9.
"In our dreams - I know it! -- we do make the journeys we seem to make: we do see the things we seem to see; the people, the homes, the cats, the dogs, the birds, the whales, are real, not chimeras; they are living spirits, not shadows; and they are immortal and indestructible."
~ Mark Twain
„Aufwachen! Jasper, Rosie, raus aus den Federn. Das Frühstück wartet auf uns und wir müssen in spätestens einer Stunde aufbrechen."
Ozz öffnet das Fenster uns ich spüre einen eisigen Windhauch, welcher mir ins Gesicht weht. Fröstelnd ziehe ich mir die Decke über den Kopf. Es ist viel zu früh, um aufzustehen. Doch ehe ich wieder einschlafen kann, wird mir die Decke vom Leib gezogen. „He! Es ist kalt uns ich will schlafen." Ozz hält zwei Steppdecken in der Hand und sagt streng: „Wenn ich etwas frühstücken wollt, müsst ihr euch JETZT aus dem Bett bewegen."
Er verlässt den Raum und schließt die Tür mit einem lauten Knall. Verschlafen zwinge ich mich aufzustehen und werfe mir hastig meine Weste über. Da Jasper immer noch nicht wach ist, rüttle ich ihn mit den wiederholten Worten „Aufstehen!" durch. Er wirft mir einen hasserfüllten Blick zu, aber steht schlussendlich doch noch auf. Gemeinsam, ohne ein Wort miteinander zu sprechen, gehen wir in die Stube. Ozz und die Wirtin sind die einzigen Personen im Raum. Er lacht uns fröhlich an und sagt: „Gut geschlafen?" Jasper hisst genervt: „Halt die Klappe, Ozz! Wie spät ist es überhaupt?" Ich blicke aus dem Fenster und vernehme die nächtliche Dunkelheit. „Es ist fünf Uhr morgens. Ich sagte doch, dass wir früh raus müssen." Ich überrede mich dazu, ein wenig Rührei und ein Stück Brot zu essen. Für mehr fühle ich mich nicht in der Lage. Nachdem wir uns gestärkt hatten, bedanken wir uns freundlich bei der Wirtin mit den zwei Gesichtern und machen uns anschließend wieder auf den Weg. Ozz geht voller Tatendrang voraus, Jasper und ich schleichen müde hinterher. Es wird wohl noch ein wenig dauern, bis jeder Teil unseres Körpers aufgewacht ist.
Wir spazieren einen steinernen Waldweg entlang und ich kann eine Schar Vögel zwitschern hören. Sie fliegen quer durch die Lüfte und verbreiten ihren Morgengesang. Auch im Osten erscheint die Sonne langsam wieder am Horizont. Eigentlich ist es ja verrückt. Obwohl ich in einer Parallelwelt gefangen bin, ist es genauso wie auf der Erde. Die Sonne geht auf, der Mond geht unter und es gibt auch dieselben Wettererscheinungen wie in meiner Welt. Wir wandern schon einige Zeit, als Jasper zu jammern beginnt: „Wie lange müssen wir heute gehen? Mir reicht unser gestriger Marsch vollkommen aus." Der Unterton in seiner Stimme erinnert mich an ein Kleinkind. Ozz beruhigt ihn. „Nein. Heute müssen wir nur am Vormittag gehen. Zum Mittagessen sind wir bereits bei Zora. Dazwischen werden wir natürlich Pausen einlegen."
Plötzlich bleiben meine Gefährten stehen. Gezwungener Maßen bringe ich auch meinen Schritt zum Stillstand. Wir sind an einer Kreuzung angelangt. Vor uns befinden sich Holzschranken, welche uns den Weg versperren. An ihnen ist ein Warnschild befestigt. „Was ist das?" Jasper antwortet: „Geh und ließ selbst. Oder kannst du gar nicht lesen?" Ich ignoriere seine Aussage und untersuche das Schild. Es sind alle vollen Stunden von 5 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags aufgelistet, diese stehen immer in Verbindung mit einem seltsamen Begriff.
"Wie spät ist es?", frage ich. Ozz antwortet mir, dass es kurz vor 7 Uhr ist. Bei 7 Uhr steht das Wort „Dodo" daneben. „Was bedeutet denn Dodo?" Jasper und Ozz sehen mich an, als wäre ich gerade eben auf dem Mars gelandet. Verdutzt fragt mich Ozz: „Du machst Witze, oder? Weißt du denn nicht was ein Dodo-Vogel ist?" Da geht mir plötzlich ein Licht auf. Wir haben diese Tierspezies im Geschichtsunterricht durchgemacht. Diese flugunfähige Vogelart ist auf der Erde schon längst ausgestorben. „Eine Herde Dodos sollte gleich unseren Weg kreuzen. Da dies hier eine Mischstraße ist, eine Straße, welche alle Geschöpfe verwenden dürfen, wird sie durch Schranken geregelt. So kann es zu keinen Kollisionen kommen." Und siehe da, im selben Moment höre ich laute Schritte auf uns zukommen. Um die 50 Dodos rasen wild auf der Querstraße an uns vorbei. Sie haben buntes Gefieder und gigantische Schnäbel.
Es ist ein atemberaubender Anblick, denn welcher 18-jährige Erdling kann schon von sich behaupten einen leibhaftigen Dodo gesehen zu haben? Ich wage zu behaupten, dass das nicht viele können. Als der letzte Vogel verschwunden ist, bewegt sich der Schranken langsam in eine senkrechte Position und macht uns den Weg frei. Ich blicke auch den Steinpfad und entdecke ich eine große Feder, welche in bunten Farben leuchtet. Ozz hebt sie vom Boden auf und reicht sie mir mit einem Grinsen im Gesicht. „Hier! Damit du nicht vergisst, was ein Dodo ist." Glücklich bedanke ich mich und packe die Feder sorgsam in meinen Rucksack. Nach dieser Begegnung, bin ich hellwach und setze die Reise mit Freude fort.
Wir bewegen uns noch eine Weile lang den Waldpfad entlang, als ich bemerke, dass wir von immer weniger Bäumen umzingelt sind. Die Umgebung füllt sich mit immer mehr Licht und schließlich verlassen wir das Reich der Bäume. Wir stehen am Rande eines Berges, der Wald befindet sich hinter uns und vor uns erkenne ich die endlosen Weiten des Horizonts. Ich genieße den wundervollen Ausblick. Sogar Jasper ist von dem Anblick sichtlich fasziniert. „Wow, ich habe den Nachtblauwald noch niemals zuvor verlassen. Du etwa, Ozz?" „Ja, aber nur einmal, als ich Zora besucht habe. Die Landschaft ist fantastisch, nicht wahr? Wenn ihr in die Ferne blickt, könnt ihr dort drüben das Schloss der Königin entdecken." Tatsächlich kann ich am Rande eines Dorfes ein majestätisches Schloss auf einem Hügel erkennen. „Jedoch müssen wir soweit nicht gehen. Unser Weg führt uns nicht einmal durch Sterndorf. Zora's Haus steht außerhalb des Örtchens." Jasper blickt den Abgrund herab. „Wir müssen erstmal hier hinab gelangen. Wie sollen wir das deiner Meinung nach anstellen? Sollen wir uns runterrollen?"Ozz packt ein Seil aus seiner Tasche. Ich ahne Böses. „Wer will zuerst?" Mit ungläubigen Unterton frage ich ihn: „Wir seilen uns die Steigung herab?" Er nickt und tritt näher an mich heran. „Und du bist die Erste, Rosie. Wenn das für dich in Ordnung ist?" Eine plötzliche Furcht steigt in mir auf. Für gewöhnlich habe ich keine Höhenangst, doch bei einem 20 m tiefen Abgrund und einer einfachen Schnur, bekomme ich Panik. Trotz meiner inneren Angst, möchte ich nicht wie ein Feigling dastehen. Auf die Kommentare, welche mir Jasper an den Kopf werfen würde, wenn ich kneife, habe ich nämlich keine Lust. „Bereit?". Ich lächele: „Bereit, wenn du es bist." Auch Ozz lächelt mich nun positiv überrascht an. Jasper's Blick werde ich ebenfalls nicht so bald vergessen. Mit meinem Mut hat er wohl nicht gerechnet. Verdutzt weiß er nicht wo er hinsehen soll, doch entscheidet sich schließlich seinen Blick gegen den Boden zu richten. Ozz bindet mir das Seil um die Taille, hängt das andere Ende um einen Baum und hält es zusätzlich selbst fest. Fertig zum Abseilen, stehe ich am Hang. Los geht's! Vorsichtig drehe ich mich und wage den ersten Schritt abwärts. Die Schnur halte ich dabei fest in meinen Händen. Ich versuche mich von abbröckelnden Steinen nicht irritieren zu lassen, doch das ist einfacher gesagt, als getan. Ich blicke nicht in die Tiefe und sage mir selbst motivierende Floskeln, wie „Du schaffst das" zu. Es kann nicht mehr weit sein, da ich im Augenwinkel die grüne Wiese erkennen kann. Nur noch 2 Meter... Ja, endlich geschafft. Erleichtert, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, lasse ich das Seil los. Wie von Geisterhand, verschwindet es aus meinem Blickfeld. Wenige Minuten später erreicht auch Jasper den Boden. Es sieht so aus, als hätte ihn der Abstieg äußerst mitgenommen. Er schluckt schwer und sein Gesicht ist kreidebleich. Ein wenig provozierend, frage ich ihn: „Höhenangst?" Anscheinend habe ich ihn auf frischer Tat ertappt. Erschrocken erwidert er: „Nein... Ich habe nie Angst." Kurz darauf kommt auch Ozz heil bei uns an. Er packt die Schnur wieder ein und wir marschieren weiter. Wir bewegen uns auf einer holprigen Straße in die Richtung des Dorfes. Im Gegensatz zum Wald, erscheint mir nun alles so weitläufig und frei. Felder und Wiesen erstrecken sich vor uns. Hin und wieder begegnen uns Gestalten, welche wir freundlich grüßen. Einige erwidern höflich, andere ignorieren uns. Diese Kreaturen stufe ich sofort, als äußerst unfreundlich ein. Schon als Kleinkind, hat mir meine Mutter gelehrt, wie wichtig das Grüßen Fremder, Tischmanieren, Bitte und Danke sind. Sie hat mich immer wieder mit folgendem Satz ermahnt: „Rosemary! Sich zu Benehmen wissen ist das A und O im Alltag einer jungen Lady." Mir sind ihre Lebensweisheiten jedoch immer auf die Nerven gegangen.
Ozz hält uns auf dem neuesten Stand: „In einer Stunde sollten wir bei Zora angelangen." Wir bewegen uns einen schmalen Pfad entlang, als auf einmal etwas unseren Weg kreuzt. Ein Hase. Jedoch kein gewöhnlicher Hase, denn dieser trägt einen Korb am Rücken, welcher mit bunten Eiern gefüllt ist. Überrascht frage ich: „Ist das der Osterhase?" Jasper und Ozz lachen.
Plötzlich bleibt der Hase stehen und plustert sich vor mich auf. Erzürnt spottet er: „Sag bloß, du lebst schon dein Leben lang in Traumwelt und hast noch nie einen Osterhasen erblickt?" Mir verschlägt es fast die Sprache. „Ähm..." Verzweifelt suche ich nach einer passenden Notlüge. Zum Glück ist Ozz schneller: „Oh, meine Freundin hat nur gescherzt. Das war ein Witz! Also, kein Grund zur Sorge." Erleichtert atme ich auf: „Genau! Nur ein Scherz. Hahaha. Reingelegt." In den Augen des Osterhasen lodert immer noch Feuer: „Sehe ich etwa aus wie ein Scherzkeks? Nur weil Ostern im April ist, bin ich nicht in der Stimmung für deine Späße." Ich will ihm die Meinung sagen und etwas erwidern, doch ehe ich den Mund öffnen kann, ist der Hase schon wieder davongehoppelt. Jasper ist erstaunt: „Komischer Kauz. Solch einen verstimmten Osterhasen, habe ich noch nie zu Gesicht bekommen. Der war ja vollkommen verrückt." Ozz kann ihm nur zustimmen. „Gibt es denn mehrere Osterhasen?", frage ich. Ozz antwortet mir: „Ja. Es gibt sogar fast so viele Osterhasen, wie normale Kaninchen. Sie sind sehr beliebt, vor allem in Kinderträumen." Der Weg führt uns weiter über eine Hügellandschaft. Meine Gedanken verweilen noch ein wenig bei dem Hasen. Als kleines Mädchen habe ich mich immer so sehr auf Ostern gefreut. Jedes Jahr bin ich aufgeregt durch den Garten gelaufen und habe die bunten Eier gesucht. Hätte ich diesen Osterhasen gesehen, wäre ich wohl ziemlich enttäuscht gewesen. Obwohl ich nun schon volljährig bin, hat mir sein harter Ton einen Schlag versetzt.
„Nun müssen wir uns rechts halten und durch das Gras gehen." Wir waten durch die hohe Wiese. Die Grashalme kitzeln meine nackten Beine. In naher Ferne, kann ich ein kleines Häuschen erkennen. Es erinnert mich ein wenig an ein Hexenhaus, da es fern von der Zivilisation steht. Nur ein paar blaue Tannen umzingeln die Hütte. Im Inneren sind alle Vorhänge zugezogen, deshalb kann ich leider keinen Blick durch das Fenster werfen. Es liegt der Geruch von dem Rauch in der Luft, welcher aus dem Schornstein des Hauses steigt. Jasper nähert sich als erstes der Tür. Er will sie gerade öffnen, als er laut aufschreit. Erstaunt frage ich ihn, was los ist. Jasper deutet auf den Türknopf. „Ein... ein Gesicht!" Und tatsächlich! Der Türknopf verwandelt sich langsam in ein Katzengesicht. Zuerst die großen Augen, dann die Ohren, Nase und schlussendlich der Mund. Die Katze lächelt uns an und mit unerwartet tiefer Stimme spricht sie zu uns. „Gäste? Welch unerwartete Überraschung. Guter oder böser Wille? Das ist hier die Frage." Jasper sagt sofort: „Natürlich gut!" „Na, Na, Na. Nichts überstürzen. Ich gewähre keiner Menschenseele ohne Passwort den Eintritt." Ich frage verdutzt: „ Passwort? Ozz, was ist das Passwort?" Doch dieser schüttelt den Kopf. „Das ist mir neu. Zora hat nichts von einem Codewort erzählt." Wieder lächelt das Kätzchen hämisch: „Neuankömmlinge? Dann benötigt ihr kein Passwort. Ihr bekommt ein Rätsel. Was sieht aus wie eine Katze? Miaut wie eine Katze. Aber ist keine Katze." Jasper, Ozz und ich stecken die Köpfe aneinander. „Nachdenken. Was könnte die Antwort sein.", sagt Ozz. Plötzlich kommt mir ein Geistesblitz. Ich glaube ich weiß die Antwort.
Ich bewege mich zur Tür. „Ein Kater. Es ist ein Kater." Der Türknopf beginnt sich zu drehen. „Richtig! Kluges Mädchen." Stolz über die richtige Antwort trete ich als Erstes in das Haus ein. Auch Ozz klopft mir auf die Schulter. „Ausgezeichnet gelöst, Rosie." Ich überlasse ihn den Vortritt, als wir uns durch einen engen Gang bewegen. Im Inneren des Hauses ist es dunkel. Die Wände sind dunkelviolett und dunkelpink gestreift. Da mich das Muster verwirrt, muss ich mich konzentrieren, nirgends dagegen zu stoßen. Ozz fragt: „Zora?" Leise ertönt eine Stimme. „Jahaaa! Ozzie, bist du es? Komm bitte ins Pflanzenzimmer." Jasper lacht leise auf und sagt zu sich selbst: „Ozzie..."
Es stehen fünf Türen zur Auswahl und jede ist in einem anderen Farbton gestrichen. Ozz erscheint mir unsicher. Ich bezweifle, dass er weiß, welche Tür die Richtige ist. „Ich werde mal rein intuitiv die blaue Tür öffnen. Gibt es Einwände?" Weder Jasper noch ich haben etwas auszusetzen. Vorsichtig betätigt Ozz die Türklinke und alle Drei stecken unsere Köpfe in den Raum. Es ist ein sonderbares Zimmer. Wände, Decke und Boden sind Hellblau eingefärbt. Es ist schwer, zu erkennen, wo der Raum tatsächlich endet. Mitten im Raum befindet sich ein großes Wasserloch, welches mit türkisen Nass gefüllt ist. Neugierig frage ich: „Wozu wohl das Becken da ist?" Ozz tritt in das Zimmer ein. „Lass es uns herausfinden." Ich blicke in das unendlich tiefe Loch und kann erkennen, dass sich darin kleine Geschöpfe bewegen. Jasper ist verwundert. „Sind das Pinguine?" Nun kann ich es auch erkennen. Viele Pinguine schwimmen wild durch das Wasser. Einer springt sogar neben Jasper an die Oberfläche. Dieser hüpft erschrocken zu Seite und sagt: „Wir sollten lieber gehen."
Als wir wieder im Flur stehen, habe ich eine Idee. „Wenn hinter der blauen Tür, ein Wasserloch war, sollten wir mal die grüne Tür probieren." Jasper bewegt sich als erstes auf die Tür zu. „Ein Versuch ist es wert." Er öffnet die grüne Tür und der Raum ist tatsächlich mit Pflanzen gefüllt. Es fühlt sich fast wie im Regenwald an. Nicht nur, weil es feucht und warm ist, sondern auch weil wir uns den Weg durch das Gestrüpp aus Pflanzen und Sträuchern kämpfen müssen. Ozz sagt erstaunt: „Wow, Rosie. Du hast schon wieder recht gehabt. J und ich hätten wahrscheinlich noch Ewigkeiten nach der richtigen Tür gesucht." Ich spüre, wie mein Gesicht rot anläuft. Jasper verdreht bloß seine Augen: „Ich glaube wir hätten das auch alleine geschafft. Hier drinnen ist es ja abnormal heiß." Wir ziehen uns unsere Jacken aus und versuchen uns den Weg durch den Wald frei zu machen. Durch den Urwald ertönt eine Stimme: „Hierher!" Wir folgen den Lauten und finden uns in der Ecke des Raumes wieder. Im Gegensatz zum Rest des Zimmers, sind in diesem Teil die Pflanzen Zurecht gestutzt und versperren uns nicht die Sicht. Es befinden sich ein Tisch und mehrere Stühle unter einem Bogen aus Sträuchern, welche gelbe Früchte tragen. An der Seitenwand fließt ein Wasserfall herab und sogar Insekten fliegen durch die Lüfte. Eine ältere Frau, welche einen grünen Hut trägt, gießt gerade bunte Blumen. Als sie Ozz erblickt, stellt sie schnell die Kanne weg und winkt uns freundlich zu. Sie schüttelt mir und Jasper höflich die Hand und stellt sich vor. „Mein Name ist Zora Mandaria Degreen. Aber bitte nennt mich einfach nur Zora." Danach umarmt sich Ozz und fragt ihn aufgeregt: „Ozzie! Schön dich endlich wieder zu sehen. Wie gefällt dir mein neues Pflanzenzimmer. Ich investiere jede freie Minute in meinen neuen Schatz. Wo hast du denn Aura gelassen?" Ozz lässt Aura ans Freie und versucht eine Frage nach der anderen zu beantworten. „Hallo, Zora. Es ist mir auch wie immer ein Vergnügen, dich zu sehen. Das Zimmer ist atemberaubend. Diesmal hast du dich selbst übertroffen." Sie bittet uns, Platz zu nehmen. „Also, Kinder. Das Essen sollte bald hier sein. Nun erzählt. Wie ist die Reise bis jetzt verlaufen?" Jasper murmelt: „Bis auf deinen verrückten Türknopf ganz gut." „Oh nein! Hat Neptun etwa wieder Ärger gemacht. Ich habe ihm erzählt, dass ich Gäste erwarte. Beim Erwähnen meines Namens, hätte er euch bereits Eintritt gewähren sollen." Ozz lächelt: „Oh... Er hat uns eine Denksportaufgabe gestellt. Aber diese war für Rosie kein Hindernis." Er zwinkert mir zu und ich versuche cool zu bleiben, damit sich nicht schon wieder die Farbe meiner Backen verändert. Zora lacht auf: „Na dann ist es ja gut. Er hat sich nur einen Spaß erlaubt." Sie wendet sich mir zu: „Du musst das Erdenmädchen sein. Es freut mich sehr, deine Bekanntschaft zu machen. Du musst wissen, dass ich äußerst tolerant gegenüber Träumern bin. Aber ich will nicht jetzt schon über Pläne, Theorien und dessen gleichen sprechen. Das klären wir lieber nach dem Essen. Apropos Essen. Wo bleiben sie denn." Zora klingelt wild mit einem bronzefarbenen Glöckchen, als vier Schimpansen in Anzügen auf unseren Tisch zu gerannt kommen. In Windeseile, spannen sie ein Tischtuch über die Holzplatte, decken das Geschirr auf und stellen eine Blumenvase auf die Mitte des Tisches. Genauso schnell, wie sie da waren, sind sie auch schon wieder verschwunden. Ich bin ausgesprochen fasziniert. Diese Parallelwelt überrascht mich immer wieder aufs Neue. Auch Ozz sieht Zora fragend an, welche Aura gelbe Früchte klein schneidet und an sie verfüttert. „Was war denn das?" Zora schmunzelt: „Ach, Ozzie. Ich werde alt und kann mich nicht mehr alleine um alles kümmern. Meine Aufgaben als Magica, der Haushalt, die Aufrechterhaltung meiner vielen Zimmer... Das wird mir alles zu viel. Deshalb habe ich diese vier Äffchen ein klein wenig verzaubert. Nichts Bahnbrechendes. Sie haben nun keinen überdurchschnittlich hohen IQ, sondern ich habe bloß ihre motorischen Fähigkeiten und ihren Willen mir zu Dienen ausgebaut. Ah, da kommen sie schon mit unserem Mahl." Die Affen stolpern beinahe über ihre eigenen Füße, da sie so schnell laufen. Sie stellen Schüsseln mit Gemüse, Reis und Kartoffeln auf den Tisch. Einer der Schimpansen serviert stolz eine silberne Platte, auf der ein prächtiger Fisch liegt. „Wo bleiben denn die Getränke?" Sie stürmen wieder davon und kommen wenige Sekunden später mit Krügen in den Händen zurück. Hurtig servieren sie die Karaffen. Einer der Äffchen ist jedoch zu übermütig und lässt sein Getränk fallen. Der Krug zerspringt in kleine Einzelteile und der flüssige Inhalt fließt in alle Richtungen. Zora ermahnt den Schimpansen. „Oh, nein! C nicht schon wieder. Du Tollpatsch gehst jetzt sofort los, holst den Wischmopp und beseitigst diese Sauerei. A, B und D ihr könnt eine Pause einlegen und kommt später zum Abräumen wieder. DANKE für eure Hilfe." Als die Affen verschwunden waren, wendet sich Zora uns zu: „Tut mir leid, dass es C übertrieben hat, aber Gäste machen ihn immer sehr übermütig. Ich vermute, daran ist die große Aufregung Schuld. Aber egal, es soll schließlich nichts Schlimmeres passieren. Bitte bedient euch." Jasper kann sich ein Lachen nicht verkneifen: „Heißen die Affen wirklich A, B, C und D?" Er greift nach dem Gemüse. Auch Zora schmunzelt: „Bei der Namengebung bin ich nicht sehr kreativ." Auch ich lächle und befülle meinen Teller hurtig mit Gemüse. Ein richtig ausgiebiges Mittagessen habe ich schon seit Tagen nicht mehr gehabt. Auch die Suppe am Vorabend und die kleinen Snacks in den Pausen haben mein Hungergefühl nur für einen kurzen Zeitraum gestillt. Deshalb genieße ich die Speise in vollen Zügen.
Nach dem Essen führt uns Zora in ihre „kleine Hexenküche", einer Stube, welche hinter einem Bücherregal verborgen ist. Als wäre es der Eingang zu einer Schatzkammer, muss Zora erst das Richtige Buch aus dem Regal ziehen, um den geheimen Gang öffnen zu können. Das Wandregal führt uns direkt in den kleinen fensterlosen Raum. Da die Dunkelheit das Zimmer beherrscht, sehe ich nichts, außer Schwärze. „Wo ist denn nur dieser verfluchte Lichtschalter?" Zora braucht eine Weile, bis sie endlich ein Lämpchen anknipst. Steinwände umhüllen, den mit großen Büchern und sonderbaren Artefakten gefüllten Raum. Es befindet sich ein großer schwarzer Kessel in der Mitte des Zimmers, welcher von mehreren Sitzkissen umgeben ist. Die Atmosphäre hat etwas Gespenstisches an sich. „Bitte setzt euch!" Zögernd sucht sich jeder von uns dreien ein passendes Kissen und setzt sich vorsichtig darauf. Auch Zora gesellt sich zu uns. „Den Kessel brauchen wir gerade nicht. Lieber etwas Tee für die Gäste." Sie flüstert eine Beschwörungsformel und bewegt ihre Hände, als der Kessel in einem Loch verschwindet und stattdessen ein Tischlein aus dem nichts dahergeflogen kommt. Zusätzlich finden eine Teekanne und Tassen ihren Weg durch die Lüfte zu uns. Zora bietet uns Zimttee an und ich bin die Erste, die einen Schluck wagt. Der süßliche Tee schmeckt mir besser, als gedacht. Ozz ergreift das Wort: „Ich fange einmal klipp und klar an. Wie du bereits wusstest, Zora, bin ich nicht ohne Grund zu dir gekommen. Wir benötigen dringend deine Hilfe, um Rosie wieder zurück in ihre Welt bringen zu können." Zora wirft uns einen skeptischen Blick zu: „Wie hast du es eigentlich hierher geschafft? Welcher Stein hat dich in unsere Dimension befördert?" Ich gebe mir die Kette vom Hals und reiche sie ihr. „Der luzide Granat. Ein wunderbares Exemplar der experimentellen Geschichte. Wenn ich mich nicht täusche, dann ist er schon seit Ewigkeiten im Besitz der Adams Familie. Bist du eine Adams Nachkommin?" Ich nicke zustimmend. „Verblüffend. Es sind immer die Adams Mädchen, welche den Weg nach Traumwelt finden und meine Hilfe aufsuchen. Aber dafür bin ich ja da. Jedes Geschöpf hat seine Bestimmung. Die einen streben einen gezielten Werdegang an, die anderen irren in der Sinnlosigkeit umher, am Ende jedoch, hat jeder seinen Platz gefunden." Ozz lächelt Zora an: „Weise Worte aus dem Mund einer weisen Frau." Erstaunt frage ich sie: „Wer war die Erste Adams, die nach Traumwelt gekommen ist?" „Kindchen, um dir das erklären zu können, muss ich dir die ganze Geschichte erzählen. Diese beginnt vor vielen Jahren. Wie viele es genau waren, weiß keiner so genau. In dieser Zeit lebte ein Mann auf der Erde, welcher mit dem Gedanken spielte, dass es noch andere Welten gebe, als diese, in welcher er lebte. Er war Alchemist und hieß Theoderich von Feuerherz.
Mit einer unglaublichen Überzeugung, durchstöberte er alte Bücher, Sachtexte und untersuchte sogar Gehirne von Verstorbenen. Dank seiner Geduld, seinem großen Talent und seiner Experimentierfreudigkeit, schaffte er es tatsächlich einen Stein mit großer Kraft zu kreieren. Feuerherz war der erste Erdling, welcher es geschafft hatte in die Parallelwelt zu kommen. Anfangs, wollte er dieses Geheimnis für sich bewahren, doch bald stieg ihm der Ruhm zu Kopf. Er wollte mehrere Edelsteine erschaffen und diese teuer verkaufen. Das hat er auch vollbracht. Er hat vier weitere Steine erzeugt und diese an reiche Familien verkauft, jedoch mussten die Eingeweihten einen Schwur ablegen, keiner Menschenseele von ihrem Zugang in die Parallelwelt zu berichten. Jedes seiner Schmuckstücke wurde in Verbindung mit seinem verfassten Schriftstück weitergegeben, welches unsere Welt und den Weg dorthin genau beschreibt. Sein Plan ging auf, viele Adelsleute wollten zur sogenannten „steinernen Elite" gehören und in sein Geheimnis eingeweiht werden. Bald darauf bekamen die Bewohner von Traumwelt jedoch Wind von seinen Taten. Sie hatten Angst, dass immer mehr Erdlinge in ihre Welt eindringen und das gesamte Raumzeitkontinuum zerstören würden. Sie mussten eine Lösung finden. Da es ihnen unmöglich war und ist auf die Erde zu gelangen, versuchten sie alle Erdlinge, die es wagten nach Traumwelt zu kommen festzunehmen und ihr Amulett zu zerstören. Zusätzlich kam unserer Königin die Idee, die Latrix zu erschaffen. Ab diesem Zeitpunkt konnte kein Erdling mehr mithilfe seines luziden Steines Traumwelt verlassen, sondern musste dieses Portal passieren. Das Problem war und ist jedoch, dass fast keiner weiß, wo sich die Latrix tatsächlich befindet. Kurze Zeit nach diesen Reformen, verstarb Feuerherz eines Nachts an einem plötzlichen Herztod, deshalb konnte er auch keine weiteren Edelsteine kreieren. Gerüchten zufolge, sei er in seinen Träumen gestorben.
Die letzte menschliche Person, welcher ich zurück geholfen habe, war Anna Adams. Sie war damals in deinem Alter."
Ich kann es kaum glauben. Annie? Sie hat sich so viel mit Träumen auseinandergesetzt, um hierherzukommen. Deshalb wollte sie nicht weiterlesen. Sie hatte Angst, ich könnte auch nach Traumwelt gelangen und es nicht mehr zurückschaffen. Und genau das ist auch passiert... „Das ist meine Tante! Wo ist die Latrix? Wie schaffe ich es zurück in meine Welt?" Jasper verschränkt die Arme und sagt: „Das würde mich auch interessieren." Zora erklärt uns: „Es ist äußert schwierig und gefährlich, die Latrix zu überqueren, weil sie in den Kellerräumen des Schlosses verborgen ist. Nicht einmal ich weiß, wie die Latrix aussieht und von welchen Fallen sie bewacht wird." Ozz lacht gekrampft auf. „Was? Du machst Witze, oder? Die Latrix ist unter dem Schloss von Dignitas. Es ist so gut wie unmöglich in das Gebäude zu gelangen." Jasper stimmt ihm zu: „Das ist Selbstmord." Zora beruhigt uns: „Mit der richtigen Taktik, schafft ihr das schon." Ich mache einen Schluck Tee, als ich plötzlich laute Geräusche von draußen vernehme.
Ein Poltern und Geschreie dröhnt in meinen Ohren. „Sie müssen bei der alten Hexe sein. AUFMACHEN!" Panik steigt in mir hoch. Auch die anderen am Tisch werden Nervös. Zora springt auf: „Das sind Anhänger von Dignitas. Sie wissen, dass eine Träumerin unter uns ist. Ihr müsst sofort verschwinden, bevor sie ins Haus eindringen können." Aufgeregt fragt Ozz: „Aber wie? Wir können unmöglich den Vordereingang nehmen." Zora schiebt eine Kiste zur Seite und ein tiefes Loch kommt zum Vorschein. Hastig drückt sie mir meine Kette in die Hand. „Was schon immer im Besitz deiner Familie war, sollte dort auch bleiben. Aber nun schnell! Geht bis zum Ende des Ganges. Ihr kommt bei der Feenwiese hinaus. Passt auf euch auf. Viel Glück."
Das Poltern wird lauter. Es klingt so als hätten sie die Eingangstüre aufgebrochen und würden sich nun im Inneren des Hauses befinden. Ich werfe Zora einen dankenden Blick zu und steige als Letztes ins Loch. Zora schiebt rasch die Kiste wieder zurück auf ihren Platz und im Gang ist es daraufhin stockfinster. „Hat wer Feuer dabei?", fragt Jasper. Doch Ozz könnte nur Streichhölzer anbieten, welche uns nicht sehr weit bringen. Ich trete einen Schritt zurück, als ich an der Steinmauer etwas spüre. Es fühlt sich wie ein Hebel an. Instinktiv lege ich ihn um und siehe da, der lange Geheimgang erstrahlt in einem dumpfen Licht. An den Seiten des Flures, erleuchtet das Feuer lodernder Fackeln. Jasper dreht sich zu mir: „Warst das du?" „Ich... Ich schätze schon. Hier ist ein Schalter an der Wand." Ozz und Jasper lachen beide erleichtert auf. Ozz wendet sich mir zu: „Rosie, du bist ein Traum!" Da kann auch ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Wir folgen dem langen Gang und stehen am Ende an einer Sackgasse an. Jasper und Ozz versuchen den Stein auf die Seite zu schieben und zu meinem Erstaunen, funktioniert es auch einwandfrei. Draußen ist es bereits dunkel. Der helle Mond steht am Himmel und die Sterne funkeln. Es ist eine glasklare Nacht. Die beiden Jungen, schieben den Fels wieder vor den Eingang zum Geheimgang. Mein Blick schweift über die Landschaft. Wir befinden uns in Mitte einer gigantischen Wiese. Das Gras reicht mir fast zu den Knien und ich kann das Zirpen von Grillen vernehmen. Schwärme von Feen fliegen um uns herum. Einige funkeln, andere leuchten sogar. Es ist ein wunderschöner Anblick. Ozz ergreift das Wort. „Lasst uns die Feenwiese verlassen, und auf einem ebenen Untergrund unser Zelt aufschlagen."
Wir waten durch die Wiese und gelangen nach kurzer Zeit an einer Felswand an. An diesem Platz ist das Gras kurz und dient uns perfekt als Nachtlager. Ozz greift in seinen Rucksack und schreit panisch auf: „Oh nein. Oh nein. Oh nein! Aura ist nicht da. Sie ist noch immer im Pflanzenzimmer." Hektisch läuft er auf und ab: „Wir müssen sofort zurück und sie holen." Jasper setzt eine verstörende Miene auf und fragt ihn skrupellos: „Spinnst du? Nur weil du auf deinen Hauspanda nicht aufpassen kannst, werden wir bestimmt nicht mit Absicht in eine Falle der Königin tappen." Ozz starrt ihn wütend an und geht sich entschlossen auf Jasper zu. Ich befürchte, dass er in wenigen Sekunden auf seinen Freund losgehen wird. Vorsichtig halte ich seinen Arm fest und versuche ihn zu beruhigen. „Ozz, mach bitte nichts Unüberlegtes."
Er blickt Jasper immer noch mit Feuer in den Augen an. Ich trete näher an ihn heran und schiebe seinen Kopf in eine gerade Position. „Sieh mich an! Ich kann verstehen, dass du dir Sorgen um Aura machst. Aber ich bin mir sicher, dass Zora gut auf sie Acht geben wird. Auch wenn ich sofort mit dir zurückgehen würde, um Aura zu holen, dürfen wir unsere Mission nicht gefährden. Verstehst du das?" Er murmelt leise: „Ja." Ich flüstere ihm zu: „Gut. Danke. Nun bau bitte das Zelt auf." In null Komma nichts, hat sich die Lage wieder beruhigt. Ohne zu zögern, such Ozz nach dem Zelt. Jasper steckt mir seine Handfläche vors Gesicht: „Heee, du Männerflüsterin. Schlag ein." Ich ignoriere ihn und gehe in Richtung Bäume. „Ich werde mal schnell das „Bad" aufsuchen." Als ich aus dem Gestrüpp zurückkehre, ist das Zelt bereits aufgebaut. „Wie habt ihr denn das so schnell erledigt?" Ozz lächelt: „Ach, Rosie. Wir sind hier in Traumwelt. Ein Knopfdruck und unser Unterschlupf steht." Vor dem Zelt breitet er seine Picknickdecke aus.
Wir lassen uns erschöpft darauf fallen. Auf dem Rücken liegend, blicken wir in die Sterne. Solch einen schönen Sternenhimmel habe ich noch nie gesehen. Da ich noch nie zuvor Campen war, bin ich auch noch nie unter freiem Himmel gelegen. Es herrscht eine angenehme Stille, doch ich breche das Schweigen: „Es ist wunderschön hier. Aber, wenn ich an die nächsten Tage denke, jagt es mir einen Schauder über den Rücken. Ich habe Angst." Zu meiner Verwunderung, ist Jasper derjenige, der mich mit seinen Worten wiederaufbaut. „Ach, komm schon. Wir schaffen das! Schließlich habt ihr ja mich an eurer Seite." Da ich in der Mitte liege, kann ich ihm leicht einen Stoß verpassen. Wir brechen alle drei in ein lautes Lachen aus. Ozz beruhigt sich als Erstes und sagt: „Aber, J hat Recht. Wir schaffen das, Rosie. Mit vereinten Kräften. Du brauchst keine Angst zu haben."
Ich spüre wie Ozz nach meiner Hand greift. Seine warmen Finger umschließen meine und es gefällt mir. Ich wünsche mir, dass der Moment niemals endet.
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