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16. Kapitel | Langeweile

We don't even have to try causeit's always a good time


Montage waren generell ziemlich scheiße, und Montage, an denen man acht Stunden hatte, waren noch einmal viel beschissener. Stegi brauchte Ruhe. Beim Gedanken an die Leute, die wegen der Wahl ihrer Fächer in nicht mal einer halben Stunde schon nach Hause konnten (und dafür dann am Dienstag länger bleiben mussten, gut), wurde er schon ein wenig neidisch.

„Warum eigentlich eine Website gestalten?", fragte er seufzend Tim und legte den Stift zur Seite. Sie hatten Kunst – also richtiges Kunst, nicht Kreative Darstellung, auch, wenn das im Moment kein riesiger Unterschied war – und anstatt dass sie sich mit etwas beschäftigten, dass wirklich damit zu tun hatte, sollten sie sich ein Design für die Seite einer Band überlegen.

„Warum eigentlich von Hand?", antwortete Tim und kritzelte irgendwas auf das Blatt Papier vor ihm. „Ich meine, dann sieht es ja nur noch furchtbarer aus, als wenn wir das einfach direkt programmieren würden."

„Weil ja auch jeder in diesem Raum in HTML schreiben kann."

„Ich kann jetzt auch nur das aus dem Unterricht, aber wir könnten es ja lernen. Dafür sind wir ja schließlich hier. Wusstest du, dass man den Kram inzwischen auch als Grafikdesigner braucht? Also das man sich nicht nur das Design von einer Seite ausdenkt, sondern es auch programmieren muss oder so."

Stegi drehte den Bleistift inzwischen wieder in der Hand und zeichnete die Silhouette von einem Menschen, den er vorerst als Bassisten der Band vorgesehen hatte. „Ich find' das ganz gut so. Zeichnen macht immerhin noch Spaß, im Gegensatz zu ewigen Zeilen Code, in denen der kleinste Tippfehler dein komplettes Ergebnis zerstört."

„Ansichtssache." Tim zuckte mit den Schultern. „Das hier würde bestimmt Spaß machen, wenn ich es denn könnte."

Schnell warf Stegi einen Blick auf sein Bild (es sah wirklich nicht besonders gut aus). „Warum hast du nicht einfach Musik gewählt?"

„Weil Herr Köhler mindestens die Hälfte der Schule in Musik unterrichtet und er mich nicht mag, glaube ich. Jedenfalls hat er mir in der Achten mal eine Fünf in Deutsch gegeben."

„Das ist sehr nachtragend von dir", lachte Stegi. „Aber ehrlich, wie hast du das bitte geschafft?"

„Ich hab keine Ahnung." Tim grinste. „Er hat mich einfach nur gehasst. Ehrlich, ich habe zwei Vieren geschrieben und hatte auf dem Zeugnis trotzdem eine Fünf, es ergibt einfach keinen Sinn. Auf jeden Fall will ich den nicht noch mal in Musik haben."

„Du hast immer noch eine Chance, dass es jemand anderes wird."

„Ich weiß aber von Fabian, dass er den Kurs unterrichtet. Also war es doch eine gute Entscheidung. Obwohl ich das wahrscheinlich wirklich besser gekonnt hätte, ich hatte mal ein paar Jahre Klavierunterricht."

„Du?" Sein Bassist bekam langsam ein Gesicht, wenn auch ein etwas Unförmiges. Seufzend korrigierte er die Stirn des Mannes und musterte das Ergebnis. War schon okay. „Hey, Tim, wie schauen denn die Leute aus Metalbands auf Bildern so?"

„Du machst 'ne Metalband?" Tim sah zu ihm herüber. „Ganz im Ernst, ich hab keine Ahnung. Kenn mich da nicht so aus."

„Ich auch nicht", gab Stegi zu. „Aber hier steht, die Band soll eine bestimmte Stimmung verkörpern, und das ist da bestimmt einfacher als bei so nem Popkram."

„Vermutlich."

Er nickte und sah wieder auf sein Blatt und ließ den Bassisten einfach irgendwie neutral schauen (hatten Metalbands überhaupt Bassisten?), ehe er den nächsten Typen zeichnete. Vielleicht der Sänger. Vielleicht sollte er auch weniger Zeit in die Bandmitglieder als in die Seitengestaltung selbst investieren, aber das wäre auch wieder zu viel Arbeit.

Schließlich wurde ihm die Stille zu langweilig. „Wie lange hast du denn Klavier gespielt?"

„So..." Tim überlegte kurz. „Sechs Jahre? Wurde dann aber irgendwann langweilig."

„So lang? Nicht schlecht."

Bevor er antworten konnte, wurde im von ihrer Lehrerin unterbrochen; Frau Mayer, die von sich behauptete, Fünfzig zu sein, aber eher aussah, als wäre sie mindestens doppelt so alt. „Ich erkläre das hier nicht für mich", bemerkte sie scharf.

„Pass auf, jetzt kommt's", grinste Tim.

„Ohne jemanden ansehen zu wollen!" (Sie sah bei diesen Worten Tim und Stegi so offensichtlich an, dass selbst einige Schüler, die geistig schon abgeschaltet hatten, ihnen den Kopf zudrehten.)

Stegi warf einen flüchtigen Blick auf die Tafel. Anscheinend hatte sie tatsächlich die letzten Minuten damit verbracht, irgendwas zu erklären, was er nicht mitbekommen hatte, und er holte schnell einen Zettel raus und schrieb die Stichpunkte ab, die sie dazu angeschrieben hatte. „Das ist so ein typischer Lehrersatz", bemerkte er leise und versuchte dabei, die Schrift zu entziffern. „In einem Lehrer-Bullshit-Bingo wäre der definitiv drin."

„Genauso wie ‚Ich beende den Unterricht.'"

„Und ‚Ihr habt euch für das Gymnasium entschieden, das ist die höchste Bildungsstufe Deutschlands, da schreibt ihr eben drei Klausuren an drei Tagen.'"

„,Flirten könnt ihr auch später.'"

„,Hast da etwa jemand sein Buch nicht eingeschlagen?!'", versuchte Stegi, flüsternd zu schreien.

„Oder ‚Wenn ihr nicht endlich still seid, dann machen wir –'"

Tim! Stegi! Ruhe jetzt!", schrie Frau Mayer bis zu ihnen in die letzte Reihe. „Oder wir machen die Aufgabe schriftlich."

Stegi unterdrückte ein Lachen und lehnte sich zu Tim. „Ihr vervollständigt schon die Sätze des anderen, ihr seid für einander bestimmt." (Dass er sich für die Bemerkung einen Stoß mit dem Ellenbogen – von Tim – und eine weitere Ermahnung – von der Lehrerin – einfing, war es definitiv wert gewesen.)

Ein paar Minuten später klingelte es, und Stegi packte besonders langsam seine Sachen ein, während er aus dem Augenwinkel beobachtete, wie Tim ihn immer genervter ansah.

„Wenn ich wegen dir die Bahn verpasse, ey..."

„Ach, stimmt", meinte er betont überrascht, „Du hast ja jetzt schon Schluss! Aber jetzt mal ehrlich, nach der Aktion am Donnerstag würde dir das nur rechtgeschehen."

„Ich hab's dir sogar noch geschrieben. Hätte ich dich in Bio anrufen sollen oder was?"

Zwar hatte er damit recht, aber Stegi würde sich diese Niederlage definitiv nicht eingestehen und schwieg darum einfach, als er seinen Rucksack schulterte und neben seinem Freund aus dem Raum ging. Die Bahn kam eh erst in vielleicht zehn, fünfzehn Minuten, da würde Tim sie schon nicht verpassen, wenn er ein wenig trödelte.

„Wünsch mir Glück, dass ich nicht vor Langeweile sterbe", verabschiedete er sich draußen und drehte sich zum Altbau der Schule um. Er würde rennen müssen, wenn er noch rechtzeitig zur siebten Stunde ankommen wollte (was er wahrscheinlich etwas früher hätte bedenken sollen), und als Tim aus seinem Blickfeld verschwunden war, hetzte er die Treppe nach oben in den zweiten Stock, wo er gerade noch hinter seinem Lehrer durch die Tür kam und sich auf seinen Standardplatz fallen ließ.

Es war erstaunlich, wie viel erträglicher lange Schultage waren, wenn man jemanden hatte, der sie mit einem überstand. Die letzten beiden Stunden zogen sich fast länger als die Sechs vor ihnen, und das lag nicht nur daran, dass das Thema irgendwie sehr einschläfernd war.

Stegi legte schließlich doch den Zettel mit dem Gedicht, mit dem sie sich beschäftigten, beiseite – Er war inzwischen der Meinung, es wenigstens halbwegs ordentlich zusammengefasst zu haben, und nutzte den Rest der Stunde lieber dafür, ein paar Skizzen an den Blattrand zu kritzeln. Am liebsten hätte er jetzt Tim oder Tobi angeschrieben, aber da er das Pech hatte, nur noch den Platz ganz vorne erwischt zu haben und sein Lehrer Adleraugen hatte, wenn es um das Thema Smartphones ging, fiel die Möglichkeit weg. (Außerdem saß Jan zwei Tische entfernt und obwohl er Stegi größtenteils ignorierte, würde er ihn wahrscheinlich sofort verraten.)

Also zeichnete er ein Auge und eine Kamera und nochmal den Bassisten seiner Metalband aus Kunst, weil er ihn ein kleines bisschen liebgewonnen hatte, spätestens, als er ihm die Narbe auf der Schläfe verpasst hatte. (Das war schon irgendwie ziemlich bescheuert, weil es eine Schulaufgabe war und eigentlich nur eine schnelle Kritzelei.)

„Stellt als Hausaufgabe die Interpretation fertig", hörte er die Stimme seines Lehrers und hob den Kopf.

Bis morgen?!", rief irgendjemand rein und wurde ignoriert.

„Und bestellt euch im Laufe der nächsten drei Wochen dieses Buch. Nach der Klausur werden wir uns damit beschäftigen." Sekundengenau aufs Klingeln beendete er den Satz und Stegi schrieb schnell die ISBN-Nummer und den Titel von der Tafel ab und flüchtete aus dem Klassenraum. (Acht Stunden hatten außerdem den Nachteil, dass man vom Ende der Stunde bis zum Eintreffen der S-Bahn genau drei Minuten hatte, und wie oft er wegen überziehenden Lehrern schon zu spät gekommen war, wollte er nicht einmal mehr Zählen.)

In den letzten paar Sekunden quetschte er sich noch durch drängelnde Schüler hinein, ließ sich auf einen Platz sinken (leider mit jemandem daneben, aber der hatte auch Kopfhörer drin und würde ihn dann wenigstens nicht ansprechen), und machte seine Musik an.

Kurz überlegte er, schon in der Stadt auszusteigen, um zu irgendeinem Buchladen zu rennen, aber letzten Endes war eh sich eh nicht ganz sicher, ob er das Buch überhaupt bestellen wollte. Schließlich würden sie in drei Wochen damit anfangen, also genau dann, wenn sie alle Klausuren schrieben und er nicht die Zeit und Motivation zum Lesen finden würde, und dann wären Herbstferien und er wäre eh schon weg. (Vielleicht hatte Lucy es ja noch irgendwo rumstehen – Der Titel kam ihm bekannt vor und eventuell hatte seine Schwester mal vor ein paar Jahren darüber geredet. Dann müsste er immerhin keine zehn Euro für Die Leiden des jungen Werther ausgeben.)

So unwahrscheinlich war das gar nicht, denn Lucy zählte zu den Menschen, die Bücher generell nicht wegschmissen, sondern sie in irgendwelchen Kisten und auf zig Regalbrettern aufbewahrten. Und sie machte Eselsohren in Seiten und kritzelte Notizen an den Rand und textmarkerte ihre Lieblingsstellen und beschwerte sich ständig darüber, dass Hardcover so teuer waren und Bücher so viel Platz wegnahmen. Wenn er ihr vorschlug, als Lösung einfach keine neuen zu kaufen, sah sie ihn allerdings nur sehr fassungslos an.

Also holte er sein Handy aus der Tasche und schrieb er eine Nachricht, ehe er durch seine anderen Chats scrollte. Nur Tobi hatte ihm geschrieben (Stegi fühlte sich ein klein wenig schuldig dafür, dass er sich nicht wirklich darüber freuen konnte, weil er auf Tim gehofft hatte), etwas relativ belangloses, und Stegi tippte schnell eine Antwort.

15:23 Hab jetzt auch endlich Schluss!

Tobi war online und es dauerte nicht allzu lange, bis er antwortete.

15:25 Oh, wie war dein Tag?

15:25 Nicht besonders, eigentlich, nur ziemlich lang eben

15:26 Ich hatte nur sechs Stunden. Und die letzte ist ausgefallen. :P

15:27 Nicht dein Ernst jetzt

Die Bahn hielt an seiner Station und Stegi beeilte sich, nach draußen zu kommen, ehe er wieder auf sein Handy sah.

15:28 Ich bin halt der Glückliche ;)
15:28 Wie läuft's sonst so?

Eine gute Frage. Tobi war definitiv nicht auf dem neusten Stand, was Stegis Leben betraf, und ihn jetzt über alles zu informieren, würde sehr lange dauern. (Gab es irgendeine vernünftige Art und Weise, auf die man schnell erklären konnte, das man jetzt plötzlich mit dem Typen aus dem Schulprojekt befreundet war und man in einem Monat wieder wegzog und das irgendwie ziemlich deprimierend war, aber es eigentlich auch schlimmeres gab, weil es eben Tim war und das schon funktionierte?) Nachdem er eine Weile einfach nur auf dem Bürgersteig gestanden hatte, tippte er doch noch eine Antwort.

15:32 Schon schräg, grad ist alles ganz schön okay, hab viel zu erzählen

Die Antwort kam schneller, als er es erwartet hätte.

15:32 Hör auf, in ominösen Songlyrics zu reden

15:33 I wish I wrote some better texts no one's ever read

15:35 Auch keine Variationen!!
15:35 Red einfach mal Klartext, Alter :D

Langsam begann Stegi, zu grinsen, während er sich auf die Suche nach dem richtigen Konter durch seine Playlist klickte.

15:39 Ihr habt alle nur n individuellen Style, doch ich beherrsche zur selben Zeit die Fälscherei

Tobi ging Offline, nachdem er die Nachricht gelesen hatte. Wahrscheinlich vergrub er gerade irgendwo leise den Kopf in den Händen und würde sich in ihrem Chat mit Veni später furchtbar aufregen. Aber eine letzte, kleine Nachricht musste noch sein.

15:40 Is it too late now to say sorry?

Damit zufrieden schaltete er sein Handy wieder aus und beschleunigte seine Schritte etwas, denn langsam begann er, hier draußen zu frieren. Zwar hatten sie heute den ersten Oktober (was halt viel mehr nach Herbst klang als Ende September), also hat das Wetter wenigstens ein wenig Berechtigung, scheiße zu sein – Er hätte trotzdem gern wenigstens einmal noch Sonne gehabt.

Schließlich hatte er es aber doch durch das eklige Sieben-Grad-Und-Grauer-Himmel-Draußen geschafft und zog die Wohnungstür hinter sich zu, kickte die Schuhe in die Ecke und hängte seine Jacke weg. Erstmal musste er sich ganz dringend um was Vernünftiges zu Essen bemühen (Schulmensabrezeln für fünfzig Cent waren zwar sehr erschwinglich, aber eben auch nicht sehr sättigend), und in den Küchenschränken fand er noch Brot, und Kaffeepulver, was er nach einem Montag mit langer Schule definitiv brauchen würde.

Zum Kochen fehlten ihm gerade absolut die Nerven, also musste eine auf Graubrot geklatschte Scheibe Salami reichen, und als auch der Kaffee endlich fertig war, ließ er sich mit beidem auf das Sofa sinken, schloss die Augen und atmete einmal durch. Der unangenehme Teil des Montags war geschafft.

Sein Handy vibrierte und er zog es nach draußen. Tim. Schnell entsperrte er und sah die Nachricht an, die er ihm gerade geschickt hatte.

15:58 Du hast jetzt doch bestimmt Schluss, oder?
15:59 Ich dachte mir nur, wir könnten ja heute mal den restlichen Kram drehen, Wetter ist erträglich!

Stegi sah seinen Bildschirm kurz zweifelnd an und fand es ein wenig schade, dass Tim seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte.

16:01 Das nennst du erträglich?
16:01 Aber klar, passt! Will nur erstmal noch was essen.

16:02 Nun ja, es regnet nicht, das ist erträglich genug

16:02 Touché
16:03 Also kommst du jetzt einfach her?

~ * ~

Eine halbe Stunde später standen sie gemeinsam im Hausflur und Tim hatte die Tasche mit der viel zu schweren Kamera dabei, die Stegi ihm hatte andrehen können. „Was wollen wir eigentlich drehen?", fragte er und Stegi zuckte nur mit den Schultern.

„Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Also echt nicht. Wo waren wir denn überhaupt?" Er griff nach dem Zettel, den Tim ihm hinhielt, und las dann vor. „Aber in Wirklichkeit hat jeder von ihnen seine eigenen Ängste und Sorgen, eigene Gefühle, eigene Gedanken, Wünsche und Ziele."

Stöhnend hievte Tim die Tasche die letzten Stufen nach unten und ließ sie an der Haustür fallen. „Wie war der Plan nochmal? Kleine Schnipselszenen zu allem?"

„Als wenn ich mich daran noch erinnere", schnaubte Stegi. „Ich meine, das war vor zwei Wochen oder so."

„Was hast du denn da alles drin?" Tim hielt die Tür mit dem Fuß auf, während er irgendwie nach draußen stolperte und Stegi, der das ganze belustigt von der Treppe aus beobachtete, scharf ansah. „Steine? Gewichte? Die Lasten deiner Vergangenheit?"

„Eigene Ängste", zitierte Stegi und ignorierte die Beschwerden seines Freundes, als er endlich neben ihm auf der Straße stand. „Also, Timmi, was sind deine Ängste?"

„Keine Ahnung?", formulierte Tim seine Antwort eher als Frage. „Also, nicht wirklich jedenfalls. Denke ich."

„Das war ein erstaunlich nichtssagender Satz."

„Was sind denn bitte deine Ängste?"

„Tja. Gute Frage." Er grinste schief. „Man könnte sagen, ich bin generell eher so der Schisser."

„Ne, mal im Ernst, irgendwas, wovor Menschen Angst haben könnten. Was man Filmen kann. So Höhen oder Einsamkeit oder Feuer..."

„Angst vor Licht", schlug Stegi vor. „Einfach und schnell organisiert. Wusstest du, dass es das wirklich gibt? Heißt Photophobie."

„Wie Photosynthese?"

„Genau."

„Muss grausam sein", bemerkte Tim und nahm die Tasche erneut. „Ich schlage Höhenangst vor. Du kletterst auf einen Baum in diesem kleinen Minipark und stehst dann oben und siehst einfach so aus, als würdest du dich total fürchten."

„Hey, warum muss ich das machen?"

„Weil du dich nach Norddeutschland verpisst, bevor ich diesen Film ansatzweise fertig haben, also machst du jetzt noch die unangenehmen Parts." Mit einem Grinsen warf er Stegi einen Blick zu und deutete vage nach rechts. „Ich weiß nur noch so ungefähr, wo's langgeht, also...?"

Ergeben seufzend lief er vor Tim die Straße hinab. „Ist doch eh scheißegal, ob's gut wird, es ist ein Kunstfach, also bist du am Ende mies."

„Manchmal überrascht mich deine realistische Art", lachte sein Freund. „Aber du hast ja recht, ich bin furchtbar in diesem Kunstding."

„Ich wette, eines Tages bewirbst du dich bei irgendeinem Job, und wirst dann mit der Begründung ‚Hier steht, Sie hätten in Kreative Darstellung nur eine 4- gehabt' abgelehnt."

„Und dich lehnen Sie ab mit der Begründung, dass du furchtbar pessimistisch bist."

„Bin ich gar nicht!", verteidigte Stegi sich sofort. „Meistens jedenfalls." Er öffnete das Tor des kleinen Parks – es quietschte – und sah sich schon einmal nach einem geeigneten Baum um. Merkwürdig, dass er hier erst vor ein paar Tagen noch zusammen mit Tim gesessen hatte. Jetzt, wo es nicht mehr regnete, wirkte der Park viel heller, aber auch wesentlich enttäuschender, irgendwie hatte er mehr erwartet – auch, wenn er hier schon oft genug alleine gewesen war.

„Wie wär's mit dem dahinten?" Einer der Bäume war ihm ins Auge gefallen, er stand ein wenig abseits von den anderen und sah robust aus – und außerdem hatte er eine ausreichende Anzahl Äste, auch weiter unten, so, dass es nicht schwer sein würde, hinaufzukommen.

Tim nickte. „Sieht gut aus. Wie baust du das denn jetzt auf?"

Gemeinsam bastelten Sie das Kameraequipment halbwegs ordentlich zusammen, und Stegi zeigte Tim noch die wesentlichen Funktionen. Dann wandte er sich zu dem Baum um und zog sich die ersten paar Äste nach oben, bis er etwa zwei Meter über dem Boden stand, danach waren die Äste eher als Zweige zu bezeichnen und er traute ihnen nicht mehr wirklich zu, ihn zu tragen. „Hast du mich drauf?"

„Ja, kannst anfangen!"

Er klammerte sich an dem Stamm fest und starrte nach unten, bemüht, einen möglichst erschrockenen Gesichtsausdruck aufzusetzen. (Wie ging sowas überhaupt? Stegi hatte noch nie geschauspielert und wusste nicht einmal genau, was er mit seinem Gesicht anfangen sollte, um so auszusehen, als würde er sich fürchten. In Gedanken an alle Situationen, in denen er bisher wirklich Angst gehabt hatte, verzog er die Mine, aber er hatte nicht das Gefühl, dass es besonders gut passte.)

„Bitte sag mir, dass du keine Karriere als Schauspieler planst", bemerkte Tim, als die Aufnahme fertig war (ein paar Sekunden reichten schließlich) und Stegi wieder nach unten kletterte. „Das wäre wirklich eine Katastrophe."

„War eigentlich nicht der Plan, nein." Schließlich sprang er einfach nach unten, weil ihm das Klettern zu doof wurde, und kam leicht schwankend auf dem Boden zum Stehen. „Kann ich mal sehen?" Stegi lachte, als er sein eigenes, absolut nicht überzeugend verzerrtes Gesicht sah. „Das kannst du nie im Leben nehmen, ganz im Ernst."

„Wenn man's schnell genug abspielt..." Tim zuckte mit den Schultern, schaltete die Kamera aus und machte sich daran, die Sachen wieder einzupacken. „Außer, du hast Lust, nochmal rauf zu klettern."

„Du könntest ja auch schauspielern."

Grinsend schüttelte er den Kopf. „Niemals!"

„Dann eben nicht", meinte Stegi und zog den Reißverschluss der Tasche zu, nachdem Tim das letzte Stück Equipment verstaut hatte. „Was war das Nächste? Sorgen?"

„Richtig." Erneut nahm Tim die Tasche und steuerte den Ausgang des kleinen Parks an. „Was kann man denn gut als Sorgen darstellen? Vielleicht eine Krankheit oder so?"

„Einer von uns liegt krank im Bett und so? Ist in Ordnung. Beziehungsweise, du liegst krank im Bett", stellte Stegi klar.

„Wenn's sein muss."

Sie ließen sich Zeit mit dem Weg zur Wohnung und damit, die Kamera wieder aufzubauen. Das Stativ stand gerade erst im Zimmer, als Stegi sich aufs Bett fielen ließ und die Arme hinter dem Kopf verschränke. „Ich habe keine Lust", verkündete er und warf einen Seitenblick auf Tim, der ihn amüsiert musterte. „Lass uns lieber irgendwas Cooles filmen."

„Dazu müssten wir erstmal irgendwas Cooles zum Filmen finden."

Er seufzte. „Wo du Recht hast, hast du Recht. Aber wir werden schon noch irgendwas Anderes zu tun finden als das hier." In Gedanken ging er die Dinge durch, die sie hier tun könnten – Zocken, was aber mit einem PC nicht wirklich Sinn machte, nochmal rausgehen, Serien schauen, Brettspiele... „Wir spielen Monopoly!"

„Ich hasse Brettspiele."

„Ich eigentlich auch, aber die unfassbare Freude, wenn du in diesem Spiel gewinnst, gleicht das wieder aus. Und ich werde definitiv gewinnen."

„Ja", lachte Tim. „Ganz bestimmt."

Stegi sprang auf und lief ins Wohnzimmer, um das Spiel zu holen. Sie besaßen wirklich wenig Brettspiele, weil sie nie welche spielten und keiner aus ihrer Familie sie wirklich mochte, aber wenigstens ein paar Klassiker hatten sie da (Sowas wie Mensch ärgere dich nicht oder Mühle oder Cluedo), und während er das Spiel aufbaute, las Tim sich nochmal die Anleitung durch, obwohl Stegi sich ziemlich sicher war, die Regeln noch zu kennen. Jedenfalls so ungefähr, und die Details waren ja eh nicht so wichtig.

„Wir sollten Schach spielen", schlug Tim vor, nachdem er in der ersten Runde direkt im Gefängnis gelandet war.

Stegi schüttelte den Kopf und zahlte 4000 Mark für einen der Bahnhöfe. „Nein."

„Weil du darin schlecht bist?"

„Ganz genau." Grinsend beobachtete er, wie Tim sich vom Gefängnis aus weiterging und dabei direkt auf der Hafenstraße landete. „200 Mark, Timmi!"

„Nur, wenn du mich in Zukunft wieder Tim nennst."

Stegi lachte nur und griff sich das Geld von ihm.

Das Spiel zog sich hin und ihm fiel wieder ein, warum er es seit bestimmt zwei Jahren nicht mehr gespielt hatte. Sie hatten gegen sechs Uhr angefangen, und dann hatte es irgendwann draußen angefangen, zu dämmern. Jetzt war der Himmel komplett dunkel und irgendwann zwischendurch war sogar sein Vater nach Hause gekommen. Stegi warf einen Blick auf die Uhr auf seinem Handy – Es war viertel vor neun.

„Hey, Stegi, du bist dran", erinnerte Tim ihn und drückte ihm den Würfel in die Hand. Inzwischen hatte er doch seinen Gefallen an dem Spiel gefunden, denn er hatte ein paar der wertvolleren Straßen abbekommen und schwamm deswegen quasi in Spielgeld. „Und würfele eine Fünf, bitte."

„Damit ich auf deiner Schlossallee lande, oder wie?" Herausfordernd blickte Stegi ihn an und würfelte – keine Fünf. Eine Drei. Es brauchte ein paar Sekunden, damit er realisierte, dass das auch nicht besser war. „Fuck, man."

„Mal sehen..." Tim durchwühlte seinen Kartenstapel. „Parkstraße mit drei Häusern... 22.000, bitte."

„Ich geb' dir gleich 22.000." Grummelnd sammelte Stegi die ausreichende Anzahl an Geld zusammen und schob sie in Richtung Tim, wobei er drei verschiedene Häuser umwarf

„Hey!", beschwerte Tim sich und schien abzuwägen, das selbst zu tun, ließ es dann aber doch sein. Stattdessen würfelte er und setzte seine Figur auf eines der Gemeinschaftskartenfelder. „Zahle an das Krankenhaus 2000 Mark." Stegi grinste zufrieden, obwohl 2000 Mark an diesem Punkt des Spiels nicht besonders viel waren – allerdings verging ihm das Lachen wieder, als er im nächsten Zug doch noch auf die Schlossallee ziehen musste.

„Hotel auf der Schlossallee... Hast du 40.000 Mark für mich?"

Als er die verbliebenen Scheine zählte, kam er maximal auf dreitausend. Seufzend betrachtete er seine restlichen Karten – Die Hafenstraße war schon lange eine Hypothek und die meisten anderen Straßen auch, nur die Bahnhöfe hatte er bisher eisern verteidigt, und wenn er alles zusammenrechnete, was er hatte, kam er genau auf 42.400.

„Sieh's positiv", meinte Tim. „Du hast immer noch die Elisenstraße und 'nen Vierhunderter."

„Ich hasse dieses Spiel." Stegi sammelte alles bis auf einen Vierhunderter und die Elisenstraße auf und warf sie auf Tim. „Ich geb's auf, ey."

Er sah auf, als ihn einer von Tims Hundert-Mark-Scheinen am Kopf traf. „Du hast angefangen", meinte sein Freund nur und Stegi rollte mit den Augen und warf ihn mit der Elisenstraße ab.

„Das ist unfair", bemerkte er, nachdem auch der Vierhunderter bei seinem Freund gelandet war. „Du hast viel mehr Material zum Werfen." Damit griff er nach dem Hotel auf der Schlossstraße, dass für seine fast schon sichere Niederlage verantwortlich war, und duckte sich gleichzeitig unter der Wasserwerk-Karte weg.

„Hättest du eben besser spielen müssen." Tim wich dem Hotel geschickt aus und griff stattdessen nach den Häusern auf der Lessingstraße, um sie als Munition zu missbrauchen.

Erst, als Stegi sich im Eifer des Gefechts sämtlicher 10.000-Mark-Scheine im Spiel bemächtigt hatte und „Ich habe gewonnen!" verkündete, hörten sie auf. Stegi rieb sich die Schläfe, wo ihn ein Haus doch sehr stark getroffen hatte, und wedelte mit den Scheinen in der Luft herum. „40.000 sind für mich quasi nichts."

Tim lachte nur und zupfte sich eine Spielkarte aus den Haaren.

„Ich hätte wirklich gewonnen. Wenn du nicht zuerst auf der Schlossallee gelandet wärst. Ich hasse Glücksspiele."

„Darum eben Schach. Das ist kein Glück."

„Nein, nicht Schach", grinste Stegi. „Wir spielen jetzt Schummeln."

(Es war sehr spät, als Tim schließlich nach Hause ging und Stegi in einem Meer aus Monopolyhäusern, Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Figuren (sie hatten sich beide sehr geärgert bei dem Spiel), Spielkarten und Scrabblesteinen zurückließ.)



Ich hoffe, ihr hattet wunderbare und nicht zu stressige Feiertage und ich wünsche euch allen schonmal im Vorraus einen guten Rutsch ins neue Jahr! :)

(Songzitat: Owl City feat. Carly Rae Jepsen - Good Time)
(Erwähnte (teils variierte) Songs: Casper feat. Kraftklub - Ganz schön okay, Twenty One Pilots - Stressed Out, Alligatoah - Kunst des Bitens Reloaded, Justin Bieber - Sorry)

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