XXVII
"In dem Bericht über dich steht, du hättest dich selbst gebissen."
Ein Schauder fuhr mir über den Rücken. Es missfiel mir, dass diese Frau von meiner Selbstverletzung sprach, und sie nur eine der mit bunten Einmerkern versehenen Seiten der Akte, die auf ihrem Schoß plaziert war, öffnen müsste, um mir ein weiteres Geschehnis aus meiner Vergangenheit vorzulegen.
"Willst du mir sagen, warum du dich mutwillig selbst verletzt hast?"
Seit ich diesen überbelichteten Raum betreten und meine Therapeutin erblickt hatte, war mir klar gewesen, dass ich ihr weder vertraute, noch jemals ein Wort über die Gründe dieser Tat vor ihr verlieren würde.
"Du kannst mir vertrauen!"
Ihre Stimme war tief, trotzdem klang sie nicht männlich. Shonekah Caduvria, ein Name, den man eher im Rotlichtviertel erwartet hätte. Sie war sehr elegant gekleidet. Eine Tigerfellhose, passend zu ihrer schwarzen Neomalbluse und einm knallroter Blazer, der einfach perfekt mit ihrer blütenreinen, fast weißen Haut und den hellbraun harmonierte.
"Hörst du mir überhaupt zu, es wirkt nämlich nicht so!"
Ihr Tonfall war gereitz. Warscheinlich war sie daran gewöhnt, dass ihre Fragen beantwortet wurden.
Ich löste meinen Blick von den Banthahörnern an der Wand und lenkte ihn auf ihr reptilienartiges Gesicht. Verwundernswert, denn eigentlich war sie ein reinblütiger Mensch.
"Kann ich gehen?"
"Ich habe dir eine Frage gestellt."
"Na und? Ihre Fragen gehen mir am Arsch vorbei und ich habe wirklich besseres zu tun, als hier rumzuhocken...!"
Gewiss, ich war unfreundlich und das ohne triftigen Grund, aber es tat einfach gut, dass mal jemand anderes als ich so blöd behandelt wurde.
"Jodia-"
"Frau Kalinem, wenn ich bitten darf!"
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Das Lumen blitzte, als ich das letzte Kleidungsstück in den Korb neben mir geworfen hatte. Für einen kurzen Moment war es in dem kleinen Raum stockdunkel, dann hatten sich meine Augen schon an die fehlende Helligkeit gewöhnt und ich setzte meine Arbeit im spärlichen Licht, das durch das Rollo drang, fort.
Die restlichen Schubläden unter dem verstaubten Bett waren allesamt gefüllt mit Notizen, alten Trainingsplänen und allerlei Gegenständen von den unterschiedlichsten Planeten. Erinnerungsstücke vermutlich. Ich warf sie zu den Klamotten in den Korb. Diese Dinge mussten der Togruta einmal viel bedeutet haben; und jetzt warf ich sie weg, wie die verrotzten Taschentücher unter der Bettdecke, die seit Monaten niemand mehr anzufassen gewagt hatte.
Mit einem Ächzen schob sich die Tür auf und flutete den Zwinger mit Licht.
"War auch wirklich Zeit, dass das mal jemand wegräumt!"
Ich musste mich nicht umdrehen, um zu erkennen, welcher meiner Zimmergenossen eingetreten war. Glkærg hatte es schon längst aufgegeben, auf eine Antwort meinerseits zu warten, und kletterte gleich in das Bett, unter dem ich meine Räumungsarbeiten verrichtete.
"Echt traurig, was mit Tano passiert ist."
"Man hat mir nur gesagt, dass ich ihre Sachen wegräumen soll. Mir kann egal sein, was mit ihr passiert ist."
Meine Stimme klang, als hätte ich Schleifpapier geschluck, so rau war sie geworden.
"Sag nicht, du weißt nicht, was los war!"
Ich schloss die letzte Schublade und machte mich daran, das Bett abzuziehen.
"Sie hat den Orden verlassen, Jodia. Weil alle dachten, sie hätte den Anschlag auf den Tempel verübt. Und das war sie halt nicht. Du weißt doch von dem Anschlag, oder?"
Ich hatte aufgehört, zu reden, wenn es nicht notwendig war.
"Selbst als ich im Koma lag, habe ich mehr mitbekommen!"
Glkærg wies nur zu gerne auf das Koma hin, in dem er fast zwei Jahre gelegen hatte. Es war wie eine Narbe, die er den anderen voller stolz präsentieren wollte.
Ich zog meine Handschuhe ein Stückchen höher, obwohl sie eigentlich nicht mal verrutschten.
Mit einem kräftigen Tritt gegen die Decke brachte mein Zimmergenosse das Lumen wieder zum Laufen. Ich riss Ahsoka Tanos Namensschild vom Bettrahmen ab.
"Antwortest du auch mal?"
Das fragte Glkærg ständig. Natürlich. Er wusste, er würde keine Antwort bekommen und ich wusste, er würde nicht sauer sein. Der junge Trandoshaner mochte es, jemandem Dinge zu erzählen. Er brauchte keine Antwort. Er wollte einfach reden. Man muss reden, um seine Seele frei zu bekommen. Und ich war das wandelnde Tagebuch, das sich das alles auch noch anhörte.
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Shaak Tis Körper flimmerte über das Hologramm. Sie war vor einigen Wochen in das Lager auf Parselin zurückgekehrt. Ihre Tunika war dreckig, blutig und ein Verband umschlang einen ihrer Lekku.
"....deshalb wird es wohl noch etwas länger dauern. Aber wir kriegen das schon hin. Wenn wir noch ein paar Zivilisten in die Kreuzer der Klone und die Shuttle der Jedis packen, können wir alle retten, bevor das Lager fällt."
Trotz der schlechten Verbindung von Coruscant nach Parselin konnte ich den Schrecken des Krieges in ihren Augen sehen.
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"Deine Meisterin wollten sich nochmal mit mir unterhalten. Du hast doch wieder die Beendigung deiner Therapie beantragt!"
....
"Nur damit das klar ist: Sie will, dass es dir endlich besser geht und sie irgendwelche Fortschritte sehen kann. Ich meine, du hast schon seit fast einem halben Jahr Sitzungen bei mir, ohne mir etwas erzählt zu haben. Und wenn du nicht reden willst, dann bringen wir dich dazu. Dir scheint es ja nicht allzu viel auszumachen, zwei Stunden pro Woche einfach stumm hier zu sitzen. Das Streichen einiger Privilegien durch deine Meisterinnen sollte da schon mehr bewirken. Dann wirst du erzählen, was so alles in deinem Köpfchen abgeht."
Caduvria lächelte mich an, fast so, als würde sie sich darauf freuen, mir immer mehr wegzunehmen und am Ende meine Geheimnisse zu kennen und mir das Gehirn zu durchleuchten.
Ein Schauder lief mir über den Rücken.
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"Hier ist es ja echt eng geworden!"
Ich bückte mich unter einer an der Decke angebrachten Koje durch und stütze dabei Phiara, die meinte:
"In meinen ersten beiden Jahren hier hatten wir Jünglinge noch den großen Schlafsaal mit den vielen Hochbetten. Dann haben sie alles umgebaut."
Der Raum war sehr groß, die Betten so aufgestellt, dass die Gänge dazwischen möglichst wenig Platz einnahmen. Wir hatten das Licht nicht angemacht und so beleuchteten die Fenster an der Seite den Raum nur ganz am Rand.
Vorsichtig hiefte ich Phiara in das Stockbett an dessen Seite ihr Name gekritzelt war, wobei ich ihr verletztes Bein nicht zu berühren versuchte.
"Tut mir leid, dass du wegen mir das Training unterbrechen musstest."
"Jana hat den Saal doch ohnehin schließen lassen. Bis die bestellten neuen Geräte kommen, dauert es noch ein Weilchen und das Versteck dafür habe ich sowieso auch noch nicht."
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"Willst du nicht langsam reden?"
Missmutig blickte ich Caduvria an. Die neue Tunika, ein hellbraunes Standardmodell, kratze unangenehm am Kragen. Leider oblag es dem Rat, welche Klamotten sie mir geben, es war ja nicht mein Besitz.
"Alleyju hat erzählt, du hättest einen Albtraum gehabt und einfach nur gezittert, als hättest du den Tod gesehen. Willst du mir nicht mehr davon erzählen?"
Natürlich hatte sie einen ihr loyalen jungen Padawan gebeten, in mein Zimmer zu ziehen, als der Platzt wieder frei war. Und obwohl sie von den häufigen Träumen wusste, würde ich ihr nie erzählen, was ich dort sah. Ich wollte sie nicht in meinem Kopf, wollte meine Gedanken nicht auf ihrer Zunge. Caduvria würde niemals wissen, dass ich regelmäßig sah, wie Kinder ermordet wurden und das aus der Perspektive des Mörders. Sie würde niemals von meinen heftigen Kopfschmerzen nach diesen Träumen erfahren. Nie von dem von Drogen zerstörten Jungen, der immer wieder an meiner Seite war.
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Im Gemeinschaftsraum herrschte der übliche Lärm. Jünglinge rannten zwischen den in der Halle verteilten Tischen und Sofas umher. Immer wieder gingen und kamen neue Leute durch die große Tür, die direkt zu dem kleinen Privathangar der Jedi führte, oder durch eine der kleineren, durch die man in den Gang kam.
Der Couchtisch vor mir war voll ausgebreitet mit Notizen und Plänen meines Lichtschwerts, während die elegante Waffe selbst zwischen meinen Fingern ruhte, das Werkzeug um mich herum auf dem Boden verstreut. Im Gegensatz zu mir saß Phiara vertieft in ein Buch auf der Couch. Es war ein ganz normaler Abend, ein gewöhnlich Tag, der schon fast zu Ende war. Und trotzdem hatte ich gewusst, dass etwas anders war, sobald das Shuttle gelandet war. Ich war hellhörig geworden, hatte nur nach einer Stimme gesucht, war aufgestanden. Im Hangar gab es nur diese Tür, die zu uns führte. Die Schuhe der Klone war eine Ankündigung geweseh; und es hatte für mich nur diese eine Person unter den Kriegsflüchtlingen Parselins gegeben, die mich interessiert hatte. Da steht sie. Da steht Annie, meine Annie. Sie ist einfach wunderschön. Aus dem Mädchen ist eine Frau geworden. Dicke, samtige Locken fallen über ihre Schultern, ihre Lippen sind prall, die Augen leuchten Türkis. In diesem Moment gibt es nur noch uns. Ich überwinde den Abstand zwischen uns und schließe meine alte Freundin voller Freude wieder in meine Arme. Annie ist wieder da.
1448 Wörter
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