23. Verwirrung
Ich schreckte hoch als er mein Gesicht mit seinen beiden Händen an meinen Wangen packte. Er zog es hoch und presste sanft seine Lippen auf meine. Der Kuss war anders als die anderen, sanft, gefühlvoll, vorsichtig, als würde ich gleich zerbrechen. Er hatte seine Augen geschlossen und legte anschließend seine Stirn gegen meine.
"Ich liebe dich!", murmelte er.
Meine Augen weiteten sich. 'Was hat er da gerade gesagt? Meint er das ernst?'
Schlagartig verschwanden meine Tränen und ließen eine Spur von Verwirrung zurück. Als er begriff was er gesagt hatte schien es ihm genau so zu ergehen.
'Was habe ich da gerade gesagt? Nein! Es ist einfach über mich gekommen und ... sie saß da so unwiderstehlich und spielte voller Gefühl. Ich weiß nicht was das gerade in mir war das mich dazu gezwungen hat.'
Erstarrt blickte ich in ihr Gesicht. Sie schien genauso verwirrt zu sein wie ich. Ihr Gesicht immernoch in meinen Händen. Keiner von uns regte sich. Wir starrten stumm in die Augen unseres gegenübers.
Nur langsam löste ich mich von ihr und drehte mich um. 'Ich darf sie nicht länger bei mir behalten, das geht alles einfach in die falsche Richtung!'
Einmal lachte ich unterdrückt auf. "Du hast mich angelogen, du kannst doch spielen. Aber dieses mal werde ich dir verzeihen. Und jetzt komm mit, wir müssen noch Zoey wegbringen." Ich wusste wirklich nicht was ich in diesem Moment noch sagen sollte. Eilend verließ ich das Zimmer und atmete Tief durch als ich mich gegen die Wand lehnte. 'Ich dürfte solche Gefühle nicht für sie hegen, sie sollte es bei mir tun.' Sie zögerte ein bisschen aber kam letztendlich doch noch raus. Ohne ein Wort zu sagen lief sie mir hinterher als ich mich auf den Weg zu Zoey machte. Peinliche Stille.
"Wohin wirst du sie bringen?", unterbrach sie das Schweigen monoton. "Das kannst du dir aussuchen, ist ja immerhin dein Werk." Ich betrat den Raum wo sie noch hing. Langsam bemerkte man den Gestank der Leiche der sich wie eine Giftwolcke einen Weg durch die Nase bahnt. "Du musst dich beeilen, sonst setzt noch die Totenstarre ein." Als ich mich umdrehte und June ansah, bemerkte ich wie sie nervös mit ihren Fingern spielte. Sie war warscheinlich in Gedanken. "Hörst du mir überhaupt zu?" Sie zögerte etwas, doch erwiderte anschließend "eh... ja!"
'Sie ist süß wenn sie so ist. Ist sie so wegen unserem Kuss? Ist das wegen mir?' Sie sah mich hilflos an. "Was soll ich denn machen?", man hörte deutlich die Hilflosigkeit in ihrer Stimme. "Na, du musst sie noch hübsch anrichten, so kann man sie doch nicht die Leute sehen lassen." "Was meinst du mit Leute sehen lassen? Warum lagerst du sie nicht in deinen Kühlraum zu den anderen?" Ich seufzte. "Sie ist dein Kustwerk und passt nicht in meine Sammlung. Ich hab mir für dich was ganz besonderes überlegt, du wirst ab jetzt jede Leiche, die wegen dir den Tod gefunden hat, der Öffentlichkeit zur Schau stellen. Das bedeutet erst hübsch machen und danach einen passenden Ort finden, wo du sie dann anrichten kannst." Sie wich einen zögerlichen Schritt zurück und zog ihre Arme ängstlich vor ihre die Brust. Sie schüttelte den Kopf. "Nein, ich kann das nicht!", murmelte sie leise vor sich hin. Ich trat einen Schritt näher an sie ran so dass ich ihr direkt gegenüber stand. Bedrohlich flüsterte ich, "das weißt du zwar noch nicht aber ich hasse das Wort 'nein'. Ich möchte dieses Wort nicht mehr von dir hören. Ich verlange von dir, dass du sie jetzt gefälligst hübsch machst!" Meine Stimme wurde von bedrohlich leise am ende hin immer lauter und schneidender. Schwer atmend vom ganzen schreien stand ich nur wenige Zentimeter von ihr entfernt. Ihre Atmung beschleunigte sich ebenfalls. Sie schaute mir nicht mehr in die Augen und bekam einen leeren Blick. "Wie?", kam es trocken aus ihrem Mund. Und schon wieder spielte sich ein lächeln auf meinen Lippen ab. Meine Hand legte sich auf ihren Rücken und deutete sie damit Richtung Regal. Zögerlich ging sie einige Schritte vor und kam zum stehen.
"Du hast freies Spiel, alles was du hier siehst kannst du benutzen", erklärte ich ihr und versetzte ihr einen leichten Stoß, sodass sie einige Schritte nach vorne stolperte. Sie sah sich um und dachte nach. Nach einiger Zeit nahm sie ein rotes Stoff Tuch hervor und knüllte es in ihrer Hand zusammen. Ich betrachtete sie skeptisch. Sie ging zu ihr und steckte das Tuch in die Lücke ihrer Brust. Mit mehreren schnitten einer Schere entfernte sie das in Blut getränkte Kleid. "Kann ich ein neues Kleid für sie haben?", fragte sie unsicher und immernoch auf Zoey schauend. "Einen Moment", antwortete ich ihr, ging aus dem Zimmer und schloss sie darin ein.
Ich ging wieder zum Regal, entdeckte einpaar Gummis und nahm zwei. Verwirrt schaute ich die Schminke, die ganz am Rand wahrnehmen konnte. Ich ging zu ihr, nahm ihre Engelslocken in meine Hand und trennte sie in zwei Teile ab. Zwei kleine Zöpfe zierten jetzt ihren kleinen Kopf. 'Joel hat warscheinlich mit "hübsch machen" etwas anderes gemeint.' Mit einem feuchten Lappen wusch ich ihr die restlichen Blutspritzer vom Gesicht. Ich nahm mir welche Wimpern und klebte sie ihr drauf. Ihre Wangen verzierte ich mit etwas rosafarbenen Rouge. Mit leicht pinkem Lippenstift brachte ich mein Werk zu Ende. Gerade rechtzeitig, denn hinter mir hörte ich wie sich das schloss öffnete und Joel herein trat. Er stockte und blieb stehen als sein Blick auf Zoey traf. Er schüttelte den Kopf. "Ich bin enttäuscht von dir, June, ich hätte mehr von dir erwartet." "Was verlangst du denn noch von mir! Sie bis zum Tode zu Foltern indem ich ihr das Herz raus reiße war schlimm genug!", hysterisch schrie ich ihn an. "Kein Grund laut zu werden Kleines, ich bin nicht weit von dir entfernt", erklärte er mir ruhig. Um nicht entgültig auszurasten und Schläge ein zu kasieren, begann ich einpaar mal tief ein und aus zu atmen und schloss dabei meine Augen. "Geht doch!" Als ich meine Augen öffnete blickte ich in sein ekelhaft grinsendes, perfektes Gesicht. Irgendwie schaffte er es jeden Tag den selben look zu tragen, ohne, dass seine Haare auch nur einen Millimeter wachsen. Wäre ich ihm auf der Straße oder einem kleinen Café begegnet und er hätte mich ganz normal angesprochen und nach einem date gefragt, hätte ich sicherlich ohne zu zögern ja gesagt. Doch durch seine Taten kann man in sein wahres inneres sehen, und alles was ich darin erblicke ist eine tiefe große Leere. Einfach nichts! 'Entweder ist er wirklich gefühllos oder er versteckt es einfach zu gut.'
Durch ein zwicken an meiner Taille wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. "Au!" Ich knickte sofort ein, fiel fast, und blickte schockiert in Joels Antlitz das direkt hinter mir stand. "Lass das." 'Ich hasse es wenn man das bei mir macht. Ich bin dafür einfach zu kitzelig.' Joel lachte tief, es klang eher wie ein brummen. "Was lachst du so?", fragte ich vorlaut. "Ich glaub, ich habe soeben ein neues Hobby gefunden", gab er mir immernoch lachend zur antwort. Motzig drehte ich mich weg und hielt mir die Taille fest. Er konnte sich vor lachen nicht halten und legte seine Hände auf meine. "Ich liebe es wenn du so bist!" Ich wurde rot. "Was?" Er drehte mich um und zog mich an sich. Er sah mich mit diesem breiten grinsen an. "Süß!"
Sie blickte verlegen und beleidigt weg. Ich stöhnte erschöpft von ihrem Verhalten. "Komm, wir bringen sie weg. Bei der nächsten strengst du dich aber mehr an." Ich nahm meine Hände von ihrer Taille und ging hinüber zu Zoey. Ich löste eine Fesselung nach der anderen und zog ihr das Kleidchen, dass ich ihr mitgebracht hatte, an. Darauf folgend warf sie in einem Schwung auf meine unverletzte Schulter. Ein zufriedenes Grinsen als ich an ihr vorbei ging konnte ich mir nicht verkneifen. Ich spürte ihren angewiderten Blick auf mir oder eher auf Zoey. "Komm Babe, ich warte nicht lang", meinte ich als ich mich zu June drehte. Ich bemerkte noch wie sie sich über mich lustig machte und mich stumm nachäffte. Leicht amüsiert machte ich mich auf den Weg nach oben.
'Ihr jammern klingt wie eine Synphonie in meinen Ohren, zwar nicht so wie gerade eben bei ihrem Klavierspiel aber mindestens genauso gut.'
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