Missetat begangen
Nichtsdestotrotz konnte sie es nicht lassen, sich ein einziges weiteres Buch auszuleihen. Es hatte einen sonderbaren Einband und sah mehr aus wie ein Tagebuch als ein Schulbuch. Doch gerade das lies Evie hoffen, vielleicht doch etwas hilfreiches darin zu finden.
Und sie sollte Recht behalten.
Die nächsten paar Tage vergingen viel schneller als gedacht und all die Zeit kam Evie nicht ein einziges Mal dazu, sich das neue Buch einmal genauer anzusehen. Allerdings schien es auch niemand in der Bücherei zu vermissen.
Mittlerweile waren es nur noch zwei Tage bis Ferienende. Dennoch hatte Evie es irgendwie noch nicht geschafft, Potter die Karte zu übergeben. Entweder war er so übel drauf, dass sie lieber Abstand hielt, oder er sowie sie hatten anders zu tun. Oder sie konnte ihr gar nicht erst finden.
Das Ganze sollte jedoch heute endlich ein Ende finden. Evie hatte sich den ganzen Tag über nichts vorgenommen. Sie hatte sogar extra Remus abgesagt, mit welchem sie in den letzten Tagen viel Zeit verbracht hatte. Die beiden waren sich um einiges näher gekommen und noch war sich Evie noch nicht ganz sicher, was sie davon halten sollte.
Doch darum sollte es heute nicht gehen. Heute würde sie Harry aufsuchen und ihm dann die Karte überreichen. Keine weiteren Ausreden mehr. Auch wenn es ihr ehrlich gesagt etwas schmerzte, die Karte aufzugeben, so wusste sie auch, dass Harry sie mehr gebrauchen könnte.
Mit der Karte also in der Manteltasche versteckt, schlenderte die junge Black entspannt zum Frühstück. Sie war, wie immer, relativ spät dran, jedoch störte das sie nicht im geringsten. Solange sie noch Frühstück gekam, war alles gut.
Ihre heutige Zielperson, Harry Potter, schien allerdings schon fertig zu sein, denn er war nirgends in der großen Halle zu sehen. Andererseits könnte er auch verschlafen haben. In diesem Falle könnte er noch in jeden Moment die Halle betreten. Und auch wenn diese Variante um einiges unwahrscheinlicher war, als die erste, schließlich war Evie bereits ziemlich spät dran, so entschied die junge Zauberin sich dennoch dazu, bis zum Ende des Frühstücks zu warten.
Wie erwartet, war Harry letztendlich nicht mehr in der großen Halle aufgetaucht und so langsam aber sicher, musste Evie wohl umdenken. Natürlich könnte sie auch noch bis zum Mittagessen warten und hoffen, ihn dieses Mal anzutreffen, jedoch war diese Idee dann doch äußerst ineffektiv, zumal viele Schüler das Mittagessen, während der Ferien, einfach ausfallen ließen.
Sie musste sich also etwas anderes überlegen, um den Auserwählten zu finden.
Innerlich hätte sie sich schlagen können, als es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel. Die Lösung war so unfassbar einfach, dass sie sich fast schon schämte, dass es ihr noch nicht früher eingefallen war. Noch hatte sie ja die Karte der Rumtreiber. Und noch konnte sie sie ja auch weiterhin benutzten.
Mit einem möglichst unauffälligen Blick über die Schulter, versicherte sich die Zauberin, ob sie wirklich unbeobachtet war, bevor sie vorsichtig die Karte rausholte.
Leicht tippte sie mit ihrem Zauberstab auf das Pergament. Zeitgleich murmelte sie so leise wie nur irgendwie möglich: "Ich schwöre feierlich, ich bin ein Tunichtgut." Nur Sekunden später bildeten sich feine Tintenlinien auf dem Pergament. Immer mehr und immer weiter erstreckte sich die Farbe, solange bis sich eine Karte erkennen ließ. Mit der Karte erschienen ebenfalls Schuhabdrücke, mit den dazugehörigen Namen. Es waren weniger als sonst, aber doch einige.
Behutsam faltete sie die Karte auseinander. Sie konnte ja nicht wissen, dass sie von gleich zwei Personen beobachtet wurde.
Anfangs konnte sie Harrys Namen nirgends entdecken. Für eine Sekunde lang, dachte sie schon, er habe das Schlossgelände möglicherweise verlassen. Doch dann entdeckte sie seinen Namen und ein zugehöriges paar Schuhe. Er befand sich in der Eulerei. Und er war nicht alleine. Bei ihm befand sich ein gewisser Neville Longbottom. Evie erinnerte sich daran, wie sie sich neulich mit ihm und Harry beim Abendessen unterhalten hatte. Ein äußerst netter Junge, auch wenn er durchaus ziemlich unbeholfen war. Er war ebenfalls lieber in Hogwarts geblieben, anstatt zu seiner Großmutter nach Hause zu fahren.
Evie hatte das Gefühl, dass sie sie sich trotz der unterschiedlichen Umstände, in einer ähnlichen häuslichen Situation befanden. Denn auch Neville wohnte bei seinen Großeltern, zumindest hatte er so etwas in der Art erwähnt. Insgeheim fragte Evie sich schon, was wohl mit seinen Eltern passiert war, dass er bei seiner Großmutter lebte, allerdings war das keine Frage, die man mal eben beim Abendessen stellte. Hoffentlich würde sich irgendwann einmal die Gelegenheit ergeben, ihn darauf anzusprechen.
Endlich im siebten Stock angekommen, packte Black die Karte der Rumtreiber eilig wieder in ihre Manteltasche. Sowohl Harry, als auch Neville hatten sich nicht mehr bewegt. Somit waren sie beide noch in der Eulerei.
Die junge Zauberin war leicht angeschlagen von dem halben Sprint in den siebten Stock, dennoch blieb sie nich stehen, sondern bog entschlossen um die Ecke. Sie war noch einige Meter von der Eulerei entfernt, doch bereits jetzt konnte sie Harry und auch Neville klar erkennen.
Beide standen sie mit dem Rücken zu ihr gedreht, die Arme auf dem Geländer. Sie schienen in Gedanken versunken zu sein, denn keiner von beiden sprach ein Wort. Andererseits wäre es natürlich auch möglich, dass sie einfach zu leise sprachen, um sie aus dieser Entfernung zu verstehen.
Je näher sie an die beiden herran kam, desto sicherer wurde sie sich, dass die beiden sich tatsächlich äußerst leise unterhielten. Da sie weder lauschen, noch einen der beiden in Verlegenheit bringen wollte, beschloss Evie, auf sich aufmerksam zu machen, indem sie sich leicht räusperte.
Neville fuhr regelrecht erschrocken zusammen, während Harry nur leicht zuckte, bevor er sich umdrehte.
"Oh h- hii Evie. Was- was tust du denn hier?" plapperte Longbottom verschreckt. Harry hingegen starrte sie nur stumm an.
"Hallo Neville. Ich hoffe ich störe nicht, aber ich müsste mich mal mit Harry unterhalten." antwortete Evie ihm freundschaftlich. Dann fügte sie noch eilig ein "Alleine" hinzu.
"Oh ja klar. Ich ähh- ich wollte sowieso gerade gehen." quasselte der ohnehin schon verunsicherte Gryffindor hastig, bevor er eilig davon stolperte.
Harry rief ihm noch hinterher, dass er ihn beim Abendessen sehe, bevor er gänzlich verschwunden war.
"Also, wieso willst du so umbedingt mit mir reden?"
"Fred, George und ich haben bemerkt, dass du nie in Hogsmead dabei bist."
"Schon aber ich se-" fing Harry an, jedoch unterbrach Evie ihn gleich wieder: "Weshalb wir uns darauf geeinigt haben, dir das hier zu überlassen." sagte sie. Zeitgleich holte sie die Karte aus ihrer Manteltasche.
"Danke..äh.. schätze ich." sprach Harry während er die Karte entgegennahm. "Aber ich sehe nicht wie mir dieses Stück Schrott helfen soll."
Evie zog hörbar scharf die Luft ein. "Also wirklich. Das ist doch kein Schrott. Das, mein Lieber ist vermutlich das Beste, was du jemals besitzen wirst, abgesehen von deinem birnigem Umhang. Welcher zugegebenermaßen durchaus ziemlich abgefahren ist. Aber dieses Pergament hier, ist mindestens genau so gut. Wenn nicht sogar besser."
Ehrlich gesagt übertrieb Evie vermutlich gerade maßlos. Höchstwahrscheinlich lag das an dem Einfluss der Zwillinge.
Leicht verstört zog der Schwarzhaarige eine Augenbraue in die Höhe, während er das Pergament unsicher auseinander faltete. Kaum war er damit fertig, tippte sein Gegenüber auch schon mit ihrem Zauberstab auf das Pergament und verkündete laut: "Ich schwöre feierlich, ich bin ein Tuhnichtgut."
Wie auch das letzte Mal, verwandelte sich das lehre Pergament in eine Karte Hogwarts, mit Fußabdrücken und Namen unterschiedlicher Leute. Sie konnte regelrecht sehen, wie sich die Zweifel in Harrys Augen auflösten und Platz für Erstaunen und Faszination machten.
"Ist das-"
"Eine original Karte Hogwarts, mit allen Verstecken und Geheimgängen."
"Und das.."
"Tatsächlich Neville, wie er den Gemeinschaftsraum betritt."
"Fantastisch! Wo habt ihr die her?"
"Die Zwillinge haben sie in ihrem ersten Jahr Filch abgenommen."
"Und ihr seid sicher, dass ihr mir die überlassen wollt?"
Zustimmend nickte Evie, bevor sie weiterredete: "Definitiv. Du brauchst sie mehr als wir. Da ist nur noch eine Sache. Du darfst niemals vergessen, sie nach dem Verwenden wieder zu deaktivieren."
Erneut platzierte sie ihren Zauberstab auf dem Pergament. Daraufhin sprach sie deutlich "Missetat begangen" woraufhin sich die Karte wieder in Nichts auflöste. Übrig blieb nur noch ein leeres Stück Pergament.
"Das ist wirklich nett von euch."
"Haben wir gern getan. Wie gesagt, wir brauchen sie nicht so sehr wie du."
Noch während Evie das sagte, setzten die beiden sich in Bewegung und liefen zurück in Richtung Treppenhaus. "Kommst du gleich mit zum Mittagessen?" fragte Harry sie, doch Evie schüttelte den Kopf: "Nein, ich hab da noch so ein Buch, das ich lesen will. Außerdem bin ich noch nicht wirklich hungrig."
"Alles klar, dann sehen wir uns wohl beim Abendessen." Mit diesen Worten bog der Schwarzhaarige ab, während Evie weiter geradeaus in Richtung Schlafsäle lief. Doch sie blieb noch einmal stehen, um ihm hinterher zu rufen: "Ach und Harry, lass dich bloß nicht damit erwischen."
01/09/2020
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