Staub
Mit einem gefälligen Lächeln auf den Lippen und den Händen in den Taschen, trat Arara durch die Tür Ihrer Unterkunft. Jamir saß am Tisch und Schnitt Zwiebeln. Neben Ihm auf dem Boden stand ein großer Topf aus Kupfer. Er schien konzentriert zu sein, denn er reagierte nicht auf Ihr eintreten.
»Ab Morgen, gibt es gebratenes Fleisch statt Suppe!«, rief Anara triumphierend und klimperte mit den Münzen in Ihrer Tasche herum.
Jamir reagierte noch immer nicht sondern schnitt mechanisch und wie betäubt die Zwiebel in schmale Ringe.
Anara wunderte sich, denn so kannte Sie ihn kaum. »Jamir?«, rief sie etwas lauter.
Als ob er aus einer Trance erwachen würde, ruckte Jamirs Kopf hoch. Er blickte mit glasigen Augen in Anaras besorgt aussehendes Gesicht.
»Ach du!« Er zog die Nase hoch.
»Ist alles ok mit dir?«
Jamir rollte kurz die Augen und gab »Na klar!« zurück. „Zwiebeln!" Er winkte mit dem Messer in der Hand ab. Dann schob er den geschnittenen Teil der Zwiebel vom Tisch in richtung Topf. Zielgerichtet fielen sie hinein, zu den anderen Dinge darin. Er deutete mit dem Messer auf Anara. »Und? Hat dich der alte Gauner mal wieder über den Tisch gezogen?« Wieder schniefte er. Dann machte sich ein schiefes Lächeln, auf Jamirs Lippen breit, so als würde er eh schon wissen das es so war.
Anara zog die leeren Hände aus den Taschen und verschränkte die Arme vor dem Körper. Ein Schmollmund bildete sich auf Ihren Lippen. »Nun ja. Du kennst ja Hakim. Wie üblich hat er alles schlecht gemacht. Dass das Material billig wäre und auch die Verarbeitung miserabel und so weiter. Aber du kennst auch mich...«
»Ja leider!«, unterbrach Jamir ihren Redefluss.
Anaras Blick verdüsterte sich. »Ich hab es Eiskalt durchgezogen und ob du es glaubst oder nicht. Für das Schmuckstückchen habe ich 10 Münzen rausgehandelt!«
Jamir winkte ab und wendete sich wieder dem Schneiden zu. »Also hat er dich doch über den Tisch gezogen.«
Anara sagte nichts und trat an den Tisch. Dann griff sie in die Tasche, holte die Münzen heraus und ließ sie eine nach der anderen auf den Tisch fallen.
Als Jamir den Klang der Münzen vernahm, der nicht von kleinen Kupferlingen stammen konnte, blickte er auf. Sein Mund öffnete sich.
»Ja genau! Silberlinge!« Anara grinste so breit wie schon seit langem nicht mehr. Dann zog sie die Augen hoch und verschränkte wieder die Arme vor dem Körper. »Also, wenn ICH nicht verhandeln kann, wer dann.« Ihre Stimme klang übertrieben.
Jamir nickte erstaunt. »Also, alle Achtung! Diesmal scheinst du ja wirklich was Wertvolles gestohlen zu haben.« Er wendete sich wieder seiner Zwiebel zu. »Vermutlich war sie trotzdem das doppelte Wert.« fügte er ganz Beiläufig hinzu.
Anara wusste das er sich niemals die Blöße geben würde sie zu loben, trotzdem wusste sie auch, dass er sehr zufrieden war. »Das ist aber noch nicht alles!«
Jamir hielt ein mit dem Schneiden und blickte sie erneut Erwartungsvoll an.
»Am Hafen lagen einige wirklich interessante Schiffe. Es scheinen einige betuchte Händler in der Stadt zu weilen. Deshalb bin ich zum Palast geschlichen. Dort wurden auf dem Vorplatz einige riesige Zelte aufgebaut. Sie standen im Kreis und deuten darauf hin, dass eine große Versammlung ansteht. Eine größere als es je gegeben hat.« Anaras Augen begannen zu glänzen. »Ich habe die Unterkünfte in der Nähe des Palastes überprüft. Scheinbar ist jedes verdammte Zimmer in dieser Stadt reserviert. Selbst in den einfacheren Unterkünften ist kaum noch etwas frei.« Die Begeisterung in Ihrer Stimme steigerte sich. »Dann bin ich zum großen Tor im Osten. Dort sind bereits einige Karawanen eingetroffen. Es sind drei Große. Soweit ich es aufschnappen konnte, kommen aber noch mehr. Eine gehört Fagdura. Das konnte ich an seinem Banner erkennen. Sie bauen gerade ein Zelt vor dem Tor auf, was bedeuten würde, dass sie ein paar Tage da bleiben. Vielleicht ist sogar Fagdura persönlich da.«
»Das würde zumindest erklären, warum so viele Rotröcke in der Stadt sind.« Jamir kratzte sich mit dem Heft des Messers nachdenklich an der Schläfe.
Arara ließ sich auf den freien Stuhl, am Tisch, fallen. »Denk doch mal nach, was das Bedeutet!«, schwärmte sie weiter. »Fagdura ist immer mit grossem Gefolge unterwegs. Es kommen noch weitere Karavanen. Vielleicht sogar weitere Scheichs mit Ihrem Gefolge. Dann die Händler auf dem Seeweg. Da sind Unmengen an Geld auf der Straße. Schmuck und edle Waren. Die Leute werden auch auf den Markt kommen.« Anara ließ sich gegen die Lehne fallen und streckte die Arme nach beiden Seiten aus. »Wir werden reich!«
»Anara!«, Ernsthaftigkeit lag in Jamirs Stimme. Er hatte sich nach vorne gelehnt und sah sie mit konzentriertem Blick an. »Werde jetzt nicht gleich Übermütig!«
Anara ließ die Arme wieder sacken und setzte sich aufrecht hin. »Nein werde ich nicht!«, sagte sie geklärt. Alle Euphorie war gewichen.
»Gut!« Jamir schnibbelte weiter. »Lass uns erst etwas Essen und dann planen wir! Hast du Hunger?«
»Geht so!«, erwiderte Anara. Zum ersten Mal seit dem Markt inspizierte sie Ihre Hose. Sie war auf der rechten Seite etwas eingerissen. ›So ein Mist!‹ Sie schob den Riss etwas auseinander und begutachtete die gerötete Stelle darunter. Etwas Schorf war zu erkennen und es tat weh als sie darauf herumdrückte. ›Wenigstens hat die Hose das meiste abgehalten‹, stellte sie fest.
»Ich flicke erstmal die Hose« Damit klaubte sie die Münzen vom Tisch und stand auf. Dann trat sie an einen kleinen Schrank, welcher in einer Ecke der bescheidenen Behausung stand. Er barg das meiste Ihrer Sachen und war aus einfachem Holz geschnitzt. Vor einigen Jahren hatte sie Ihn in einem Haus gefunden, dessen Besitzer bei einem Überfall ums Leben gekommen waren. Das Haus war fast vollständig geplündert worden. Nur die Möbel hatten sie zurück gelassen. Anara hatten die Ornamente in den Türen so sehr gefallen, das sie Jamir dazu überredet hatte, Ihn ihr zu holen. Zusammen mit einem Freund hatte er ihn dann hier her geschleppt. Auch die Kiste in der er seine Sachen sammelte stammte aus dem gleichen Haus. Als sie damals aus der Obhut geflohen waren, hatten sie nichts außer dem was sie an hatten mitgenommen. Einige Wochen hatten sie auf der Straße gelebt und sich mit Betteln oder Stehlen von Lebensmitteln über Wasser gehalten. Alles was sie sich zusammen gesammelt hatten, hatten sie damals in einer Regentonne versteckt. Da es hier, so nahe der Wüste, so selten regnete war dies ein gutes Versteck gewesen.
Anara erinnerte sich noch genau, wie Jamir sie damals in das kleine Haus geführt hatte. Das Dach war zum Teil eingefallen und eine Wand fehlte. Sie hatte Ihn damals angesehen, wie ein verletztes Kamel. Nie im Leben hatte sie sich vorstellen können, wie Jamir das wieder hinbekommen sollte, doch er hatte es. Gemeinsam mit, neu gewonnenen, Freunden hatten sie die Wand wieder mit Ziegeln zugemauert. Anara hatte dafür Unmengen an Lehm und Schilf angeschleppt, den sie in einigen alten Kisten zu Steinen gegossen hatten. Derweil hatten sie in dem halbüberdachten Teil des Hauses gewohnt und auf dem Boden geschlafen. Auch wenn es in der Obhut Matratzen und Teppiche gegeben hatte, hier waren sie frei.
Mittlerweile war es schon regelrecht als Luxus zu bezeichnen wie sie Wohnten. Sie hatten beide eine Matratze und einen Schrank oder eben Kiste. Sachen zum Wechseln gab es und in den letzten Wochen hatten sie immer ordentlich zu beißen gehabt.
Anara lächelte beim Gedanken an das viele Geld in Ihrer Tasche. Sie öffnete den Schrank und legte die Münzen in eine kleine Schatulle. Dann holte sie eine dicke Rolle mit groben Faden heraus. Darin steckte eine kleine Nadel. ›Das war die beste Anschaffung, die ich je gemacht hab‹, dachte sie. Sie schmiss die Tür des Schrankes zu und ließ sich auf Ihre Matratze fallen. Dann streckte sie das Bein aus und begutachtete nochmals den Riss. Dann fädelte sie den Faden in die Öse der Nadel und zog die Beine an.
»Willst du die Hose nicht ein lieber ausziehen?«
»Ne geht so!«, antwortete Anara. Sie setzte die Nadel an und begann den Riss zu zunähen.
Jamir schob die letzte Zwiebel in den Topf und stand auf. Im hinteren Bereich brannte bereits ein kleines Feuer. Er hängte den Topf an den Haken darüber. Dann griff er einen Holzlöffel von der Wand daneben und rührte die Suppe kräftig um. Zufrieden brummte er. »Das wird lecker werden.«
»Mir wäre etwas Ziegenfleisch lieber gewesen.«, mäkelte Anara. Konzentriert steckte sie die Nadel immer wieder in den Stoff der Hose. »Wie lief es bei dir?«, fragte sie ohne aufzublicken.
Jamir zögerte mit der Antwort. Doch statt etwas zu sagen, ging er zurück zum Tisch und holte die Brote aus dem Sack und ließ sie auf den Tisch fallen. Ein knallend klatschendes Geräusch entstand und ließ Anara zusammenschrecken. Sie riss die Augen auf. Ein stechender Schmerz trieb Ihr die Tränen in die Augen. Ihr Blick verschleierte sich. Durch das zusammenzucken war sie mit der Nadel abgerutscht und hatte sich diese genau zwischen die Finger in die Hand gerammt. Genau an der Stelle, an der die Hat kaum wiederstand leistete. Schnell griff sie danach und zog sie heraus. Sie biss sich auf die Lippen und schloss die Augen vor Schmerz. Dabei löste sich eine Ihrer Tränen und rollte über Ihre Wange. Sie war so vom Schmerz erfüllt, das sie nicht war nahm was um sie herum geschah. Erst als der Schmerz nachließ öffnete sie die Augen wieder.
Jamir stand fluchend vor der Feuerstelle. Dort wo vorher noch ein Feuer loderte stiegen nun Rauchwolken auf. Anara wischte sich die Tränen aus den Augen und blickte genauer hin. Jamir musste den Topf ausgekippt haben, vermutete Sie.
»Verdammter Mist!«, fluchte Jamir erneut.
Anara ließ hin weiter Fluchen und betrachtete Ihre Hände. An der Stelle, an der die Nadel in die Haut eingedrungen war hatte sich eine ordentliche Menge Blut gesammelt. Es trat zwischen Mittel und Zeigefinger heraus. Schnell nahm sie Die Hand zum Mund und leckte das Blut ab. Es schmeckte metallisch. In der Rechten hielt sie noch immer den Faden. Sie sah nach unten und wollte nach der Nadel schauen, doch die Nadel war weg. ›Verdammter Mist!‹, fluchte sie nun ebenfalls innerlich. Hektisch suchte sie nach der Nadel. Doch sie blieb verschwunden. Sie klopfte etwas Staub von Ihrer Hose, der Ihr vorher noch nicht aufgefallen war und stand sie auf um zu sehen ob sie vielleicht unter sie gerutscht war. Doch auch auf dem Bett fand sie sie nicht. Erneut leckte sie über Ihre Hand. Das Bluten zwischen Ihren Fingern hatte nachgelassen. Da Jamir nicht mit dem Fluchen aufhörte ließ sie die Suche sein und wendete sich Ihm zu.
»Man Jamir, ist mir doch auch schon passiert.«, versuchte sie Ihn zu beruhigen. »Mir ist auch schon mal der Topf ausgekippt."
Jamir fuhr herum. Er funkelte sie an »Ach Echt?« Er trat etwas zur Seite damit Anara die ganze Feuerstelle sehen konnte und zeigte mit der Hand darauf. Das ganze Gemüse lag auf den dampfenden Holzscheiten verteilt. Der Boden davor war nass.
»Ja und?«, rief Anara. »Dann machen wir halt eine neue Suppe.«
»Ach und worin?«, stöhnte Jamir.
»Wie worin?«
»Siehst du hier irgendwo einen Topf?« Er zog fragend die Augenbrauen hoch. Furchen entstanden auf seiner jungen Stirn.
Anara verstand noch immer nichts. Fragend und Schulterzuckend blickte sie Ihn an. Dann wieder zur Feuerstelle und dann wieder zu Ihm. »Was, zum Henker, hast du mit dem Topf gemacht?«
»Wieso ich?«, protestierte Jamir. »Ich hab das Brot auf den Tisch gelegt und dann ist hinter mir diese Sauerei hier passiert!«
»Ja und wo ist der Topf hin?«
»Woher, zum Henker, soll ich das wissen!«, empörte sich Jamir.
Anara kam näher und begutachtete die Feuerstelle genauer. Ein Holzlöffel lag auf den Scheiten. Weit und breit war nichts vom Topf zu sehen.
»Ist er vielleicht weggerollt?«, sie beugte sich herab und durchsuchte das Zimmer. Nirgends war ein Topf zu sehen. Als sie wieder hoch kam blickte sie direkt in Jamirs Augen.
»Meinst du nicht, ich hätte das nicht auch schon nachgesehen?«
Anaras Blick verdüsterte sich. »Schon gut!«, stöhnte sie. »Hast du Ihn nicht richtig angehängt?« Sie blickte zur Feuerstelle zurück. Doch dort wo der Haken immer hing, fehlte etwas. Anara stutzte. »Wo ist der Haken?«
»Vielleicht noch am Topf?«, stöhnte Jamir und rollte die Augen.
Anara trat näher an die Wand und begutachtete die Stelle in der der Haken befestigt gewesen war. „Der ist doch noch nie abgefallen." Nirgends war zu erkennen, das er vielleicht herausgerissen war. »War der Topf zu schwer?« Sie betastete die Stelle und grauer feiner Staub rieselte aus dem Loch. Sie untersuchte ihn und rieb ihn zwischen den Fingern. Dann blickte sie zum erloschenen Feuer hinab. Auch da war grauer Staub zu sehen. ›Komisch‹
»Vielleicht meinte die Alte ja das?«, flüsterte Jamir kaum merklich neben Ihr. Er kratzte sich nachdenklich am Kinn.
Anara drehte sich zu Ihm. »Was hast du gesagt?«
»Ach nichts!«, stammelte Jamir, drehte sich schnell um und trat an den Tisch.
Anara blickte Ihm zweifelnd nach. Irgendetwas in Ihr brachte sie dazu, nochmals nachzufragen. »Was für eine Alte?«
Jamir winkte ab und wollte bereits etwas zur Ablenkung erwidern als Ihm »Was, zum Henker, ist denn das?« Seine Augen weiteten sich und er beugte sich zur Tischplatte hinab.
Neugierig trat Anara neben Ihn. Auf das was Jamir so angestrengt starrte ließ sie staunen. Das Messer, mit dem er das Gemüse geschnitten hatte, lag zwar noch auf dem Tisch, doch wie es aussah verschlug Ihr den Atem. Das Heft aus Holz lag auf dem Tisch und war etwas nach rechts gerollt. Daneben lag auf der Tischplatte ein Haufen aus grauem Staub. Er hatte die exakte Form einer Schneide. Die eigentliche Schneide war weg. Anara streckte den Finger aus und wollte den Staub berühren.
Jamirs Hand stoppte sie unmittelbar. »Es könnte gefährlich sein!«
Sie schob seine Hand beiseite und steckte den Finger in den Staub. Sie wischte etwas davon beiseite. Dann hob sie die Hand nach oben und rieb den Staub zwischen den Fingern. »Wie ist das Möglich?«
»Ich - habe - keine - Ahnung!«, gab Jamir genauso ungläubig zurück. Dann griff er nach dem Messerheft und hob es hoch. Es fühlte sich ungewohnt leicht und unballanciert an. „Ich glaube aber, das wir darüber mit jemanden reden sollten."
Anara blickte Ihn Fragend an. „Mit wem?"
Jamir schien abwesend zu sein. In Gedanken versunken sagte er leise. „Das sage ich dir wenn wir da sind."
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