Dunas der Dragoner - Kapitel 11.4
Es war in ihrer direkten Umgebung stockdunkel und Dunas war froh, als Semio eine Fackel aus der Tasche zog und sie anzündete. Der Wind blies heftig und er hatte einige Schwierigkeiten damit. Dann endlich schwenkte er sie kurz über seinen Kopf.
„Und jetzt?", raunte Dunas gedämpft.
„Jetzt warten wir", flüsterte Semio zurück. „Dein Drache sollte das gesehen haben und wird uns gleich holen kommen." Der Dragoner sah verwirrt zu Waf. Wusste er über ihn Bescheid?
„Was ist mit deinem Drachen?", fragte Dunas.
Semio rutschte ein komisch klingendes Geräusch heraus, so als ob er sich das Lachen verkniff. „Der kann leider nicht fliegen", antwortete er.
„Was? Ein Drache der nicht fliegen kann? Das gibt's doch gar nicht", kommentierte Dunas verdattert.
„Doch, doch. Du wirst schon sehen", erwiderte Semio. In dem Moment kam Magto auf sie zu gesaust, bremste kurz vor ihnen ab und setzte dann sacht auf dem Hügel auf.
„Magto!", rief Dunas froh.
„Grüß dich, Knirps. Hattest du einige Mühsalen?", fragte er ihn.
Der Dragoner nickte brummend und erklärte verteidigend: „Es ist nicht meine Schuld. Ich hatte doch keine Ahnung, dass eine klitzekleine Frage nach anderen Reisegruppen schon reicht in diesem verdammten Drecksloch festgesetzt zu werden." Wieder selbstsicherer fügte er hinzu: „Sie haben nicht mal gemerkt, was ich bin."
„Bestenfalls wärst du überhaupt nicht gefangen worden", beschied ihm Magto, während alle auf seinen Rücken Platz nahmen.
Resigniert zog Dunas den Kopf ein. Er würde seinen Freund nicht umstimmen, das hatte er schon gelernt. Besser das Thema komplett fallen zu lassen. „Was soll das mit diesem anderen Drachen? Ein Drache der nicht fliegen kann, gibt es sowas wirklich?", erkundigte er sich stattdessen.
Dunas hörte bei Magto ein belustigtes Lachen. „Eure Nachkommen können doch auch nicht am ersten Tag schon tippeln, oder?", antwortete er.
„Ach so, ist es ein Babydrache?", hakte der Dragoner nach.
„Nein. Obwohl, vielleicht in gewisser Weise doch. Was hältst du davon, wenn du dir das von ihr selber erläutern lässt", schlug Magto vor und flog los.
„Wieso tun bloß alle so geheimnisvoll?", fragte Dunas und dann stellte er fest:
„Es ist also eine sie."
Woraufhin Magto erklärte: „Tonyar ist ihr ehrenwerter Name."
„Aber Tonyar, so hieß doch eine aus Nassias und Josuans Gruppe...." Er starrte zu Semio und Waf, dann wechselte er wieder in die Menschensprache. Er musste fast schreien, damit die Zwei ihn verstand, denn der Wind und Magtos Flügelschläge tosten ohrenbetäubend um sie herum. „Magto will mir auch nichts sagen. Aber war Tonyar nicht eine aus eurer Gruppe?", rief er laut. Der Dieb nickte schmunzelnd, gab jedoch leider keine Antwort über den Lärm hinweg. Waf hinter ihm grinste belustigt.
Was war hier bloß los? Er würde sich gedulden. Aus Magto mehr herauszubekommen war aussichtslos, das hatten ihn ähnliche Versuche in den letzten Jahren gelehrt. Mit Semio und Waf zu sprechen war bei dem Krach zwecklos.
Er hatte so viele Fragen: Wie hatte der Dieb ihn bloß gefunden? Selbst, wenn Magto es ihm mit dem Brief mitgeteilt hatte, woher hatten sie gewusst, wo er genau war. Warum begleitete sein Drachenfreund sie? Wobei das sicher an der Drachendame lag. Wie hatte Tonyar in einen Drachen verwandelt werden können? Sie war laut Josuan zwar eine Formwandlerin, aber weshalb transformierte sie sich nicht zurück? Zudem war ihm schleierhaft, wieso sie nicht flog.
In den vergangenen Tagen war mehr passiert, als seit Magtos Auftauchen damals. Josuan hatte ihn ohne Nassia in die ganze Geschichte um die elf Gefährten eingeweiht, nachdem seine erste Wut über die „Einschläferung", wie er es nannte, verraucht war. Vorsichtig ausgedrückt, einigten sie sich auf eine Art Waffenstillstand, weil Dunas die Notwendigkeit erkannte, die Zusammenhänge von Josuan erklärt zu bekommen und der Traumseher gleichzeitig auf ihn angewiesen war. Dennoch herrschte auf beiden Seiten Misstrauen.
Am liebsten hätte Dunas diese nervige Prinzessin überhaupt gleich zurückgelassen. Mit Josuan kam er gezwungenermaßen klar, aber diese Frau war furchtbar weltfremd, ja fast naiv. Er war froh über Danus Vorschlag, sich zu trennen.
Er startete gerade einen neuen Versuch, etwas aus Magto herauszubekommen, da setzte der Drache zur Landung an. Es war stockdunkel und er erkannte nicht viel, denn ein Feuer oder andere Lichtquelle war weit und breit nicht auszumachen.
„Hallo Dunas!", erklang eine Stimme. Die Worte waren in der Drachensprache gesprochen worden.
„Wer, wer spricht da?", erkundigte er sich und registrierte, wie Magto unter ihm vibrierend in sich hinein lachte. Dunas versuchte, etwas zu erkennen, aber er konnte nur schemenhaft Umrisse ausmachen. Die Nacht war immens schwarz, Wolken bedeckten den gesamten Himmel. „Tonyar?", fragte er erneut.
„Du weißt es schon? Ich dachte, Magto wollte dir nichts verraten", erwiderte sie schmollend.
„Ich weiß auch nichts. Nur dass du Tonyar bist, die Formwandlerin? Wie kam es zu deiner Verwandlung? Warum seid ihr hier? Und wer ist überhaupt noch hier?", hakte er ungeduldig nach.
„Wie sorglos alle mit den Geheimnissen anderer umgehen. Jeder weiß hier, was ich bin, oder mal war", seufzte sie ungehalten.
„Tonyar, du vergisst ich bin ein Dragoner und damit auch ein Verfolgter. Ist es nicht gut, dass auch andere die gleichen Schwierigkeiten haben", erkundigte sich Dunas. Dieser Drache schien anstrengend zu sein. Seit wann war er der Vernünftige?
„Was sagt sie?", wollte Semio hinter ihm wissen. Sie saßen immer noch auf Magto.
„Kann mir jetzt endlich jemand erzählen, was hier vorgeht?", fragte Dunas ungeduldig in der Menschensprache.
„Die Drachen können dir in aller Ruhe alles erzählen", beschwichtigte Semio.
„Waf und ich sollten so schnell wie möglich zu den anderen zurück. Ateras, Katu, Bennoli und Sinara wissen nichts von den Gefährten und dabei soll es erst mal bleiben. Wir wissen nicht, wem wir trauen können. Vor allem seit deiner Gefangennahme. Wie kam es eigentlich dazu?"
„Ich habe keine Ahnung. Sie waren plötzlich da. Geisun hat nur so viel verraten, dass mich meine Neugier nach anderen Reisegruppen preisgegeben hätte. Aber ganz im Ernst, ich glaube nicht, dass er sich sicher sein konnte. Wart ihr das nun, die vor ein paar Tagen überstürzt abgereist sind?", erkundigte sich Dunas.
„Höchstwahrscheinlich schon. Massua, Suaso, Waf, Sinara und Bennoli sind in die Stadt gegangen und dort von den Dieben – über Wafs Verbindungen – gewarnt worden, dass die Wachen von Giptos sie suchten. Wir hatten nur die fünf geschickt, weil wir nicht zu sehr auffallen wollten. Am liebsten hätten wir auch Suaso nicht mitgehen lassen, aber er bestand darauf. Suaso ist der Assassine, aber das weißt du sicher", erklärte Semio weiter.
Dunas nickte und der Zwerg fuhr fort: „Jedenfalls hatten die Diebe von einer verschlüsselten Nachricht erfahren, die alle unsere Namen an den Statthalter weitergab – selbst die von Nassia und Josuan - und noch einige andere Informationen über uns, zum Beispiel wo die anderen hier draußen zu finden waren und dass Nassia die Prinzessin ist. Wo die Nachricht herkam, wissen wir nicht. Wir sind daraufhin jedenfalls schnell aufgebrochen.
Wir haben hier draußen, dann wieder die anderen getroffen und haben uns auf den Weg Richtung Sendari gemacht. Niemand darf mehr alleine sein. Irgendwann hat Tonyar dann Magto kennengelernt." Es zischte und der fremde Drache spie ein paar Flammen. „Kennengelernt, pah!", Dunas sah verwundert zu ihr, aber Semio erklärte ungerührt weiter: „Daraufhin haben wir Waf eingeweiht, weil es unwahrscheinlich war, dass er uns verraten hat. Er hat uns als einziger in der Stadt helfen können, dich zu finden."
„Sinara hätte das auch gekonnt und ich möchte auch immer noch, dass ihr sie einweiht", erklärte der Zwerg spitz. Semio seufzte und erwiderte: „Nicht jetzt Waf. Ich glaube nicht, dass du Massua dazu überreden kannst. Aber du kannst es ja versuchen."
Waf grummelte etwas Unverständliches, ließ dann Semio weiter reden.
„Dank Wafs Hilfe, haben die Diebe dich schnell gefunden und wir konnten dich raus holen. Wir haben ihm viel zu verdanken, aber dennoch ist es nicht klug, so viele in unsere Mission einzuweihen."
Waf sah ihn wütend an und verschränkte die Arme vor seiner Brust und fragte anklagend: „Ach und du findest es richtig, dass einige Mitreisenden keinen blassen Schimmer von dem haben, auf was sie sich eingelassen haben?"
Semio seufzte nur. Während Dunas zu Tonyar schaute: „Und wie verständigt ihr euch? Ich versteh nicht, wie ihr Pläne machen konntet, wenn die Menschen euch gar nicht verstehen."
Magto schaltete sich ein: „Ich habe den Lindwurm bei Flugstunden überrascht. Aber sie kann nicht fliegen. Sie hat sich vorgestellt und ich wusste, dass sie zu der Gruppe der Gefährten gehört. Sie hat dann Semio geholt und ich habe ihm den Brief gegeben. Darüber hinaus – verstehen sich Semio und Tonyar auch ohne Worte. Der Brief war Erklärung genug, um sie zu alarmieren", sagte Magto.
„Und warum seid ihr zurück nach Giptos gekommen? Das war doch gefährlich", fragte Dunas den Dieb, der geduldig mit Waf gewartet hatte.
„Wir haben eins und eins zusammengezählt und uns gedacht, dass du vielleicht nicht so viel Glück hattest. Als ich mit Waf in die Stadt kam, hatten unsere Verbündeten schon gehört, dass jemand eingesperrt worden war. Wir sind einfach ein kleines Risiko eingegangen und haben dich mit den Dieben gemeinsam befreit, obwohl wir uns nicht sicher waren, dass du es warst."
Der Dragoner nickte und wollte wissen: „Und wer könnte der Verräter sein? Ich finde das Ganze schon sehr eigenartig."
„Wir müssen los, Dunas. Aber wenn ich tippen müsste", Waf beabsichtigte, einen Namen zu nennen. Da unterbrach ihn Semio rüde: „Waf. Das führt doch zu nichts. Es ist nicht gut, wenn wir uns gegenseitig beschuldigen. Ich weiß Massua hat seine eigene Meinung dazu. Aber lass dich nicht von ihm vereinnahmen." Dunas sah anerkennend zu Semio, er selbst wäre nicht so vorsichtig und hätte lieber gehört, vor wem er sich in acht nehmen sollte. Er würde die Augen offen halten.
Die Tage danach verbrachte Dunas meistens auf Magtos Rücken und sie hielten die Umgebung im Blick. Eines Nachts, Semio und Suaso waren vor einer Weile zu ihnen gestoßen, waren sie mit Tonyar zu Fuß unterwegs. Der Dieb und er diskutierten seit geraumer Zeit hitzig über die Eingeweihten, wohingegen der Assassine wie immer schwieg. Aufgebracht rief Semio aus: „Ich verstehe überhaupt nicht, wie man sich dem Namenlosen anschließen kann. Bei ihm hat man weder etwas zu lachen, noch kann man eigene Entscheidungen treffen. Was bringt also jemanden dazu, sich gegen uns zu wenden?"
Danus lachte und antwortete herausfordernd: „Naja, glaubst du, dass eure Ansichten die einzig richtigen sind?"
„Der Namenlose reißt Familien auseinander. Tötet Menschen, nur weil sie eine Gabe haben. Das findest du richtig?", fragte Semio wütend.
„Das nicht, aber für den Rest mag die Welt in Ordnung sein", erwiderte Dunas.
Tonyar neben ihnen zischelte etwas und sprang beleidigt ins Unterholz. „Was hat sie gesagt?", fragte Semio.
„Die Welt ist für sie nur so lange in Ordnung bis sie einen Verfolgten zur Welt bringen", antwortete Dunas und wandte sich ab. Er war überrascht über Tonyars Reaktion. Andererseits hatte sie unter ihrer Gabe höchstwahrscheinlich gelitten.
Unvermittelt stieß Magto zu ihnen herunter. Er fackelte nicht lange und verkündete, während Dunas schon übersetzte: „Wir werden verfolgt."
„Von wem?", fragte Semio erschrocken.
„Eine Frau und zwei Männer. Gabea, Kanju und Bonsti", erklärte Magto. Dunas riss seinen Kopf zu dem Drachen herum: „Die kenne ich!", rief er in der Drachensprache. „Ich habe Gabea getroffen als ich nach Giptos gegangen bin. Was will die hier?" Magto sah ihn nachdenklich an. „Bist du sicher? Viele andere weibliche Knirpse könnten diesen Namen tragen?"
„Aber wie wahrscheinlich ist das. Ich wusste gleich, dass mit ihr etwas nicht stimmt", erklärte Dunas wütend.
„Und deshalb hast du mir auch gleich von ihr berichtet", erwiderte Magto, während er belustigt mit seinem Kopf wackelte. Der Dragoner ignorierte ihn. Aufgeregt erzählte er den zwei Gefährten von Magtos Entdeckung.
Es war der Assassine, der dieses Mal brummend antwortete: „Zu viele Dinge sind im Gang, die wir nicht verstehen. Komm Semio, wir gehen zurück."
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