24. Die Lage
"Kommst du jetzt endlich schneller? Sie wird schon steif", rief ich als ich an der Tür ankam, mit einer Hand Zoey festhielt und mit der anderen den Schlüssel aus meiner Hosentasche raus kramte. Sie schlenderte leicht benebelt die Treppen hinauf. Aus ihren Smaragd grünen Augen schimmerte dunkle Leere. Jedoch wurde sie, als sie das klimpern der Schlüssel bemerkte, aufmerksamer. Sie beobachtete jeden meiner Schritte, jede Bewegung, jeden Atemzug. Sie wusste nicht genau was sich hinter dieser Tür verbirgt. Als sie mir fast entwich war es zu dunkel um etwas zu erkennen. Die Fenster habe ich alle mit einer matten Folie überzogen, sodass man nichts außer groben, verschwommenen Farben erkennen konnte. Im Erdgeschoss ließ ich vor jedes Fenster ein Gitter anbringen. Nur ich besitze die Schlüssel diese zu öffnen. Mein Blick blieb an ihr kleben als ich den Schlüssel im Schloss umdrehte. Als sie das klacken der Entriegelung hörte zuckte sie kurz zusammen. "Ich werde jetzt die Tür öffnen und sie ins Auto bringen. Du folgst mir und rennst nicht weg, verstanden?", meine Tonlage war tief, tiefer und gefährlicher als sonst. Sie nickte. Ich wusste nicht ob ich ihr Vertrauen kann, aber hier wird sie nicht so schnell entkommen.
Er öffnete die Tür und sofort bemerkte ich die frische Luft und den kühlen Wind auf meiner Haut herum tanzen. Ich wusste nicht genau wie lange ich schon hier gefangen war, aber es fühlte sich einfach wie eine Ewigkeit an, dass ich einen angenehmen, kühlen Lufthauch spüren durfte. Kurz schloss ich meine Augen und genoss den Moment, doch diese zuckten zusammen als mich ein Licht blendete. Die Sonne. Wie sehr ich sie vermisst habe. "Los, ich mag es nicht zu warten", ertönte Joels stimme ungeduldig. Mit einem leichten lächeln ging ich raus und sah mich um. Es war nicht in irgendeinem Wald, wie ich es mir gedacht hätte, sondern an einer Küste. Das Haus konnte man nur zur Hälfte sehen, da die andere Hälfte in einem Felsen steckte. Halb Haus, halb Bunker. Der Boden bestand aus Stein, Erde mit Unkraut und hellem Sand. Ich blickte etwas höher und entdeckte in weiter Entfernung einen Strand, etwas weiter ein Meer. 'Wo bin ich hier?'
Die Luft tat mir gut und ich atmete erneut tief ein. "Ich will mich nicht wiederholen müssen", meinte Joel und hupte ein mal. Er saß in seinem schwarzen Geländewagen und wartete ungeduldig auf mich. Widerwillig zwang ich mich mich zu ihm in den Wagen zu steigen. 'Hier kann ich sowieso nicht auf Hilfe hoffen. Ich könnte nirgendwo hin laufen, dafür war der Ort zu abgelegen.' Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und schnallte mich an. Aus den Augenwinkeln heraus erkannte ich dass mich Joel die ganze Zeit über anstarrte. Es war mir mehr als nur unangenehm. Ich traute mich nicht zu ihm rüber zu schauen. 'Da war aber was das ich unbedingt wissen wollte.'
"Jo...", er unterbrach mich. "Keine fragen!" "Ab..." "Kein aber!" Er blickte nach vorne und ich ihn an. "Wie..." "schhht!" Mit einem Seufzer drehte ich mich wieder nach vorne. "Du bist ein Arsch!", nuschelte ich vor mich hin. Er wurde plötzlich schneller und drückte auf das Gaspedal. Wir fuhren um die 190 km/h. "Joel, langsamer!", schrie ich panisch als das Auto einpaar mal bei den Kurven fast von der Straße abgedriftet war. Aus seinem Mund kam ein schadenfrohes, dunkles lachen. Er kam nach einer langen Zeit zum stehen. "Hör auf mich zu beleidigen", meinte er anschließend ernst. Ich schaute ihn schwer atmend und wütend an. "Spinnst du?" Sein Kopf drehte sich wieder zu mir. "Wir sind da!", brachte er mit zusammengepressten Zähnen hervor. Er stieg aus und schmiss Zoey vom Kofferraum auf seine unverletzte Schulter. Danach machte er mir die Tür auf und reichte mir seine Hand. Angewidert sah ich erst seine Hand und darauf folgend ihn an. Die Hand lehnte ich ab und stieg ohne seine Hilfe aus. Mit einem erschöpften Seufzer schloss er das Auto ab und packte mich unsanft am Handgelenk. "Hey! Das tut weh!" Er blieb stehen und drehte sich zu mir. "Denkst du das tut mir nicht weh wie du mich die ganze Zeit über beleidigst? Dich gegen mich wehrst obwohl ich alles für dich tue? Und das dankt du mich so?", schrie er mir ins Gesicht und kam mir wieder bedrohlich nah. Sein griff um mein Handgelenk wurde immer fester. Ich schrie vor Schmerz auf. "Es tut mir leid!", presste ich hervor bevor er mein Handgelenk brechen konnte. Doch er ließ nicht locker. Mit dem selben Druck schleifte er mich weiter. Er brachte mich in einen kleinen Park. Es wurde langsam dunkler und kälter, weswegen hier keine Kinder zu sehen waren. 'Gut so. Ich würde nicht wollen dass sie Zoey sehen.'
Wir kamen zum stehen. "Hier, jetzt bist du dran!" Er legte sie mir auf meine Arme und entfernte sich von mir. Ich wusste was er von mir wollte. In dem Nachrichten bekam man sowas oft zu sehen, Leichen, die in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt werden. Der Mörder wurde noch nicht gefasst und ich glaub wenn es Joel war würden sie es auch nicht so schnell. Sie sahen auf den ersten Blick so aus als ob sie nur eingeschlafen wären aber wenn man genauer hingeschaut hat, erkannte man die ganzen Verletzungen.
Mein Blick legte sich kurz auf den Boden, nur um danach nach einem geeigneten Ort zu suchen. "Wenn du es gut machst, gehen wir mal in die Stadt, aber nur wenn du nicht weg läufst oder nach Hilfe schreist." 'Meinte er das ernst?'
Es waren nicht sehr viele Möglichkeiten offen, die ich benutzen könnte. Mein Auge fiel auf eine abgelegene Schaukel an einem Baum. Es war dunkel und lag im Schatten. 'Vielleicht kann ich ja Spuren hinterlassen damit sie uns finden.' Ich trug Zoey zur Schaukel und setzte sie darauf. Ich zupfte mir ein Haar heraus und heftete es unauffällig an ihrem Kleidchen an. Mehr hatte ich leider nicht um ihnen zu helfen uns zu finden, und mehr fiel mir auch nicht ein. Stattdessen positionierte ich Zoey und legte ihre Hände an die Seile. Dadurch, dass sie fast starr war und ich sie schwer bewegen konnte, verharrte sie fest in dieser Position. Voller Trauer um sie und Mitleid um ihre Familie ging ich zu einem Busch und pflückte von dort einpaar Blumen die ich Zoey auf den Schoß legte. Eine von ihnen befestigte ich hinter ihrem Ohr an den Haaren. Mit noch einem Kuss auf die kalte Stirn verabschiedete ich mich von dem unschuldigen kleinen Mädchen und lief zu Joel rüber, der von etwa zehn Meter Entfernung zuschaute. "Können wir jetzt gehen?", fragte ich emotionslos und kalt. "Einen Moment noch...", sagte er und ging zu Zoey. Er beugte sich zu ihr runter. Ich bemerkte nur, dass er etwas von ihrem Kleid entfernte. Erst schaute ich ihn verwirrt an, doch als er vor mir stand und mir meine Haarsträhne vor mein Gesicht hielt wusste ich, dass sie Joel niemals finden würden. Er ist einfach zu aufmerksam und ein Perfektionist.
"Was sollte das?" Ich starrte ihn ungläubig mit leicht geöffnetem Mund an. "D...das war e...ein versehen, i...ich wollte das n...nicht!", stotterte ich vor mich hin. Er betrachtete mich skeptisch und stieg ohne ein weiteres Wort ins Auto. Ich zögerte erst, doch als ich seinen Blick auf mir kleben spürte, machte ich es ihm nach. Kaum hatte ich die Tür geschlossen fuhr er wieder mit 190 km/h los. Seine Miene wirkte fest und angespannt. Er schien wütend zu sein. Ich legte meinen Kopf an die Scheibe und schaute aus dem Fenster. Wir waren auf einer Landstraße und rechts und links ging es einen kleinen Abhang runter. Es fing an zu regnen. Joel immer noch nicht unter Kontrolle. Als es begann schwerer zu schütten kamen wir ins rutschen, doch Joel ließ nicht vom Gaspedal ab. An einer scharfen Kurve überschlugen wir uns. "Joooeeel!", schrie ich mir in einer erhöhten Tonlage aus dem Leib. Er hatte keine Kontrolle mehr und zog mich schützend, panisch zu sich rüber. Er hielt mich während den ganzen Umdrehungen fest. Ich dachte nur 'nicht schon wieder'.
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