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TW: Gewalt
PoV Levi
Stumm ging ich durch den Flur der Schule. Neben mir meine Freunde, die mich zum Kursraum begleiteten. Eren und Hanji machten mal wieder Witze über meine Gangart. Aber ich ignorierte ihre Kommentare größtenteils. Ich nahm es ihnen nicht übel, ich lief schon sehr komisch. Ich schob es auf meine kaputten Knie und meine schiefe Wirbelsäule. Sie mussten nicht den wahren Grund dafür wissen. Ich behielt es lieber für mich.
„Wir müssen noch das Foto für Kunst machen.", wechselte ich das Thema und ging mit den beiden die Treppen hoch. Eren nickte nur, musste sich immer noch von seinem Lachflash erholen. Hanji hingegen zückte sofort ihr Handy und öffnete ihre Kalender-App. „Ich habe morgen Nachmittag noch einen Termin, da kann ich nicht. Aber sonst bin für den Rest der Woche frei.", lächelte sie und sah uns freundlich an.
„Dann lass uns Donnerstag länger bleiben. Wir können noch Essen gehen oder so.", erklärte Eren und hielt uns die Tür auf. Gemeinsam gingen wir aus dem großen Gebäude. Einen Moment atmen. Ein kurzer Moment der Freiheit. „Ich muss noch Erwin fragen.", verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. Kaum hatte ich diesen Satz ausgesprochen sah mich der Brünette zu meiner Linken mit einem vielsagenden Blick an. Eren hielt noch nie viel von Erwin. Doch er war mein Freund und akzeptierte, dass ich aus Respekt solche Dinge erst abklären wollte.
Und wenn man vom Teufel spricht – kaum hatten wir den Parkplatz der Schule erreicht, erblickte ich ein mir allzu bekanntes schwarzes Auto. Am Kofferraum lehnte ein blonder Typ. Wie immer trug er eine dunkle Jeans und einen weiten Kapuzenpullover. Während Hanji nur zweimal mit den Augenbrauen zuckte, als sie meinen Freund erblickte, verzog Eren die Miene. Er mochte Erwin einfach nicht.
Der Blonde warf seine Zigarette auf den Boden und trat sie aus, ehe er sich vom Kofferraum abstieß, mir zunickte und ohne etwas zu sagen ins Auto stieg und auf mich wartete. Ich hob meinen Freunden zum Abschied nur die Hand und überwand schnell die letzten Meter zum Auto meines Freundes.
Sofort öffnete ich die Beifahrertür, ließ mich auf dem Sitz fallen und platzierte meinen Rucksack zwischen meinen Beinen. Es war nun wie immer. Meine Freunde waren weg und ich war mit Erwin alleine.
Und kaum hatte ich mich angeschnallt und er den Parkplatz verlassen, spürte ich seine Hand auf meinem Oberschenkel. „Was hast du da an?", murrte er beleidigt. Verlegen sah ich an mir herunter. Hanji und ich hatten heute eine Präsentation und wollten uns dafür ein wenig besser anziehen als sonst. Seit wir gehört hatten, dass unser Lehrer bei Vorträgen auf unsere Kleidung achtete, änderten wir es ein wenig. Statt einem Kapuzenpullover über der einfachen Jeans, trugen wir heute beide einen enger anliegenden Pullover und eine Jacke. Hanji hatte das vorgeschlagen, sie meinte es ließe uns professionell wirken. Ich kam mir lächerlich und unwohl vor, doch solange es wirkte, sagte ich nichts dagegen.
„Du weißt, dass du dich nicht so aufreizend anziehen sollst.", fuhr Erwin fort und packte fester an meinem Oberschenkel. „Sorry.", murmelte ich nur leise und legte meine Hand auf seine, meinen Kopf an die Fensterscheibe. „Mach das nicht nochmal." Ich nickte nur leicht.
Ich hoffte noch immer, dass er sich nur Sorgen um mich machte und mich nicht kontrollieren wollte. Doch eine Stimme in mir sagte mir immer wieder, dass es nicht so war. Dass ich ihn endlich verlassen sollte. Dass ich mich nicht so behandeln lassen sollte. Diese Stimme schrie schon fast. Sie schrie nach Wehr, nach Taten. Nach irgendeiner Veränderung. Doch ich ignorierte sie einfach. Ich stellte sie automatisch ab. Wenn ich bei ihm war, konnte ich mir nicht erlauben mit den Gedanken woanders zu sein. Ich durfte es mir nicht erlauben. Nicht, wenn ich keine Konsequenzen erwarten wollen würde.
„Hanji und Eren wollten, dass wir uns Donnerstag treffen. Wir müssen noch ein Projekt für Kunst fertig machen und würden dann länger unterwegs sein.", erklärte ich überraschend fest und drehte meinen Kopf zu dem Blonden. Seine blauen Augen waren auf die Straße gerichtet. Das Sonnenlicht, welches von vorne durch die Windschutzscheibe fiel, schien ihn nicht zu stören. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet. Beinahe hätte ich mich wiederholt, hatte gedacht, dass er mich nicht gehört hätte, doch da räusperte er sich und drehte den Kopf zu mir. Sah mich kalt an.
„Muss Eren dabei sein?", murrte er alarmierend ruhig. Ich nickte nur stumm. Es war ein Projekt, das wir zu dritt machen sollten. Wir konnten Eren davon nicht ausschließen. „Du wirst nicht hingehen.", murrte Erwin und drehte seinen Kopf wieder von mir weg, nahm seine Hand von meinem Oberschenkel und legte sie mit ans Lenkrad. „W-warum?", fragte ich leise und begann sofort wieder an der Haut meiner Finger zu pulen. Ein nervöser Tick von mir. Wie Fingernägelkauen. Ich riss mir die Haut von meinen Fingern. „Dass du überhaupt noch fragen musst, zeigt mir schon wieder, wie dumm du bist.", spöttisch lachte der Blonde auf und bog nach links in unsere Straße ein.
Ich sagte nichts mehr. Ich wusste, dass ich nichts mehr sagen durfte. Er hatte klar gemacht, dass er mich nicht mit den beiden gehen lassen wollte. Also musste ich das akzeptieren.
Wir schwiegen. Wir schwiegen, während er parkte, während wir ausstiegen, während wir die Treppen zu unserer Wohnung raufstiegen. Wir schwiegen solange, bis die Wohnungstür hinter ihm zu fiel.
„Dachtest du es wäre schlau mich zu fragen, solange wir im Auto sind? Dachtest du, dass wir jetzt nicht weiter darüber diskutieren würden? Eren will uns auseinanderbringen. Wenn du dich mit ihm wegen so einem sinnlosen Scheiß triffst, gibst du ihm genau, was er will! Aber du dummer Idiot siehst das ja nicht!", er wurde immer lauter und drängte mich zum Wohnzimmer. Unbeholfen stolperte ich rückwärts gegen die Tür.
„Sogar dazu bist du zu dumm!", brüllte er und schubste mich gegen die Tür. Panisch begann ich zu zittern, brachte keinen Ton mehr raus. War zu keiner Bewegung imstande. Wieder diese Stimme in mir, die schrie ich solle einfach laufen, zurückschlagen. Und wieder wurde sie unterdrückt. Wieder war die Angst vor seiner Reaktion zu groß.
Erwin war knapp drei Köpfe größer als ich. Er trainierte jeden Tag. Hatte Kraft und war mir körperlich mehr als überlegen. Mich zu wehren wäre reiner Selbstmord. Warum sollte ich das tun? Warum sollte ich riskieren noch mehr Schmerz zu ertragen, wenn ich bereits jetzt unter ihm litt? Warum sollte ich es noch maximieren wollen? „Du wirst ihm jetzt schreiben, dass du dich nicht mit ihm triffst! Und wenn ich dich nochmal mit ihm zusammen sehe, wirst du die Konsequenzen tragen!", fauchte er laut, erhob die Hand. Im nächsten Moment spürte ich einen stechenden Schmerz an meiner Wange und schmerzerfüllt schrie ich auf. Meine Beine gaben nach und zitternd ließ ich mich zu Boden sinken. „Hast du mich verstanden?!", brüllte er. Ein fester Tritt in meine Seite. „J-ja!", entgegnete ich laut. Die Tränen schossen nur so über meine Wangen. Ob vor Angst oder vor Schmerz, konnte ich nicht sagen. Vielleicht auch vor Scham. Wieso schaffte ich es nicht zu gehen?!
Ich nahm mein Handy aus der hinteren Tasche meiner Hose und öffnete den Gruppenchat mit Hanji und Eren.
„Lies' vor.", forderte er und panisch nickend kam ich dem nach. „H-hey Leute. Ich-ich kann Donnerstag nicht. Erwin und ich waren verabredet. Das-das habe ich ver-vergessen.", noch immer liefen die Tränen meine brennenden Wangen herunter. Die Linke war nicht so schlimm. Die Rechte glühte. Schmerzte. „Weiter?" – „Ich würde dann das Handout und die Ausarbeitung übernehmen. D-dann könnt ihr die Fotos alleine machen.", schniefte ich und sah ängstlich zu ihm hoch.
Auf seinem noch eben kalten und monotonen Gesicht hatte sich nun ein selbstsicheres Lächeln breit gemacht und langsam hockte er sich zu mir runter. Ließ seine Hand in meine Haare fahren und drückte meinen Kopf in seine Richtung, zwang mich ihm in die Augen zu sehen. „Du bist selber schuld, wenn ich immer alles für dich klären muss. Also hör auf zu heulen." Ich nickte nur und versuchte meine Tränen zurück zu halten.
Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn und stand wieder auf. „Hast du Hunger? Ich wollte was bestellen. Bin total fertig von der Arbeit. Mein Dreckschef hat mich wieder unnötig rumgescheucht und schuften lassen.", lachte er auf und ging in die Küche.
Nun war er wie immer. Er war wieder der, mit dem ich zusammengekommen war.
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Am nächsten Tag fuhr er mich zur Schule. Erwin hasste es mich Zug oder Bus fahren zu lassen. Zu viele fremde Menschen, die mich antatschen könnten. Er schob sein Verhalten auf seine Eifersucht. Darauf, wie sehr ich mich doch lieben würde.
„Halt dich von ihm fern.", lächelte er nur noch kurz, ehe das Fenster wieder hochfuhr und sein Auto nur Sekunden später aus meinem Blickfeld verschwand.
Ein neuer Tag, eine neue Lüge. Wie immer. Wie jeden verdammten Tag. „Hanji warte!", rief ich und lief meiner Freundin nach. Sie grinste mich freundlich an und gemeinsam gingen wir uns große Schulgebäude. „Humpelst du heute irgendwie noch mehr als sonst?", lachte die Brünette und legte einen Arm um meine Schultern. „Ja, bin gestern noch ausgerutscht." – „Junge, du musst mal mehr auf dich aufpassen."
Ich nickte nur. Was hatte ich auch schon zu sagen?
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Kurzes Nachwort:
Erwin ist einer meiner Lieblingscharaktere. Ich habe hier nicht versucht ihn schlecht dastehen zu lassen. Ich habe für einen Schreibkurs in meiner Schule einfach mal drauf los geschrieben und dann die Namen geändert. Manche wissen ja schon, dass ich mit meinen Geschichten viel von dem verarbeite, was ich selber erlebt habe. Und diesmal ist halt sowas dabei rausgekommen.
Ich hoffe trotzdem, dass euch der OS irgendwie gefallen hat, auch wenn es mal nicht, das typisch kitschige Zeug ist.
Danke fürs Lesen 🖤
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