Josuan - Kapitel 17.2
Sie verließen zu zweit die Stadt und nahmen den Weg, der sie den Berg wieder hochführte. Die Sonne brannte auf sie herunter. Der Marsch war anstrengend, deshalb redeten sie kaum. Josuan war froh darüber, so verschob sich das Donnerwetter immer weiter nach hinten und würde sicher nicht so drastisch ausfallen. Er hoffte, dass Fatuna oder Saverani endlich Neuigkeiten von ihren verloren gegangenen Gefährten für sie hatten. Vielleicht würde das Nassia auf andere Gedanken bringen.
Unvermittelt hörten sie einen Ruf. Josuan sah blinzelnd den Berg hinauf, er erkannte kaum etwas bei dem gleißenden Licht. Der Weg vollzog weiter oben eine Biegung und er sah genau in die Sonne. Jemand stürzte ihnen entgegen, nahm er verdutzt wahr. Josuan schirmte seine Augen gegen das Sonnenlicht ab. War das möglich? Sein Vater?
Er lief los und ließ eine verdatterte Nassia hinter sich. Sie verstand nicht, wie man diesen Berg bei der Hitze hinaufrennen konnte. Je näher er demjenigen kam, umso sicherer war er: Es handelte sich um Kanju Tiguadade. Glücklich schlossen Vater und Sohn sich in die Arme.
„Ist es zu fassen", lachte sein Gegenüber, schob ihn euphorisch wiederholt von sich, um ihn anzusehen und im nächsten Moment erneut an sich zu ziehen.
„Ich hätte nie gedacht dich wieder zusehen, Vater", sagte Josuan etwas vorwurfsvoll. Kanju bemerkte ablenkend: „Aber du hast das Rätsel gelöst, wie ich gehört habe."
„Hättest du mir nicht einfach die Wahrheit sagen können – ohne Räsel?", erkundigte sich Josuan und sah ihn wütend an.
„Manchmal, mein Sohn, ist die Sorge größer als der Verstand. Das wirst du hoffentlich auch noch irgendwann verstehen, wenn du selber Familie hast", erwiderte Kanju vage. Josuan sah seinen Vater fassungslos an.
„Mehr hast du nicht dazu zu sagen?", wollte er wissen.
„In dem Moment glaubte ich das Richtige zu tun", erklärte der Ältere doch etwas beschwichtigend.
Nassia kam in Hörweite und Josuan drehte sich zu ihr. „Du hast vielleicht schon von ihr gehört, Vater. Das ist die Thronfolgerin, aber wir nennen sie Nassia. Mit ihr habe ich schon viele Abenteuer bestanden", der Traumseher hatte das Gefühl, irgendetwas nettes über sie sagen zu müssen, doch er erntete nur etwas seltsame Blicke. „Nassia, das ist mein Vater, Kanju", stellte Josuan ihren Gegenüber vor.
Die Stammeskämpferin sah den Mann überrascht an. „Mylord, ich habe schon viel von euch gehört. Es freut mich euch kennenzulernen", erwiderte sie distanziert.
Erst guckte der Neuankömmling etwas verdutzt, er kannte wohl die Gerüchte, dass sie nicht sprach. Aber er überspielte seine Unsicherheit sofort und sagte: „Nicht so förmlich, mein Kind. Ich bin Kanju und es würde mich freuen euch ebenfalls Nassia nennen zu dürfen." Die Thronfolgerin lächelte seinen Vater an und drückte ihm warm die Hand.
„Kommt jetzt, die anderen warten sicher schon. Wie werden alle froh sein", rief Kanju enthusiastisch und trieb sie weiter den Berg hoch.
„Sind denn alle wohlauf?", fragte Nassia. Wo sie einmal angefangen hatte, konnte sie schwer wieder aufhören mit ihren guten Umgangsformen. Josuan grinste still.
„Leider nicht. Aus eurer Gruppe wurden einige entführt und wir wissen nicht, ob sie überhaupt noch leben", seufzte Kanju bedauernd.
Nassia und Josuan sahen seinen Vater betroffen an. Die Stammeskämpferin flüsterte: „Oh nein, was ist denn passiert?" Sie war blass geworden.
„Sie sind von Formwandlern ersetzt worden. Als wir dies bemerkten", Kanju sah sie bedeutsam an und sie hielten den Atem an, „wurde auch der Verräter Katu verletzt. Er ist nicht mehr dabei, weil er zurückgelassen werden musste, denn ein Ortungszauber hing ihm an. Die Betroffenen sind Bennoli, Gindo und Sinara, aber wir hatten keine Möglichkeit sie zu suchen, was natürlich für ziemlichen Unmut in der Gruppe gesorgt hat."
Nassia schlug die Hände vor ihren Mund und sah bestürzt zu Josuan. „Habt ihr denn wirklich überhaupt keinen Anhaltspunkt, wo sie stecken könnten?", wollte er von seinem Vater wissen.
„Leider nicht, nicht einmal die Drachen konnten weiterhelfen", bemerkte Kanju achselzuckend.
„Sie hatten also nicht so viel Glück wie wir", seufzte Nassia, während Josuan ihre Hand nahm.
„Was ist mit Dunas? Hat er euch gefunden? Wir haben gehört, er wurde gefangen genommen?", fragte Josuan.
Kanju lachte beschwichtigend: „Alles gut. Dunas wurde in Giptos kurz festgesetzt. Er konnte aber schnell befreit werden und er und sein Drache haben sich der Gruppe noch vor mir angeschlossen." Seine Miene verfinsterte sich wieder und er meinte: „Ihr zwei, wir sind gleich da. Man wird euch sicher alles aus erster Hand erzählen. Tut mir leid, dass wir nicht nur gute Nachrichten haben."
Nassia und Josuan versuchten, sich wieder zu fassen und den anderen mit fröhlichen Gesichtern entgegenzutreten. Massua kam auf sie zu und berichtete, dass er schon Dunas losgeschickt hatte, um Oranos und Semio zurückzuholen. Die beiden waren vor einiger Zeit aufgebrochen, um zu jagen.
Josuan sah zu Nassia, denn er wusste immer noch nicht, wie genau die Thronfolgerin zu Semio stand. Sie hatte nur von einem guten Freund gesprochen, wenn das Gespräch auf ihn kam, und dass er vermutlich mit Tonyar verbunden war. Aber das waren Fakten – ihre Gefühle behielt sie für sich. Er schallt sich selber, dass seine Gedanken sich nur um sie drehten. Er musste sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren.
Nassia ließ die Bombe über ihre neue Fähigkeit, doch mächtig des Sprechens zu sein, verhältnismäßig schnell platzen und ihre Erklärung wurde ohne abschätzige Kommentare akzeptiert. Wer würde auch die Gründe einer Kataniade hinterfragen?
Bevor alle abwechselnd der jeweils anderen Gruppe erzählten, was ihnen widerfahren war, holten sie Fatuna und Saverani dazu. Sie waren überrascht, dass die zwei sich den Gefährten nicht angeschlossen hatten. Aber die Blaue erklärte, dass sie auf sie gewartet hatten, damit sie sich nicht den falschen Leuten anschlossen. Sie wurden vorgestellt und hauptsächlich Saveranis Auftauchen sorgte für Euphorie, weil sie eine weitere Gefährtin war. Die Elbin trat der Gruppe offen gegenüber und beantwortete gelassen alle Fragen. Aber sie erzählte nichts von der Elbenstadt Jinecho, nicht einmal als Ateras nach ihrer Heimat fragte. Stattdessen drehte sie den Spieß um und holte ihrerseits viele wissbegierige Erkundigungen ein, worüber ihr freudig Auskunft gegeben wurde. Der blaue Gnomling war eher schweigsam und verschwand alsbald wieder.
Alle setzten sich zusammen an das Feuer und tauschten ihre Reiseberichte aus. Abwechselnd berichteten die anderen über die Geschehnisse seit dem Pass. Es war Dunas trotz Katus Verrat gelungen, die Gruppe zu finden. Außerdem waren sie im Grunde glimpflich aus der Sache mit den Formwandlern rausgekommen. Die Erklärungen zu dem Code des Namenlosen, der von elf runter zählte, überraschten ihn zwar, doch er vermutete schon seit einer Weile, dass ihr Feind sie direkt in die Falle laufen ließ. Warum sonst fing er nicht geradewegs an, sie zu trennen, und erlaubte ihnen gemeinsam bis hierher zu kommen? Aber wusste der Priester, der die Träume schickte, das nicht? Zeigte er deswegen dieses Traumende, um sie zu warnen?
Bald tauchten Semio, Oranos und Dunas auf und begrüßten sie. Der Dieb schien immens erleichtert, Nassia wiederzusehen. Sie verbrachten den Abend alle lachend und tauschten ihre Geschichten aus. Bis spät in die Nacht saßen sie da. Josuan erzählte seinem Vater von zu Hause. Sie hatten für den Moment beide beschlossen, das Thema der schnellen Abreise zu vergessen.
Josuan beobachtete ständig Nassia, die sich herzlich und vertraut mit Semio austauschte. Er ärgerte sich, dass die Prinzessin ihn überhaupt nicht mehr beachtete und gleichzeitig so kindisch mit dem Dieb umging. Das Gekicher, das er vernahm, ließ ihn genervt die Augen verdrehen.
Sein Vater sah ihn deshalb überaus irritiert an. Er erwischte Kanju, wie er die Thronerbin aufmerksam beobachtete und dann immer wieder ihn ansah. Es wäre ihm eindeutig lieber gewesen, er hätte so getan, als ob er gar nichts bemerken würde.
Sein Vater lenkte das Gespräch auf ihre Mission und das Buch, das Josuan endlich wieder in den Händen hielt. Er blätterte darin und hörte überrascht, dass Kanju nicht daran glaubte, dass es wichtig war. Massua gesellte sich zu ihnen und erzählte von seiner Vermutung, dass der Namenlose nur darauf wartete, dass sie sich vereinten. Josuan beschloss deshalb schnell das Gespräch, woanders weiterzuführen. Er wollte vermeiden, dass sie jemanden beunruhigten. „Aber warum sollten wir dann weitermachen?", fragte er aufgebracht, als sie sich entfernt hatten. „Wir wissen, dass es im Desaster endet, wie können wir das den anderen gegenüber verantworten?"
Sein Vater sah ihn gelassen an. „Manchmal ist es wichtiger Opfer in Kauf zu nehmen, als so weiter zu machen wie bisher. Ich denke das Denaja, das auch so sehen würde. Sie hat ihren Mann verloren, aber sie hatte die Hoffnung, dass andere kommen würden, um den Kampf weiterzuführen. Ich glaube, mehr soll das Buch nicht sagen", erklärte Kanju.
„Und du denkst, dass Mutter auch so denkt?", wollte Josuan wütend wissen.
Sein Vater antwortete nicht und sah seinen Sohn abgeklärt an. Der Traumseher hatte die Absicht, aufgebracht etwas zu erwidern, aber Massua boxte ihn in die Seite. „Lass es. Das bringt doch nichts", besänftigte er ihn.
„Ich möchte, dass wir uns einen Plan überlegen, der uns hier wegbringt. Dem Namenlosen dürfen wir uns nicht länger so auf dem Serviertablett präsentieren. Und ich plane dort draußen alle mitzunehmen, die sich mir anschließen wollen. Ich bin verantwortlich für diese Mission, hört endlich auf mir ständig in den Rücken zu fallen oder mich zu bevormunden", erklärte Josuan und sprang auf.
Er marschierte zurück zum Lager und legte sich auf seine Decke. Kurz darauf folgten Massua und sein Vater. Er hörte nichts mehr von ihnen und fiel irgendwann in einen traumlosen Schlaf. Was ihm nur gelang, indem er nachhalf, als er das Gekicher von Nassia nicht länger ertrug und einen kleinen Tropfen von Danus Zaubertrank zu sich nahm. Er verwahrte den Trunk glücklicherweise immer, damit die Stammeskämpferin nicht auf komische Gedanken kam und nach der Einnahme tagelang schlief.
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