wenn ich in der Arena war? Ich wusste es nicht, aber ich würde bestimmt nicht zum Füllhorn laufen, um sofort umgebracht zu werden. Die anderen Tribute werden es wahrscheinlich auf mich abgesehen haben, ihnen direkt in die Arme zu laufen, wäre einfach nur dumm.
Und wie sollte ich Verbündete finden? Wer wollte sich mich einem nichtsnutzigen Mädchen verbünden, das noch nicht einmal kämpfen konnte? Ich wäre nur Ballast.
Irma schob mich aus dem Fahrstuhl. Augenblicklich schreckte ich aus meinen Gedanken hoch. Wir folgten dem Gang und bogen schliesslich nach recht ab. Nachdem wir durch eine weitere Tür gegangen waren, hatten wir das Trainingscenter erreicht.
Ich schaute mich neugierig um. Es gab Haufenweise Stationen mit Waffen, einen Geschicklichkeits-Parkour, Überlebensstationen und noch vieles mehr. Am anderen Ende der Halle, konnte ich eine Kampfsimulation sehen, vielleicht irrte ich mich aber auch und es war etwas völlig anderes.
Erst jetzt bemerkte ich die anderen Tribute, die sich versammelt hatten. Wenn ich richtig schätzte, waren es noch nicht alle. Hinter uns kamen noch weitere Tribute in die Halle und nach wenigen Minuten, waren alle versammelt.
Eine große Frau mit blonden Haaren, trat mit zügigen Schritten in die Halle und stellte sich vor uns auf. Sie stemmt die Hände in die Hüften.
«So, willkommen zu eurem ersten Training. Ihr werdet insgesamt drei Tage Zeit bekommen, um euch auf die Arena vorzubereiten», begann sie mit ihrer Rede. Mein Blick wanderte zu den Tributen aus Distrikt 1 und 2. Sie grinsten so, als ob ihnen der Sieg schon sicher wäre. Obwohl ich im Grunde auch ein Karriero war, fühlte ich nichts dergleichen.
«Ihr denkt jetzt, dass die Waffen das allerwichtigste sind, aber ihr könnt genauso gut wegen einer Infektion oder einer Vergiftung sterben. Vergesst diese Stationen also nicht»
Ich schluckte schwer. Ich konnte nichts von dem, was man hier lernen konnte. In drei Tagen werde ich niemals alles Nötige erlernen können. Ich konnte keine Pflanzen nach giftig und nicht giftig unterscheiden, ich konnte mit keiner einzige Waffe umgehen – Karotten mit einem Küchenmesser schneiden zählte wahrscheinlich nicht – und was das Behandeln von Verletzungen anging, da kannte ich nur das Nötigste.
«Es ist euch verboten mit den anderen Tributen zu kämpfen, dazu habt ihr in der Arena noch genug Zeit», schloss die Blonde ab und verließ mit einem auffordernden Nicken den Raum.
Ich schaute mich um. Keine Ahnung, wo ich beginnen sollte. Ich hatte auf jeden Fall alles nötig.
Nach einigem Überlegen ging ich zu der Station, wo man giftige Pflanzen erkannte. Ein Mädchen in meinem Alter war auch da und tippte mit schnellen Bewegungen auf einem Bildschirm herum. Sie wusste auf jeden Fall, was sie tat.
Ich ging einige Schritte näher und klopfte ihr vorsichtig auf die Schulter, sodass sie auf mich aufmerksam wurde und sich zu mir umdrehte. Ihre Mundwinkel hoben sich leicht.
«Wollen wir zusammen üben?», fragte ich.
«Wieso nicht», antwortete sie und rückte ein Stück zur Seite. Dankend stand ich neben sie.
«Könntest du mir erklären, wie man giftige Pflanzen von den nicht giftigen unterscheidet?», fragte ich.
«Klar. Aber das Meiste ist einfach Übung», entgegnete sie. Danach stellte sie mir die verschiedensten Pflanzen vor und sagte, welche giftig waren und welche nicht. Die meisten vergaß ich gleich wieder, aber mache – es waren die, die speziell aussahen – konnte ich mir einprägen.
«Also Willow, wie heißt diese Pflanze?», fragte sie, nachdem wir alle Pflanzen dreimal durchgegangen waren.
«Nachtriegel?», sagte ich und schaute fragend in Novas Richtung.
«Richtig!», sie nickte, «und sind sie giftig?»
«Nein, die kann man essen», antwortete ich.
«Bloß nicht. Du wärst tot, bevor sie deinen Magen erreichen»
«Oh!», entfiel es mir und ich verfluchte mich dafür, dass ich es mir nicht hatte einprägen können. Wie sollte ich mir all das in so wenig Zeit merken?
Ich verdrängte den Gedanken, da er mich nur davon abhielt, in Ruhe zu trainieren. Denn wie gesagt, ich konnte jede Minute gebrauchen.
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