1. Tropfen - Mimik
67 Jir'Lore1982 n.n.O
Jelena ritt wie üblich im langsamen Schritt durch das Tor des Anwesens ihrer Familie. Gerader Rücken, erhobener Kopf, Damensitz, möglichst neutral-freundliche Miene zu allen um sie herum. Genau so, wie man es sie von klein auf gelehrt hatte. Dabei achtete sie peinlich genau darauf, dass ihre Röcke sittsam über ihre Beine fielen.
Nicht unbedingt, weil sie wert darauf legte, dass niemand ihre Beine sah, sondern damit keiner die verräterischen Schlammspritzer auf ihren Stiefeln sah, die sie sich vorhin zugezogen hatte, als sie durch knöcheltiefen Matsch gewatet war, um sich die Maserung eines Baumes aus nächster Nähe anzusehen. Käfer hatten seine Rinde zerfressen und er müsste bald gefällt werden oder diese Viecher würden wie eine Seuche auf alle umliegenden Bäume übergreifen. Innerlich machte sie sich eine Notiz, dringend und diskret mit dem Förster zu reden.
Ihr Vater schätzte es nicht, wenn sie sich in solche Angelegenheiten einmischte.
Dankbar lächelte sie dem Stalljungen zu, als er ihr einen Hocker brachte, mit dessen Hilfe sie aus dieser unpraktischen Reitposition vom Pferd kommen konnte. Ihre Füße standen noch nicht einmal ganz auf festem Boden, als Kalinke schon angerannt kam. „Jelena! Der junge Herr Hisenkind ist da. Er will um deine Hand anhalten!"
Die junge Frau seufzte geschlagen. Natürlich. Ausgerechnet Jorsen. Warum überraschte sie das nicht? Seit mehreren Zyklen fand der Kaufmannssohn jetzt schon immer wieder die nichtigsten Gründe, um auf das Anwesen ihres Vaters und in ihre Nähe zu kommen. Nach ihrer letzten Unterhaltung hatte sie gehofft, dass er es endlich lassen würde. Aber der junge Herr war entweder sehr stur oder schwer von Begriff. Jelena tippte auf Letzteres.
„Die werte Herrin sagt, du sollst dich beeilen und fertig machen. Er wäre eine hervorragende Partie!"
Jelena glaubte sofort, dass ihre Mutter das gesagt hatte und so folgte sie ihrer Magd zügig durch die große Eingangshalle.
Hinter sich hörte sie ein Seufzen, das zu den Göttern betete. „Könnte die junge Dame des Hauses das nächste Mal vielleicht nicht durch den Dreck robben?"
Besagte junge Dame des Hauses wirbelte herum und starrte direkt in Raorens spöttisch funkelnde Augen, die erst sie anblickten und dann vielsagend die Dreckspuren musterten, die ihre teuren Stiefel auf dem Boden hinterlassen hatten.
Dunkle Wolken schoben sich über Jelenas Gesicht. „Könnte der Herr Küchenjunge sich vielleicht um seinen eigenen Dreck kümmern, statt um den Meinen", knurrte sie schnippisch zurück. Normalerweise war sie nicht so, aber diesem jungen Mann wollte sie bei jeder Begegnung einfach nur den Hals umdrehen.
Doch ehe sie diesen verlockenden Gedanken in die Tat umsetzen konnte, griff Kalinke nach ihrer Hand und zog sie eilig weiter. „Komm Jelena! Wir müssen uns sputen! Bis zum Abendessen ist es nicht mehr lang! Den Dreck kann ja der Neue weg machen."
Hinter sich hörte Jelena Raoren – den Neuen – wieder vielsagend seufzen. „Genau das ist das Problem."
Nicht wenig später saß Jelena fein herausgeputzt am Abendbrottisch, direkt gegenüber von Jorsen und überlegte, wie sie dem jungen Mann so höflich und diskret wie möglich mitteilen konnte, dass er bitte kein Interessen an ihr haben sollte. Das würde ihre Eltern zwar nicht glücklich machen – aber in dieser Hinsicht waren sie auch Kummer gewohnt. So neutral wie möglich lauschte sie auf Jorsens Ausführungen über den Woll- und Tuchhandel, den sein Vater führte und den er irgendwann übernehmen würde.
Hinter ihm lief Raoren gerade entlang, um diskret das Geschirr der Vorspeise zu entfernen. Als er sich an Jorsen vorbeibeugte, um dessen Suppenschüssel zu greifen, fand sein Blick den von Jelena und er verzog unauffällig seine Miene – als würde etwas... müffeln.
Jelena blinzelte, verzog aber kein Gesicht. Auf so einen dummen Jungenstreich würde sie gewiss nicht eingehen. Stattdessen nickte sie Jorsen zu und erkundigte sich höflich, ob er nicht noch etwas Brot haben wollte.
Er wollte und Raoren brachte das geforderte, neue Brot. Und wieder verzog er eine Miene, als er direkt hinter dem jungen Händlerssohn stand.
Jelena verdrehte die Augen.
„Entschuldigung? Langweile ich Sie?"
Erschrocken blinzelte die junge Frau. Wie hatte sie sich nur so gehen lassen können? „Nein, Nein", antwortete sie hastig. Ganz kurz huschte ihr Blick zu Raorens feixender Miene. „Ich habe mich nur geärgert, dass Ihr Gedeck noch immer nicht richtig abgeräumt wurde. Das sollte schneller gehen."
Jorsen blickte Jelena überrascht an, während alle anderen Blicke vorwurfsvoll zu Raoren wanderten, der sich rasch wieder an die Arbeit machte.
Hoffentlich würde er später nicht in ihr Abendbrot spucken.
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Lichtis Quatschecke:
Ach ja - Jelena und Raoren. :D
Ich hatte mal überlegt, mehr zu schreiben, aber eigentlich hat Trell damals schon alles Wesentliche erzählt (auch wenn die Darstellung in manchen Punkten nicht ganz korrekt war, aber hej - Geschichte ist ja immer Auslegungssache...). Doch da die zwei andererseits für einen Vertrag verantwortlich sind, der auch über 150 Jahre später das Leben ganzer Landstriche maßgeblich gestaltet, wollte ich zumindest Etwas von ihnen aufschreiben. ^^
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