39. Spiel auf Zeit
"Juuuune!"
Ich betrachtete Aiden, der mit einer regungslosen June auf den Schultern, vor mir stand und mich schelmisch angrinste. Das ganze Blut, dass vermutlich von June ausging, floss an ihm herunter, tropfte zu Boden und sammelte sich dort. Ohne weiter zu überlegen lief ich auf ihn zu und schlug ihn mit meiner Faust ins Gesicht. Er pendelte leicht, doch nach einem weiteren Schlag fiel er letztendlich auf das kalte Parkett. Die ganze Wut, den ganzen Zorn, der sich in mir aufgestaut hatte, musste ich loswerden und da gab es im Moment nur diese eine Chance. Ich holte erneut aus und brach ihm mit einem Schlag die Nase. Von hinten klammerten sich zwei Arme um meinen Körper und zogen mich zurück. "Lass mich los!", schrie ich aufgebracht und wirbelte mit den Händen herum. Er ließ nicht locker. "Andrew!", ich schrie mich heiser, mein Hals war rau. Er war älter und auch etwas stärker als ich, aber dies wollte ich aufholen. Ich wollte nicht mehr unter ihm stehen.
Mit aller letzter Kraft riss ich mich aus seinem festen Griff. Aiden war gerade dabei sich aufzurichten und zielte unsicher mit der Waffe auf mich. Ich lief zu June, die regungslos und Blut getränkt auf dem Bauch lag. Hoffnungslos musterte ich sie und entdeckte ein Einschussloch auf ihrem Rücken. Ich drehte sie auf den Rücken, um sie mir genauer anzusehen. Es war ein glatter Durchschuss. Ich stopfte sofort das Hemd, dass sie von mir hatte, darauf und versuchte die Blutung damit zu stoppen. Zum Arzt könnte ich sie so mit den Verletzungen und meinen Initialen nicht bringen, das würde viel zu viele fragen anlocken und zu großes Aufsehen erregen. Michael musste her, sofort. Ich fühlte ihren Puls. Er war schwach, zu schwach. Fast unmerklich. "Geh weg von ihr. Behalt die Firma und sie stirbt, überlass mir Carter Tecnology, du kannst sie wieder haben und sie wird vielleicht überleben." Er betonte das Wort vielleicht, was mich noch wütender machte. Er trat einige Schritte zurück, lehnte sich gegen die Tür und verschränkte seine Arme. "Also wir haben Zeit, nur ich weiß nicht, ob June sie hat", er klang eindeutig so, als wollte er mich provozieren. Und in gewisser Weise hatte er dies auch geschafft.
'Ich muss nachdenken, meinetwegen behalte ich Carter Tecnology und verliere June, anderer seits löst June Gefühle in mir aus, die ich vorher noch nie gefühlt habe. Aber ist das gut? Ich dachte immer, ich wäre ein Monster, dass nie lieben könnte. Ich hasse es mich entscheiden zu müssen. Ich kann einfach nicht verlieren und werde auch nicht zulassen, dass mir noch etwas, dass mir im Leben wichtig ist, weggenommen wird.'
Ich schloss meine Augen und ging für einen Moment in mich. Abrupt lachte ich herzhaft und fasste mir an die Stirn, während ich den Kopf heftig hin und her schüttelte. "Wie kann ich bloß so dumm sein!", nuschelte ich lächelnd. Aiden und Andrew schauten mich verwundert und doch streng an. "Ich werde keins von beiden verlieren. Einen kurzen Moment lang dachte ich wirklich, ich hätte wieder verloren. Doch jetzt hab ich mich wieder an Mom's Worte erinnert. Kennst du sie noch Andrew? Die Worte, die uns unbewusst und indirekt zu dem machten, was wir jetzt sind. 'Lass dir nie etwas wegnehmen, dass dir etwas bedeutet, solange du noch kämpfen kannst'. Und das werde ich auch." Ich lächelte die beiden an. "Lass die Spielchen Joel, du weißt, das sie nicht mehr viel Zeit hat!" Meine Augen schlielten den dunklen Gang entlang. Ich gab ein knappes nicken in die Dunkelheit und darauf folgte ein Schuss auf Aidens Hand. Er schrie auf und lies die Waffe fallen. Bevor er sie aufheben konnte begab sich Antonie neben mich und zielte auf Aiden. "Heb sie auf und du bist tot! Kick sie rüber zu mir", forderte er mit fester Stimme, doch nur ich bekam mit wie er leicht zitterte und er vor Schmerzen die Zähne zusammen drückte. In seinem Bein, steckte wahrscheinlich eine Kugel von Aiden. Aiden tat was er sagte und ich hob die Knarre auf. "Nun bin ich im Vorteil", sprach ich wütend. Andrew lachte laut los. "Du glaubst wirklich du kannst mich, deinen eigenen Bruder, umbringen? Ich weiß das du das nicht kannst und du genauso", er wollte mich provozieren, doch er hatte recht. Ich könnte ihn niemals umbringen. Zu tiefgründig sind unsere Erlebnisse als wir Kinder waren und ohne ihn hätte ich sie damals nicht überstanden. Wir beide waren von dem selben Schicksal geprägt und daran war nur einer Schuld. Aiden. Ihn könnte ich dennoch ebenfalls nicht ermorden, sonst würde ich verlieren und er hatte endlich dass, was er schon seit meiner Geburt immer von mir wollte.
"Ich werde keinen von euch umbringen. Aber darüber reden wir gleich, als erstes müssen wir uns um June kümmern", ich nickte zu Antonie und flüsterte ihm ins Ohr, dass er Michael holen sollte. Er tat es ohne zu zögern. Ich war mir relativ sicher, dass er nicht abhauen würde. Er liebt sie ebenfalls, aber um dieses Problem würde ich mich später kümmern. Das wichtigste ist jetzt, dass sie überlebt.
Ich richtete beide Waffen auf sie und wartete auf Michael. Mehrere Male versuchte Andrew das Wort zu ergreifen, doch ich hatte im Moment keine Lust mich zu unterhalten und begab mich zu June. Keine zwei Minuten später traf Michael auch schon ein, Antonie dicht hinter ihm. "Was ist hier los?", fragte er geschockt. "Sag ich dir später, kümmer dich um June", befahl ich ihm. Er lief sofort zu June und brachte sie in mein 'Krankenzimmer' im Keller. Ich habe dies extra eingebaut, damit meine Opfer sich selbst versorgen können, falls ich mit ihnen mal etwas länger meinen Spaß haben möchte.
"Ihr beide kommt mit mir mit!" Ich führte sie in einen Raum mit mehreren Liegen und überschüssigen Werkzeugen. Als ich die Tür öffnete, erklang ein dumpfer Schrei. "Sophie? Warum hockst du in der Ecke rum?", fragte ich sie mitfühlend. Ich hatte sie komplett vergessen. "I...ich h...habe einen sch...uss ge...e...eh" "Shhht, ist schon gut. Es ist jetzt vorbei. Hilf mir lieber die beiden hier zu fesseln", befahl ich ihr sanft. Sie war zu meiner vorläufigen Haushälterin geworden. Sie hinterfragte nichts mehr und tat alles was ich von ihr verlangte, stumm. Manchmal wünschte ich mir, dass June genauso wäre. Mit einem charmanten lächeln von mir beruhigte sie sich etwas und ich schaute rüber zu Ginger. Sie saß mit gefesselten Armen und Beinen auf einem Stuhl. In ihrem Mund befand sich ein Stück Stoff, dass ich ihr aus der Kleidung gerissen hatte, damit sie nicht schrie.
Ich dirigierte Andrew zur Liege. Mit einem grinsen tat er dies ohne wiederworte, irgendwie gefiel mir dies ganz und garnicht. "Du warst nicht da als Dad wegen dir umgekommen ist. Du hast nicht gesehen, wie er gelitten hat als er das von Mom erfuhr", flüsterte ich entsetzt und schaute zu Boden. "Du irrst dich Bruderherz, Dad ist nicht wegen mir umgekommen. Genauso wenig wie Mom. Das warst alles du!" "Falsch!", schrie ich ihn an, "Du hast mich manipuliert. Doch erst hat Aiden dich benutzt, damit er seinen Willen bekommt, und das tut er auch jetzt gerade. Merkst du dass denn nicht? Bist du wirklich so blind geworden? Er hatte von Anfang an geplant Mom und Dad zu ermorden, doch um es selbst zu erledigen, war er zu eitel. Dafür brauchte er uns." Ich war enttäuscht, dass er dies nicht vorher bemerkt hatte. "Nein, dass stimmt nicht. Aiden ist der einzige, der sich um uns gekümmert hat. Während Dad sich in einer Bar betrank und Mom völlig verzweifelt versuchte bei Verstand zu bleiben, war er da und hat uns versorgt. Du bist derjenige, der hier blind ist!", fuhr er mich an. "Stimmt doch Onkel Aiden!" Andrew schaute rüber zu Aiden, der anfing leise zu lachen. "Ihr beide seid wirklich erbärmlich! Es hat aber lange gebraucht, bis du darauf gekommen bist Joel. Ich wusste, dass du nicht so leicht zu bestimmen bist, als dein leichtsinniger Bruder." Er lachte weiter leise vor sich hin, was die Wut in mir nur noch vergrößerte. Und dann noch so darüber reden, als wäre es ihm gleichgültig für den Tod seines eigenen Bruders, meinem Dad, verantwortlich zu sein. Andrew kniff seine Augen feste zusammen, als wäre es ihm zu viel auf einmal gewesen zu wissen, dass sein ganzes Leben und seine einzigen Ziele, nur auf reinen, brutalen Lügen basieren. Dies hatte ich schon früher herausgefunden und war mir dessen im inneren auch immer klar. Doch damit abschließen konnte ich dennoch nicht.
Nachdem ich Andrews und Aidens Fesselungen überprüfte, schaltete ich das Licht aus und lies die vier alleine in dem dunklen Raum. Mit mehreren Mechanismen verschloss ich die Tür und eilte zu June...
Dieser Anblick war für mich schlimmer, als alles was mir bis jetzt in meinem ganzen Leben zu Augen gekommen ist. Der jetzige Moment verging für mich in Zeitlupe. Sie lag auf dem Bett, während Michael mit beiden Händen auf ihre Brust drückte. Antonie drückte auf June's Schusswunde, damit das ganze Blut nicht heraus gedrückt wurde, während Michael an ihr die Herz-Lungen-Wiederbelebung ausführte. Ich trat einen Schritt hervor und betrachtete das ganze Geschehen stumm, während ich auf die Knie fiel und mein Herz metaforisch stehen blieb.
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