VIERTES (2)
Wer bin ich? Zu Stein erstarrt betrachtete Bonnie ihr Spiegelbild, doch die Person ihr gegenüber war nichtmehr das Mädchen mit widerspenstigen rotbraunen Locken und grasgrünen Augen.
Es war ein Mädchen mit platinblonden Haaren und eisblauen Augen. Eine übergroße Nase bedeckte einen großen Teil ihres Gesichtes und direkt daneben lag ein kleiner Leberfleck. Schönheitsmal hatte ihre Mutter es immer genannt. Sie war irgendwie schön, aber Bonnie völlig fremd. Sie riss sich von dem Bild im Spiegel ab und knallte dir Tür hinter sich zu.
Immer wieder bog Bonnie ab, mal rechts und mal links. Obwohl sie diese Stadt kannte, wusste sie nicht recht wo sie sich befand.
Kleine Einfamilienhäuser an jeder Seite, ein kleiner Spielplatz bestehend aus Klettergerüst, Schaukel und Sandkasten und gereinigte Fußwege.
Offenbar legten Bewohner der Hans-Ulrich-Straße Wert auf Sauberkeit. Damit fühlten sie sich sichtlich wohl, was Bonnie nicht von sich behaupten konnte. Ständig sah sie sich um und achtete nicht mehr auf den Weg vor sich. Es kam wie es kommen musste. Das Mädchen fiel, zu spät versuchte sie sich mit ihren Händen abzufangen. Ihre Handflächen und Knie schrammten über die kleinen, spitzen Kieselsteinchen. Bonita kniete auf dem Boden und sammelte sich, langsam atmete sie den Schmerz weg und musste sofort wieder an ihren Vater denken. Mit ihren schmerzenden und roten Handflächen stütze sie sich auf und stand eine Weile schwankend da.
An ihrem Daumen zog sich eine etwa sieben Zentimeter lange und offene Wunde entlang. Frisches Blut tropfte auf den Bürgersteig. Das wird den Bewohnern nicht gefallen, es zerstört ihre friedliche und ordentliche Idylle.
Bonnie pustete ein paar winzige Steinchen von ihrer Handfläche, welche sie sich bei ihrem Sturz eingefangen hatte.
Es schmerzte, war aber zu ertragen. Jetzt bemerkte das Mädchen die Mittagssonne. Sie brannte auf ihrer bereits schweinchenrosanen Haut und scheuchte sie immer weiter. Nirgendwo fand sie auch nur ein kleines Stück Schatten um der Sonne zu entkommen.
Endlich, etwa zweihundert Meter vor ihr sah sie eine kleine Baumgruppe und endlich erkannte sie ihren Standpunkt.
Vor ihr baute sich der Alte Friedhof auf, der Ort wo ihre Uroma begraben wurde, ebenso wie der Rest der Familie. Vielleicht konnte sie Omi Anke kurz besuchen, soweit sie wusste gab es dort auch einen Wasserspender mit trinkbaren Wasser. Bei dem Gedanken an Wasser wurde ihr ganz trocken im Mund.
Die letzten Meter legte Bonita im eiligen Schritt zurück und öffnete das Gittertor. Der modrige Geruch, die plötzliche Kälte und die ungewöhnliche Stille begrüßten sie und es schien als würde jemand Bonnie umarmen.
Das Mädchen schüttelte sich und ging den ihr bekannten Weg zum Grab. Sie sah den bekannten Grabstein und lächelte. Wenigstens jemand der bestimmt wusste das ich es bin. Eine kleine Pause machte sie am Wasserspender ein. Es gab zwei Wasserhähne, einen mit trinkbaren und einen mit untrinkbaren Wasser. Bonnie griff nach der kalten Aluminium-Legierung. Es kühlte ihre schmerzenden Hände und mit ihnen auch ihren gesamten Körper.
Dann drehte sie den rechten Wasserhahn auf und ließ das eisige Wasser den Schmutz aus ihren Wunden spülen. Die große Schramme am Daumen schmerzte und brannte fürchterlich, hoffentlich wurde daraus keine Entzündung.
Mit ausgespülten Wunden schritt sie an das Grab und setzte sich auf die danebenstehende Bank.
"Weißt du Omi, alles ist so seltsam. Ich bin jemand total anderes und ich hab auf dem Weg zu dir viele bekannte Leute gesehen aber ich, also Bonnie, fehle", begann ich das Gespräch und streichelte mit einer Hand sanft über den Marmorgrabstein. "Mama hat so seltsam über mich gesprochen", Bonnies Stimme versagte und so beendete sie den Satz nicht.
Das Mädchen sah sich den Grabstein nun von vorne an um einen Blick auf das schwarzweiße Bild ihrer Uroma zu werfen. Das sanfte Lächeln und ihre kleinen Lachfältchen zogen Bonnie in den Bann. Schnell blinzelte sie die aufsteigenden Tränen weg.
Anke Kirsch
1. April 1932 - 6. März 2016
Karl Kirsch
7. November 1927 - 24. Mai 2009
Leon Kirsch
13. Februar 1957 - 4. Juni 2001
All diese Namen waren ihr bekannt. Karl war Ankes Mann und somit ihr Urgroßvater. Leon war ihr zweitgeborenes Kind und war viel zu früh verstorben aber der neue, untere Namen ließ Bonita beinahe in Ohnmacht fallen.
Bonita Dörte Kirsch
22. Juni 2002 - 28. Dezember 2017
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