Kapitel 46
Eren
Ich hatte mehrere Tage darüber nachgedacht das zu tun. Ich wusste, dass ich es nicht durfte. Ich wusste auch, dass ich dafür wieder unter Arrest gesetzt werden konnte, wenn ich erwischt würde. Ich wusste nicht, ob es sich lohnen würde, aber ich wusste, dass ich der einzige war, der es schaffen könnte. Levi schlief tief und fest in meinen Armen. Er sah ruhig und sorglos aus, ein Ausdruck, den ich nur zu gerne auf seinem Gesicht sah. Vorsichtig zog ich meinen Arm unter seinem Oberkörper raus und hoffte inständig, dass ich ihn dadurch nicht wecken würde. Warum musste ich das auch ausgerechnet heute machen? Warum suchte ich mir dafür so einen schlechten Zeitpunkt aus? Das würde sich jeder vernünftige Mensch denken. Aber die hätten vermutlich nicht daran gedacht, dass heute der einzige Tag war an dem nur zwei Soldaten zum Schutz postiert waren, da die anderen vor Trost ein paar Titanen erledigten. Es war meine Chance. Womöglich die einzige Chance, die ich jemals bekommen würde. Ich verließ das Zimmer und schlich mich aus dem Hauptquartier des Aufklärungstrupps. Der Mond leuchtete am Himmel in Sichelform und machte mir den Weg sichtbar. Es waren keine Menschen mehr unterwegs, was für mich nur umso besser war. Je weniger Leute mich heute draußen sehen, desto besser. Levi wird bestimmt sauer auf mich, wenn er es raus findet. Nicht nur, weil es verboten ist für uns Rekruten dort hin zu gehen, sondern auch, weil ich ihn nicht in mein Vorhaben eingeweiht habe. Er wird so wütend sein. Dachte ich eingeschüchtert, weshalb ich kurz zögerte, aber dann lief ich weiter. Ich musste das tun! Es war nicht nur für mich, weil ich mehr darüber wissen wollte, sondern auch für Levi und den Rest der Menschheit. Ich wollte mehr über dieses Mädchen wissen, dass wir gefangen hatten. Ich kam bei den Eingang zu der Treppe an, die runter in die Kerker führte. Es war nicht das selbe Gefängnis, in dem ich damals eingesperrt wurde, wo ich Levi zum ersten Mal wirklich gesehen und zum ersten Mal seine Stimme gehört habe. Diese Kerker wurden erst später extra angefertigt, für den Fall, dass weitere wie ich auftauchen und im besten Fall gefangen werden, so wie es mit dieser Frau der Fall gewesen ist. So leise ich konnte, schlich ich mich die Treppe hinunter in die nur von ein paar einzelnen Fackeln beleuchteten Gänge. Insgesamt gab es um die dreißig normale Zellen und zehn weitere, die extra für Titanen gebaut wurden. Für Hanji wurden auch zwei Zellen gebaut, in denen sie mit ihren Titanen experimentieren konnte, weshalb es hier meistens ziemlich laut war, aber da sie jetzt auf Mission war, war es still. Ich ging weiter, bis ich in dem Gang ankam, an dessen Ende sich die Zelle der Frau befand. Sie hockte angekettet in der Ecke und hatte den Blick auf den Boden gesenkt. Sie trug ein langes Nachthemd, welches voller Dreck war. Es war kalt und es stank hier unten. »Wieso bist du hier, Eren Jeager?« fragte sie, als ich schon gut zwei Minuten stumm vor ihrer Zelle gehockt habe, und hob den Blick. »Woher weißt du wie ich heiße?« stellte ich eine Gegenfrage und sie schmunzelte leicht. »Mir wurde von dir erzählt weißt du.« »Von wem?« »Sag ich dir nicht.« sie wandte den Blick von mir ab und schloss trotzig die Augen. »Hör zu.« ich setzte mich vor ihr auf den Boden und legte die Hände in den Schoß. »Ich will endlich antworten haben. Genau wie ich bist du ein Titanenwandler und du scheinst mit dem colusalen und dem gepanzerten Titan irgendwie zusammen zu arbeiten-« »Da liegst du falsch.« verwirrt sah ich sie an. Sie hatte den Blick wieder gesenkt und hielt die Augen geschlossen. »Ich arbeitete nicht mit ihnen zusammen. Sie haben mich in der hand.« sagte sie und sah mich wieder an. »Als ich die Kontrolle über dich genommen habe, hab ich in dein Herz gesehen. Ich kann dir vertrauen, nicht wahr?« fragte sie und ich zögerte. Wollte sie sich mir etwa öffnen? »Ja, das kannst du.« versprach ich und ein leichtes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen, dann begann sie zu erzählen. »Ich habe bis vor fünf Jahren mit meiner Familie, als meinem Mann und meinem neugeborenen Sohn, in diesem Dorf gelebt, bevor die Titanen kamen. Wir haben uns in unserem selbst gebauten Bunker versteckt, weshalb wir die Evakuierung verpasst haben und zurück blieben. Wir wurden von zwei Jungen und einem Mädchen gefunden. Der eine Junge hier Reiner Braun, der andere Berthold Hoover. Das Mädchen hieß Annie Leonhart. Sie haben uns bedroht, wollten uns tötet, doch das Mädchen schlug etwas vor und so kam es, dass sie mir plötzlich eine Spritze gaben und ich mich in einen Titanen verwandelt habe. Was dann geschah weiß ich nicht mehr, aber irgendwas muss geschehen sein, denn ich habe mich wieder zurück verwandelt. Meine Familie war nicht mehr im Bunker und ich fand einen Zettel. Lerne deine Fähigkeiten zu kontrollieren oder sie alle sterben.
Um sie zu retten habe ich Tag und nach geübt und vor einigen Monaten fand ich erneut einen Zettel.
Sie sind in der Kirche. Lass dir was einfallen, oder sie werden gefressen. Ich habe tagelang darüber nachgedacht, wie ich sie da raus holen könnte, ohne, dass die Titanen angreifen, als ich eines Tages unterwegs war, ich den Aufklärungstrupp gesehen und den Hauptgefreiten entführt habe, weil ich gespürt habe, dass er in diesem Moment am verwundbarsten war. Dann habe ich meine Familie gerettet und als ich dich gesehen habe, habe ich gehofft, dass du ihn retten würdest und das hast du getan.« »Natürlich habe ich das. Ich hätte ihn nie einfach sterben lassen.« sie lächelte leicht. »Ich habe meine Familie zurück in den Bunker gebracht, doch diesmal waren dort zu viele Menschen. Sie haben uns überrumpelt und meine Familie würde entführt. Schon wieder. Reiner und Berthold waren wieder da, ohne das Mädchen und sie haben mich gezwungen hier zu bleiben und zu warten, bis der Aufklärungstrupp wieder da ist. Dass ich dich manipuliert habe, war ihr Plan gewesen. Ich sollte den Aufklärungstrupp von innen heraus durch dich vernichten, aber ich bin gescheitert. Meine Familie ist vermutlich schon tot und ich werde es auch bald sein. Sie werden mich an jemanden verfüttern, damit dieser meinen Titanen übernimmt.« stumm saß ich einfach nur da und hörte mir ihre Geschichte an. Sollte ich ihr das glauben? Sie wurde erpresst? Und was meinte sie mit 'Sie werden mich an jemanden verfüttern, damit der meinen Titanen übernimmt'? Lief das so ab? Ein Mensch frisst als Titan einen Titanenwandler und übernimmt so diese Kräfte? Reiner und Berthold... Zwei ehemalige gute Freunde von mir, die nun meine größten Feinde waren. »Weißt du wo Reiner und Berthold sich aufhalten?« fragte ich und sie nickte leicht. Damit war es für mich entschieden. Ich stand auf und sie sah mich fragend an. »Wo gehst du hin?« fragte sie und ich lächelte leicht. »Ich komme gleich wieder und hole dich ab. Wir gehen gemeinsam und retten deine Familie. Ich werde Reiner und Berthold töten, das verspreche ich dir.«
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