Ankunft
Tag X rückt immer näher. Nicht einmal mehr zwei Tage, bis dieses ominöse Event stattfinden soll. Schwer keuchend trainiert der heterochrome Serienmörder an einem improvisierten Sandsack, den er vor einiger Zeit mittels festem, unnachgiebigen Stoff bedarfsmäßig zusammengebastelt und mit Sand gefüllt hat. Seine Fingerknöchel aufgeschürft und Schweißperlen, die Sleepless über die Gesichtspartie rinnen und vom Kinn auf den Boden tröpfeln. Der durchtrainierte Körper von den Anstrengungen der letzten zweieinhalb Stunden verspannt und gerötet, prügelt der Schlaflose unbarmherzig auf den provisorischen Sandsack ein. Der „Trainingsraum", welcher eigentlich das Schlafzimmer des Serienmörders ist, nur mit dem Zusatz des „Sportgerätes".
Nach 30 weiteren Minuten, in welcher Sleepless seine rohe Gewalt gegen den wehrlosen Sandsack ausübt, sinkt der Braunhaarige schwer nach Luft ringend auf das Bett, den Blick an die Zimmerdecke gerichtet.
In seinen Gedanken gibt es nur noch ein hauptsächliches Thema. Dieses seltsame Turnier und die einhergegangene Drohung, Informationen bezüglich Alice und Sunny auszunutzen. Seine Hände ballen sich zu blutigen Fäusten. Innerlich getrieben von Hass, welcher im Angesicht der laufenden Musik von Eminem nur vorangetrieben wird, springt der Serienmörder vom Bett hoch und beginnt auf ein Neues dem Sandsack Schläge zuzufügen, die diesem, wenn er Nervenbahnen zum Verspüren von Schmerzen hätte, einen Schreikrampf entlocken würde.
„Seit wann trainierst du, als hinge dein Leben davon ab?", fragt auf einmal jemand hinter Sleepless mit einer kratzigen, neutralen Stimme. Ein kurzer Seitenblick ist das Einzige, was das junge Mädchen als Reaktion erntet. Kurze, filzig, fettige Haare. Verschiedenfarbige Augen. Ein Rotes und ein Schwarzes. Mehrere Verbände um Stirn und Arme. Grauer, schmutziger Pullover, auf dem in schwarzen Lettern ihr Name geschrieben steht. Alice.
„Pass bitte mit deinem Blut auf. Möchte meine Kräfte noch etwas behalten", kommentiert die 14 jährige Gefährtin, als sie sich des Lebenssaftes besieht, die der Serienmörder im Zuge seines Intensivtrainings im gesamten Schlafzimmer verteilt hat. Ihre Worte ignorierend, verpasst Sleepess dem Sandsack mehrere aufeinander abgestimmte Schlagkombinationen.
„Du bist ja Feuer und Flamme", sagt Alice, einerseits an den Schlaflosen und andererseits an eine besondere Seele in ihrem Glas gerichtet, die sie zu betrachten begonnen hat. Sie macht sich Gedanken um die Person, der sie geschworen hat zu folgen und zu unterstützen.
„Greif mich an!", befiehlt der Schlaflose mit einem Mal. Alice' Blick schnellt zu Sleepless, doch sie ist nicht die Person, die angesprochen worden ist.
„Wollen wir dafür nicht wohin, wo mehr Platz ist?", erwidert Einauge, der im Schlafzimmer seit einigen Minuten an einer Wand lehnt. Der Heterochrome nickt und kurze Zeit später finden sich beide in einem irrwitzig großen, aufgrund des hellbraunen, gebohnerten Bodens an eine Turnhalle erinnernden Raum wieder. Weder Tür noch Fenster sind vorzufinden, was Sleepless zu dem Schluss kommen lässt, dass nur Wesen mit Teleportationsfähigkeit diese Halle betreten können. Zu seiner Verwunderung erblickt er, als seine Augen umherschweifen, seine Partnerin auf einer länglichen Sportbank sitzen. Den Kopf auf ihren Metallarm gestützt und die Beine überschlagen, beobachtet ihn seine Sunny.
„Für den Fall, dass einer von uns beiden nach dem Sparring medizinische Hilfe braucht", antwortet Einauge auf die ungestellte Frage des Braunhaarigen. Dieser zieht seine Augen etwas zusammen, nicht sicher, ob Einauge ihn mal wieder gelesen hat, wie ein Buch, oder ob das alles zufällig von statten gegangen ist. Schnell entschließt er sich, dass es ihm eigentlich ziemlich egal ist und zieht sein vom Schweiß durchnässtes Shirt aus. Ein muskulöser Oberkörper kommt zum Vorschein. Aus der Hosentasche fischt Sleepless behutsam eines seiner Skalpelle.
Ohne sich zu fragen, ob man für einander bereit ist, ist es Sleepless, der den ersten Zug macht und auf Einauge zurennt. Der blonde Anführer der Mondloge lächelt unentwegt und belässt seine Arme noch in der verschränkten Position. Lässt Sleepless näherkommen. Ausholen. Zuschlagen. Nur, um sich im exakt passenden Zeitpunkt hinter den Angreifer zu teleportieren und den ersten Treffer zu landen. Geplant. Durchgezogen. Zumindest bis zum letzten Punkt, denn kurz vor dem erhofften Treffer, dreht sich Sleepless zur Seite weg und verpasst Einauge einen unangenehmen Tritt in die Seite. Der Getroffene geht einige Schritte zurück und wirkt mehr erschrocken, als wirklich schmerzhaft erwischt. Er weiß zwar, dass Sleepless und Lars zusammenarbeiten und Letzterer ihm alle Angriffe voraussagt, aber bisher sind seine Aussagen selten so auf dem Punkt gewesen, dass Sleepless im Ausweichschritt sogar angreifen kann. Ein Skalpell surrt haarscharf an Einauges Gesicht vorbei. Verfehlt ihn gezielt, streift jedoch seine rechte Wange, sodass ein feine kleine Schnittwunde entsteht.
„Denk nicht so viel nach. Greif mich an", blafft Sleepless sichtlich genervt. Er will einen harten Kampf. Sich optimal auf das Turnier vorbereiten. Kaum hat er dies ausgesprochen, steht Einauge direkt vor dem Serienmörder. Sleepless vorbereitete Deckung durchbrechend, landet auch der Halbblinde einen heftigen Treffer. Alleine durch einen Fausthieb. Mitten ins Gesicht. Sleepless keucht auf und bekommt keine Möglichkeit, sich zu erholen.
„Vorsicht. Frontale Schlä-", Lars kann nicht einmal die Warnung zu Ende sprechen, da trifft Einauges Faust bereits das Gesicht seines Alter Egos. Und noch einer. Zwei weitere Schläge folgen. Sleepless wird zurückgedrängt. Der vierte Schlag ist auf dem Weg, wird aber überraschenderweise von dem Schlaflosen abgehalten. Nicht nur einfach abgewehrt, sondern festgehalten. In einer festen Umklammerung der Hand, wird Einauges Arm von Sleepless festgehalten. Ein schallendes Gelächter ist vom Serienmörder zu hören. Sein Gegenüber knirscht mit den Zähnen, als er spürt, wie seine Kräfte während des Haut-zu-Haut Kontaktes blockiert werden. Er kann keine seiner Fähigkeiten benutzen. Mit der freien Hand nutzt Sleepless den Schockmoment Einauges gnadenlos aus und verpasst ihm mehrere Magenhiebe, ohne großartig Schwung haben zu müssen. Kurze Stöße mittels Faust.
Sein Sparringspartner keucht schmerzerfüllt auf und ringt nach jedem Treffer mehr nach Luft. Als eine der letzten Möglichkeiten, sich aus der Situation zu befreien, lässt sich Einauge fallen und tritt gleichzeitig nach Sleepless' Beinen. Treffer. Der Mörder mit den verschiedenfarbigen Augen, verliert das Gleichgewicht und fällt unsanft zu Boden, schafft es jedoch, sich schnell wieder aufzurichten, aber nicht ohne seinen Gegenüber loslassen zu müssen. Beide Trainierenden stehen sich, etwas erschöpft gegenüber. Die beiden Freunde grinsen sich von Blutrausch getrieben, immer breiter an. Ein Zweites Skalpell wird aus der Hosentasche des Schlaflosen geholt, während Einauge seine violette Robe aufknöpft und achtlos zur Seite fallen lässt. Sein nachtschwarzer, durchtrainierter Oberkörper steht im krassen Kontrast zu seinem blassweißen Gesicht. Die Hände bleiben jedoch in den violetten Lederhandschuhen. Beide machen ernst.
Ein gnadenloser Schlagabtausch beginnt. Sleepless ignoriert wissentlich einige Warnungen seitens seiner zweiten Persönlichkeit, sodass Einauge ihn berührt, nur damit der Getroffene dem Angreifer einen Treffer mitgeben kann. Und andersherum. Sleepless holt gerade aus, um seinem Partner eine Schnittwunde beizubringen, nur um einen schmerzhaften Kinnhaken zu kassieren. Dennoch schreit Einauge schmerzerfüllt auf. Aus der Hüfte des Anführers der Mondloge ragt der Griff des Lieblingswerkzeuges vom Schlaflosen.
„W-Wie!?"
„Du achtest nicht auf die Umgebung, Zyklop", erwidert Sleepless vielsagend. Er hat Einauge bewusst zu der Stelle gedrängt, an der vorher das erste Skalpell gelandet ist und sich beim Angriff unbemerkt die Klinge gesichert. Sleepless lässt von seinem Partner ab. Es sind keine Worte notwendig, um zu klären, wer das Sparring für sich entschieden hat. Einauge nickt grinsend.
„Du elender... Teufel", kommentiert der Anführer der Mondloge anerkennend und teleportiert sich zu Sunny, um sich von ihr behandeln zu lassen.
„Dein Göttergatte wird immer stärker", sagt Einauge grinsend und keucht anschließend, als Sunny kommentarlos das Skalpell aus Einauges Seite herauszieht.
„Sei froh, dass das keines von seinen speziellen Waffen war", erwidert Sunny, deren verschiedenfarbigen Augen den Oberkörper von Einauge nach weiteren Blessuren absuchen. Der Untersuchte schnaubt amüsiert, merkt aber selbst, wie recht sie damit hat. Sleepless benutzt für gewöhnlich bei übernatürlichen Gegnern die Skalpelle, die in seinem Blut eingelegt worden sind. Seine hauptsächliche Kraft ist das Unterdrücken von Fähigkeiten und diese fließt durch sein Blut. Kommt sein Lebenssaft in Kontakt mit dem von übernatürlichen Feinden, sodass sie sich vermischen, so erlischt die Kraft des Gegenübers. Auf ewig.
„Könnte nicht behaupten, nicht schon einmal mit dem Gedanken gespielt zu haben, der Labertasche die Kräfte zu nehmen, aber er kann teleportieren. Ist nützlich", scherzt Sleepless, als er an die Beiden herantritt. Der Einäugige lacht auf. Beide klatschen fröhlich ab, bevor Sunny ihrem Partner ein Handtuch zuwirft. Ein flüchtiges Lächeln wischt über ihre hautfarbenen Lippen, als sie Sleepless beobachtet, wie er sich den Schweiß und das Blut vom Körper wischt.
2 Tage später
„Bist du bereit?"
„Worauf du einen lassen kannst"
„Ich auch. Lass uns gehen", Gibt Millennium das letzte Wort. Die drei Kreaturen sehen sich in wenigen Augenblicken vor einem gigantischen, sandfarbenen Gebilde wieder. Um sie herum nichts als leere Wüste. Soweit sie das erkennen können, ist das Gebäude ein Rundes. Unzählige Aushöhlungen, die als Fenster und Tordurchgänge dienen. Direkt vor dem Eingang, auf den sie geradewegs zugehen, stehen zwei breit gebaute, seltsam gleich aussehende Männer. Das Aussehen bedingt sich durch die Kleidung, die aus schwarzen Hemden, ebenso dunklen Hosen, Schuhen und Harlekin-Masken besteht.
Sleepless, Einauge & Millennium tauschen Blicke untereinander aus, während sie an die Wächter herantreten. Einer der Beiden richtet seine Lippen an den Hemdkragen.
„Drei Neue", spricht eine unglaublich raue, tiefe Stimme hinter der Maske. Einige Augenblicke herrscht völlige Stille. Die drei Neuankömmlinge holen ihre Einladungen hervor und halten diese vor die Augen der Wachen.
„Sleepless, Einauge und Millennium. Sie können eintreten. Doch zuvor: Team oder solo?", erwidert die andere Wache mit exakt derselben tiefen Stimme auf die Einladungen. Die drei schauen sich abermals kurz an und es ist Millennium, der das Wort ergreift.
„Ich, Millennium, werde solo antreten", sagt der Proxy mit einem leichten Lächeln. Sleepless durchfährt ein Schauer. Das ist anders abgesprochen gewesen. Da legt Einauge einen Arm um den heterochromen Serienmörder und spricht:"Sleepless und Einauge kämpfen als Team..."
Und so winken die beiden gleich aussehenden Wächter, nachdem sie die Entscheidungen unter Protest des Braunhaarigen notiert haben, die drei hindurch. Unter dem Torbogen des Gebäudes blitzt etwas in einer so gravierenden Helligkeit auf, dass die drei Teilnehmer ihre Augen zusammenkneifen müssen.
„Ein Portal", kommt als knappe Erklärung von Millennium, der bereits oft mit solcherlei Mitteln zu reisen zu tun gehabt hat. Die Augen fest verschlossen durchschreiten Sleepless, sein kleiner Bruder und Einauge das Portal und können sogleich die Augen wieder öffnen, als wäre nie etwas gewesen.
Ein rundes Kampfareal erstreckt sich vor den drei Teilnehmern und bietet so viel Platz, wie zwei Fußballfelder. Einauge analysiert die Umgebung für sich. Sandiger Untergrund. Tribünen, die in unerreichbarer Höhe für die Teilnehmer sind. Dann schweift sein Auge weiter und entdeckt in einiger Entfernung andere Leute auf dem Kampffeld.
„Sleepless-"
„Sehe sie auch", unterbricht ihn Sleepless und starrt einen Typen an, der eine violette Voodomaske trägt. Dazu vollkommen in schwarz gekleidet und in der linken Hand einen Baseballschläger haltend. An seinem Gürtel scheinen sich einige technische Spielereien zu befinden. Einauge folgt seinem Blick. Stößt ein interessiertes „Hmpf" aus.
„Was ist?", möchte Sleepless wissen.
„Ich kenne den. Kranker Scheißkerl. Eigenbrötler. Hat bei uns den Namen „Crazy Photographer"", erklärt der Anführer der Mondloge. Das er den kennt, ist einer alten Auseinandersetzung geschuldet, in welcher der Photographer dem Syndikat bei einer Beseitigung in die Quere gekommen ist.
Einauge aber interessiert sich für zwei Leute jedoch mehr, die er gerade erblickt hat. Seine Augenbraue schnellt nach oben.
„Ich bin mal eben etwas klären", sagt er und ohne eine Antwort seitens Sleepless abzuwarten, teleportiert sich der Blonde davon. Direkt vor eine rothaarige Frau mit stechenden Augen, die im Laborkittel neben einem kleineren jungen Mann mit eisig weißen Haaren, grünen Augen und rotem Hoodie steht, um dessen Stirn ein schwarzes Stirnband mit metallener Platte gewickelt ist.
„Yo. Ihr auch hier?", fragt Einauge lächelnd. Liliana, eine Forscherin der Sichelloge, verdreht lediglich ihre Augen.
„Vor dir hat man auch gar keine Ruhe, oder?", erwidert die wunderschöne Rothaarige entnervt. Wie eigentlich immer. Solange Einauge sie kennt, hat er sie noch nie in einer anderen Stimmung, als entnervt vorgefunden.
„Tja. Was will man machen. Und hey. Dich kenne ich doch auch irgendwoher. Habe ich dir nicht mal eine reingehauen, oder so? Du wirkst so, wie jemand, dem ich mal so richtig die Fresse poliert habe, mein Kleiner", fragt der Anführer der Mondloge den weißhaarigen Saiko. Ein Dämon, der zwar jung aussieht, aber keinesfalls zu unterschätzen ist. Das weiß auch Einauge, jedoch liebt er es zu provozieren. Mit sichtlichem Erfolg.
„Wir können hier und jetzt klären, wer wem die Fresse poliert, du wandelnder Sehfehler!", schreit Saiko und ballt seine Fäuste. Liliana seufzt gestresst.
Währenddessen erblickt Millennium zwei junge Mädels. Die Eine hat blonde, mittellange Haare, die zwei kleine Zöpfe aufweist. Sie trägt eine rosa Weste und darunter ein schwarzes Longshirt. Ein violette Hotpants und schwarze Kniestrümpfe. Um den linken Oberschenkel hat die Blonde ein weißes Band umwickelt. An ihrer Hüfte hängen rechts und links jeweils eine Axt. Sie unterhält sich mit einer blauhaarigen Frau, deren Spitzen rotgefärbt sind. Ihre Klamottenwahl ist etwas einfarbiger. Gelbes, bauchfreies Oberteil und gleichfarbige dreivirtelleggings. Schwarze Schuhe. Auf dem Rücken trägt sie eine Armbrust.
„Die sind süß", kommentiert Millennium mehr zu sich selbst, als zu Sleepless, der neben ihm steht und Blicke mit einem kurz- und braunhaarigen Typen in brauner Lederjacke austauscht. Der Kerl wirkt durch seinen unsauber rasierten Stoppelbart ziemlich ungepflegt, wobei Sleepless da selbst nicht den größten Wert drauf legt. Generell wirkt der Typ, den der Serienmörder im Blick hat so, als würde ihn das alles hier nicht im Geringsten interessieren und als wäre er gegen seinen Willen anwesend.
Jedoch lässt ihn sein Körperbau kräftig und die blaue Jeans und braunen Schuhe casual wirken.
Noch sind nicht alle Teilnehmer anwesend. Einige sind noch auf dem Weg. Doch eines steht fest. Von allem, was sie bisher gesehen haben, bahnt sich in einem der Anwesenden eine besondere Vorfreude auf. Sleepless. Gerade auf den Crazy Photographer hat Sleepless ein besonderes Augenmerk geworfen. Doch noch muss er sich gedulden...
Epilog
„Meine lieben Leute. Wie sie sicher alle mitbekommen haben, sind die ersten Teilnehmer erschienen. Doch, wie zu erwarten war, haben auch ein paar vielversprechende Leute abgesagt. Ihre Antwortbriefe habe ich vor mir zu liegen.
Die erste Absage stammt von dem vielversprechenden Winter. Wenn ich also um Ruhe bitten dürfte", spricht ein ergrauter Mann, der jedoch ein hohes Maß an Charisma ausstrahlt. Gekleidet in goldenem Samt, hat sich Kaiser Julianos über seine Kollegen erhoben und nimmt sich einen der zahlreichen Briefe zur Hand, die vor ihm auf dem Mahagonielangtisch liegen. Mit geschwollener Stimme beginnt er diesen vorzulesen:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde gehobener Unterhaltung,
ich fühle mich außerordentlich geschmeichelt, dass Sie mich für würdig erachten, Mitwirkender einer so hochkarätig besetzten Veranstaltung zu sein. Nach reiflicher Abwägung jedoch komme ich leider nicht umhin, meine Teilnahme für das von Ihnen geplante Spectaculum abzusagen. Erlauben Sie mir, Ihnen im Folgenden die Gründe dieser für Sie sicherlich enttäuschenden Entscheidung meinerseits näher darzulegen:
Primus bin ich zu dem von Ihnen avisierten Zeitraum leider unabkömmlich. Obwohl es meinen Geschäftsprinzipien widerspricht, einen einmal vereinbarten Termin wieder abzusagen, wäre ich angesichts der Erlesenheit Ihrer Teilnehmerliste unter normalen Umständen gewillt und bereit gewesen, diesen meinen Grundsatz ausnahmsweise einmal hintanzustellen. Allerdings wird just an diesem Tage meine Anwesenheit bei einem Whisky Tasting auf der Isle of Islay erwartet. In Anbetracht der in Aussicht gestellten bacchantischen Freuden muss ich Ihre Darbietung leider geringer schätzen.
Secundus verbietet es sich mir aus wirtschaftlichen Gründen, Ihrer Veranstaltung beizuwohnen. Bei meinem üblichen Honorar, welches angesichts der Größen unseres Gewerbes, die für eine Teilnahme zu gewinnen Ihnen gelungen ist, unangemessen niedrig wäre, geriete ich bereits nach der Tötung von gerade einmal 19 Mitspielern in die Verlustzone. Sie werden sicher Verständnis dafür aufbringen, dass ich meine wirtschaftliche Existenz nicht den vagen Hoffnungen auf eine durch die gewonnene Popularität erst noch zu erarbeitende „Umwegrendite" anvertrauen kann. Auch wäre es für das Publikum sicher wenig unterhaltsam, wenn ich bei Erreichen des Break Even Points meine aktive Teilnahme einstellen müsste.
Ich hoffe, dass Sie mich trotz dieser für Sie so wenig erquicklichen Antwort auch weiterhin in bester Erinnerung behalten, wünsche Ihnen ein glückliches und erfolgreiches Gelingen Ihrer Unternehmung und verbleibe bis auf weiteres mit den besten Grüßen
Ihr sehr ergebener
Winter
P.S.: Die Ihnen zur Verfügung stehenden Kenntnisse meiner Person sind veraltet"
Getuschel brandet auf. Empörungen innerhalb des inneren Kreises der Freunde gehobener Unterhaltung, bestehend aus sechs älteren Männern. Vereinzelt hört Kaiser Julianos Fetzten wie „Was glaubt der, wer er ist", „Dreist!" „Töten wir ihn". Der goldene Kaiser hebt beschwichtigend seine Hände.
„Meine lieben Herrschaften. Wir haben versichert, dass bei einem Antwortschreiben, keine Konsequenzen für die absagende Partei entsteht. Also beruhigen wir uns und besehen uns der nächsten Absage. Nun denn", Kaiser Julianos räuspert sich vernehmlich und beginnt die zweite Absage vorzulesen.
„Sehr geehrte Damen und Herren des FreundeGehobenerUnterhaltung e.V.,
haben Sie vielen Dank für die Einladung zu Ihrer Festivität, vom 30.04. bis zum 30.06.
Da ich bedauerlicherweise zu diesem Zeitpunkt berufliche Termine wahrnehmen werde, sehe ich mich leider außer Stande Ihre Einladung anzunehmen.
Anbei finden Sie wie gewünscht den unterschriebenen Vertrag, mit dem Sie die restlose Vernichtung aller personenbezogener Daten garantieren.
Seien Sie versichert, dass jede Abweichung vom Vertrag unverzüglich Konsequenzen nach sich zieht.
Ich behalte mir das Recht vor, Ihre Zuverlässigkeit zu prüfen.
Im Zweifelsfall dürfte ein Besuch meinerseits vermutlich weniger Anlass für Feierlichkeiten bieten.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag und verbleibe:
Mit freundlichen Grüßen
Nox
Rechtsanwaltskanzlei Radek
Kontaktmöglichkeit: 01034324"
Dieses Mal ist die Reaktion wesentlich ruhiger. Ob dem so ist, weil ihr Anführer sie sanft, aber bestimmt gemaßregelt hat, oder weil Nox' Antwort nicht gänzlich provokant gewesen ist, lässt sich für Julianos nicht bestimmen.
„Eine Absage möchte ich noch vorlesen, ehe ich mich den Neuankömmlingen zuwende, denn mittlerweile sind wohl doch alle angekommen", sagt Kaiser Julianos und räuspert sich wieder vernehmlich.
„Hallo,
Wie ich sehe, habt ihr mich zu diesem Turnier eingeladen. Danke dafür, dass ihr an mich gedacht habt. Das ist zwar ein Kompliment an meine Fähigkeiten und so, Leider habe ich zu eurem Event bereits zu tun. Aber wenn ihr mir noch einmal droht, werde ich euch heimsuchen und eure verfickten Schädel an die nächste, beschissene Wand donnern! ...
Hässliche Grüße
Kain"
Die Empörung bricht erneut aus. Die älteren Herren debattieren, was sie am Liebsten mit diesem Kain anstellen würden, während ihr Anführer seufzend die Briefe niederlegt und sich zu dem offenen Balkon hinter sich dreht. Er betritt diesen, breitet seine Arme aus und beginnt zu allen Teilnehmern, die weit unter ihm, auf dem Kampffeld warten, zu sprechen...
Notiz: Liebe Leute. An dieser Stelle möchte ich der lieben @VanumFunkenflug danken, die mir diesen super Absagebrief für Nox zugesendet habe. Darüber hinaus bedanke ich mich bei dem großartigen
@ReinhardRsler der mir den Absagebrief für Winter geschrieben habe. Und zu guter Letzt ein großes Danke an:
@LokiFeilon dass ich ihren wunderbaren Kain für die kurze Sequenz benutzen durfte.
Zeigt den Leuten Liebe! Gruß geht raus an euch <3
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