Geheimnisse
Ich gehe zurück in meine Wohnung und mache mir Kaffee. Als mein Blick auf die leere Weinflasche fällt, muss ich schmunzeln. Es klopft. Ben steht vor der Tür, als hätte er gespürt, dass ich gerade an ihn gedacht habe. Er fragt:
„Kann ich mir bei dir einen Kaffee schnorren? Meine Maschine ist kaputt und die in der Großküche...naja."
Brr. Ja, ich verstehe.
„Klar, komm rein."
Als ich vor ihm in die Küche gehe, höre ich ihn plötzlich tadeln:
„Du hättest Papa eben nicht so anmachen dürfen. Er kann nichts dafür, dass Jon ein Arschloch ist."
Ich drehe mich um und starre ihn perplex an. Dann brumme ich:
„Was soll das jetzt?"
Er verzieht das Gesicht.
„Weißt du, Papa hat soviel durch gemacht. Woran ich natürlich nicht unschuldig bin, das sehe ich ja ein. Aber du..."
Ich drehe mich wieder weg und schenke uns Kaffee ein.
„Als du bei mir in Buenos Aires warst, hast du deinen Vater noch gehasst. Woher die plötzliche Wandlung?" frage ich.
„Ich habe gelernt, dass er ne ganz arme Sau ist und nur das Beste für mich wollte." antwortet Ben traurig.
Ich drehe mich wieder zu ihm und seufze.
„Hm, du hast recht. Tut mir echt leid, das von eben. Ich bin einfach so wütend auf Jon..."
„Verstehe ich. Er ist tierisch abgehoben. Und ehrlich, so eine Kuh wie Laura hätte ich nie geheiratet, und wenn sie noch so gut bläst."
„Wie bitte?" quietsche ich entsetzt.
Ben grinst.
„Wir waren völlig stoned...und Jon musste mal wieder mitten in der Nacht los zum Sender. Guck mich nicht so an, ich hab ehrlich nichts gemacht! Sie hat mir sofort an der Hose rumgefummelt, als Jon raus war!"
„Weiß er das?"
„Natürlich nicht! Ist ja auch nie wieder vorgekommen. Sie hat's öfter versucht, aber...nee."
„Du hast ja bestimmt genug Angebote, oder?"
Nun guckt Ben konsterniert.
„Danke für den Kaffee." brummt er und steht auf.
„Gerne, jederzeit." raune ich. „Und ich fand's gestern auch schön."
Er grinst.
„Gestern ist irgendwie nicht so lange her, was? Ich bin noch völlig groggy. Sorry, ich...wollte gerade nicht so doof sein."
Ben setzt sich wieder und schaut mir tief in die Augen. Woah. Dann sagt er:
„Ja, meine liebe, neugierige Cousine, ich habe einige Angebote gehabt. Doch meistens war ich so stoned gewesen, dass ich dir nicht sagen kann, ob was Ernstes dabei war. Und meine letzte Freundin hat die Fernbeziehung nicht überlebt. Weißt du, als Tontechniker reise ich mit den Bands herum und bin ständig unterwegs. So, jetzt bist du dran."
„Du kennst die Geschichte meiner letzten Beziehung." antworte ich leise.
„Der schwule Jose? Erzähl mir nicht, dass du seit acht Jahren keinen Kerl mehr hattest! So, wie du aussiehst..."
Ich rolle mit den Augen.
„Ich hatte dir doch damals erzählt, wie ich dazu stehe. Bevor du...mich geküsst hast."
„Stimmt. Weißt du, ich konnte nie verstehen, warum ausgerechnet du nicht gut darin sein solltest. Und es hat sich im Kuss ja auch bestätigt, dass du ziemlich heiß bist."
„Hör auf, du warst ein kleiner Junge. Wenn ich dich geküsst hätte, wie es sein sollte, wären dir die Ohren weg geflogen!" lache ich.
„Wetten nicht?" grinst Ben. „Ich hatte damals eine sechzehnjährige Freundin, die hatte mir gezeigt, wie's geht. Und dann du...wie du leise geseufzt hast, als ich deine Lippen berührt habe. Ich habe gespürt, dass du nach Liebe schreist. Natürlich nicht von so einem unerfahrenem Typen wie mir..."
Ich starre ihn an und schlucke. Schon wieder wandert sein Blick zu meinen Lippen. Ein Klopfen erlöst mich.
Ich gehe zur Tür und öffne.
„Elena, magst du runter kommen? Wir haben eine Menge zu besprechen. Und du auch, Ben." sagt Veronika und schaut skeptisch an mir vorbei.
„Ja, wir kommen gleich." antworte ich.
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