25 A ⭒ Fröhliche Weihnachten
⟁ CW: Verletzungen, Tod ⟁
22.12.1980
⏵Now playing: Happy Xmas (War is over) - John Lennon
Remus war nun beinahe vier Monate schon auf der Mission.
Nur einmal, im November, war er mitten in der Nacht aufgetaucht, um Sirius zum Geburtstag zu gratulieren. Dann war er wieder in der Dunkelheit der Nacht verschwunden, bevor James, Peter und Lily, die auf der Couch eingeschlafen waren, die Chance hatten, aufzuwachen und ihn zu grüßen. Oder bevor Sirius einen Blick auf sein Gesicht, das er unter einer Kapuze bedeckt gehalten hatte, erhaschen konnte.
Zunächst hatte Sirius ihre Kette Tag und Nacht um den Hals getragen, sich regelmäßig dabei ertappt, wie er sie minutenlang nur ansah, als würde er beinahe auf einen Hilferuf warten. Ein Hilferuf war schließlich wenigstens ein Lebenszeichen.
Nun, zwei Tage vor Weihnachten, hing sie von ihrem Kleiderhaken neben der Wohnungstür. Immerhin, die erste Hälfte des Dezembers hatte sie auf dem Boden gelegen, genau dort, wo er sie gegen die Wand geschleudert hatte.
Sie hatte ihn in den Wahnsinn getrieben. Die stetige Mischung aus Angst vor und Hoffnung auf ein Erwärmen, die Zerrissenheit zwischen Erleichterung oder Enttäuschung und noch größerer Sorge, wenn das kleine, goldene Medaillon sich höchstens durch die Wärme seiner Hände nicht mehr eiskalt anfühlte.
Rational wusste er, dass Remus sich die Länge der Mission sicher nicht ausgesucht hatte und, perfektionistisch wie immer, ihren Erfolg um keinen Preis gefährden wollen würde, doch mit den Tagen, die er auf dem Kalender abstrich, fand er eine gewisse Wut, die sich in ihm aufbaute. Ihm musste doch bewusst sein, wie es Sirius erging, wenn er bald ein halbes Jahr in nichts als Unwissenheit schwebte.
Remus hatte sich geweigert, auch nur ein Wort darüber zu verlieren, worum genau es bei der Mission ging, sogar die letzten Male, die er nachgefragt hatte, nur noch gereizt reagiert, weil dieser Idiot es scheinbar nicht in seinen dicken Schädel bekommen konnte (oder wollte), dass Menschen sich Sorgen um ihn machten.
Vielleicht hätte er wenigstens einen einzigen Brief schreiben oder einen Patronus schicken können, damit er wusste, dass er überhaupt noch am Leben war. Die letzten vier Vollmonde waren, ließ man die beiden seiner letzten großen Mission aus, die ersten seit fünf Jahren gewesen, die er vermutlich allein verbrachte und Sirius wollte sich nicht ausmalen, welche katastrophalen Ergebnisse das erzielen könnte.
Es würde Harrys erstes Weihnachten sein, und Remus würde irgendwo in England seiner mysteriösen Mission nachgehen. Manchmal schien es ihm, als wäre Remus dieses Detail besonders recht. Er wirkte, als hätte er eine unergründliche Angst vor dem Baby.
Als seine Wünsche auf eine Weise erhört werden sollten, stand er in der Küche und summte die Muggelmusik mit, die im Radio lief. "Die Käfer", oder so ähnlich, hatte Remus gesagt, hieß die Band.
Währenddessen versuchte er, von Hand Harrys Geschenk zu verpacken. Es war ein Mobilé, das er entschieden selbst und ohne jegliche magische Hilfe gebastelt hatte.
Die Kleinstarbeit hatte ihn für etwa eine Woche von Remus abgelenkt. Figuren von Hirschen, Hunden, Wölfen und Ratten hingen von dessen Armen, die aus sorgfältig ausgesuchten und zurechtgeschnittenen Baumzweigen bestanden. Nach der Fertigstellung hatte er es so verzaubert, dass es sich von selbst drehte.
Gerade hatte er seinen Kampf mit der Klebebandrolle gewonnen und deren Ende gefunden, als er aus dem Augenwinkel zwei Lichtkugeln sah, die durch das Fenster drangen, bevor sie sich in die Gestalt zweier Wesen verwandelten. Die silbernen Patroni in der Form einer Ziege und einer Gazelle -Dorcas- schwebten vor ihm. Hastig warf er ein Silencio in Richtung Radio, das sein Ziel zu finden schien.
Aberforth Dumbledores Stimme entsprang dem Ziegenpatronus und hallte in der plötzlichen Stille der kleinen Wohnung. "Wir haben Lupin gefunden."
Das Blut in Sirius' Adern gefror. Wie gelähmt legte er das Mobilé ab und starrte die Patroni an, wartete auf weitere Anweisungen, ob er in Tränen der Erleichterung oder der Verzweiflung ausbrechen sollte. Sein Herz fing an, beinahe aus seiner Brust hervor zu hämmern.
"Wir sind-", Dorcas nahm einen zittrigen Atemzug und er konnte sich ihre Botschaft schon vorstellen, bevor sie überhaupt bereit war, sie auszusprechen. "Wir sind bei Lily und James, ich wusste eure Adresse einfach nicht mehr und sie waren in der Nähe-" Aberforth fügte noch etwas hinzu, das er nicht mehr hörte.
Mit einer hastigen Bewegung schob er seinen Zauberstab unter seinen Gürtel und rutschte beinahe auf dem Flurparkett aus, bevor er blind irgendeine Jacke von dem Kleiderhaken griff. Klirrend fiel etwas zu Boden, und als er sich danach umsah, blieb sein Blick an der Kette hängen, die er wohl mit der Jacke vom Haken gezogen haben musste. In der Mitte des Goldmedaillons klaffte ein Loch, schwarz umrandet.
Es war hineingebrannt.
⁂
Zur Sicherheit apparierte er ein wenig abgelegen von James und Lilys Haus in eine kleine Nebenstraße.
Er wollte überhaupt nicht daran denken, doch während er durch das verschneite Viertel hetzte, kreisten seine Gedanken um das, was Dorcas gesagt hatte. Sie hatte ihre Adresse nicht mehr gewusst. Offenbar war Remus also in keinem Zustand, sie ihr zu sagen. Aberforth jedoch hatte kein Wort über Remus' Zustand verloren, und obwohl er sich nicht vollständig sicher war, wie er dies interpretieren sollte, versuchte er, sich auf den Anblick, der ihn erwarten würde, vorzubereiten.
Gestern erst war ein Vollmond gewesen. Vage erinnerte er sich daran, wie er in der fünften Klasse das erste Mal Remus' Rückverwandlung und seinen Zustand, bevor Madam Pomfrey sich um ihn kümmern konnte, miterlebt hatte und in Ohnmacht gefallen war, bevor sie den Krankenflügel erreicht hatten.
Es hatte ihn nicht abgehärtet, es Monat für Monat zu sehen, doch er war besser darin geworden, zu verbergen, wie es ihn beschäftigte.
Wenige Meter vor dem Haus blieb er stehen und konnte den Mut nicht aufbringen, auch nur einen weiteren Schritt zu machen.
Vor der Einfahrt stand eine kleine Gruppe von Ordensmitgliedern beieinander und schien sich hektisch über etwas zu unterhalten. Moody und McGonagall konnte er von ihnen erkennen, die Anderen kannte er nur vom Sehen.
Moody hinkte an ihm vorbei und sah sich in der Straße um, bevor er sich über dunkelrote Spuren im Schnee beugte, die zu den Treppen des Hauses führten. Ehe Sirius sicherstellen konnte, um welche Flüssigkeit es sich handelte, hatte der Auror sie bereits entfernt und stellte sich wieder zu den anderen.
"Geh schon, Black," rief er ihm zu, als er immer noch nur versteinert den Eingang anstarrte.
Sein Blick traf den von McGonagall, als er zögerlich auf die Treppen zulief. Sie sah wütender aus, als er sie je gesehen hatte, doch ihr Blick wurde beinahe sofort sanfter und sie nickte, als würde sie ihn wortlos ermutigen wollen.
Die Tür war angelehnt.
Aus dem Haus drang bereits das Chaos verschiedener Stimmen, die aufgeregt durcheinander redeten. Langsam ließ er die Tür aufschwingen, versuchte ein letztes Mal, sich zu wappnen.
Dumbledores Bruder stand neben der Tür und legte ihm eine schwere Hand auf die Schulter, als er eintrat. "Wir hatten schon Sorge, dass unsere Patroni dich nicht erreichen. Er ist hier!", rief er in die Wohnung und es wurde plötzlich still.
Er schluckte. Das hier war real. Nicht einmal Aberforths schwere- blutige- Hand auf seiner Schulter oder der unverkennbare, schwere Kupfergeruch in der Luft rissen ihn aus seinem Albtraum.
"Mein Bruder hat ihm diese Mission eingeredet, nicht? Er und seine Kindersoldaten, alles für das Größere Wohl...", Aberforth schüttelte wütend den Kopf, dann nickte er hinter sich. "In der Küche. Mach dir keine Sorgen, Junge, Meadowes ist bei ihm. Sie ist eine exzellente Heilerin, ihr habt fürchterliches Glück, sie kennengelernt zu haben. "
Ohne sich zu bedanken stürmte er an ihm vorbei. Seine Beine trugen ihn in die Küche, obwohl er nicht sicher war, dass er wirklich dorthin wollte. Bevor er an der Tür klopfen konnte, wurde sie aufgerissen und jemand lief direkt in ihn.
"Padfoot," murmelte Peter. Er sah blass aus und versuchte etwas zu spät, einst weiße, nun rote Handtücher hinter seinem Rücken zu verstecken.
Sirius' Kehle schnürte sich zu. Hinter Peter konnte er Dorcas' strengen Ton hören, den sie immer nutzte, um Anweisungen zu erteilen. Das letzte Mal, das er diesen Tonfall von ihr gehört hatte, war auf dem Quidditchfeld gewesen, und jetzt- jetzt...
Peter sah ihn betreten an und rückte zur Seite, damit er auch die kleine Küche betreten konnte. Schon wenige Zentimeter vor der Türschwelle begann eine Blutschliere auf den weißen Fliesen und sein Magen überschlug sich bei der Vorahnung, was ihn am Ende der Spur erwarten würde.
Dorcas verdeckte seine Sicht. Neben ihr konnte er nur ein Paar langer Beine sehen. Beine mit etwas zu kurzen Hosen und bekritzelten Schuhen, auf denen sich die Rumtreiber, Lily und Dorcas und Marlene in der sechsten Klasse verewigt hatten. Auch dieser Ravenclaw-Junge, der nicht offensichtlicher mit einem nichtsahnendem Remus hätte flirten können, hatte unterschrieben.
Sie war über Remus gebeugt, gab weiter Befehle, auf die er sich nicht konzentrieren konnte. Marlene kniete neben ihr, über einem Koffer, der Dorcas' Utensilien enthalten musste und kramte hektisch darin.
"Sirius," krächzte Lily. Sie winkte ihn zu sich, an Remus' Kopfende, und er kam der Aufforderung widerstandslos nach. "Sirius ist hier, Remus," murmelte sie ermutigend, doch es folgte keine Reaktion.
Eine Art Taubheit breitete sich in ihm aus und er hieß sie willkommen. In ihr konnte er seine Gedanken an einen Platz weit weg von hier schicken, vielleicht an einen Abend im Gemeinschaftsraum oder auf ihrem Sofa, an dem er auf Remus' Brust lag und ihm zuhörte, wie er ihm irgendein Buch vorlas, an dem Remus durch seine Haare strich. Überall hin außer an diesen Ort, den ersten Ort, an dem er sich außerhalb von Hogwarts zu Hause gefühlt hatte, an dem Remus bewusstlos zwischen ihnen lag und mit beträchtlicher Geschwindigkeit verblutete.
Dorcas' wilde Locken lösten sich aus ihrem Haarband, fielen vor ihr Gesicht. Als sie sie mit ihrem Handrücken beiseite strich, schmierte sie dunkles Blut über ihre Stirn.
"Verdammt, Remus!", zischte sie und griff nach Sirius' Händen, um sie auf Remus' Oberkörper zu legen. "Halt sie da drauf. Er verliert zu viel Blut."
Er strengte sich an, zu ignorieren, wie Remus' Beine kurz zuckten, als würde er zu entkommen versuchen, sobald er Druck auf die Wunde ausübte.
Lieber dachte er an die Nacht in ihrem sechsten Jahr zurück, als sie sich im Raum der Wünsche gegenüber gesessen hatten, das leichte rot auf Remus' Wangen, wie unwichtig die Welt um sie herum gewesen war.
"Ich liebe dich, Moony. Prongs hat ausnahmsweise recht mit dem, was er behauptet. Ich liebe dich und es tut mir leid, falls das die Dinge zwischen uns jetzt komisch macht, aber... Ich schätze, du solltest es einfach wissen."
"Die sind Jahre alt... Woher hat er diese ganzen Narben?", fragte Marlene leise und Lilys alarmierter Blick traf seinen.
"Erzählt er euch, wenn es ihm besser geht," murmelte er schließlich. Falls es ihm jemals wieder besser geht, flüsterte eine böse Stimme in seinem Kopf. Dorcas hob seine Hände an und legte sie in seinen Schoß, wo er sie regungslos verweilen ließ, während sie etwas grünliches über den Schnitt träufelte, den er eben noch zusammengehalten haben musste.
"...Was ist passiert?", gelang es ihm schließlich, zu fragen, und Lily zuckte zusammen, wobei sie beinahe Remus' Kopf, den sie in ihren Händen gebettet hatte, fallen ließ. Vorsichtig hob er ihn auf seine eigenen Knie. Remus' Hinterkopf und Nacken waren feucht von dem Blut, doch er selbst war kalt.
Lily sah herab auf Remus und fing händeringend an, zu erzählen. "Dorcas und Dumbledore- Aberforth Dumbledore- standen einfach plötzlich vor unserer Tür und sie haben Remus getragen und er hat so sehr geblutet-". Sie schluckte und er versuchte, ihr ein ermutigendes Lächeln zuzuwerfen. Er war sich nicht mehr sicher, ob es sie oder ihn beruhigen sollte.
Dorcas rückte ein wenig von Remus weg und legte eine Hand gegen seinen Hals. Ihre dunkle Haut war ein grotesk extremer Unterschied zu Remus, der eher den weißen Fliesen ähnlich sah. Er ließ seinen Blick über ihn wandern und kämpfte mit Tränen, von denen er vorher gar nicht gemerkt hatte, dass sie sich in seinen Augen gesammelt hatten, während sie durch ihren Koffer kramte.
Ein großer Schnitt lag quer über seiner Wange, von seinem Haaransatz bis über sein Kinn, und verdammt, Remus hasste Narben in seinem Gesicht, doch nach diesem Vollmond schienen diese nicht das Schlimmste zu sein.
Von seinen Schultern bis zu seiner Hüfte, über die gesamte Diagonale seines Torsos, zogen sich tiefe Krallenfurchen, die sich auch unter Dorcas' Tinktur nur langsam wieder zusammenzufügen begannen. Eine tiefe Wunde links auf seinem Brustkorb war kaum zu erkennen, in ihr sammelte sich bereits wieder zu viel Blut. Aus seiner rechten Armbeuge, über seinen Oberarm und bis zu seiner Schulter, schien Gewebe gerissen worden zu sein.
Er sah alt aus. Seine blasse, fast gräuliche Haut hob die dunklen Schatten unter seinen Augen deutlich hervor und gegen das starke Rot des Blutes wirkten seine Haare nicht wie ihr übliches sanftes braun, das in der Sonne kupfern glänzte, sondern nur matt. Auf dem Küchenboden lag, so sah es aus, kein Zwanzigjähriger, der noch ganz am Anfang seines Lebens stand, sondern ein Vierzigjähriger, der das Ende seines erreicht zu haben schien. Sirius war sich nicht sicher, ob sie sich jemals als Vierzigjährige sehen würden.
Behutsam beugte er sich herunter, um einen Kuss auf Remus' Stirn zu pressen. "Komm zu uns zurück, Moons," murmelte er gegen die kalte Haut. "Du willst doch nicht ernsthaft mit zwanzig sterben. Ich muss dich noch mit komplett grauen Haaren sehen, wenn du dann als der Zwilling von deinem Dad durchgehen kannst."
Das Grauen grub sich noch tiefer in seine Eingeweide, als er an Lyall Lupin dachte. Lyalls Reaktion, als er dachte, Remus wäre gestorben. Lyall Lupin, der seinen Sohn begraben müssen würde. Er würde sich keinen Sarg leisten können.
Sie würden Onkel Alphards Erbe oder James' Geld für einen Sarg für Remus ausgeben müssen-
"Aberforth und ich waren mit Moody in der Gegend unterwegs," meldete sich Dorcas schließlich zu Wort, nachdem sie ihr gesuchtes Mittel gefunden zu haben schien und es vorsichtig über die größten Wunden träufelte. "Wir haben ihn nicht weit von hier gefunden."
So sehr er sich auch anstrengte, er konnte das Bild nicht ausblenden, das sich ihm dabei aufdrängte. Remus, der allein im Schnee lag und verblutete, der versuchte, nach Hilfe zu rufen, und er hatte seine Hilferufe nicht gehört.
Vorsichtig nahm er Remus die Kette ab, die noch um seinen Hals lag. Das Medaillon daran war ebenso wie sein Gegenstück zerstört, doch es sah eher aus, als wäre es von einem Zauber getroffen worden. Vielleicht hatte er es verflucht, weil er glaubte, es würde nicht funktionieren. Hoffentlich hatte er dies geglaubt. Es war besser, als dass er wusste, dass Sirius seine Hilferufe nicht hatte sehen wollen.
"Er hat einen Patronus zu Moody geschickt, vermutlich über seine Mission," erläuterte Dorcas weiter und nickte Marlene zu.
Marlene musterte Sirius, dann griff sie nach Remus' Zauberstab, der unbeachtet neben ihm gelegen hatte und zeigte mit ihrem eigenen darauf. Eine Wolke silbrigen Lichts sammelte sich in der kleinen Küche. Remus gebrauchte nicht selten körperlose Patroni, er hasste es, dass sie die Form eines Wolfes annahmen.
"Moody," erklang Remus' raue Stimme, "Ich glaube, wir haben ein Problem. Ich habe einen Fehler gemacht, einen verdammt großen Fehler-" er keuchte, "-Ich glaube, ich bin aufgeflogen. Ich weiß nichtmal, wo ich gelandet bin, und- und-..." Mit einem dumpfen Geräusch, dem Aufprall eines Körpers auf dem Boden, löste die Wolke sich auf.
Dorcas nahm Marlene Remus' Zauberstab wieder ab und legte ihn neben Sirius. "Wir glauben, er wollte hierher apparieren. Es sieht aus, als wäre er dabei leicht zersplintert." Sie deutete auf seine Armbeuge und Sirius' Magen machte einen Salto bei dem Gedanken.
Bei ihren Apparierstunden waren James, Peter und er fest überzeugt gewesen, dass es sich bei Zersplintern um nichts als ein Ammenmärchen handeln musste. Ihre Pläne, dies zu beweisen, hatte Remus jedoch mitbekommen und prompt vereitelt. Wenn das leichtes Zersplintern war, wollte er sich gar nicht ausmalen, was mit ihnen geschehen wäre.
"An zwei Stellen?", hakte er zögerlich nach und deutete auf die Wunde auf seinem Brustkorb.
Dorcas verzog das Gesicht und drückte ein für wenige Sekunden weißes Handtuch dagegen. Remus stöhnte und er strich ihm vorsichtig über die Stirn.
Als sie das Tuch anhob, war für einen Moment kein abgerissenes Fleisch, sondern ein Biss über seinen Rippen zu erkennen.
"Etwas... hat ihn gebissen. Sirius, es tut mir so Leid, aber ich glaube..."
"Es war ein Werwolf?"
Sie nickte, obwohl er die Bestätigung nicht brauchte.
Er wusste, wie ein Werwolfbiss aussah. Wenn sie nachts zusammen wach gelegen hatten, hatte er schon oft genug die Bissnarbe auf Remus' rechter Seite, kurz über seiner Hüfte, nachgezeichnet.
Sie leerte eine Ampulle des grünen Tranks, den sie schon eher benutzt hatte, über der Wunde, doch sie machte unter dem grünlichen Dampf keine Anzeichen, sich zu verschließen.
Remus hustete und verzog das Gesicht.
Sie sahen zu ihm.
"Vater?", murmelte er und streckte die Hand nach dem Nichts aus. "...Mum?"
Panik, eiskaltes Grauen packte Sirius und er griff Remus' Schultern, um ihn zu schütteln.
Nein, nein, nein, nein-
"Fang jetzt nicht an, Tote zu sehen, hörst du, Remus John Lupin? Das verbiete ich dir, ausdrücklich!"
Remus' Hand fiel auf seine. Ein schmales Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Pads?"
Er konnte den ganzen Raum erleichtert aufatmen spüren.
"Schon besser," murmelte er und wollte noch etwas sagen, doch er fand keine Worte.
"Marls, wie zur Hölle soll ich einen Werwolfbiss heilen?", zischte Dorcas, die offensichtlich davon ausgegangen war, dass er noch länger sprechen würde, leise. Sie sah betreten zu ihnen. "Remus, es..."
"Diptam... Diptam war schon richtig," unterbrach Remus sie matt. "Vater hat Diptam mit Silber gemischt. ... Sind verfluchte Wunden, dagegen kann Diptam allein nicht viel ausrichten."
"Silber? Du bist allergisch auf Silber," setzte Sirius entgegen und Dorcas hielt inne, doch Remus nickte nur.
"Ex-akt," antwortete er mit einem benommenen Lächeln. Beinahe erinnerte er Sirius an die wenigen Male, die er ihn angetrunken erlebt hatte. Es musste der Blutverlust sein.
Mit einem nervösen Blick sah Marlene auf. "Was soll das heißen? Wirst du schlecht darauf reagieren?"
Träge zuckte er mit den Schultern. "Ich hab es nie ausprobiert, welcher Vollidiot lässt sich auch zwei Mal... Das oder ich verblute, nicht?"
Marlene schluckte und reichte Dorcas zögerlich ein kleines Stück Silber, das sich brodelnd in dem Diptam auflöste, als sie es in das Fläschchen fallen ließ.
Remus hatte die Augen einen Spalt geöffnet, um es zu beobachten, und verengte sie. "Ist Harry oben?"
Verwirrt musterte Lily ihn. "Ja, James und Pete sind bei ihm. Warum? Willst du ihn sehen? Wir können ihn holen-"
"...Man kann Silencio auf Menschen legen, richtig?"
"Hey, was ist denn mit Mr-O-in-Zauberkunst passiert?", schmunzelte Sirius, während Lily weiterhin verwirrt nickte.
"Wäre vielleicht keine schlechte Idee," murmelte Remus.
Jetzt war es an Sirius, verwirrt zu sein. Bevor er jedoch nachhaken konnte, träufelte Dorcas bereits die Lösung über den Biss.
In seinem Griff bäumte Remus sich auf, das Gesicht verzogen zu einem stillen Schrei, während Lily schweigend ihren Zauberstab sinken ließ und dann Sirius zur Hilfe kam, um ihn festzuhalten. In der unheimlichen Stille konnte man ein leises Zischen hören, und als sie zu der Wunde sahen, stieg etwas gräulicher Dampf von ihr auf.
Remus wand sich weiter vor Schmerzen. Er wollte ihm gut zureden, ihn beruhigen, doch er war noch nie gut darin gewesen. Unbeholfen strich er ihm über die Haare, während Lily für ihn unverständlich etwas vor sich hin murmelte.
"Es funktioniert," flüsterte Dorcas nach einem nahezu ewig langen Moment und klang dabei etwas unangebracht fasziniert.
Glänzende, silberne Fädchen spannen sich durch die Wunde, zu einem Netz, dass immer dichter wurde. Dort, wo es sich völlig verdichtet hatte, schien sich ein dünner Film von dunklem Gewebe über die Wunde zu legen.
Als das Fläschchen endlich leer war, sank Remus schwer atmend gegen ihn. Lily löste den Schweigezauber und langsam öffnete er wieder die Augen. Er neigte den Kopf in Sirius' Richtung und ein mattes Grinsen zog sich über sein Gesicht. "...Die Frage ist nur, ob man doppelt oder quadriert Werwolf sein kann."
"Was-?", fragte Dorcas perplex.
"Oh," hauchte Remus und streckte ihr die blutige Hand entgegen, als sollte sie sie schütteln. "Schätze, das habe ich vergessen. Ich bin schon ziemlich lang ein Werwolf. Du musst dir keine Sorgen darum machen, wie du es mir erzählst."
"Der harmloseste Werwolf dieser Welt," fügte Sirius schnell hinzu, auch wenn Dorcas nicht ansatzweise so abgeschreckt aussah, wie er es befürchtet hatte.
Remus grinste schief. "In Fleisch-" träge sah er an sich herab, "-In etwas weniger Fleisch und etwas mehr Blut. ...Ist es schon zu spät für ein 'Fröhliche Weihnachten'?"
"Es ist ein Tag nach Vollmond. Zweiundzwanzigster Dezember 1980," erwiderte Sirius und zog ihn an sich, um seinen Rücken gegen seine Brust zu lehnen. Blut sickerte in seine Klamotten, doch es gab nichts, das ihn in diesem Moment weniger interessierte.
"Das ist gut," seufzte Remus und legte den Kopf auf seiner Schulter ab, drehte ihn, um seine Nase gegen Sirius' Hals zu reiben. "Hat sich länger angefühlt. Dann hab ich ja noch Zeit, um Harry ein Geschenk zu besorgen."
"Remus, treib mich für einen Moment nicht in den Wahnsinn und denk lieber daran, nicht zu verbluten," murmelte er und Remus lachte still und schloss wieder die Augen.
"Wo ist James? Bei Harry?", fragte Sirius, an Lily gewandt, die sie mit einem aufgelösten Lächeln beobachtete. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie diese Frage schon beantwortet hatte, aber sie verstand seine stille Bitte.
Sie nickte und strich Remus über seine weniger verletzte Schulter. "James wollte sich um Harry kümmern, oben im Kinderzimmer, hier unten hat sich ja der halbe Orden versammelt. Wir haben Peter geschickt, um nach ihm zu sehen, sie sahen beide nicht gut aus... Ich gehe sie holen." Sie stand auf, ihre ganze Hose trug riesige Blutflecken, und als sie aus dem Raum trat, folgten Marlene und Dorcas ihr wie auf einen unausgesprochenen Befehl.
Bevor Sirius zu Wort kam, schwang die Küchentür auf, als sie noch nicht einmal vollständig ins Schloss gefallen war, und Moody stand vor ihnen. Kurz versuchte Remus, sich aufzusetzen, doch Sirius hielt ihn so bestimmt wie möglich fest, bedeckte seinen Oberkörper mit seiner eigenen Jacke.
Mehr Würde durfte er sich wünschen, wenn er nicht wenige Sekunden zuvor beinahe verblutet war.
Moody musterte ihn. Für einen Moment zuckte etwas wie Wut, Mitleid?, was auch immer es war, über sein Gesicht. "Du hast verdammtes Glück, noch in einem Stück und lebendig hier zu sein, Lupin. Das war eine selten leichtsinnige Idee, aber wir haben hinter dir aufgeräumt."
"Gut," seufzte Remus und schloss die Augen, nur um sie nach einer Sekunde wieder aufzureißen. "...Aufgeräumt?"
"Wir mussten ein paar von ihnen obliviieren, die deinen Namen oder zu viele andere Sachen über dich wussten. Wenn wir Glück haben, ist das genug. Dumbledore ist beschäftigt, aber er wird dich sprechen, sobald er die Zeit hat. Wenn du keinen Todeswunsch hast, dann hältst du dich so bedeckt wie möglich."
"Ich werde es versuchen," antwortete Remus und Moody nickte, bevor er sich umdrehte und die Tür hinter sich schloss.
Sirius seufzte und überlegte, wie er die entstandene, angespannte Stille auflösen sollte, in der sie beide darauf warteten, dass der Andere etwas sagte.
"Du Idiot. Du absoluter, kompletter, idiotischer, leichtsinniger- Was hast du dir bei all dem hier nur gedacht?", murmelte er schließlich, um die Zeit zu überbrücken, bis ihm etwas von Substanz einfiel, und Remus lächelte.
"Ich weiß es nicht ganz."
"Sehr witzig, Moony, wirklich fürchterlich komisch. Weißt du, wie viele graue Haare du mir verpasst? Ich will friedlich meinen Morgen verbringen, und plötzlich sagen mir Dorcas und Aberforth, dass du nach Monaten wieder aufgetaucht bist und ich muss dich sehen, wie du auf James und Lilys Küchenboden verblutest und-! "
Etwas ungeschickt hob Remus die Hand und legte sie gegen seine Wange, drückte seinen Kopf näher an sich. Mit der anderen streichelte er über Sirius' Arm, mit dem er ihn aufrecht hielt. "Ich bin hier und ich bin am Leben. Ich bin nicht verblutet. Dank ...?"
"Dorcas. Sie und Aberforth waren bei Moody, als er deinen Patronus bekommen hat. Die drei haben dich gefunden," nuschelte er und wischte sich mit dem, wenn auch blutigen, Ärmel seines Shirts über die Augen.
Remus nickte. "Dank Dorcas. Ich habe ihr schon im vierten Schuljahr gesagt, dass sie ein Händchen für Heilen und all das hat."
Immer mehr Tränen fielen sein Gesicht herab und er gab es auf, sie trocken zu wischen, lehnte sich lieber gegen Remus' Hand, deren Daumen sanfte Kreise in seine Wange strich. Remus zog ihn zu sich. Ihr Kuss schmeckte nach Blut und Salz.
"Ich bin hier," versicherte Remus leise, gegen seine Lippen, als sie es beide nicht wagten, ihre Gesichter mehr als wenige Zentimeter wieder voneinander zu entfernen, "und ich vermute, so schnell werde ich nicht mehr gehen."
Sirius lachte kurz. "Weil du nicht gehen kannst?"
Mit einem Grinsen, dass sich schließlich eher in ein Zischen verwandelte, streckte Remus seine Beine. "Vermutlich das, und... andere Gründe."
"Andere Gründe?"
"Über die wir jetzt nicht reden müssen," erwiderte Remus und küsste ihn noch einmal.
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