Neue Welt
Alara hob ihren Kopf und sah in die Sonne, zum ersten Mal in ihrem Leben nicht durch eine dicke Glasschicht der Fenster. Sie versteckte ihre weißen Haare unter einer Kappe und blinzelte mehrmals, wegen dem ungewohnten Licht. Leise schlich sie durch den Wald, welcher das Schloss von der Stadt trennte, hier gab es nur wenige einzelne Häuser und kaum Bewohner.
Sie lauschte dem Rauschen der alten Blätter unter ihren Füßen. Diese Geräusche, die Umgebung und die Luft erschien ihr fremd. Es war eine schlechte Idee sich einfach wegzuschleichen, ohne jemandem Bescheid zu geben. Ihr Vater würde sie töten, aber erstmal einen riesengroßen Suchtrupp losschicken. Und Lavinia? Die würde vor Sorge umkommen. Aber was sollte sie tun? Wer würde ihren Träumen glauben und ihnen zuhören?
(123 Worte + 1139 = 1262 Etappe drei)
Wenn es so war, wie es schien, dann schwebte ihr Land in großer Gefahr. Sie lief weiter und sah sich immer wieder ängstlich um. Das Dorf, welches dem geheimen Schloss ihres Vaters nahe stand, konnte nicht mehr weit sein. "Soll ich vielleicht doch umdrehen?", flüsterte Alara und sah über ihre Schulter zurück. Nein, niemals!
Schwer schluckte Alara und verharrte noch immer an Ort und Stelle. Und wenn mich jemand angreift? Mit seinem Gewicht erinnerte sie das Schwert der königlichen Garde, dass sie etwas zum verteidigen hatte. Doch sie hatte es nie gelernt, Schwertkampf war zwar nicht mehr ausschließlich ein Privileg der Söhne, aber zu groß war die Angst ihres Vaters vor möglichen Verletzungen. Alara drehte sich wieder Richtung Dorf, entschlossen es ihrem Vater und auch jedem anderen zu zeigen, was sie konnte!
Also bin ich tot, wenn mich jemand angreift. Oder ich verhungere und verdurste. Grimmig verzog die Prinzessien ihr Gesicht, als hätte sie in eine Limette gebissen. Sie spürte das Gewicht ihres Rucksacks auf ihrem Rücken. Natürlich, doch diese Vorräte würden nicht länger als eine Woche reichen, vielleicht ja noch zwei. Wenn ich jetzt umdrehe, müssten sie es noch nicht bemerkt haben. Sie zögerte und wechselte das Gewicht von einem zum anderen Bein, ehe sie sich wieder ruckartig drehte und wieder ihren alten Spuren folgte.
Nein, nein, nein! Ich bin kein Schisser. Wenn ich jetzt zurück laufe, werde ich niemals mehr sehen von der Welt und wenn Vater schon etwas bemerkt hat, werde ich mich den Schlossmauern niemals mehr nähern dürfen. Damit stand es fest. Alara drehte sich zum Dorf, schloss für einen kurzen Moment ihre Augen und atmete tief ein.
"Drehst du dich noch lange hin und her?", unterbrach eine fremde Stimme sie. Alara stolperte erschrocken zurück und fiel zu Boden, als einer ihrer Füße an einem Stein hängen blieb. Die Kappe fiel ihr vom Kopf und offenbarte ihre schneeweiße Haarpracht. Panisch und nicht wissend was sie zuerst tun sollte, blieb sie genau so sitzen.
"Brauchst du Hilfe beim aufstehen, Prinzessin?", die Stimme rief sie wieder in die Gegenwart. Es war ein Mann, seine Stimme war tief, rau und samtig zugleich. Alara sah zu ihm hoch. Seine hellen Augen hatte er zu Schlitzen verengt, etwas misstrauisch betrachtete er sie, während seine schwarzen Haare ihm ins Gesicht fielen. Er hielt ihr eine große Hand hin.
"Prinzessin" Sie erstarrte mitten in der Bewegung, als sie seine Hand ergreifen wollte. Was wusste er? "Na komm schon Fremde, du kannst doch nicht im Dreck sitzen bleiben", sagte er und auf seine schmalen Lippen schlich sich ein schiefes Grinsen. Alara schluckte ihre Angst herunter und ließ sich von ihm aufhelfen.
"Acheron", stellte er sich vor und verbeugte sich galant. Alara betrachtete ihn. Verschwieg ihm ihren Namen und nickte nur knapp. Sie klopfte sie die Klamotten vom Staub ab, langsam rieselte er zu Boden. Die Prinzessin griff sich ihren Rucksack und blickte sich kurz um, um die Orientierung wiederzugewinnen. Er hatte sie verwirrt, sehr! Dann lief sie los.
"Prinzessin, bleib doch stehen", rief er ihr nach einigen Sekunden zu und lief auf sie zu. Was hatte er bloß mit der Prinzessin, sie war zwar eine, doch woher sollte er es wissen? Niemand wusste wie sie aussah, nicht einmal ihren vollen Namen kannte ihr Volk, welches sie irgendwann übernehmen sollte. Sie als älteste Tochter des Königs und zugleich die einzige Tochter der verstorben Königin Alanis. Die Heirat zwischen ihr und Alaras Vater hatte den Frieden zwischen Lumaria und Noxura, dem Reich ihrer Mutter gefestigt. Dieser herrschte nun seit über achtzehn Jahren, doch die Spannung spürte man stets.
Ob das vielleicht der Grund ihrer Träume war? Bevor sie mehr drüber nachdenken konnte, spürte sie eine Habd auf ihrer Schulter. Tief in den eigenen Gedanken versunken war sie stehen geblieben und Acheron hatte sie dadurch aufgeholt. "Wo gehst du hin? Willst du vielleicht zum Dorf? Immerhin gibt es hier nicht mehr und so eine Schönheit wie du, streut doch nicht alleine durch den Wald." Er war neugierig, für Alaras Geschmack fiel zu aufdringlich.
"Ja, zum Dorf", antwortet sie knapp und lief weiter. Der Fremde lief neben ihr und obwohl sie ihren Schritt verschnellerte, ging er normal, ohne irgendwie merkwürdig auszusehen. Acheron lief sogar so schnell, dass er bald einige Meter vor ihr stehen blieb und sich gegen einen Baum lehnte. Schnaufend kam sie neben ihm zum Stehen. Selbstverständlich war sie das Laufen gewohnt, nur eben nicht in solchen Strecken. Von zuhause war sie los, ehe die Sonne den Himmel berührte und das erste Nass die Blätter und Gräser ihres Garten befeuchtete. Hoffentlich wird Lavinia sich um meine Blumen und Pflanzen kümmern, dachte Alara sehnsüchtig.
"Was willst du von mir?", fauchte sie ihn an und sah zu ihm hoch, während sie sich mit ihren Händen an ihren Beinen abstützte und sich weit vorbeugte. "Begleitung leisten, jemand wie du kann sie nur gebrauchen", den zweiten Teil des Satzes flüsterte er und beugte sich dabei zu mir hinunter. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich wie er sein Schwert etwas aus der Scheide anhob und es wieder fallen ließ. Obwohl es nur ein winziger Augenblick war, spiegelte sich in der scharfen Klinge die aufgehende Sonne.
Erschrocken legte Alara ihre Hand auf das Heft ihrer eigenen Waffe. Acheron bemerkte ihren Blick und legte seinen Kopf schief. "Glaubst du, ich würde dir wehtun?", seine Stimme klang noch tiefer, wenn es überhaupt ging. Dieser Ton, mit welchem er sprach, schüchterte Alara ein. Es war dieses kratzendes Etwas, was ihr Angst machte.
"Wenn ich wöllte,", er beugte sich zu Alara herunter, welche sich inzwischen aufgerichtet hatte und legte seine Lippen an ihr Ohr, "hätte ich es längst getan." Die Prinzessin erstarrte, noch immer ihre Hand fest um das Heft ihres Schwertes gelegt. Erst nachdem Acheron sich von ihr löste, fiel die Starre von ihr ab.
"Du willst also zum Dorf", sagte er nachdenklich, als wäre nichts geschehen, "Dann musst du aber dahin." Er deutete in eine andere Richtung, als sie plante zu gehen. "Das weiß ich doch", murrte Alara. Sie fühlte sich unwohl in deiner Anwesenheit, doch die Anspannung und Angst war von ihr gefallen.
Sie lief los, sah sich nicht um und doch wusste sie, dass er ihr folgte. Sie konnte Acheron vor ihrem inneren Auge sehen und verlor sich in ihren Gedanken. Wer war er und woher kam er? Warum folgte er ihr?
Alara blieb an einer Wurzel hängen und stolperte einige wenige Schritte vor. Noch ehe sie am Boden aufkommen konnte, fingen sie zwei Hände auf. Sie lagen von hinten um ihre Taille und zogen sie wieder zurück auf ihre Beine. Die Prinzessin dankte ihm nicht, sondern richtete ihre Kleider.
Im Schein der Sonne, welche durch die Kronen der Bäume schien, wurde Alara unter ihren langen Kleidern warm. Sie spürte wie sich der Schweiß an ihrem Nacken unter dem Tuch, welches ihre Haare verdeckte, sammelte. Auch das waldgrüne Gewand, das ihr bis zu den Knöcheln reichte, ließ sie nicht nur schwitzen, sondern auch häufig über den Saum stolpern. Wie weit mochte es noch zum Dorf sein? Die Sonne stand inzwischen weit oben auf dem Himmel und ihr Vater hatte gewiss ihre Abwesenheit bereits bemerkt. Alara seufzte und erntete dadurch einen fragenden Blick von Acheron, welcher nun nicht mehr hinter, sondern neben ihr lief. Doch er fragte nicht, wofür ihm die Prinzessin mehr als dankbar war.
"Wann sind wir denn im Dorf?", begann sie schließlich ein Gespräch, als sie die Stille nicht mehr aushielt. "Es kann nicht mehr lange dauern, höchstens noch eine Stunde", erwiderte er und schaute sie an. Alara fielen die markanten Gesichtszüge auf, eine kleine Narbe in der Nähe seines rechten Ohrs und natürlich seine leuchtenden Augen. Dieses helle blau-grau Gemisch, wie eine Sturmwolke, hinter der sich der helle Schein der Sonne versteckte.
Noch etwa eine Stunde. Wie lange sie schon gelaufen sein musste. Wann wohl die Reiter ihres Vaters losgemacht hatten? Sie kannten den Weg und würden niemals so lange brauchen wie sie selbst zu Fuß. Die Frage war, wer zuerst ankam. Ob sie genug Zeit hatte, alle nötigen Sachen zu besorgen? Wohin würde sie überhaupt gehen?
"Warum kennst du dich hier so gut aus?", sprach die Prinzessin ihre nächste Frage aus. Sie blickte sich um und ihr Blick fiel auf einen kleinen Vogel mit rotem Bauch. Er war süß und sie hatte ihn noch nicht in ihrem Garten gesehen. "Hab die letzten Jahre hier in der Nähe verbracht", antwortete Acheron knapp. Die letzten Jahre, wie viel? Wie alt war er überhaupt?
"Bist du hier aufgewachsen?" Alara sah zu ihm, doch er erwiderte ihren Blick nicht. Stattdessen schüttelte er ihren Kopf. Erneut schwiegen sie eine Weile.
"Warum hast du kein L in deinem Namen, es ist respektlos dem König gegenüber und du bist gewiss nicht älter, als Va... der König auf dem Thron ist." Alara biss sich auf ihre Zunge, beinahe hätte sie sich verraten. Es war eine Jahrhunderte alte Tradition, die neugeborenen Kinder nach der Krönung eines neuen Königs oder einer neuen Königin, so zu benennen, dass der Anfangsbuchstabe der Hoheit mindestens einmal vorkam.
"Wie gesagt, ich bin nicht hier aufgewachsen." Acheron zuckte mit seinen Schultern und fixierte weiterhin den Weg vor ihnen. "Von wo kommst du dann?", gab sie es weiterhin nicht auf, ein Gespräch zu erhalten. Diesmal schaute er sie an, ganz tief in ihre Augen, als würde er versuchen etwas darin zu erkennen. Ein Schauer fuhr über den Rücken der Prinzessin,nes war, als ob er in ihren Augen etwas las, was sie selbst nicht von sich wusste. Dann drehte er sich weg, offensichtlich ohne Absicht zu antworten.
"Was ...", fing Alara wieder an. "Wie heißt du?", fragte er dann. "Lani", log sie. Mit diesem neuen Namen erfand sie nicht nur eine Lüge, sondern auch eine neue Art ihrer selbst, doch das wusste sie selbst noch nicht. "Dann sag mir Lani, was du hier suchst. Du warst ziemlich weit weg vom Dorf und weit und breit gibt es hier sonst nichts. Du trägst die Garderobe einer Hofdame, zumindest die einer Maid am Königshof. Deine Kleider sind nicht dreckig, du kannst nicht lange unterwegs sein und deine Haare, deine weißen Haare, versteckt du unter einer Haube. Also wer bist du?" Sie spürte wie sich sein Blick in sie brannte und dieses Mal war sie es, die seinem Blick auswich. Was sollte sie bloß antworten? Alara schluckte schwer und suchte nach der richtigen Reaktion ihrerseits.
Acheron jedoch schien keine Antwort zu erwarten. Er hielt sich eine Hand über die Augen und blinzelte mehrmals. Alara sah in die selbe Richtung und erkannte zwischen den Ästen hölzerne Dächer, hörte das lebendige Lachen und Reden der Bewohner. "Da vorne, dort findest du dein Ziel."
(Etappe 4 - 1763 Worte - Aufgabe Monolog, im Text Anfang eingebunden)
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro