Nassia - Kapitel 7.3
Lao wanderte weiter durch die geheimnisvollen unterirdischen Gänge und sie folgte ihm verwirrt. Dann kamen sie in einen riesigen erleuchteten Raum, in dem viele schwarze Gnomlinge um ein großes blinkendes Monstrum herumliefen, das dampfte, ächzte und stöhnte.
Erschrocken blieb Nassia stehen, so etwas hatte sie niemals zuvor gesehen.
„Das ist eine Maschine", erklärte Lao, während er lächelnd zischelte. „Keine Angst, es ist kein Lebewesen."
Nassia staunte über das Ding – die Maschine.
„Sie reguliert Luft und Wasser", erläuterte Lao.
Sie sah ihn verständnislos an. Lao näherte sich dem seltsamen Blechhaufen und deutete auf verschiedene Teile an der Maschine. „Das sind Knöpfe und Schalter, Hebel und Schieber. Damit können wir Tunnel regulieren und sie durchpusten und durchfluten lassen. Diese runden Dinger mit Schriftbildern und Zahlen, sind Anzeigen, die uns helfen alles richtig zu machen. Wir haben eine andere Schrift als ihr. Leider können wir nicht mehr alle Schriftbilder entziffern, aber wir tun unser bestes nicht noch mehr zu vergessen."
Kopfschüttelnd stand Nassia vor der Maschine und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Lao zischelte erklärend: „Das ist unsere Art sich fortzubewegen. Nebenbei bemerkt – ziemlich schnell. Mit Luftdruck, aber manchmal auch Wasser, werden die Djodos über Schienen, oder Fahrrinnen, gedrückt."
Lao beobachtete Nassia und fuhr fort: „Früher waren wir einmal sehr begabt. Meine Vorfahren erfanden all diese Maschinen. Unsere Djodos oder auch Fahrbälle können uns überall hinbringen. Leider hat dein Vorfahr Tritatus unser Transportsystem für sich entdeckt. Er raubte unsere Königin, die seit Generationen an einem geheimen Ort gefangen gehalten wird und wir, ihre Kinder, sind die Sklaven deiner Familie. Wir müssen tun was deine Familie sagt, sonst sterben wir aus, weil nur die Königin Nachkommen bekommt. Heute wissen wir leider nur noch wie man einige von diesen Maschinen bedient und ein wenig wie man sie instand hält. Eigentlich sind unsere Ingenieure nur gute Hausmeister. Aber das ist nicht mehr zu ändern."
Das alles musste Nassia erst einmal verdauen.
Lao sah sie mit unergründlichen Augen an und berichtete: „Unser Tunnelsystem ist riesig. Wir könnten bis nach Fagadasien und zu den Elben nach Iluniario reisen."
Ungläubig schaute Nassia ihn an. Das war doch unmöglich? Dann verliefen die Gänge unter dem Ozean.
„Wir leben hier schon lange", erklärte Lao weiter. „Wir waren schon vor den Katas hier, aber erst sie haben die Tunnel für Menschen nutzbar gemacht."
Lao seufzte und erläuterte: „Seit langer Zeit benutzt deine Familie uns für den Transport. Niemand weiß davon, weil in ein Djodo immer ein Sonnengucker und ein Gnomling passen und die Gnomlinge verhindern, dass die Sonnengucker überhaupt etwas mitbekommen. Alle müssen immer ins Dunkel gehen und sie denken, dass die Herrscher sie durch Magie bewegt. Eure Pferde reisen auch so, aber für sie gibt es etwas größere Fahrbälle."
Nassia stand bestürzt da. Ihr Vater behauptete, dass kein Wesen über einem anderen stehen sollte! Angeblich schämte er sich dafür, dass er die Mischwesen verfolgen ließ, um für Aktunostra Frieden zu bewahren. Die Ausführungen Laos zeugten nun davon, dass er durch Heimtücke ein ganzes Volk befehligte. Fassungslos starrte sie auf Lao.
„Möchtest du den Djodo ausprobieren?", erkundigte sich Lao fast wie nebenbei. Erst zögerte Nassia. Aber zu leugnen, dass Laos Zauberfahrzeuge sie faszinierten, wäre eine maßlose Untertreibung gewesen. Inzwischen hatte sie einige von den Djodos entdeckt. Sie trieben in einem Becken, das an die große Maschine angegliedert war. Lao führte sie zu einem kleinen Steg. Zwei weitere Gnomlinge hatten einen Djodo herangezogen. Es war ein rundes Gebilde, das außen glatt und leuchtend schimmerte. Nassia konnte nicht bestimmen, aus welchem Material die Kugel war. An einer Seite gab es ein großes ovales Fenster – aber das Innere war nur schwer erkennbar. Sie fragte sich, wo der Eingang lag, denn eine Tür war nicht zu sehen.
Erst als ein Gnomling an eine spezielle Stelle gegen die Kugel drückte, öffnete sich ein Einlass mit einem seltsamen Plopplaut. Dahinter war eine spärlich beleuchtete Kabine mit zwei Sitzplätzen für ein Schlangenwesen und einen Menschen. Stehen war unmöglich in dem Gefährt. Überall waren weitere Knöpfe, Hebel, Schalter und Anzeigen angebracht – es war unvorstellbar, dass sie alle eine eigene Funktion hatten.
„Normalerweise haben wir Rutschen über die wir die Sonnengucker einfach in die Djodos gleiten lassen", erläuterte Lao, nachdem er ihren zögerlichen Blick gesehen hatte.
Sofort schüttelte Nassia ihren Kopf. Das war sicher überflüssig. Sie ließ sich die Öffnung des Fahrballs von Laos Leuten so drehen, dass sie hinein springen konnte. Aber sobald sie sich an dem Djodo abzustützen, drehte er sich und lief Gefahr, mit Wasser voll zulaufen. Die Gnomlinge waren nicht kräftig genug, um ihn zu halten. Nassia bemerkte, wie sie sich auf ihre Art verschmitzt ansahen. Schließlich nahm sie all ihren Mut zusammen und sprang durch den Einlass, ohne sich festzuhalten. Laut krachend landete sie im Djodo. Geistesgegenwärtig schmiss ein Schlangenwesen die Öffnung zu, denn sie drehte sich mehrere Male im Kreis und das Gefährt wäre sicher ohne seine schnelle Reaktion mit Wasser vollgelaufen. So wurde ihr nur schwindelig. Als sie sich wieder orientieren konnte, sah sie nach draußen. Lao lag auf dem Boden und lachte, ebenso die beiden anderen. Nassia schaute sich im Raum um und bemerkte, dass alle Gnomlinge sich vor Lachen kaum auf den Beinen hielten. Sie ärgerte sich, aber dann fiel ihr ein, wie die Schlossbewohner reagiert hätten: Nämlich mit Tuscheln hinter ihrem Rücken, was sie abgrundtief verabscheute.
Irgendwann schafften es die Gnomlinge, ihren Fahrball wieder zu öffnen. Lao glitt über eine Rutsche zu ihr hinein. „Ihr seid voller Überraschungen Mylady", sagte er belustigt. Von draußen hörte sie, wie einige Schlangenwesen japsten und die Worte: „Da legt's mich nieder", waren nicht nur aus einem Mund zu hören. Nassia konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen und ihr Führer sah sie leicht ungläubig an. Gleich darauf richtete Lao seine Aufmerksamkeit auf die Knöpfe vor sich. Er zog an einem Schalter und schon schloss sich der Djodo. Lao half ihr, sich anzuschnallen, dann gurtete er sich selbst fest. Es war eng, aber nicht unbequem. Nassia vermutete, dass die Gurte zu ihrem eigenen Schutz waren. Sie hatte bereits nach ihrem Sprung gemerkt, dass es nicht ungefährlich war, unkontrolliert im Inneren des Djodos herumzutaumeln.
„Jetzt darfst du Luftreiten. Nächster Halt, Fasua-Pass!", rief Lao voller Enthusiasmus. Unvermittelt sah er nachdenklich zu ihr und fragte: „Oder soll es doch lieber ein anderes Ziel sein?" Nassia schüttelte entschieden den Kopf. Sie vertraute darauf, dass Josuan besser wusste, wohin sie reisen sollten. Immerhin kannte er die Mission und Ateras nicht.
Lao drückte ein paar Knöpfe und der Djodo setzte sich in Bewegung. Das Tor öffnete sich und sie schauten in absolute Finsternis. Lao erklärte wie die Kabine funktionierte. Wobei er den großen Spiegel, der nicht das eigene Bild zeigte, Bildschirm nannte. So wie Nassia es verstand, half der Schirm, den richtigen Weg zu wählen.
Während sie die vielen neuen Informationen verarbeitete, stürzten sie unversehens im freien Fall in die Tiefe. Erst war sie zu geschockt, um etwas zu sagen, dann schrie sie. Sie hörte damit nicht mehr auf, bis das Djodo stoppte.
Lao wartete mit zuckenden Mundwinkeln.
Sie zerrte an ihrem Gurt. Am liebsten wäre sie ausgestiegen, aber sie schaffte es nicht, die Schnalle zu öffnen. Sie überlegte nicht lange, als sie empört rief: „Jetzt mach das endlich auf. Ich fahre kein Stück mehr."
Lao sah sie belustigt an und erklärte dann: „Nur jemand der mit einem Djodo reitet, kann uns auch helfen."
Nassia starrte Lao abschätzend an.
„Wir werden abwechselnd fallen und rasen. Wenn die Sonne einfällt oder Kristalle für Licht sorgen, wirst du etwas sehen können. Meistens wird es jedoch dunkel bleiben. Vertrau mir, denn es ist wirklich sicher und daher brauchst du nicht wieder so zu schreien."
Sie war zwar entsetzt, aber sie nickte tapfer und erklärte: „Ich möchte alles sehen. Fahr weiter." Lao sah sie mit unergründlichen Augen an, dann drückte er ein paar Knöpfe, so dass der Fahrball sich vorsichtig in Bewegung setzte.
Meistens erkannte Nassia draußen nichts – so wie Lao es gesagt hatte. Die Kugel schoss, hüpfte, kugelte und fiel durch den Raum, ein paar Mal passierten sie Hallen, in denen unterschiedlich große Maschinen standen. Dort gab es Licht und sie bemerkte, dass sie oft durch eine Art durchsichtige Röhre geschossen wurden, aber manchmal führte der Weg auch auf Schienen entlang oder über Wasserrutschen. Andere Gnomlinge sah Nassia nicht. Langsam entspannte sie sich und genoss sogar die Reise – nur an das Fallen gewöhnte sie sich nicht.
Am schönsten fand sie, wenn sie durch riesige, von Sonnenlicht geflutete Schluchten, geschossen wurden. Der Djodo raste über extra angelegte Brücken. Hier bekam Nassia einen Einblick, wie schnell sie unterwegs waren – sie hatte nie etwas Vergleichbares erlebt und sie war froh, dass sie sich gegen die Dunkelheit entschieden hatte.
Irgendwann flüsterte Lao ihr zu: „Versuch zu schlafen, wir werden eine Weile unterwegs sein. Darf ich dir beim Einschlafen helfen?" Nassia nickte unentschlossen, aber schon stellte sie fest, dass alles still und finster war. Dieses Mal fiel es ihr leichter, „ins Dunkel zu gehen", da sie sich selbst fühlte. Die Bewegungen der Maschine nahm sie hingegen nicht mehr wahr.
Laos Rat schien ihr sinnvoll. Wer wusste schon, wann sie wieder schlafen konnte? Seine Art sie ins „Dunkel zu sperren" gefiel ihr zwar nicht, aber sie würde sich angewöhnen nur klare und genau überlegte Antworten zu geben, um ihm seine Interpretationsfreiheit zu nehmen. Ihre Gedanken schweiften noch etwas hin und her und sie dachte an Semio und die anderen, die ebenfalls in solchen Maschinen saßen. Endlich schlief sie ein.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro