Vollmond
"Ich meinte das Mädchen und Lupin."
"Ich habe keine Ahnung wovon du redest."
"Natürlich wissen sie das!" brauste Snape da wieder auf. Doch er erhielt keine Antwort mehr. Stadtdessen drehte der Schulleiter sich wieder um und begab sich erneut in Richtung des Innern des Schlosses. Mit einem wissenden Lächeln im Gesicht.
Ein paar Tage vor Weihnachten hatte es angefangen zu schneien und seitdem nicht mehr aufgehört. Als Evie am Weihnachtsmorgen aufwachte, konnte sie dementsprechend eine dicke Schneeschicht durch das Fenster ausmachen. 'Wären Fred und George jetzt hier hätten wir eine fette Schneeballschlacht veranstalten können.' schoss es ihr durch den Kopf. Doch die junge Zauberin verschob den Gedanken wieder schnell. Es hatte keinen Sinn über etwas nachzudenken, was ohnehin nicht passieren würde.
Evie entschied sich an diesem Morgen dazu, ihre Schuluniform einmal im Schrank zu lassen und zog sich eine schwarze Muggelhose an. Passend zu Heilig Abend wählte sie einen tannengrünen Sweater dazu, welcher ihr einige Nummer zu groß war. Denn trotz der Tatsache, dass es ein Feiertag war, sah sie keinen Grund, sich außergewöhnlich elegant anzuziehen.
Immerhin waren Ferien, nahezu jeder war über die Ferien nach Hause gefahren und außerdem war sie wirklich nicht in der Stimmung. Sie hatte nicht gerade gut geschlafen. Immer wieder war sie aufgewacht. Einmal hätte sie schwören können, sie hätte etwas oder jemanden Heulen gehört. 'Muss an dem Vollmond gelegen haben. Da schläft man ja bekanntlich schlechter.'
Nachdem sie sich also fertiggemacht gemacht hatte, schlürfte sie unmotiviert in die große Halle, um zumindest etwas zu sich zu nehmen, auch wenn sie im Grunde absolut keinen Hunger hatte und sie sich am liebsten wieder ins Bett verzogen hatte.
Zumindest war sie nicht die einzige. Als Professor Lupin einige Minuten nach ihr die Halle betrat, sah er noch schlimmer aus, als Evie sich fühlte. In diesem Moment hatte er gewisse Ähnlichkeit mit einem getretenen Welpen.
Fast hätte sie ihn darauf angesprochen und gefragt was los war. Allerdings auch nur fast. Im letzten Moment entschied sie sich dagegen. Irgendwie erschien es ihr dann doch zu persönlich. Sie wollte die frisch aufgebaute Freundschaft nicht gleich wieder ruinieren, indem sie sich in Sachen einmischte, die sie nichts angingen. Auch wenn sie sich zunehmend Sorgen um Lupin machte. Immer öfter war ihr aufgefallen, in welcher schlechten gesundheitlichen Verfassung er sich eigentlich befand. Besonders in den letzten Tagen schien es schlimm gewesen zu sein. Heute jedoch schien es äußerst drastisch zu sein. Nichtsdestotrotz blieb sie bei ihrem Entschluss ihn nicht darauf anzusprechen.
Sie wurde ohnehin von Harry abgelenkt, welcher sich in diesem Moment gegenüber von ihr niederließ. Scheinbar hatte jeder sich dazu entschlossen, möglichst lange zu schlafen und erst kurz vor Ende des Frühstücks aufzuschlagen. 'Absolut nachvollziehbar' wie Evie fand.
"Morgen" murmelte Harry träge, gleichzeitig lud er sich etwas des Rühreis auf seinen Teller. "Frohe Weihnachten" gab die junge Zauberin mindestens genauso unmotiviert zurück. Alle beide schienen gewissermaßen noch zu schlafen und mit einem "dir auch" von Harry war das Gespräch bereits wieder beendet. Keiner der beiden war jedoch sonderlich bekümmert deswegen.
Während Harry allerdings das Essen nur so in sich hinein schob, stocherte Evie lustlos in ihrem Obstsalat herrum. Letztendlich hatte sie vielleicht zwei Gabeln zu sich genommen, bevor sie das Schälchen wieder von sich schob und aufstand.
Etwas später ließ sich Black am großen See nieder. Müde lehnte sie sich mit dem Rücken an einem etwas kleineren Felsen an und schloss entspannt die Augen. Nach einiger Zeit konnte sie Schritte hinter sich ausmachen, jedoch fehlte ihr die Motivation, die Augen zu öffnen. Für den äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass es sich um etwas wichtiges handelte, konnte die Person ja immernoch etwas sagen.
Auf einmal spürte sie, wie sich jemand neben sie setzte. Beunruhigender Weise konnte Evie allein anhand des Geruchs erahnen, um wen es sich dabei handelte. Den angenehmen Geruch von altem Holz und Zitrone, welchen sie das letzte Mal so intensiv kurz vor ihrer Panikattacke wahrgenommen hatte, als sie wortwörtlich in seine Arme gefallen war.
Ihr Verdacht wurde nur bestätigt, als eine Stimme ertönte, die eindeutig zu ihm gehörte: "Alles in Ordnung?"
"Sollte ich das nicht eher dich fragen?" antwortete Evie, bevor sie genauer darüber nachdenken konnte. Eigentlich hatte sie seinen Zustand ja nicht ansprechen wollen. "Wie meinst du das?" gab Remus zurück. Da entschied sich die junge Zauberin dafür, dass es nun eh schon zu spät war und sie ruhig nachfragen könne: "Naja seit Tagen siehst du aus, als hättest du nicht eine Sekunde Schlaf bekommen. Heute ist es besonders schlimm. Ist alles okay bei dir?"
Remus schwieg. Natürlich war ihm klar gewesen, dass es ihm zunehmend schlechter ergangen war. Das war nun einmal Teil des Werwolfdaseins, wofür er sich selbst so sehr hasste. Diesen Vollmond war er noch schlimmer gewesen als üblicherweise. Doch er hatte simpel gehofft, es würde niemandem auffallen. Als ihr Gegenüber nicht antwortete, ergriff Evie wieder das Wort: "Ich verstehe, dass man mal eine schlechte Nacht hat. Vielleicht sogar eine schlechte Woche. Aber du siehst wirklich nicht gut aus? Womöglich solltest du einmal mit Madame Pomfrey reden."
Ein trauriges Lächeln bildete sich auf Remus Gesicht. "Ich glaube nicht, dass Poppy mir helfen kann. Nicht in diesem Fall."
Bei diesen Worten, richtete sie sich auf. Etwas, bei dem nichteinmal eine sehr renommierte Heilerin helfen konnte, musste äußerst ernst sein.
"Wieso nicht? Was ist es?"
"Etwas, was ganz sicher nicht dein Problem ist. Außerdem sollte es mir nächste Woche schon wieder besser gehen." antwortete Remus. Mittlerweile war er deutlich angespannter als zu Beginn des Gespräches. Kein Wunder. Besonders sein letzter Satz war äußerst verdächtig und er war auch Evie nicht entgangen. 'Was könnte ihn wohl wachhalten, was nächste Woche nicht mehr da ist?' Es dauerte einen Moment, bis ihr eine relativ plausibele Antwort einfiel: Vollmond. Sie selbst hatte schlechter als normal geschlafen. Sie hätte nur nicht gedacht, dass der Mond solch eine starke Auswirkung auf jemanden haben könnte.
"Es ist der Vollmond nicht wahr?" fragte sie also nach. Remus Kopf schoss in die Höhe. Sein Körper spannte sich so stark an, dass selbst Evie neben ihm es spüren konnte. Nur verstand sie nicht wieso.
"Was?" brachte er schließlich zittrig hervor. Er stand komplett unter Spannung, die Nerven bis zum Zerreißen gespannt, während er Evie mit seiner Reaktion zunehmend verwirrte. "Viele Menschen schlafen bei Vollmond schlechter. Das ist doch völlig normal." versuchte sie also vorsichtig ihn zu beruhigen. Und es schien zu funktionieren. Es sah fast so aus, als habe man ihm eine unfassbar schwere Last von den Schultern gehoben. Sein Körper entspannte sich merklich neben ihr und auch sein Atem schien sich wieder zu normalisieren.
Nun etwas entspannter fuhr die Zauberin fort: "Ich hätte nur nicht gedacht, dass es so schlimm werden kann."
Mittlerweile hatte Remus sich wieder gefasst und er bekam sogar ein leichtes Lächeln zustande, bevor er ihr antwortete. Er hatte beschlossen, mitzuspielen und auch wenn es ihm nicht gefiel, Evie anzulügen, so war es wohl das Beste in diesem Moment. Dementsprechend versicherte er ihr also, wie viele Menschen unter diesem Problem litten und dass es sich durchaus so starkt auswirken konnte.
Danach musste er ihr noch versprechen, sich das nächste Mal ein Schlafmittel von Madame Pomfrey zu besorgen und damit war das Thema dann beendet.
Doch komplett überzeugt war Evie nicht so ganz. Seine Reaktion hatte sie misstrauisch gemacht. Er hatte viel zu sehr überreagiert, dafür dass es sich nur um Schlafprobleme handelte. Irgendwas an ihrer Frage hatte ihn reichlich nervös gemacht. Sie wusste nur noch nicht was.
22/08/2020
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