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Wie einst

Es war ein ruhige und kalte Novembernacht, als ich alleine im Musikzimmer unseres Waisenhauses saß und leise auf dem Klavier klimperte. Das war damals nicht die erste, einzige oder letzte Nacht gewesen wo ich nur ganz alleine im Musikzimmer saß und, während alle anderen still, tief und fest schliefen, ich in meiner eigenen Klavierwelt lebte.
Natürlich durfte ich das nicht. Selbst als eines der älteren Kinder sollte ich um die Uhrzeit schon längst schlafen. Schließlich war Mama um die Uhrzeit auch schon längst am Schlafen.
Da ich aber nie erwischt wurde und immerhin noch so leise spielte, dass man das nicht mehr aus den Schlafzimmern gehört hätte, machte ich das trotzdem immer wieder und ging dann wieder schlafen, noch bevor jemand wach wurde.
Das einsame Klavierspiel machte ich aber nicht jede Nacht. Sonst wäre es nicht mehr was Besonderes für mich und ich wollte auch nicht unter einem Schlafmangel leiden.
Ich spielte immer nur, wenn das Klavier nach mir rief. Das Klavier rief nach mir immer nur, wenn sich meine Emotionen in mir aufstauten. Die Emotionen stauten sich in mir immer nur auf, wenn ich Trauer und Einsamkeit spürte. Ich spürte Trauer und Einsamkeit immer nur, wenn ich mich am Abend vor eines meiner Geschwister Abschied nehmen musste. Ich nahm den Abschied meines Geschwisterkindes immer nur, wenn es adaptiert wurde und man es zu seinen zukünftigen Eltern brachte.
Die Adoption war immer ein Abschied und der Abschied tat mir immer wieder weh.
Genauso war es auch bei mir in dieser einen Nacht. Ein jüngeres Kind wurde am Abend zu seinen zukünftigen Eltern gebracht und verabschiedete sich von uns. Der Abschied ließ mich immer eine Nacht voller Trauer hellwach werden und wollte mich nicht einschlafen lassen. Ich habe also nachts mit aufgestauten Emotionen im Bett im gelegen und konnte kein Auge zukriegen. Mein Finger waren gleichzeitig am Zucken – ein Zeichen, dass sie zum Klavier wollten. Daher habe ich im Bett ein, zwei Stunden still gelegen, bis alle Kinder fest einschliefen und habe mich erst dann still und heimlich aus dem Zimmer zum Musikraum geschlichen.
Ich war nun im Musikzimmer angekommen und habe mich am Hocker unseres schönen, großen Holzklaviers hingesetzt. Normalerweise am helllichten Tagen habe ich andere jegliche Instrumente aus dem Musikzimmer gespielt oder auch Schallplatten aus dem Plattenspieler abgespielt.
Doch am Klavier, mein persönlichstes Lieblingsinstrument, habe ich nur zu diesen späten Zeiten gespielt. Ich wollte in diesen Momenten immer alleine sein und während des Spielens an meine Geschwister denken. Es war für mich immer ein persönlicher und intimer Moment gewesen, den ich nur mir selber und das Klavier widmete. Hier konnte ich alleine meine ganzen Emotionen rausgleiten lassen und nur das Klavier wisse von diesen emotionalen Momenten zwischen mir und der Musik.
Natürlich habe ich nicht alles spielen können und dürfen. Schließlich waren das meine heimlichen Spielmomente in der Nacht, wo alle schliefen. Ich habe nicht die Absicht gehabt, meine Familie wegen meinen Emotionen durch lautes Klaviergespiele aufzuwecken. Daher habe ich auch keine lauten und schnellen Stücke gespielt, sondern ruhige und langsame Stücke. So sehr ich manche Stück auch gemocht habe, so konnte ich in der Zeit nicht Arabesque von Debussy oder Carnaval von Schuhmann spielen.
Meistens waren es Lieder, die es nicht als Schallplatte zu hören gab, sondern nur als Notenblöcke in Musikbüchern. Ich wusste daher nie, wie die ganzen Stücke sich auf Schallplatten anhörten, doch das ließe mich nie stören, da ich die Musiknoten lesen und während des Spielens auch die Musik hören konnte.
Normalerweise habe ich gerne Chanson gespielt, da diese Stücke, die ich spielte, ruhig waren und das Spielen des Klaviers die Emotionen gleiten ließen. Ich widmete durch das Spielen nicht nur mir, sondern auch dem Kind, was ich nun durchs Spielen auch verabschiedete. Gerade Stücke wie Warum nur, warum haben mir immer die Möglichkeit gegeben, diese Gefühle, Emotionen und Gedanken auf die Klaviertasten gleiten zu lassen.
Aber selbst Chanson konnte auch zu laut sein; da, zum Beispiel, Merci Chérie auch einzelne Höhepunkte besaß. Daher war meine Musikauswahl immer eingeschränkt, doch das störte mich nie. Denn die Lieder haben dafür gesorgt, dass ich mich vom Kind endgültig verabschieden und die nächste Nacht wieder ruhig schlafen konnte.
Es war unterschiedlich wie lange und wie viel ich am Klavier in einer Nacht spielte. Manchmal habe ich nur kurz und wenig gespielt, manchmal aber auch lang und viel. Doch eins hatte sich nie verändert: Am Ende, wenn meine inneren Emotionen aus mir ins Klavier entwichen, spielte ich zum endgültigen Abschieds immer das gleiche Stück.
Das Stück, was ich zum Schluss immer gespielt habe, hieß Lili Marleen. Zumindest hieß so der Titel dieses Liedes aus dem Musikbuch. Soweit ich die Angaben des Musikbuches damals verstanden habe, war es ein Lied mit Gesang und Text, dessen Schallplatte damals zu seiner Zeit ein Millionenseller wurde und zu der Veröffentlichungszeit viele Hörer emotional berührte. Ich wollte damals verstehen, warum es damals vor vielen Jahren zu dieser Zeit so eine wichtige Bedeutung besaß, doch wir im Grace Field House haben diese Schallplatte mit Lili Marleen nie besessen und ich habe damals gezweifelt, dass wir jemals diese Schallplatte bekommen könnten. Schließlich war das Lied Lili Marleen schon 104 Jahre alt – zumindest zu dieser Novembernacht 2043.
Ich kannte nicht wirklich die Geschichte zu Lili Marleen und wie sie entstanden ist. Das einzige, was ich davon nur wusste, war, dass der Text des Liedes ursprünglich ein Gedicht von einen namens Hans Leip war und danach von einem Norbert Schultze mit einer Melodie vertont wurde. So stand es auch im Musikbuch. Zumindest war das davon die bekannteste Version des Liedes. Es gab auch noch eine zweite Version von Rudolf Zink, die auch im Musikbuch stand. Doch diese Version war weniger bekannt, was ich damals schade fand. Denn ich mochte diese Chanson von Zink deutlich mehr, da sie wundervoll melancholisch klang und ich auch deswegen sie gerne spielte.
Aber es bedeutete nicht, dass ich die Version weniger mochte – ganz im Gegenteil.
Mir gefiel es immer wieder Lili Marleen auf dem Klavier zu spielen. Ich habe das Lied gemocht. Genauer gesagt habe ich den Klang von Schultzes Melodie auf dem Klavier immer gemocht. Denn sie beruhigte mich und gab mir ein tröstendes Gefühl. Die Melodie war, wie bei einem Pop-Lied, einfach, schlicht und einprägsam. Man konnte sie leicht erlernen und leicht auf den Klaviertasten klimpern. Theoretisch konnte ich diese Melodie sogar auch nur auf der rechten Hand spielen, so einfach war sie komponiert. Und dennoch hat sich diese Melodie nie repetitiv angefühlt, da sie trotzdem einen liebevollen und gleichzeitig traurigen Ton besaß – zumindest auf dem Klavier.
So spielte ich also jeden Abend immer zum Schluss zweimal Lili Marleen. Einmal den melancholischen Chanson von Zink und danach die tröstende Version von Schultze.
Ich ließ die letzte Note des Liedes ausklingen und wollte die Stille nach diesem Lied in mir aufsaugen. Doch die Stille wurde mit einer Stimme unterbrochen.
»Das war beeindruckend.«
Ich zuckte sofort erschrocken zusammen.
»Entschuldigung. Ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Das hast du aber sehr wohl geschafft«, antwortete ich mit einem flüsternden Ton und versuchte meinen Schreck so zu kaschieren, indem ich genervt sprach. Ich konnte zumindest von Glück sprechen, dass ich nicht schrie.
»Das passiert ja auch nicht jeden Tag, dass plötzlich mitten in der Nacht sich jemand heranschleicht und anspricht, während derjenige Klavier spielt.«
Ich drehte mich um und schaute denjenigen an, der mit mir sprach.
Es war Ray, der im Schneidersitz auf dem Boden saß und mich müde anschaute.
Normalerweise hätte ich Ray gefragt, wie er es geschafft hat, sich ins Musikzimmer reinzuschleichen, so, dass ich ihn nicht bemerke. Doch die Frage konnte man leicht beantworten: Es war kein Talent. Schließlich war ich ja sehr in dem Klavierspiel vertieft.
Darüber hinaus fiel mir was anderes bei Ray auf, was mich irritierte.
»Ray? Was machst du denn hier? Warum bist du denn hier? Warum bist du denn noch wach? Normalerweise sollte ein Neunjähriger schon längst schlafen!«
»Was machst du denn auch hier? Warum bist du denn auch hier? Warum bist du denn auch wach? Normalerweise sollte auch eine Elfjährige schon längst schlafen.«
Anscheinend waren wir beide von den Fragen überrascht, weshalb keiner von uns auf die Fragen antwortete und nur stumm den Gegenüber anschaute. Bis ich zu Seufzen begann.
»Den Grund müssen wir ja nicht sagen«, sagte ich, »Wir beiden konnten einfach nur nicht schlafen. Irgendetwas in uns wollte uns wachhalten.«
Ray nickte zu meiner Aussage. »Was uns auch immer wachhielt; wir wollten einfach nur den Kopf frei kriegen. Und uns gleichzeitig wundern, warum noch ein weiteres Kind wach ist und vorsichtig werden, damit Mama uns nicht entdeckt, weil wir sonst noch Ärger bekommen.«
»Ich spiele immerhin leise mein Klavier. So, dass mich auch kaum einer hört. So schnell wäre Mama nicht wach. Im Gegensatz zu jemand anderem, der nachts in Musikzimmern schleicht und einen fast zu Tode erschreckt. Du kannst wirklich von Glück sprechen, dass ich nicht geschrien habe, Ray.«
»Wir können von Glück sprechen. Sonst hätte uns Mama beide erwischt«, argumentierte Ray zurück, »Und so leise hast du nun auch wieder nicht gespielt, denn als ich durch das Haus schlich, habe ich ja das Klavier hinter der Tür gehört.«
»Sag mir mal lieber, warum du nachts hier rumschleichst.«
»Und du sag mir mal lieber, warum du nachts hier Klavier spielst.«
Es überraschte mich sehr. Nicht, dass ich überrascht war, dass ich so ruhig mit Ray reden konnte, sondern es überraschte mich, dass ich überhaupt mit ihm sprach.
Normalerweise war Ray eher ein ruhiges Kind gewesen. Er war jetzt nicht wirklich das introvertierteste, aber er war viel ruhiger als die anderen jüngeren Geschwister. Im Gegensatz zu den anderen Kinder im seinem Alter war er mehr für sich allein, las viel und war mehr in der Nähe von der gleichaltrigen Emma und dem gleichaltrigen Norman.
Ich möchte hier auch nicht abstreiten, dass Ray auch ein Kind war, dass direkt und ohne zu Zögern sprach. Schließlich könnte er ja auch so üblich mit Norman und Emma reden, wenn sie unter sich waren. Selbst zu mir am Tag, wenn ich mal mit ihm sprach, hatte er nie zurückgeschreckt gewirkt.
Aber das war die Sache: ich unterhielt mich kaum mit Ray. Wir waren zwei Jahre auseinander, hatten verschiedene Interessen und spielten mit anderen Kindern. Ich hab mich damals mit Ray deutlich weniger unterhalten, sowie Ray auch kaum wenig mit anderen unterhielt. Vielleicht war ja Ray auch schon immer ein direktes Kind gewesen, ja, vielleicht sogar auch ein ganz freches. Aber so eine Charaktereigenschaft konnte ich ja schwer herausfinden, wenn wir kaum was miteinander gemacht haben. Schließlich war dieser Moment das erste Mal, wo wir alleine uns Gegenüber saßen, unterhielten und uns keiner stören konnte.
Wozu also überrascht sein, wenn wir uns in dem Moment erst so wirklich miteinander unterhalten konnten?
Ich wusste nicht, ob Ray den gleichen Gedanken wie ich besaß, aber nachdem ich nicht sofort auf seine Frage antwortete, seufze er nur einmal kurz und sprach schon fast mit sich selbst: »Naja, ich bin ja eher überrascht, dass wir uns so miteinander unterhalten. An sich machen wir ja nicht viel gemeinsam. Und nun sind wir hier ganz alleine nachts im Musikzimmer.«
Ich schaute Ray an und sagte: »Ja, normalerweise sind sonst bei dir Norman und Emma in deiner Nähe-«
»Oder ich bin alleine. So wie jetzt. Die beiden schlafen ja schon.«
Anscheinend war es wohl Rays eigene Entscheidung alleine hier nachts herumzuschleichen. Aber Ray war nie eines der Kinder gewesen, die einfach mal so nachts heimlich wachbleiben, um das Haus zu erkunden – sowas könnte eher noch zu Emma passen. Aber für Ray musste es einen Grund geben, warum er das machte. Schließlich hatte ich ja auch meine Gründe. Und da Ray auch wusste, dass die beiden schliefen, war es auch seine eigene Entscheidung gewesen.
So formulierte ich auch meine Frage: »Du weißt also, dass die beiden schlafen. Also war es ja deine eigene Entscheidung, alleine hier herumzuschleichen. Aber so, wie ich dich kenne, machst du das doch nicht einfach so. Du hast doch bestimmt einen Grund, warum du jetzt wach bist.«
Ray schaute mich wieder an, blickte nachdenklich zur Seite (vielleicht ein inneres Soll ich ihr das jetzt sagen?), schaute mich wieder an und antwortete in die Augen blickend: »Ich hatte einen Albtraum.«
»Einen Albtraum?«
»Ja, einfach nur einen Albtraum. Ein schlechter Traum. Ein Traum, der dich nachts aufschrecken lässt, dich in deinem Kopf und Körper einbrennt und dazu zwingt, dass du nicht wieder einschlafen willst, da er dich sonst wieder von vorn quält.«
Ich überlegte. Ich besaß das Glück, dass ich noch nie so wirklich einen Albtraum hatte und ich schätzte das sehr. Denn ich bekam nachts immer mit, wie oft ein Kind panisch aus dem Schlaf rausschrie und minutenlang weinte, weil es einen Albtraum hatte. Sowas musste wohl ziemlich schlimm sein, wenn selbst das glücklichste oder mutigste Kind dadurch bitterlich weinte.
Aber ich konnte mir beim besten Willen nie vorstellen, wie Ray panisch und ängstlich aus einem Albtraum erwacht.
»Wie öfter man einen Albtraum bekommt«, sagte er auf einmal, »Desto weniger wacht man laut auf. Nach mehreren Malen wachst du nur mit aufgeschreckten Augen auf, atmest noch zitternd bis du merkst, dass du sicher in deinem Bett liegst und versucht innerlich dich zu beruhigen. Irgendwann findet man die verschiedensten Tricks um dem Albtraum entgegenzukommen. Ablenkung hilft meistens.«
»Und deswegen läufst du hier nachts herum? Damit du dich vom Albtraum beruhigen kannst?«
Er nickte.
»Aber du wirkst für jemanden, der gerade einen Albtraum hatte, ziemlich ruhig. Ich kann mir, ehrlich gesagt, auch nicht vorstellen, wie du panisch aufschreckst, nach dem Albtraum weinst und schwer einschlafen kannst.«
»Du schläfst ja auch nicht im gleichen Zimmer mit mir. Du hast ja auch nicht erlebt, wie ich damals meine ersten Albträume hatte.«
Seine Antwort war so offensichtlich, dass ich mich schon wunderte, warum ich diese Aussage von mir gab. Es war mir etwas unangenehm, dass ich ja mit meiner Aussage indirekt Rays Albträume belächelte.
»Das tut mir leid«, antwortete ich etwas leise, »Ich wusste nicht, dass dich das schon länger plagt.«
»Das konntest du ja nicht wissen«, antwortete er ruhig.
»Aber wie oft und wie lange begleiten dich schon deine Albträume, damit du so ruhig darüber sprechen kannst?«
Er zuckte mit den Schultern. »Man gewöhnt sich so schnell an das Schöne, sagt man ja. Aber genauso gewöhnt man sich so schnell an das Unschöne. Man kommt von beiden nicht mehr los.«
Ich schaute zu den Schallplatten rüber. War Rays Aussage vielleicht eine Anspielung auf eines der Schallplatten? Oder hatte er das aus einem Buch?
Er verfolgte meinen Blick und betrachtete mit mir die Schallplatten.
Auf der sichtbarsten Schallplatte stand die Aufschrift Nous Les Amoureux. Einer der wenigen Lieder, die ich auf dem Klavier spielte und sogar auch den Gesang kannte. Mir gefiel bei diesem Lied die ruhige und dennoch heitere Spielweise, dass sie sogar schon was Mysteriöses in sich besaß. Auch der Gesang von Jean-Claude Pascal wirkte auf der Schallplatte genauso, dass er ruhig und dennoch heiter etwas Mysteriöses sang. Da Nous Les Amoureux auf dem Klavier daher angenehm klang, spielte ich dieses Stück auch gerne zur Tageszeit.
»Man könnte sagen, der französische Vorgänger zu Take Me to Church, nur ohne Gesellschaftskritik und mit optimistischen Klang.«
»Was?«
Er schaute mich fragend an. »Hast du dich mal mit den Texten auseinandergesetzt?«
»Nein. Ich spiele nur die beiden Stücke gerne auf Klavier.«
»Wie? Du spielst Lieder, aber weißt nicht wovon gesungen wird?«
»Nein, wirklich nicht«, antwortete ich schulterzuckend, »Wenn ich ein Lied schön finde zum Spielen, dann brauche ich nur die Melodie für das Klavier um glücklich zu werden. Einen Text brauche ich nicht. Noten brauchen keine Texte.«
Er schaute mich nur weiter fragend an. Vielleicht dachte er im Moment auch nur über meine Worte nach. Schließlich betrachteten wir beide die Lieder auf unserer Weise. Ich achtete auf die Melodie, während er den Text wichtiger fand.
Mir fiel im dem Moment wieder ein, weshalb Ray und ich nachdenklich zu den Schallplatten schauten.
»Ich will dich ja nicht bedrängen«, fragte ich vorsichtig, »Aber kannst du nun darauf antworten, was du ungefähr träumst?«
Er schaute mich wieder fragend an.
»Klar, kann ich antworten«, antwortete er, »Ob ich will ist, ist aber eine andere Sache.«
Der Kleine beherrschte es auf eine ruhige Weise frech zu sein.
»Aber«, fuhr er fort, »ich hätte dazu eine Gegenfrage.«
Ich zuckte mit den Schultern. Frag mich ruhig, du hast ja nur eine Gegenfrage.
»Warum willst du auf einmal wissen was ich träume? Und nicht mehr wie lange oder wie oft
Ray hatte Recht; meine Fragestellung hat sich dadurch etwas geändert. Aber mein Grund und meine Antwort waren selbsterklärend und nicht wirklich komplex.
»Das hat sich ja von selbst beantwortet. Du meintest doch wie öfter man einen Albtraum bekommt, desto weniger wacht man laut auf. Also plagen dich schon deine Albträume eine längere Zeit. Und sie sind keine Seltenheit.«
Ray nickte. »Gar nicht mal so falsch gedacht. Mich plagen meine Albträume schon eine längere Zeit. Bei den ersten Malen kam dadurch immer wieder Mama, um mich zu beruhigen.«
Während er erzählte, schaute er zum Boden und betrachtete seine Füße. Zumindest vermutete ich das, da er ja immer noch im Schneidersitz saß und die Füße in seiner Blickrichtung erschienen.
»Jedenfalls«, fuhr Ray fort, »wollte ich nicht immer wieder jede Nacht bei Mama ausheulen. Gerade, weil Emma und Norman auch um mich besorgt waren. Die beiden haben deswegen auch einmal geweint, als Mama mich wieder tröstete. Aber ich wollte keine Last mehr sein, die Sorgen verbreitet. Und da ich mich sowieso an die Albträume gewöhnte, habe ich so meine eigenen Wege gefunden mich zu beruhigen.«
»Und vor was hast du nun geträumt?«
Ray zögerte auf die Antwort. »Nicht so schöne Dinge.«
»Waren die zu merkwürdig?«
»Nein. Nicht merkwürdig. Und auch nicht solche Träume, als würde ich durch Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt lesen.«
»Ich verstehe leider deine Anspielung nicht, Ray.«
Er schüttelte den Kopf. »Musst du auch nicht verstehen. Durch eine Stadt zu laufen, wo man einfach nur als Mensch emotionslos funktioniert, vorher seinen Schatten abgeben muss und auch noch Einhörner leben, aus deren Schädel man alte Träume lesen kann, ließen mich immer verwirren. Auch wenn es sich wie ein Traum anfühlt-«
»Ray, bitte«, unterbrach ich ihn mit einem härteren Unterton, »Ich möchte einfach nur meine Frage beantwortet haben. Ich brauche jetzt nicht irgendwelche Beschreibungen aus irgendwelchen Büchern!«
Er verstummte sofort und schaute gleichzeitig ruhig in meine Augen.
»Ich möchte nur die Antwort auf meine Frage haben«, seufzte ich, »Was du nämlich alles geträumt hast.«
Ray holte kurz Luft zum Antworten.
»Und schweife bitte nicht wieder zu Einhörnern in irgendwelchen Enden von Wunderländern ab!«, unterbrach ich.
»Nicht Enden von Wunderländern. Sondern Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt
»Und lass das mit den frechen Kommentaren und antworte einfach!«
Diesmal seufzte Ray auf meine Reaktion, bevor er antwortete.
»Weißt du eigentlich wie schwierig das ist, die eigenen Träume zu beschreiben? Das alles spielt ja nur in den eigenen Kopf ab und auch nur das eigene Gehirn kann diese Träume produzieren. Diese Träume besitzen weder Logik, Sinn, Funktion noch Physik. Und trotzdem besitzen unsere Träume ihre eigene Logik, Sinn, Funktion und Physik. Alles, was man im Traum erlebt, wurde aus unserem Gehirn ausgearbeitet. Es verarbeitet Dinge, die wir erlebt haben. Kannst du mir soweit folgen?«
»Schon irgendwie«, antwortete ich schulterzuckend und tippte mit dem Zeigefinger auf meiner Schläfe, »Dieses Ding ist im Schlaf sehr aktiv. Und genau dieses Ding ist schuld daran, dass du nachts panisch aufwachst oder hier herumschleichst.«
»So in etwa.«
»Aber was hat das-«
»Darauf will ich ja hinaus: es ist für mich schwierig, diese eigene Träume zu beschreiben. Findest du nicht, dass mein Gehirn ziemlich sadistisch ist? Schließlich braucht es seinen Schlaf, aber gleichzeitig quält es mich mit Albträumen, die mich wach halten und dadurch dann weniger Schlaf entsteht. Dabei ist es ja mein Gehirn. Ich produziere diese Träume und ich bin ja selber der Grund, warum ich nun wach bin, da ich ja selber meine Gedanken und Ereignisse auf dieser Art verarbeite.«
Während Ray das erklärte, schaute ich zu meinen Fingern. Es stimmt zwar schon, dass auch mein Gehirn diese Nacht mich mit meinen Gedanken aufhielt, aber bei mir waren es sogar mehr die Finger gewesen, die mich nicht einschlafen ließen. Sie wollten zum Klavier und ihre Emotionen gleiten lassen. Wenn Ray also mit seiner Beschreibung als Kopfmensch galt, wäre ich dann dafür ein Fingermensch?
»Ich sehe alles«, sagte Ray auf einmal.
»Wie? Was?«
»Ich sehe alles. Alles in meinen Träumen. Alles Mögliche verarbeitet mein Gehirn in meinen Träumen. Das wolltest du doch vorhin von mir wissen.«
»Ach, das meintest du. Deine Antwort kam so überraschend.«
»Sie ist aber nicht überraschend. Das ist die Antwort. Natürlich kann ich auch alles sehen, was du gerade machst. Hast ja auf deine Finger geschaut. Aber es geht ja um meine Albträume. Daher sehe ich alles in meinen Träumen.«
»Aber was bedeutet denn nun Alles
»Wenn ich ehrlich bin: meine Erinnerung und meine Ängste. Oder auch Vergangenheit und Zukunft. Ich sehe meine Geschwister. Lebendig und tot zugleich. Lebendige und tote Körper. Manche lachen und schauen mich an. Bei einigen fehlen ihre Schädel oder andere Körperteile. Oder deren Körper existiert nicht mehr. Entweder beobachten sie mich oder werden verarbeitet. Wo verarbeitet, weiß ich nicht. Aber dann sehe ich dunkle Wesen. Riesige Wesen. Mit riesigen Körperbau, riesen Händen, ellenlangen Krallen, starrenden Augen und emotionslose Gesichter hinter steifen Masken. Sie packen alles. Meine Geschwister, lebendig sowie auch tot. Ob sie mich auch packen, weiß ich nicht. Aber Menschen gibt es auch. Die Menschen packen mich und bringen mich zu jeglichen Orten hin. Mal hier hin, machen was mit mir, mal da hin, machen da was mit mir. Am Ende bin ich in der Mitte. Wo in der Mitte, weiß ich nicht. Zumindest irgendwo, wo mich jeder beobachten und fokussieren kann. Und ich weiß nicht, ob ich der Auslöser dafür bin oder ob ich was dagegen machen kann. Ich sehe nur alles. Ich soll was machen, sonst bin ich am Ende der Welt. Aber ich mache nichts dagegen. Ich sehe einfach nur alles.«
Ray verstummte und schaute mich an.
Ich blieb auch stumm und versuchte die Worte hinter seinen Albträumen zu verstehen. Doch egal, wie ich mich anstrengte und überlegte, ich verstand es nicht. Diese Beschreibung der Träume wirkte auf mich zu verwirrend. Zu surreal.
Ich versuchte zu überlegen, die Verbindung zwischen den Albträumen, Erinnerungen und Ängsten zu finden. Doch ich konnte mir nichts darunter vorstellen.
Dass der Klavierzyklus Carnaval von Robert Schumann unterbewusst Schumanns psychische Probleme präsentierte, konnte ich mir gut vorstellen und auch die Verbindungen sehen – geschweige hören.
Aber in Rays Albträumen seine Erinnerungen und Ängste zu finden, fühlte sich für mich so an, als würde ich ein Gemälde von Wassilly Kandinsky betrachten und darunter ein Lied dazu auf Klavier spielen. Es wäre vermutlich machbar, doch ich konnte keine Verbindung dazu erkennen und finden.
Ich wollte in dem Moment meinen Mund aufmachen und Ray die Frage stellen, was diese Albträume mit seinen Erinnerungen und Ängsten verband, doch Ray schnitt mir direkt ins Wort.
»Egal, wie und welche Frage du stellst: ich kann darauf keine Antwort geben. Die einzige Antwort, die ich dazu geben kann, ist, dass das meine Erinnerungen und Ängste sind. Und das das alles mein Gehirn produziert um mich nachts lange wach zu halten. Mehr nicht.«
»Träumst du alles in der Form? Quälen dich diese Albträume jahrelang schon in der Form?«
»Ja. Sie tauchen mal hier und mal da stärker oder schwächer auf.«
»So wie auch heute?«
»Ja. So wie auch bei dir.«
»Wie? Was? Wie meinst du das? Ich habe doch heute keinen Albtraum gehabt. Vor allem auch nicht in der Form.«
»Ja, das weiß. Aber die meisten Albträume tauchen bei mir immer dann auf, wenn ein Geschwisterkind von uns zu seiner neuen Familie geschickt wird. Jedes Mal, wenn der Abschied kommt. Das hält mich nachts immer wach und ich muss mich danach beruhigen, damit ich mich vom Kind innerlich verabschieden kann. So, wie es bei dir auch der Fall ist.«
Ich schaute ihn erschrocken an.
Woher wusste er, dass ich auch wegen des Abschiedes nachts nicht schlafen konnte und mich erst beruhigen musste, damit ich mich innerlich vom Kind verabschiedete?
Nicht nur das: Ray meinte auch immer und jedes Mal. Er wusste also, dass ich das mit dem Klavier nicht zum ersten Mal machte. Er wusste, dass ich öfters nachts alleine Klavier spielte.
Ray lächelte mich mild an, als ich ihn anschaute.
»Woher weißt du, dass das ein Grund von mir ist?«
»Ich laufe ja nicht das erste Mal wegen eines Albtraumes nachts durch das Haus und ich laufe auch nicht das erste Mal nachts am Musikzimmer vorbei.«
»Aber woher wusstest du dann, dass es bei mir wegen dem Abschied unseres Geschwisterkindes liegt?«
Ray zeigte mit seinen Zeigefinger auf seine Augen.
»Wie ich das schon zu meinen Albträumen erklärte: Ich sehe alles. Ja, ich höre sogar auch alles.«
Sehen? Was meinte Ray damit, dass er das alles gesehen hat? Ich wusste auch nicht, was er mit dem Hören meinte.
»Deine Finger«, sagte er plötzlich.
»Was?«
»Na, deine Finger. Ich habe deine Finger gesehen und sie verraten alles. Ich habe mal gesehen, wie deine rechte Hand von alleine was in der Luft gespielt hat. Als hättest du mit der rechten Hand Luftklavier gespielt. Das hast du auch öfters gemacht. Ganz unbewusst. So wie jetzt.«
Ray hielt seine rechte Hand hoch, bewegte die Finger verschieden hin und her, so, als würde er Klavier spielen und richtete seinen Blick zu meiner rechten Hand.
Ich betrachtete meine rechte Hand. Tatsächlich bewegten sich meine Finger ein bisschen, als würden sie gerade ein Lied klimpern.
Ich wusste auch, welches Lied sie klimperten. Schließlich kannte ich ja meine Angewohnheit sehr gut.
»Ich bin mir nur nicht sicher«, sagte Ray, »Aber da mir dieses Klimpern oft aufgefallen ist, wenn wir ein Geschwisterkind verabschiedeten, vermute ich auch mal, dass du das immer machst, wenn du dich unwohl oder beklemmt fühlst.«
»Ja, das ist fast richtig. Dieses Klimpern beruhigt mich. Ich klimpere immer mit der rechten Hand, wenn ich nervös bin und nicht weiß, wie ich in welcher Situation mit meinen Gefühlen umgehen soll«, antwortete ich, hob meine Hand hoch und klimperte weiter in der Luft, »Bei solchen Momenten, gerade beim Abschied, vermischen sich viele Gefühle in mir. Auf der einen Seite empfinde ich Freude. Aber auf der anderen Seite kommt auch immer die Trauer hoch. Schließlich vermisse ich ja dennoch jedes Geschwisterkind. Meine Emotionen wirbeln sich dann in mir drin auf und suchen einen Ausweg, aus mir rauszukommen.«
»Und das Klavierspielen hilft dir bestimmt dabei, richtig?«
»Ja, genau. Ich kann es nicht so genau erklären, aber es beruhigt mich und hilft mir auch dabei. Ich muss mich nur am Klavier setzen und schon kann ich alles um mich herum vergessen. Ich schalte meinen Kopf ab und lasse meine Finger sprechen. Egal, wie ich mich dabei fühlte, dass Spielen am Klavier half mir immer und gab mir Kraft. Es ist fast schon so, als würde ich meine Erlebnisse damit verarbeiten. Meinen Kopf frei kriegen. Mich glücklich machen.«
»Das heißt also, egal, wie traurig du bist, wenn du irgendwo am Klavier deine Trauer spielst, fühlst du dich im Nachhinein erleichternder?«
»Richtig. Aber da ich nicht überall am Klavier sein kann, spiele ich deshalb eine Melodie im Kopf und lasse sie in der Luft klimpern. Normalerweise mache ich das nicht so offensichtlich. Meistens lege ich die rechte Hand am Oberschenkel, verstecke sie hinter meinem Rücken oder lege sie auf einer Oberfläche oder auf dem Boden. So kann ich im Notfall überall Klavier spielen. Ich brauche nur eine Melodie.«
»Es ist aber auch immer die gleiche Melodie, die du spielst.«
»Das stimmt. Aber woher weißt du das?«
»Wie ich das schon sagte: ich höre sogar auch alles. Immer, wenn ich dich nachts Klavierspielen hörte, hörte ich am Ende immer diese letzte Melodie. Schließlich spielst du zum Schluss immer Lili Marleen. Ich habe mir mal diese Melodie gemerkt und sie mit dem Rhythmus deiner Finger verglichen. Daher hab ich gesehen, dass du überall Lili Marleen spielst. Ich kann mir auch vorstellen, dass du das machst, weil die Melodie recht einfach ist. Selbst ich finde die Melodie des Liedes sehr einfach und simpel.«
Ich schmunzelte und schaute Ray amüsiert an.
»Alle Achtung, du musst schon ziemlich oft meine kleinen Nachtkonzerte gehört haben, um diese ganzen Lieder zu merken. Normalerweise spiele ich ja nur für mich alleine. Ich hätte nicht gedacht, dass ich einen Zuhörer habe.«
»Vermutlich auch dein einziger Zuhörer«, antworte Ray zurück und musste auch etwas schmunzeln.
»Ja, aber auch einen ziemlich frechen Zuhörer«, kommentierte ich, »Aber es stimmt. Gerade Lili Marleen spiele ich oft. Wegen dieser Melodie. Man kann dieses Lied ohne Probleme mit einer Hand spielen. Daher mag ich das Lied. Das ist, streng genommen, der einzige Grund.«
Ray zog überrascht eine Augenbraue hoch.
»Wirklich? Das ist wirklich der einzige Grund? Wegen der Melodie? Nicht wegen des Textes?«
»Wirklich. Das ist der einzige Grund«, antwortete ich schulterzuckend, »Es ist einfach zu spielen und man kann es auf der rechten Hand spielen. Mehr nicht.«
»Ich hätte gedacht wegen des Textes. Gerade, weil es auch zum Abschied passt.«
»Ich achte bei Liedern nicht wirklich auf den Text. Nur auf der Melodie. Schließlich will ich ja nur Klavier spielen und nicht singen oder lesen.«
»Bei mir ist das ja andersrum. Nicht, dass ich singe, aber ich lese immer die Texte dazu. Daher dachte ich auch, dass du Lili Marleen wegen des Textes spielst. Schließlich geht es ja darum um ein sehnlichstes Wiedersehen eines geliebten Menschen.«
»Ich habe einmal den Text überflogen und auch die Geschichte dazu gehört«, antwortete ich wieder schulterzuckend, »Da gebe ich dir auch recht, dass das auch zu einem Wunsch nach Wiedersehen passt; gerade die Version von Zink klingt von der Melodie auch mehr danach. Aber ich habe nie so wirklich über den Text nachgedacht.«
»Wie? Wirklich nicht?«
»Nein, wirklich nicht.«
Diesmal war es Ray, der mich überraschte anschaute.
Sein Blick bewegte sich zum Boden.
»Naja...«, nuschelte er leise und fast schon monoton vor sich hin, »Ich hätte halt wirklich gedacht, dass liegt wegen dem Abschied und der Trauer.«
»Trauer?«, fragte ich, »Wieso denn Trauer? Schließlich ist keines unserer Geschwister gestorben. Sie sind halt nur nicht mehr hier.«
»Vermutlich auch nicht mehr unter uns...«
»Natürlich, sie sind ja zu ihren neuen Familien adoptiert wurden. Deswegen leben sie ja auch nicht mehr unter uns, weil sie jetzt eine neue Familie haben.«
Für einen kurzen Moment blieb Ray kurz still und schaute weiterhin nur den Boden an. Er war nur für ein paar Sekunden ruhig, wie bei einer Sprechpause. Aber die Art, wie er ruhig schwieg, wirkte anders als eine übliche Sprechpause. Es fühlte sich anders an. Ich wusste auch nicht, was daran anders und unüblich war. Es war nur dieser kurze Gedanke und dieses Bauchgefühl.
Doch ehe ich weiter darüber nachdachte, blickte Ray wieder nach oben und schaute mich an.
»Naja, mit Trauer meine ich damit nicht nur den Tod«, erklärte er mir, »Trauer muss nicht immer nur was mit dem Tod zu tun haben. Trauer ist schließlich ein Gefühl und Emotion. Es entsteht, wenn ein Mensch einen nahestehenden Menschen verloren hat. Das muss aber nicht nur durch einen Todesfall passieren, sondern auch eine Trennung kann eine Trauer verursachen. Das Gefühl und die Einsicht, dass man nie wieder diesen Menschen sehen und erleben kann; das ist die Trauer. Schließlich sind wir auch danach von unseren Geschwistern getrennt und sehen sie nie wieder. Wir vermissen sie. Wollen sie wieder sehen. Werden traurig und, bevor wir die Trauer überwunden und akzeptiert haben, sind wir im Alltag wegen unseren Gedanken eingeschränkt.«
»Das heißt also, wenn ich nachts nicht schlafen kann, weil ich meine Geschwister sehnlichst vermisse, ist es ein Zeichen, dass ich Trauer empfinde?«
»Ganz genau. Natürlich ist das eher eine schwächere Form der Trauer. Wir vermissen sie zwar und leiden unter den Schmerz des Abschiedes, aber wir akzeptieren schneller diesen Abschied. Man könnte unseren Zustand eher als vermissen bezeichnen, aber, wie ich schon sagte, Trauer ist eine Form des Vermissens.«
»Darüber habe ich nie wirklich Gedanken gemacht, Ray. Ich hätte dieses Gefühl nicht mit dem Tod verbunden.«
»Naja... Bei mir...«
»Was bei dir?«
»Ach, nein«, sagte Ray leicht abwertend und schüttelte kurz seine Hand nach unten, »Trauer ist Trauer. Mehr nicht. Was ich damit einfach nur sagen will, dass dein Klavier die Zuflucht deiner Trauer ist und dir dabei hilft, dich in deiner Trauer zu trösten.«
»Das Verlangen, dass ich nachts Klavier spielen möchte, um meinen Kopf frei zu machen, ist also eine Form von meiner Trauer?«
Ray nickte.
»Heißt das auch, deine Albträume entstehen auch durch deine Trauer?«
»Ja. Nein. Naja. Schon und auch gleichzeitig nicht. Ja, ich vermisse jedes meiner Geschwister. Sehr sogar. Sie sind schließlich nicht mehr unter uns. Aber meine Träume sind, wie ich es dir schon erklärte, nur meine Erinnerungen und Ängste.«
Ich betrachtete wieder kurz meine rechte Hand. Die Finger klimperten nicht mehr. Sie waren ruhig und zitterten nicht einmal.
»Was hat das denn aber nun mit Lili Marleen zu tun, Ray? Was hat unsere Trauer denn damit zu tun?«
Ray schaute mich fragend an.
»Warum auf einmal daran interessiert? Ich hätte gedacht, du empfindest nur was Besonderes für dieses Lied wegen der Melodie.«
»Ja, das natürlich schon. Aber es würde mich auch gerne interessieren, was für dich dieses Lied bedeutet. Wir unterhalten uns sonst wirklich kaum miteinander. Und auch nicht in dieser ruhigen Form. Du bist sonst immer so ruhig, Ray. Dabei interessierst du dich für vieles, beobachtest genau und denkst über vieles sehr nach. Ich möchte daher wirklich wissen, wie du die Dinge, für die ich mich interessiere, aus deiner Sicht betrachtest.«
Ich war von mir selber überrascht, was ich zu Ray sagte. Davor habe ich mich kaum mit Ray unterhalten. Ich wusste also nicht, wie er alles wahrnahm.
Doch nun, wo ich mich mit Ray über verschiedene Dinge unterhalten konnte, merkte ich, dass hinter dem stillen Kerlchen sich ein neugieriger Mensch versteckte, der sich über vieles und seinen Menschen Gedanken machte.
Natürlich war mir auch klar, dass er halt in dem Alter noch neugierig ist. Mit neun Jahren ist er ja schließlich immer noch ein kleiner Junge. Ein kleiner Junge, der einfach die Welt verstehen möchte und dadurch alles an dieser Welt erforscht und beobachtet.
Meine kleine Unterhaltung mit ihm, hat diesen neugierigen und nachdenklichen Menschen aus dem introvertierten Jungen herausgekitzelt.
Aber wie sagt man auch so schön: Stille Wasser sind tief.
Ja, es interessierte mich wirklich, wie Ray die Dinge, für die ich mich interessierte, sah. Ich wollte wissen, wie tief dieses stille Gewässer war.
»Naja...«, murmelte Ray etwas vor sich hin, »Das ist eigentlich nicht so spannend und besonders-«
»Das ist schon okay. Was vielleicht für mich nicht spannend sein könnte, ist ja wiederum für dich interessant. Ich möchte schließlich gerne deine Interessen wissen. Meine kenne ich ja schon.«
Er seufzte kurz, bevor er darauf antwortete.
»Was bei dir die Melodie ist, ist bei mir halt eher der Text. Eigentlich war es ja ursprünglich nur ein Gedicht gewesen. Der Dichter schrieb dieses Gedicht in einer einzigen Nacht während seines Dienstes an der Wache. Schließlich war zu der Zeit Krieg. Doch selbst wenn man im Krieg nachts Wache hält, so war man dennoch ein normaler Mensch mit den verschiedensten Gefühlen. Angst, dass man während des Dienstes getötet wird; aber auch Vorfreude und Tagträumerei, wenn man in der kurzen freien Zeit seine geliebten Menschen wiedersehen könne. Zumindest habe ich, als ich das Gedicht las, mir oft vorgestellt, was ich wohl in dieser Situation gefühlt hätte, würde ich an der Stelle des Dichters stehen. Würde ich immer noch Hoffnung fühlen, meine geliebten Menschen wiederzusehen? Selbst wenn es unmöglich wäre? Zumindest stellte ich es mir vor, dass der Dichter aus dem Grund dieses Gedicht schrieb. Die verschieden Gefühlen – Angst und Hoffnung – stiegen in ihm auf und er wollte sehnlichst seine Geliebte wiedersehen. Selbst wenn man sich wieder von dem geliebten Menschen verabschieden muss; irgendwo steckt der Wunsch und die Hoffnung diesen wichtigen Menschen nicht zu verlieren. Zumindest ist das die Entstehungsgeschichte, die man vermutet. In vielen Erzählungen hieße es, dass es sich bei den Namen eigentlich um zwei Personen handelt, die der Dichter zu einer Figur verschmolz. Doch das war mir egal, ob es nun um eine oder mehrere Personen ginge. Es war dieses Vermissen, was mich zum Nachdenken brachte. Dieses Gefühl, diesen Wunsch, diesen Drang des Vermissens. Es klingt vielleicht merkwürdig, aber wenn jedes Mal ein weiteres Kind von uns adoptiert und weggebracht wurde, stiegen in mir diese Gefühle und Gedanken hoch, die ich beim Gedicht hatte. Ich wollte nach dem Abschied sie nur kurz wiedersehen; ja, ich hatte sogar Hoffnung. Doch am Ende wusste ich: nachdem diesem Abschied sieht man sich nie wieder.«
Nach diesem Monolog blieb Ray wieder ruhig. Er hatte seine Gedanken kurz zusammengefasst.
Es ist ungewöhnlich, aber gleichzeitig auch so interessant, was für ähnliche Emotionen wir beiden zu diesem Lied fühlten; obwohl ich nur auf die Melodie achtete, während Ray hingegen das Gedicht interpretierte.
»Du hast wohl lange darüber nachgedacht, oder?«
»Nicht unbedingt lange darüber nachgedacht. Ganz im Gegenteil. Ich würde sogar zugeben, dass ich in diesem Gedicht zu viel interpretiert hätte. Schließlich ist es am Ende einfach nur ein einfaches Gedicht.«
»Was mit einer Melodie zu einem Lied wurde«, ergänzte ich.
Wir beide lächelten uns an.
»Aber vielleicht, Ray«, überlegte ich laut, »Warst du nicht der einzige, der über diese Gefühle nachdachte. Schließlich spricht man mit Musik viel mehr Menschen an. Schließlich haben zu der Zeit, als das Lied seinen Höhepunkt besaß, viele Menschen berührt. Vielleicht haben sie alle den gleichen Gedankengang wie du erlebt.«
»Möglich wäre es«, antwortete er, »Nur mit dem Unterschied zu welcher Zeit das alles spielte. Schließlich haben in der Zeit auch viele ihre geliebten Menschen verloren.«
»Ray, ich weiß, dass wir beide unsere Geschwister vermissen. Abschied tut immer weh. Aber du klingst bei sowas immer so, als würden nach dem Abschied all unsere Geschwister in die Richtung des Todes entlanggehen.«
Wieder blieb Ray für einen Moment kurz ruhig, bis er mit einem Schulterzucken antwortete.
»Sie sind halt trotzdem nicht mehr unter uns. Es war dasselbe Ende. Alles dasselbe Ende.«
»Es klingt für mich trotzdem so...«
»Eigentlich soll es zwar Es war dieselbe Erde heißen, aber diese Formulierung klingt natürlich auch nicht schlecht.«
»Du magst es wohl gerne Anspielungen zu machen, oder?«
»Nein, nicht wirklich. Das ist nur Zufall. Normalerweise mache ich sowas nie.«
In dem Moment, wo Ray darauf antwortete, wirkte seine Stimme wieder entspannter. Mir war das davor nicht man aufgefallen, dass seine Stimme vorhin angespannt klang. Erst, als er mit einem lockeren Ton auf meine Aussage antwortete.
»Und?«, fragte er mich, »Ich habe ja gesagt, dass sei nicht so spannend.«
»Ich möchte es nicht abstreiten. Für meine Interessen wäre es wirklich nicht spannend gewesen, da ich mir nie wirklich Gedanken zu Gedichten mache. Aber deine Interessen und Gedanken zuzuhören; das war für mich spannend.«
Ray schaute mich überrascht an. Ich war mir nur nicht sicher, ob es wegen meiner Aussage oder wegen des Liedes lag.
»Das hat bisher noch nie jemand zu mir gesagt.«
»Nein?«
»Nein. Wie denn auch? Ich weiß doch selber, dass ich, im Vergleich zu allen anderen, viel ruhiger bin. Würden sich die meisten wirklich für Lieder und Gedichte interessieren?«
»Ich gebe zu, dass dir da wirklich keiner zugehört hätte. Aber jetzt hat dir ja einer interessiert zugehört. Ich bin dein erster Zuhörer.«
»Und vermutlich auch der einzige. So, wie ich dein erster und einziger Zuhörer für dein Klavierspiel bin.«
»Ich glaube, wir sollten mal öfters nachts alleine im Musikzimmer sein und uns unterhalten, Ray. Es gäbe ja nur uns.
»Aber nicht mehr lange.«
»Wie meinst du das?«
»Naja... Du bist ja schon elf Jahre alt.«
Ich verstand, worauf Ray hinaus wollte.
Ich war elf. Fast zwölf.
In nicht mal einem Jahr würde ich mich von allen verabschieden.
Ich würde sie alle nie wieder sehen können.
Ray würde alleine mit seiner Trauer sein.
So, wie ich auch alleine mit meiner Trauer sein werde.
»Weißt du was, Ray?«, sprach ich zu ihm.
»Was denn?«
»Dann werden wir diesen ganzen Moment bis zum Ende genießen und im Gedächtnis behalten«, sagte ich, dreht mich zum Klavier und klimperte leise und ruhig Lili Marleen. Beide Versionen. Zuerst den Chanson von Zink, danach die Melodie von Schultze.
Wir beide blieben ruhig, horchten den Klängen und ließen unsere Gefühle in uns gleiten. Die war unser kleiner Moment.
Ich ließ die letzten Noten noch lange erklingen, so, dass der letzte Ton noch leise durch den Raum schallte.
Diesen Klaviermoment werden ich immer genießen können.
Ich drehte mich wieder zu Ray um und schaute ihn an.
Er saß immer noch im Schneidersitz, so, wie er es schon die ganze Zeit machte.
»Das Klavierspielen wird dich wohl immer begleiten, oder?«
»Natürlich«, antwortet ich lachend und hielt meine rechte Hand, wo meine Finger wieder langsam klimperten, »Schließlich begleitet mich das Klavier auch überall.«
»Solange bis zu deinem Tod...«
»So könnte man es auch sagen. Selbst wenn ich einmal sterben würde, wird mich das Klavier bis zum Ende begleiten.«
Ray schaute zum Boden und bewegte seit langem wieder seine Hand. Mit seiner Hand malte er unsichtbare Kreise auf dem Boden.
»Bis zum Tod also«, wiederholte er.
»Du denkst wohl ziemlich viel über den Tod nach, Ray.«
»Der Tod ist nun mal halt überall. Schließlich sehe ich den ständig vor meinem Auge.«
Ich wusste nicht, worauf ich antworten sollte. Dieser Satz wirkte auf mich wie Rays Erklärung zu seinen Albträumen. Ich konnte schwer eine Verbindung dazu finden.
»Es ist dasselbe Ende. Alles dasselbe Ende. Es wird alles dasselbe Ende sein. So, wie es dieselbe Erde sein wird. Alles dieselbe Erde.«
Mein Blick richtete sich zu den Schallplatten. Kamen vielleicht von denen Rays Anspielungen her? Oder war es eine Anspielung von einem Text? Und wenn, welches war es? Was war davon die Verbindung und Anspielung?
Was nun auch immer die Anspielung davon war; sie ließ Ray nachdenken.
Wir blieben beide für einige Sekunden still, bis Ray auf einmal die Stille mit einer Frage unterbrach.
»Kann ich dich um was bitten?«
»Wie? Was?«
Ich wusste nicht wieso, aber Rays Frage kam auf einmal so plötzlich, obwohl er nur ruhig was fragte.
»Ob ich dich um was bitten kann«, wiederholte er.
»Ähm... Ja. Was denn genau?«
»Naja, ich müsste meine Aussage eher anders formulieren. Ich habe ein Bitte an dich.«
»Sag es ruhig, Ray.«
»Vergesse bitte niemals das Klavier.«
»Nie das Klavier vergessen? Wie meinst du das?«
Ray hob seine rechte Hand und bewegte langsam seine Finger unterschiedlich hin und her. Als würde er in der Luft klimpern.
»Ich meine damit, dass du – egal, wo du auch immer sein wirst – immer das Klavier bei dir haben sollst. Du sollst bitte immer an diese Melodie denken, wenn deine Emotionen wieder aufwirbeln. Du sollst, wenn du mit diesem Klavier spielst, immer an unsere Geschwister und an den Wunsch des Wiedersehens denken. Selbst wenn du kurz vorm Tod stehen solltest. Selbst wenn du den Tod ins Auge siehst. Du sollst immer an das Klavier denken und, bis alles vorbei ist, spielen. Denn es ist dein seelischer Begleiter.«
Ich lächelte nur Ray an.
»Mach dir darum keine Sorgen, Ray. Du musst mich nicht darum bitten. Diesen Gedanken besitze ich schon sehr lange. Schließlich soll mich das Klavierspielen bis zum Tod begleiten.«
»Ich bitte dich trotzdem darum. Was auch immer passieren sollte: vergiss bitte meine Worte nicht.«
»Ich finde es schön, dass du auch an deine Mitmenschen denkst und dich um sie sorgst. Selbst wenn sie nicht mehr da sein sollten. Dir sind all deine Mitmenschen wichtig, oder?«
»Ich denke an jedes einzelne Geschwisterkind von uns. Selbst heute noch. Ich darf sie nicht vergessen. So, wie du auch das Klavier nie vergessen sollst.«
»Wenn du bis heute an sie denkst, so werde ich auch bis zum Ende an deine Bitte denken, Ray.«
»Versprichst du es mir auch?«
»Ja«, antwortete ich, hob meine rechte Hand hoch und klimperte das Lied in der Luft, »Ich verspreche es, Ray.«

Danach sind wir uns nachts nie wieder zusammen begegnet.
Zwar spielte ich nachts immer noch am Klavier wenn ein weiteres Kind adoptiert wurde, doch Ray kam nicht mehr ins Musikzimmer.
Ob er aber alleine nachts durch das Haus schlich und heimlich hinter der Tür mir zuhörte, wusste ich nicht.
Vielleicht machte er das.
Vielleicht aber auch nicht.
Auch danach haben wir uns nie wieder miteinander unterhalten. Ich spielte am Tage mit den Geschwistern, die im meinem Alter waren, während Ray entweder alleine was las oder immer in der Nähe von Norman und Emma war. Ob er mit den beiden genauso viel redete, wie bei mir damals zu dieser Nacht, wusste ich auch nicht.
Es wäre möglich, dass er mit den beiden mehr darüber sprach.
Es wäre aber auch möglich, dass das nicht der Fall war.
Doch wir beide haben uns nicht vergessen. Denn, obwohl wir beide uns kaum mehr unterhielten, so kommunizierten wir dennoch weiter.
Jedes Mal, wenn irgendwas Unangenehmes im Haus passierte und ich nervös wurde, sah ich von Weitem Ray und wir beide beobachteten uns eine Weile vom Weiten. Während wir uns beide anschauten, hob Ray langsam seine rechte Hand hoch und bewegte langsam unterschiedlich seine Finger hin und her.
Als würde er in der Luft auf ein Klavier klimpern.
Vergesse bitte niemals das Klavier.
Ich hob als Antwort dann auch immer meine rechte Hand hoch und klimperte mit meinen Fingern die Melodie.
Ja, antwortete ich dann immer, Ich verspreche es, Ray.
Diese Geste machten wir auch immer, wenn ein weiteres Kind adoptiert wurde und wir es verabschiedeten.
Jedes Mal, wenn das Kind von uns ging, schaute Ray mich an und hob die rechte Hand mit der klimpernden Geste hoch.
Vergesse bitte niemals das Klavier.
Ja. Ich verspreche es, Ray.
Immer wieder gaben wir uns diese nonverbale Geste.
Immer wieder versprachen wir stumm unser Versprechen.
Wie einst nachts am Klavier.
Du sollst bitte immer an diese Melodie denken, wenn deine Emotionen wieder aufwirbeln.
Und das tat ich auch.
Immer, wenn meine Emotionen in mir drinnen aufwirbelten, spielte ich immer und überall diese Melodie.
Du sollst, wenn du mit diesem Klavier spielst, immer an unsere Geschwister und an den Wunsch des Wiedersehens denken.
Und das tat ich auch.
Denn ich wurde jeden Tag älter.
Sowie Ray auch jeden Tag älter wurde.
Er war neun Jahre alt.
Wir verabschiedeten ein weiteres Kind.
Er wurde zehn Jahre alt.
Wir verabschiedeten ein weiteres Kind.
Jedes Mal immer ein bisschen älter.
Jedes Mal immer die gleiche Geste.
Jedes Mal immer unser Versprechen.
Er hatte es nie vergessen.
Ich hatte es nie vergessen.
Zu jeden einzelnen Abschied dachten wir daran.
Wie einst nachts am Klavier.
Selbst wenn du kurz vorm Tod stehen solltest. Selbst wenn du den Tod ins Auge siehst. Du sollst immer an das Klavier denken und, bis alles vorbei ist, spielen. Denn es ist dein seelischer Begleiter.
Und das tat ich auch.
Immer und immer wieder spielte ich diese Melodie und dachte an alles.
Ans Versprechen, an die Nacht, an Ray, an meine Emotionen, an meine Geschwister, an die Melodie, an das Klavier.
Ich dachte an alles und spielte die Melodie immer wieder bis zum Schluss.
Selbst jetzt in dem Moment, wo ich nun alleine in der Mitte auf den harten, kalten Boden liege; sehe, wie ein riesiges dunkles Wesen mit einer Pflanze in der riesigen Hand sich mir nähert und mir zeigt, dass ich nun am Ende der Welt bin.

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