24. Das letzte Mal
Es war das letzte Mal, dass ich rannte. Ich spürte es, noch bevor die Alarmanlage losjaulte und ich die Schritte hinter uns hörte. Wir wussten nicht, wohin wir liefen, aber uns war klar, dass es keinen Ausweg gab. Egal was wir jetzt tun würden, es wäre das Letzte. Türen wurden aufgestoßen, überall herrschte Lärm, aber ich schaute mich nicht um. Ich war so oft vor den Toren der Hölle gestanden, jetzt fürchtete ich mich auch davor nicht mehr. Über uns huschte der Schatten eines grünen Schildes vorbei. Notausgang.
Ich wusste nicht, ob der Junge es gesehen hatte, aber ich wurde schneller ungeachtet meiner brennenden Lunge. Die Tür war unscheinbar, fast hätte ich sie übersehen, aber dann stieß ich sie auf und zerrte den Jungen hindurch. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber das war es nicht gewesen.
Es war Nacht, doch die Lichter der Stadt, die sich vor uns ausbreitete, leuchteten viel heller als die Sterne. Die Straße vor uns war kaum befahren und wir sprinteten darüber, kümmerten uns vorerst nicht um den Ort, an dem wir uns befanden. Jetzt wo der Lärm der Stadt uns umfing, konnte ich die Schritte unserer Verfolger nicht mehr hören. Wir bogen in eine schmale Seitengasse ein, rannten sie hinunter und nahmen eine Abzweigung nach links. Nach und nach drangen wir immer tiefer in das Gewirr aus schmutzigen, stinkenden Gassen ein.
Ich hatte schon ganz vergessen, wie eine Stadt roch. Irgendwo heulten Sirenen, aber es waren die eines Krankenwagens. Als wir endlich zum Stehen kamen, fing ich vor Anstrengung an zu zittern. Bevor wir weitergehen konnten, musste ich mich einige Minuten gegen die dreckige Wand lehnen, von der der Putz blätterte. „Wie heißt du?“, hörte ich mich fragen. Eine Weile sagte er nichts, dann antwortete er: „David.“ „Für den Fall, dass sie uns finden: Snow wird keine Gnade walten lassen. Er wird mich foltern und umbringen, aber davor wird er dafür sorgen, dass er gegen jeden einzelnen Tribut etwas in der Hand hat.“
Er musterte mich aus braunen Augen, die das Licht der Hochhäuser reflektierten. „Du hast es noch nicht verstanden Celine, aber er hat uns längst alle in der Hand. Selbst jetzt noch.“ Ich wusste, dass er recht hatte und doch stimmte ich ihm nicht zu. Stattdessen wechselte ich das Thema: „Wen hast du von den letzten Tributen gekannt? Die, die noch am Leben waren, meine ich.“ „Angelina, sie hat einmal versucht, mich umzubringen. Wäre ihr auch fast gelungen, wenn Daman nicht dazwischen gegangen wäre. Dayna hab ich schon vor der Arena kennengelernt, sie hat mir geholfen, mit den Waffen umzugehen. Ansonsten noch Summer, sie ist das Mädchen aus meiner Stadt und natürlich Gordon Belver, aber der hat sich auch jedem namentlich vorgestellt. Und du?“
„Ryen war mein Mentor. Livy habe ich in der Arena kennengelernt, als ich sie beklauen wollte. Heather war auch dort, ihr hab ich meine malträtierte Schulter zu verdanken. Gordon und Daman kenne ich auch. Ansonsten noch einen von den Jungs, aber ich kenne seinen Namen nicht. Er hat mir einmal aus der Patsche geholfen.“ David seufzte: „Eigentlich sollten wir sie alle da raus holen…“ Ich musste daran denken, wie er den drei schlafenden Mädchen das Genick gebrochen hatte. Vielleicht war das wirklich besser, als in der Arena kämpfen zu müssen.
„Stehen bleiben, oder Sie werden beide erschossen.“ Mein Herz machte einen Satz und ich war versucht, seinem Beispiel zu folgen. Stattdessen drehte ich mich langsam um. Eine junge Frau in schwarz grinste uns süffisant an, als hätte sie soeben den Witz des Jahrhunderts erzählt. „Erschießen Sie mich“, sagte ich ruhig und machte einen Schritt auf sie zu. David wollte mich noch aufhalten, aber dazu war es zu spät. Aber das Geschoss traf nicht mich, er hatte sich vor mich geschoben, bevor ich auch nur mit der Wimper zucken konnte. Er keuchte schmerzerfüllt auf und sackte zusammen.
Ich fing an zu schreien, noch bevor er auf dem Boden ankam. Tränen schossen mir in die Augen. Es war jetzt endgültig genug, ich hatte keine Lust mehr auf diese Spielchen. Ich rannte los, doch ich wurde getroffen, lange bevor ich bei der Frau ankam. Plötzlich tat meine Schulter überhaupt nicht mehr weh, stattdessen wurde alles schwarz.
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