Nebel
Nebelschwaden lagen schwer über den engen Straßen des kleinen Vorortes, von Warimgal, der Hauptstadt der westlichen Lande. Es war schon Merkwürdig, dass der Nebel so früh im Jahr auftrat. Üblicherweise kündigte er erst am Ende der Blätterzeit den nahenden Winter an. Wenn dann die Wiesen und Felder feucht und warm waren, dann zog er mit den kälter werdenden Temperaturen auf und legte sich sanft über das Land. Dieser Nebel war jedoch anders. Kalt und nass kroch er in die Glieder der Menschen, die Hungernd über das Land zogen.
Sicher hätte sich von 6 Jahren niemand vorstellen können, dass einmal eine solch entbehrungsreiche Zeit aufziehen könnte. Auch nicht das sie so lange andauern würde. Mit schrecklichen Stürmen und Unwettern hatte die Natur damals ein dunkles und unmenschliches Zeitalter eingeleitet. Der Wandel der Zeiten war außer Kontrolle geraten. Selbst die Temperaturen des Tages und der Zug der Wolken schienen losgelöst vom normalen Wandel. An manchen Tagen waren die Straßen aufgeheizt von der brennenden Sonne. An anderen änderte sich das Klima so abrupt, das große Regenmassen die Landschaft regelrecht fluteten. Die wenigen Felder auf denen noch etwas gedieh, dampften dann vor aufsteigender Hitze. Die Ernten waren von Jahr zu Jahr schlechter geworden. Manche Arten gediehen nur kläglich oder reckten ihre Keime erst gar nicht in die Höhe. Immer mehr Menschen zogen weg oder wurden vom Hunger dahin gerafft. Immer weniger plagten sich mit dem mühevollen Anbau der wenigen noch erträglichen Saaten. Es schien fast, als ob sich die Natur gegen den Menschen entschieden hätte. Als ob sie der Menschheit überdrüssig geworden sei.
Doch es gab noch Hoffnung. Es hieß, das in anderen Teilen des Landes noch das alte Leben existierte. Das es Orte gab an denen es Nahrung und Wohlstand gab für die Hungernden gab. Doch nicht nur die Menschen vom Land begehrten danach. Auch die Fürsten und selbsternannten Könige der Lande strebten nach dem was sie einmal hatten. Es entbrannten Kriege. Große Kriege um den Wohlstand aufrecht zu erhalten. In den Jahren verschoben sich die Fronten und Kampflinien immer und immer wieder. Aber es entbrannten auch kleinere Kriege. Kriege unter den Bürgern der Städte, die immer mehr ums eigene Überleben kämpfen mussten. Auf den Landen entstanden marodierende Banden, die plünderten, was sie bekamen. Die überfielen, wer Ihnen über den Weg lief. Hier im Umkreis der Hauptstadt war es noch relativ sicher, da viele Patrouillen unterwegs waren, doch auch hier würde es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis es schlimmer würde.
An diesem Tage war der Nebel so dicht, das man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Die Fackeln, welche an den Straßenecken aufgehängt waren und die sonst im leichten Wind vor sich her balgten, brannten still vor sich her. Sie tauchten die Straßenzüge in ein gelblich, milchig, verwaschenes Grau. Die einzigen Bewegungen, die man ausmachen konnte waren die der Nachtfalter, welche Ihren allabendlichen Tanz um diese vollzogen als ob nichts anders wäre als sonst. Es ging kein einziges kleines Windchen durch die eng bebauten Gassen der Vorstadt. Es war so still das es fast den Anschein hatte, dass dies die Ruhe vor einem unheimlichen Sturm war. Selbst die Geräusche die, von den langsam durch die Gassen schleichenden Schatten verursacht wurden, tönten nur dumpf und leise durch den Nebel.
Einer dieser Schatten saß an der Ecke einer kleinen Gasse und leerte gerade den Rest seiner Flasche. Traurig schaute er auf den Boden seiner leeren Flasche und fragte sich ob es für Ihn wohl sein letzter Tropfen war. Müde und traurig stand er auf und ging langsam die enge Gasse entlang, hinüber zu den Stadtmauern.
Bei diesem Nebel wäre es sicher eine Leichtigkeit jemanden zu Überfallen. Doch was hatte er schon noch. Er warf die Flasche in den Nebel. Mit einem leisen Klirren zersprang sie irgendwo im grau. ›Welche Habseligkeiten wollen die mir noch nehmen?‹, dachte er. Vielleicht wäre es auch besser, wenn es einfach vorbei wäre. Sehr oft wurden zuletzt im Morgengrauen Leichen gefunden, welche ohne Kleidung oder Schuhe einfach in der Gosse lagen. ›Vielleicht ende ich auch so‹ Er versuche den Gedanken daran zu vertreiben indem er sich eine Rauchstange anzündete. Genau in diesem Moment, erschallte ein heller Aufschrei, welcher die Stille des Nebels durchzuckte wie es ein Blitz am gewitterbewölkten Himmel tat. Es war nur ein einzelner Schrei. Denn das sich danach einstellende Wimmern eines jungen Mädchens, wurde von der Schwere der Nebelschwanden schon längst wieder verschluckt.
Es war mittlerweile schon tief in der Nacht als Sie ihre müden Beine aus dem Bett hievte und auf die kalten Dielen des alten Hauses setzte. Sie hatte sich gerade erst zur Ruhe gelegt, als der helle Schrei durch das Haus schallte und dann in Wimmern und Schluchzen übergegangen war. Langsam tastete Sie mit den Füßen nach ihren Pantoffeln und warf sich einen Morgenrock über, welcher am Bettpfosten hing. Die Kälte des nahenden Winters hatte die Wärme des kleinen Ofens bereits vollständig aus dem Haus vertrieben und so war sie froh, dass sie sich den geflickten, eher einer Decke ähnelnden, Mantel überwarf.
In ihrem Alter, welches nun mehr als 78 Lenze zählte wurde es immer Mühsamer für sie sich aufzuraffen und so war sie eigentlich dankbar für die Nächte an denen Sie nicht aufstehen musste. Das alte Haus in dem Sie wohnte lag direkt an der großen Stadtmauer welche die Hauptstadt umfing. Es war aus grob gehauenen Steinen gebaut und eine der Wände wurde durch die Mauer der Stadt gebildet. Sie lebte hier nun schon Ihr ganzes Leben und in diesen Zeiten war sie froh, dass sie im Schutz der Stadt leben konnten und nicht außerhalb wie viele andere. Sie öffnete die in den Angeln knarrende Tür zum oberen Stockwerk, des alten Hauses. Schon lange fehlte es an einem Mann in Ihrem Leben, der sich um das alte Gemäuer kümmerte und sich dieser Probleme annahm, wie knarrende Türen zu beseitigen oder Holz zu holen. Sie hatte sich jedoch mittlerweile schon so daran gewöhnt, dass sie viele Dinge nicht mehr störte. Das nachlassende Gehör und die Gewissheit, dass das knarzen Ihrer Gelenke schon lauter war wie das knarren der Holztreppe, über die sie sich nun ins obere Stockwerk quälte halfen Ihr dabei. Welcher Mann würde sich schon mit so einer alten Schabracke wie Ihr abgeben. Sie musste realistisch sein und sich auch eingestehen, dass sie nicht mal die Kraft dazu haben würde einen Mann In Ihrem Leben zu haben. Denn sie musste Ihre restlichen verbliebenen Kräfte dafür aufbringen, die Ihr zugefallene große Aufgabe zu erfüllen.
Es wurde mit jedem Jahr beschwerlicher, hier hoch zu steigen und sie hatte sich schon oft gewünscht, dass es anders ginge. Aber in dem kleinen Haus war im Erdgeschoss einfach nicht genug Platz für Sie beide. Als sie die letzte Stufe erklommen hatte benötigte sie erst mal einige Momente um wieder zu Atem zu kommen. Sie schnaufte dabei wie eine alte Mähre, welche geraden den Plug mit Mühe über den Acker gezogen hatte. Als sie endlich etwas zur Ruhe gekommen war, öffnete sie die Tür zu Inaris Zimmer. Sie saß wie üblich schluchzend im Bett und hielt Ihren Seelentröster dicht an sich gedrückt. Es war ein aus Stoffen zusammengenähtes Phantasietier, welches vielleicht am ehesten ein schwarzweiß gestreiftes Pferd darstellen sollte. Sie zitterte am ganzen Leib, was auch kein Wunder war, da sie bei diesen Temperaturen und nur mit einem leichten Leinenanzug bekleidet da saß und weinte. Große Tränen rannen über ihre Wangen und tropften auf die Decke, welche Ihre Füße bedeckte. Eine Kerze beleuchtete sanft den Raum und brannte in jeder Nacht, da Inari sonst noch mehr Angst hatte, wenn sie Aufwachte. Immer wenn die alte Dame Sie so sah erwärmte sich Ihr Herz mehr als es jeder Ofen könnte. Sie ging auf sie zu, setzte sich neben Sie und legte Ihren Morgenrock um Sie.
»Kind! Beruhige dich du hast nur wieder schlecht geträumt« sagte sie mit ruhiger Stimme.
Inari kuschelte sich dankbar an Sie. Es dauerte meist eine Weile bis Sie sich beruhigte und wieder zu sich kam. Die Nähe und Wärme Ihrer Großmutter half Ihr dabei genauso wie das sanfte streicheln der alten Hände auf ihren blonden Haaren. Langsam lies ihr zittern nach und die Wärme trat wieder in Ihre Wirklichkeit. Sie wischte mit dem Ärmel, die nassen Rinnsale von Ihrem Gesicht und das letzte schluchzen lies die Tränen versiegen.
»Ach Granny« sagte sie mit leiser Stimme »Ich hatte schon wieder diesen Traum«
Seit sie denken konnte, hatte Inari diese Träume und sie wurden, jedem Jahr ihres Lebens, immer Detailreicher und Schrecklicher. Ihre Großmutter wusste was in Ihr vor ging und was in Ihren Träumen geschah, doch sie konnte Ihr nicht helfen. Oft schon hatte sie sich die Schilderung der Träume angehört und versucht Inari zu beruhigen doch es half alles nichts. Als sie alt genug war hatte sie deshalb begonnen Ihr Geschichten zu erzählen, damit sie von anderen Dingen träumen konnte. Sie konnte immer so tolle und phantastisch lebendige Geschichten erzählen. Inari könnte Ihr ewig zuhören, wenn sie dabei nicht immer einschlafen würde.
»Bitte Granny! Erzähl mir wieder eine Geschichte« bat sie
»Gut mein Kind aber lege dich hin und decke dich zu«
Mitdiesen Worten löste sich Inari aus Ihren Armen und legte sich wieder hin. Sanftlegte die Alte die Decke über sie und stopfte sie etwas unter Ihr fest. Dann begannsie Ihre Geschichte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro