CSD Season
Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Kapitels ist es Sommer (aufm Kalender jedenfalls, es schüttet wie aus Eimern - da brauch ich immerhin meine Avocado nich zu gießen :'D) und Sommer heißt immer CSD-Saison.
Um herauszufinden, wann CSDs in eurer Umgebung sind, gibt es einen ganz tollen Weg: Das Internet. Die Seite www.csd-termine.de liefert recht zuverlässig so gut wie alle wichtigen Infos und Links zu Webseiten der Veranstalter. Insta kann sonst auch ein ganz guter Guess sein - wenn ihr dort euren regionalen queeren Beratungszentren folgt, kriegt ihr alle möglichen Infos und so auf einen Blick. CSDs sind im Normalfall meistens an Samstagen btw
Wenn ihr einen CSD gefunden habt, an dem ihr Zeit habt, ebenso wie eine funktionierende Zugverbindung oder andere Möglichkeit, dahinzukommen, könnt ihr mit der genaueren Planung anfangen. Wenn ihr noch nie auf nem CSD wart, dann hab ich euch hier einige meiner Tipps, Erfahrungen und Eindrücke geschildert.
Pflichtprogramm:
1. Alleine gehen ist langweilig. Nehmt gerne ein paar Freunde mit. Mit mehr Leuten macht es mehr Spaß, und außerdem ist mehr für eure Sicherheit garantiert. Wenn einem von euch was passiert, habt ihr dann hundertprozentig jemanden, der weiß, wie ihr heißt und sich um euch kümmern kann. Auch seid ihr mit mehreren Menschen nicht so leicht Ziele von queerfeindlichen Säcken.
2. Stay hydrated. CSDs sind meistens im Sommer, und mit dem Umzug mehrere Kilometer inmitten von mehreren Menschen über staubige, heiße Straßen zu latschen, wird ziemlich nervig, wenn man nix zu trinken dabei hat.
3. Geht mit etwas im Magen zum CSD und nehmt vielleicht auch etwas zu mampfen oder zumindestens etwas Geld für Mampf mit. Wenn die Stimmung da ist, neigt man dazu, herumzutanzen, das kann einen ein bisschen hungrig machen. Und außerdem soll euer Kreislauf ja schließlich auch mitmachen, und das funktioniert besser mit ein bisschen Nahrung im Körper.
4. Handy, Portemonaie und so Zeug. Passt gut auf euren Krempel auf, aber letztendlich ist ein CSD immer noch eine (meist friedliche) Demo und für den Fall der Fälle kann es schon ganz günstig sein, sich ausweisen zu können oder Menschen anrufen zu können. Ich trag meinen Krempel meistens in einer dünnen Bauchtasche unterm T-Shirt, dass man von außen nicht sieht, dass ich eine Bauchtasche trage, das hat bisher ganz gut funktioniert.
5. Stay safe. Besonders, wenn ihr auf CSDs in Bayern/im Osten geht, wo bekanntlich viel zu viele Menschen AfD oder Freie Wähler oder so nen Mist wählen, passt darauf auf, dass ihr mit eurem Aussehen/euren Accesoires nicht so sehr auffallt (was sehr traurig ist, zu schreiben. I wish das wär kein Ding, was ich schreiben müsste, aber dafür gehen wir ja auf die Straße :]). Zwei Freunde von mir und ich wurden schon einmal schikaniert/beleidigt, weil wir unsere Regenbogenflaggen nicht eingepackt haben. Körperlich wurde es glücklicherweise nicht, aber schön war es auch nicht.
Man neigt nach einem CSD leicht dazu, beschwingt von den ganzen lieben Menschen auch nach der Demo und dem Straßenfest weiterhin mit Regenbogenflaggen über die Straßen zu hopsen, und meistens lächeln die Menschen auch einfach nur, wenn sie sehen, dass man happy ist. Aber auch nicht selten wird man so Opfer von verbalen oder physischen Angriffen, und das muss nicht sein. Die meisten Angriffe auf queere Menschen am Tag eines CSDs passieren auch nicht während der Demo, sondern danach. Während der Demo wird man ja im besten Falle durch die Polizei geschützt.
Auch, wenn CSDs meistens wunderbare musikreiche, liebevolle Umzüge sind, sind wir queeren Menschen immer noch eine marginalisierte Gruppe, und sollten das auch nach einem Tag voller Liebe nicht vergessen.
Additional Stuff
1. Ohrenstöpsel. Es kann laut werden auf CSDs - beim Umzug werden meistens Lieder von Lady Gaga oder Techno-Remixe anderer bekannter Lieder geblastet, Musik variiert auch von CSD zu CSD, und ja. Es kann sehr laut werden. Ich bin ein Sensibelchen und sehr schnell overstimulated, wenn es zu laut wird, ich geh nicht ohne Ohrenstöpsel auf den CSD.
2. Regenbogenflaggen. Wenn ihr mögt, auch einen Edding, mit dem man auf Regenbogenflaggen schreiben kann, dann kann man cool aussehende Menschen fragen, ob die auf der Flagge unterschreiben wollen und hat ein paar schriftliche Beweise, dass man wirklich auf nem CSD war.
3. Schilder. Ich liebe Demoschilder, und ich liebe es, sie zu basteln. Unten in den Impressionen hab ich mein Demoschild für die kommenden CSDs reingetan, da seht ihr, wie das Schild aussieht, was beim letzten CSD zu sehr tollen Gesprächen geführt hat.
Und zwar hab ich Jesus mit einer Regenbogenflagge gemalt und "I'm cool with it" drunter geschrieben, und weil ich mit meiner Kamera und Flagge alle Hände voll hatte, hat ne Freundin von mir das Schild beim letzten CSD gehalten.
Mehrere Menschen wollten das Schild fotografieren und fanden es sehr stark, und glücklicherweise hat diese Freundin das Schild gehalten, weil die Erfahrungen mit der Kirche gemacht hat, alle anderen anwesenden Freunde von mir sind knallharte Atheisten. Jedenfalls kam ein Typ mit dieser Freundin von mir ins Gespräch, weil er bisher nur schlechte Erfahrungen mit der Kirche in Bezug auf Queerness gemacht hat, und er war ein bisschen überrascht und erleichtert, nun einem religiösen Menschen zu begegnen, der nicht queerfeindlich war und außerdem der Meinung, dass das Christentum an sich nichts gegen queere Menschen hat.
Das soll wohl ein sehr interessantes Gespräch gewesen sein, was diesen Menschen möglicherweise auch weitergebracht hat.
4. Fancy Outfits. Ich hab beim letzten CSD Piratenstyle versucht, hatte so ein weißes Hemd mit einer schwarzen Weste, einem Ledergurt und einem roten Tuch in der Westentasche an, ich hab mich sehr schick gefühlt. Davor hatte ich ein dunkelgrünes Leinenhemd und Elfenöhrchen an. Ne befreundete Person hat sich Fledermausflügel gebastelt. Auf dem CSD könnt ihr euch stylisch austoben und die gewagtesten Kombinationen pullen - niemand wird euch dafür judgen, im Gegenteil. In meinem jetzigen Umfeld finden Menschen Elfenohren komsich, auf dem CSD hab ich sehr viele Komplimente bekommen. Nur - passt halt damit auf, wenn ihr euch in der Öffentlichkeit außerhalb des CSDs bewegt.
Wenn ihr keine Modemenschen seid, ist das aber auch nicht schlimm. Aber wenn ihr gern mal ein bisschen experimentieren wollt, dann lets go.
5. (Gebasteltes) Zeug zum Verschenken. Ich bastel sehr gern Buttons mit Regenbogenflaggen und Fröschen drauf, die verschenk ich auf den CSDs an Menschen, die sympathisch aussehen. Ich hab auch schon einen Pronomenanhänger geschenkt bekommen, und einen Sticker :D
6. Kontaktzettelchen. Besonders bei sozialphobischen Menschen/großen CSDs ist das ganz nützlich, denn auf CSDs rennen so viele coole Menschen rum, die man ansprechen möchte, aber es ist manchmal ein bisschen laut, oder man traut sich nicht. Zettelchen, auf denen ihr so was draufschreibt wie "I think you look really cool, here's my insta/discord" können da sehr hilfreich sein. Übrigens würde ich davon abraten, sofort die Nummer weiterzugeben. In 9 von 10 Fällen sind die Menschen, mit denen man Nummern austauscht, zwar lieb, aber eine öffentliche Demo ist immer noch eine öffentliche Demo. Ich bin bisher nicht an Creeps gekommen, aber ich wills auch nicht drauf ankommen lassen.
7. Wenn ihr Leute umarmen wollt, aber euch nicht traut, auf die Menschen mit Free-Hugs-Schildern zuzugehen - Free-Hugs-Schilder. Dann kriegt ihr Umarmungen :D (ich liebe Free-Hugs-Schilder! Umarmungen schütten ja auch irgendwie Glückshormone aus, hab ich irgendwann mal nen Radiobeitrag überhört, da wurd das erzählt. Ich kanns jedenfalls bestätigen, nach CSDs, an denen ich viele Menschen umarmt hab, war ich immer mega happy)
Dont's:
1. Drogen, Alkohol, Rauschmittel. Eine Demo ist eine Demo und sollte nüchtern genossen werden. Und ja, ich weiß, aufm Berliner CSD riechts an jeder Ecke nach Gras, was mich sehr genervt hat. Bitte macht so was nicht, benehmt euch.
2. Missachten der Grenzen der Personen. Ist jetzt keine großartige Überraschung, aber bei den ganzen Umarmungen und so solltet ihr darauf aufpassen, dass es euch und den anderen gutgeht. Auf nem CSD ist das auch eigentlich selbstverständlich, ich hab mal nen Menschen gesehen, der Küsschen auf die Wange nur an Menschen verteilt hat, die 18+ waren.
Nach Pronomen fragen oder so sollte auch drin sein, bei einigen Menschen mit ner Transflagge ist man sich manchmal echt nicht sicher, ob die transmasc oder transfem sind, und ehe man jemanden missgendert, lieber nachfragen. Klingt auch sehr simpel. Müsste selbstverständlich sein.
3. Krawall. Insbesondere gegen die Polizei ist Krawall eine miese Idee. Ich weiß, first pride was a riot, ich bin auch kein sonderlich großer Fan von der Polizei, allerdings sind die es, die im Notfall was gegen queerfeindliche, gewaltbereite Idioten unternehmen oder den Verkehr umleiten. Ein CSD soll friedlich ablaufen, bitte benehmt euch.
Tipps in General:
1. Guckt euch die CSD-Route vorher an, um zu wissen, ob ihr alles mitlauft, später dazukommt, oder einfach mal so aus Interesse.
2. Seid ruhig eine halbe Stunde - Stunde früher am Startplatz. Meistens gibt es da Stände von queeren Zentren oder so, die Sticker verschenken, man kann die ersten coolen Menschen schon beobachten und ansprechen und hat generell einfach weniger Zeitdruck. Find ich ganz cool.
3. Wenn es der erste CSD ist, den ihr lauft, fangt klein an. Köln, Berlin, München, Hamburg sind meistens laut, voll und einfach eine riesige Reizüberflutung. Außerdem brauchen Kleinstadt-CSDs auch Support, und man trifft da eher Leute, die aus der Gegend stammen, aus der man selber kommt.
Impressionen
die letzten beiden sind mein Demoschild, das eine ist die Vorderseite, das andere die Rückseite.
Ich hoffe, ihr nehmt mir die Wasserzeichen nicht übel, aber ich bin Amateurfotograf und Hobbymaler, an einigen meiner Werke, wie beispielsweise der Jesus, häng ich sehr. Ich hab weniger Lust, das irgendwann ohne Credits, oder, noch schlimmer, mit falschen Credits irgendwann im Internet wiederzufinden.
Wären die Schilder nur mit Text oder die Fotos irgendwelche random Handyfotos, wär mir das auch nicht so wichtig, da steckt nicht jahrelange Übung hinter, ich hoffe, ihr könnt meinen Copyrightfimmel verstehen :)
Oh, und noch ein Ding: Wenn ihr auf einem CSD Artworks fotografieren wollt, oder Fotos mit/von Dragqueens oder Menschen in Cosplays, immer vorher fragen, okay?
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