Kapitel 14
Ich liege angeschmiegt an seine warme Brust. Kaum zu glauben, dass wir diesen Schritt in so kurzer Zeit gewagt haben! Mirans Arm liegt um mich, wir liegen beide unter der Decke und schauen uns gerade Om Shanti Om an. "Gefällt es dir?" "Ziemlich dramatisch gespielt", bemerkt er und ich bestätige es ihm. "Das gibt dem Ganzen die amüsante Note. Ich liebe die Stelle, wo Om gegen den Plüschtiger kämpft." Da lache ich immer Tränen. Gerade führt er sich ein Stück Sushi zu seinem hübschen Mund und bemerkt, dass ich ihn beobachte. Mein Herz macht einen Satz, als er mir dann auch ein Stück hinhält. "Du kannst doch romantisch sein", kommentiere ich grinsend. "Ich schätze, die Filme färben auf mich ab." Das tun sie. Er ist mein Shah Rukh Khan, den ich nicht aus den Augen lassen kann. Mein Blick bleibt auf ihn gerichtet, während er weiterhin den Film analysiert und sein Sushi isst. Hach, sieht er gut aus, wenn er Sushi isst. "Bald steht eine Geschäftsreise an. Hast du schon deine Sachen gepackt?" Nein, das habe ich komplett vergessen! "Nein. Wie lange bleiben wir?" "Vielleicht ein wenig länger als geplant. Dann können wir uns ein wenig Ruhe gönnen." Ein Urlaub? Ich freue mich! Ich hoffe, dort gibt es gutes Sushi. Miran schaut mich zufrieden an. Meine Wangen tun vom Lächeln schon weh und ich kann es mir nicht verkneifen, mich seinem Mund für einen Kuss zu nähern.
Ich reiße meine Augen auf. Es ist dunkel und es ist stickig warm. Mein Herz schlägt mir bis zu den Ohren. Mein Körper sprüht Stress aus. Ich bin im Wohnzimmer. Im Wohnzimmer mit ... oh mein GOTT! Ich darf nicht schreien. Weder will ich mich bewegen noch denken. Das ist die Brust meines Chefs unter meiner Wange. Der Fernseher ist noch an, der Film schon längst zu Ende und die Kerzen schon fast alle abgebrannt. Ich traue mich nicht einmal, einen normalen Atemzug zu nehmen. Das ist nicht wirklich passiert. Ich schlafe mit meinem Chef! Nein! Ich meine nicht schlafen, aber wir schlafen gerade zusammen ... nein. Wir schlafen ... zusammen auf dem Sofa. Ich kann nicht denken. Meine Pflanzen sind Zeuge dieser verbotenen Tat. Was soll ich jetzt machen? Soll ich so tun, als würde ich schlafen, bis er flüchtet? Was wird die Konsequenz sein, wenn er erwacht? Muss er unbedingt aufwachen? Also doch, er muss, sonst werde ich wochenlang weinen, aber ... ich bin erledigt. Was soll ich jetzt machen? Wie? Bald wird er aufstehen und dann ... Diskretion? Mir ist nach heulen zumute. Müssen wir jetzt ... heiraten? Ich wimmere verzweifelt, nur um mir daraufhin die Hand gegen den Mund zu klatschen. Schläft er lange? Wacht er um 06:00 Uhr pünktlich auf?
Ich traue mich kaum, zu ihm aufzuschauen, zögere bei jedem Zentimeter, den ich meinen Kopf anhebe und dann in sein niedliches Gesicht sehe. Er schläft, die Flammen der Kerzen flackern auf seiner Haut und verdunkeln seine Wimpern. Mein Traum ... es wäre zu schön, wenn er wahr werden könnte. Seine Arme sind noch verschränkt vor seiner Brust. Sein Nacken wird sicherlich schmerzen, wenn er weiterhin so, mit dem Kopf an der Wand neigend schläft. Wie viel Uhr ist es überhaupt? Mein Handy ist im Schlafzimmer und ich habe echt Angst, dass er erwacht, wenn ich aufstehe. Müsste ich nicht seit Wochen die Batterie meiner Wanduhr wechseln, könnte ich mir weiterhelfen. Stattdessen lehne ich mich zurück an seine Schulter. Mich überkommt langsam die Angst, dass er wütend wird, sobald er wach ist. Was mich so denken lässt, weiß ich nicht, aber er ist nun mal mein Chef und dieses Verhältnis ist mehr als nur verboten, aber ... ich habe nichts dagegen. Es freut mich. Ich mag ihn und nenne ihn in Gedanken schon versehentlich meinen Ehemann und ... ach, ich bin verloren in meinen Gefühlen. Können wir nicht einfach heiraten? So schwer ist das doch gar nicht. Er muss nur zu meinem Vater und um meine Hand anhalten. Sein schicker Anzug ist beeindruckend genug. Und wenn ich genug Zwiebeln esse, kriegen unsere Kinder blaue Augen.
Als ich zum zweiten Mal heute die Augen aufschlage, scheint schon die Sonne. Ich liege eingekuschelt an seiner Brust, die immer noch im ruhigen Rhythmus steigt und sinkt. Wie viel Uhr ist es denn? Es sieht so aus, als wäre es noch recht früh. Vielleicht erst 08:00 Uhr oder etwas früher oder etwas später. Wenn ich ehrlich bin, traue ich mich nicht, aufzusehen. Als es noch dunkel war, hätte er mich schwerer erwischen können, aber jetzt bin ich kurz davor ertappt zu werden. Ich weiß immer noch nicht, wie ich es gleich handhaben soll. Aber vielleicht erwacht er ja gar nicht? Das wäre nicht gut. Seine Arme haben sich aus der Verschränkung gelöst, also taste ich den Puls an seinem Handgelenk ab. Er lebt noch. Wie gern ich seine Hand halten würde, nur würde es alles gerade noch schlimmer machen. Ist es moralisch verwerflich, mich ein wenig mehr an ihn zu schmiegen? Ich seufze tief, als ... nein. Er bewegt sich. Ich erstarre, schließe überfordert meine Augen. Nein, was soll ich tun? Wieso wacht er jetzt auf? Sein Körper bewegt sich unter mir, also spiele ich die neu erwachte und murre tatsächlich, als hätte ich nicht gerade noch überlegt, mich an ihn zu kuscheln.
Der erste Blick gilt dieses Mal panisch seinen hellblauen Augen, die sich weiten. Ich bin gefeuert. Mir kommt kein Wort über die Zunge. Mein Körper produziert in diesem Moment genug Wärme, um neue Kerzen anzuzünden. Was soll ich jetzt bloß machen? Auch Miran scheint sichtlich überfordert zu sein. Er rutscht zurück ... wieso? "Shirin, ich ..." Ich beobachte ihn aufmerksam dabei, wie er sich verwirrt durch sein Haar fährt. "Das tut mir leid. Ich hoffe, ich habe Sie nicht beunruhigt. Das war nicht geplant." Sie haben mir einen meiner Träume erfüllt, Herr Hübschling. Ich räuspere mich angestrengt. "Alles gut", murmele ich. Es ist so heiß! Miran erhebt sich gestresst, richtet seine Kleidung wieder. Geht er jetzt? Kann er denn nicht noch bis zum Frühstück bleiben? Hat er meinen Gedanken gehört oder wieso schaut er mich jetzt an? "Haben Sie sich bedrängt gefühlt?" Oh ... ich schüttele den Kopf. "Nein, alles gut. Ist nur keine Routine, dass ich mit meinem Chef schlafe." Seine Augen weiten sich und meine leider zu spät! Ich halte mir die Hand vor den Mund. "Nicht so! Wir haben auf dem Sofa miteinander ... beieinander geschlafen?" Ich wimmere verzweifelt. Wie sagt man es sonst? Ich bin verloren. Konnte er nicht einfach weiterschlafen?
"Shirin, das ..." Er hält sich die Stirn. "Ihnen geht es gut, oder? Sie hatten keine Panik meinetwegen?" Ich habe an unsere Hochzeit gedacht. Doch als Antwort folgt nur ein nüchternes Kopfschütteln. "Alles gut." "Sicher? Ich wollte Ihnen keineswegs zu nahe treten." Genau das will ich aber. Meine Lippen bleiben versiegelt. "Wirklich." "Gut", seufzt er erleichtert, woraufhin er sich sein Jackett zur Hand nimmt und sich mein Herz deshalb zusammenzieht. "Wollen Sie nicht noch frühstücken?" Ich möchte ihn nicht gehen lassen. Das ist der schönste Morgen, den ich seit Jahren hatte. Ich könnte vor lauter Gefühlen weinen. Er soll bleiben, bitte. Mirans Züge zeigen leichte Verblüffung bei meiner Frage. Wie gern ich wüsste, was er jetzt denkt. "Schlimmer kann es doch nicht werden. Stärken Sie sich doch, bevor Sie gehen." Vielleicht können wir uns besser kennenlernen und Sie verlieben sich langsam in mich. Er überlegt es sich gerade tatsächlich. Sein Blick gleitet nachdenklich zum Sofa und dann auf meine Finger. Hoffentlich kommt ihm ein schöner Hochzeitsring in den Sinn. "Finden Sie das nicht zu viel?" "Ein Frühstück stärker zu bewerten als den Fakt, dass wir miteinander-, ... beieinander geschlafen haben?" Ich schüttele errötend den Kopf. Sag ja, alter Mann! Ich verliere langsam die Geduld.
"Also gut", seufzt er dann. Ja! Ich darf mit meinem Schwarm frühstücken. Oh Gott, ich sollte mir erst einmal die Zähne putzen gehen. "Ich habe noch eine Zahnbürste da. Wollen Sie sich auch die Zähne putzen?" Wollen Sie auch duschen? Ich wasche Ihre Kleidung per Hand. Miran bleibt weiterhin unsicher, was seine Entscheidung angeht, nickt dann schlussendlich und folgt mir ins Badezimmer. Aus meinem Badezimmerschrank fische ich die offene Packung mit der letzten Holzzahnbürste raus. "Sie achten auf Ihren Plastikverbrauch?" "Nein, die waren im Angebot", antworte ich schulterzuckend. Ich werde aber so umweltfreundlich sein und die von ihm benutzte Zahnbürste niemals wegschmeißen. Der Moment ist wirklich gekommen, in dem ich neben meinem Schwarm meine Zähne putze. Er in seinem weißen Hemd und der wunderschönen weißgrünen Krawatte und ich in meinem roten Hauskleid ergeben das Musterpärchen. Wir würden so gut zusammenpassen. Ich lasse ihn allein im Bad, auch wenn ich mir fast in die Hose mache. So habe ich einen kleinen Moment für mich, um wie wahnsinnig in der Küche herumzuspringen. Wie gern ich jetzt wie eine Verrückte schreien möchte. Sobald er mich leider verlassen muss, werde ich auch genau das machen.
Aber jetzt muss ich wieder die professionelle Assistentin mimen. Das kriege ich hin. Alles ist gut. Sehr gut. Total gut. Er sieht so unfassbar gut in weißen Hemden aus. Da ist es doch kein Zufall mehr, dass man auch an Hochzeiten ein weißes Hemd trägt. "Bevorzugen Sie etwas zum Frühstück?" Ich drehe mich einmal zu diesem hübschen Hübschling um und wow. Er ist so ... hübsch. Vielleicht kriege ich ihn heute dazu überredet, sich die Haare ölen zu lassen. "Was könnten Sie mir zutrauen?" Hm. "In Anbetracht der Tatsache, dass Ihr Leben eine Aneinanderreihung an öden Dingen ist, könnte ich Ihnen zutrauen, dass Sie nur Eiweiß essen." Seine Augenbraue hebt sich und selbst das reicht schon, um mein Herz rasen zu lassen. "Ich ignoriere die Beleidigungen mal, aber nur, weil Sie recht haben." Eigentlich sollte mich der Fakt stolz grinsen lassen, aber dieser Mann ist wirklich der Inbegriff der Geschmacklosigkeit. "Wie können Sie das Eiweiß essen? Das schmeckt nach nichts!" Ich erschaudere. "Sie mögen also nur das Eigelb?" "Richtig. Eben das, was schmeckt." "Tatsächlich gefällt mir der mehlige Geschmack des Eigelbs nicht." "Immerhin schmeckt es nach etwas", entgegne ich. Eigelb ist toll. "Und was denken Sie, konsumiere ich noch zum Frühstück, Shirin?" Wenn Sie noch einmal meinen Namen so hübsch aussprechen, konsumiere ich Sie.
Mir bleibt die Luft weg, als sich sein breiter Körper zu mir bewegt. Mein Gehirn kann nicht mehr richtig arbeiten und wofür ich eine Pfanne brauche, weiß ich auch nicht mehr. "Vielleicht Tahîn und Jajî?" Ich habe echt gutes Jajî da. Das muss er probieren, aber vielleicht will er auch mich probieren, so nah wie er vor mir steht. Seine Hand stützt sich am Waschbecken neben meinem Herd ab, gefährlich nah an meiner Hüfte und meinem Bauch. Zählt das noch zur Diskretion? "Auch, aber eine entscheidende Sache fehlt." Ich kann nicht denken, wenn er mir so nah ist! Wie kann sein Parfüm so lange halten? Wie können Augen so hell und einnehmend sein? Wie kann eine Stimme so sinnlich und samtig rau klingen? "Avocado?", murmele ich überfordert. Ich kippe gleich um! Pause! Ich brauche eine Pause. Frühstück! Ich muss uns Frühstück machen. "Sie können sich ruhig setzen. Ich mache das schon." "Ich bestehe darauf, zu helfen. Das geht doch viel schneller." Ja, aber ich habe Angst zu sabbern! Meine Antwort bleibt mir im Hals stecken, als ich Zeuge der wunderschönen Tat seiner hochgekrempelten Ärmel werde. Das sind die schönsten Unterarme, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Ich darf nicht starren, auch wenn ich sie am liebsten fotografieren würde.
Ich schiele verstohlen in seine Augen, in denen etwas Neckendes aufblitzt. Er hat mich erwischt. Das ist mir peinlich. "Ich brauche Gurken." Mein irritiertes Blinzeln zeigt die sichtliche Überforderung, die ich gerade mit diesem großen Mann in meiner Küche habe. "Wie viele?" "Eine reicht. Die finden Sie im Kühlschrank. Einfach waschen und in Scheiben schneiden." "Die ganze Gurke?" "So viel Sie möchten. Ich mag Gurke." In mir bahnt sich langsam die Angst auf, etwas Falsches zu sagen, deshalb dränge ich mich an ihm vorbei zum Kühlschrank, bedacht, ihn nicht zu berühren, obwohl genug Platz herrscht. Erst, als ich den Kühlschrank öffne, muss ich mich wirklich an ihn vorbeidrängen, weil er sich nicht von der Stelle bewegt. Ich will mir nichts einbilden. Vielleicht liegt es an mir und meinen Empfindungen zu ihm, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass die Spannung zwischen uns zunimmt. Ich wage nur einen kurzen Blick in seine aufmerksamen Augen und selbst das reicht, um mich erröten zu lassen. Wahrscheinlich wird er mein Gesicht gleich nicht mehr von meinem Hauskleid unterscheiden können, aber immerhin stehe ich am Kühlschrank und kann mir das kalte Gemüse an meine erhitzten Wangen halten. "Soll ich die Heizung runterdrehen?" "Geht schon." Das wird ein Desaster.
Es ist wirklich ein Desaster. Mir brennen fast die Eier an, ich kam auf die glorreiche Idee, sowohl Omellet als auch Spiegel- und gekochte Eier zu machen und wäre Miran nicht dagewesen, wäre die Tomatenpfanne voller Salz, weil mein Streuer nicht richtig verschlossen war. Das Einzige, was mir jetzt helfen kann, ist Guacamole. Ich brauche Guacamole. "In dieser Wohnung gibt es keinen Kaffee." "Einen Tag werde ich schon überleben." Ob ich den heutigen Tag überlebe, sei mal dahingestellt. "Ich finde es nett, dass Sie mir Gesellschaft leisten. Immerhin hätten Sie mich auch anschreien können." "Wofür sollte ich Sie anschreien?" Ich nicke einmal betreten zum Sofa und er nickt verstehend. "Das gibt mir keine Berechtigung, Sie anzuschreien. Es war mein fehlendes Einschätzungsvermögen." Es ist schön, dass ich endlich auf reflektierte Menschen treffe. Das tut mir wirklich gut. Ich senke meinen Blick wieder auf meine Tomaten, die ich würfeln will. "Also ich fand es schön", murmele ich. Keine Ahnung, was mich dazu bringt, es zu sagen, aber mein Herz schlägt die ganze Zeit wie wild. Ich bin hoffnungslos verknallt in diesen Mann und habe ihn öfter als Ehemann deklariert, als er mich wahrscheinlich als seine Assistentin. "Ich hoffe, das Verhältnis leidet nicht darunter." Mist, meine Finger zittern, als ich die Avocado halbiere.
Man sollte mich als Wahnsinnige betiteln, weil ich mich zu ihm drehe und weiterspreche. "Ich fand es eigentlich echt schön und es tat mir auch wirklich gut und ich finde Sie echt nett und würde wahrscheinlich weinen, wenn Sie mich anschreien und ich liebe meinen Job, weil Sie eben so nett sind und eigentlich haben wir uns nur wie Freunde oder so benommen, die mal einen Abend miteinander verbracht haben." Meine Hände sind derart angespannt, dass ich den Inhalt der Avocado gleich rausdrücken kann. "Bitte nehmen Sie mir diese Freude nicht. Ich mag Sie wirklich." Scheiße. Das war nicht geplant. Ich will keine einzige Reaktion aus seinen Augen lesen und drehe mich sofort um. Ich muss mich ablenken. Warum habe ich zu viel erzählt? Ich schlage frustriert das Messer in den Kern der Avocado, ohne auf die Haltung meiner Hand zu achten und treffe meinen Daumen mit. Mein erschrecktes Japsen animiert Miran sofort zu mir zu kommen. Oh Gott, ich kann kein Blut sehen. Mein Gesicht dreht sich angestrengt weg. "Wird Ihnen schlecht?" Ich nicke. Mir wird sehr schlecht davon, aber wenigstens habe ich meine Avocado nicht kontaminiert.
In solchen Fällen sackt mein Blutdruck hinab, aber es ist unmöglich, wenn ich seine feste Oberkörpermuskulatur an meinem Rücken spüre. Mein Herz rast wieder - hoffentlich spritzt mir nicht gleich Blut aus der Wunde. Ich lasse mir die Avocado und das Messer abnehmen, wage es kein einziges Mal zu meiner Verletzung zu gucken, die er gerade inspiziert. "Es ist oberflächlich, aber es sollte desinfiziert werden." Ich fühle mich wie eine Privatpatientin bei diesem hübschen Mann. "Im Schrank über dem Waschbecken habe ich Pflaster und Desinfektionsspray." "Schaffen Sie es eine Sekunde allein zu bleiben?" Aber es ist so gemütlich an ihrer Brust. Er drückt mir ein Taschentuch an die Stelle und dreht mich daraufhin langsam zu sich. Ihm steht es, mich besorgt anzusehen. "Geht es?" Ich nicke. Solange ich nicht auf das Blut schauen muss, bleibe ich bei Bewusstsein und es dauert auch nur wenige Sekunden, bis er wieder zurück ist und mich aufs Sofa dirigiert. Es flattert in meiner Brust, als er meine Hand nimmt. Wie groß und gepflegt seine sind und wie toll sie mich verarzten können. Heirate mich, Hübschling. Ich halte das nicht mehr aus. Seine Finger streichen das Pflaster glatt, mit der sofortigen Wirkung, die mein Herz erblühen lässt. Ich bin versucht, mich wieder zu verletzen, damit er mich wieder so lieblich streichelt.
Seine hellen Augen treffen auf meine. "Geht es?" Mein Nicken ist nichts als ein winziges, schüchternes Bewegen meines pochenden Kopfs. "Sagen Sie mir, wie ich die Guacamole zu machen habe. Ich übernehme." Es ist ein halbes Liebesgeständnis für mich. Dieser Mann macht mich mit den simpelsten Sachen verrückt und glücklich. Auch wenn er nur noch die Avocado hinzugeben muss, weiß ich, dass meine Verbindungen zu ihm weiterwachsen werden. Er sieht wunderbar dabei aus, alles zusammenzurühren und ich könnte umkippen, als er die Schüssel zu mir dreht, um das finale OK zu bekommen. Wir sprechen kaum ein Wort miteinander. Vielleicht, weil er jemand ist, der weniger spricht, vielleicht aber auch, weil ich ihm gerade gesagt habe, dass ich ihn mag. Überlegt er vielleicht deshalb, mich zu feuern? Mir sackt jegliche Freude bei dem Gedanken zusammen. Da macht mich mein selbst gepresster Saft auch nicht glücklicher. "Sie machen ihn immer selbst?" Miran hält das Glas mit dem Orangen-Zitronen-Saft verdeutlichend hoch. Ich nicke. "Manchmal habe ich Schmerzen im Handgelenk, weil ich so viel davon mache, aber es lohnt sich." "Auch das Kümmern und Gießen der ganzen Pflanzen?" Er nickt verdeutlichend auf meine Monster deliciosa. "Absolut. Ich liebe all meine Pflanzen. Es sieht doch gut aus, oder?" Es schleicht sich wieder eine gewisse Nachdenklichkeit auf seine markanten Züge, als er die Pflanze betrachtet.
"Es passt zu Ihrer Lebhaftigkeit." Und schon wieder könnte ich wie eine Verrückte springen, strampeln und kreischen. Mein Lächeln ist da wirklich nur die Spitze des Eisbergs. "Danke." Ich stelle mein Glas wieder ab. "Wieso haben Sie keine Pflanzen?" "Ich habe keinen grünen Daumen. Vor Jahren hatte ich eine und diese ist innerhalb kürzester Zeit ausgetrocknet, obwohl ich sie täglich gegossen habe." "Das war der Fehler. Man geht davon aus, dass Pflanzen täglich gegossen werden müssen, aber das stimmt nicht und außerdem ist eine tote Pflanze das Düngemittel zum grünen Daumen. Nur so lernt man." "Also haben Sie auch viele Pflanzenseelen auf dem Gewissen?" "Nur zwei. Mein erster Mord war am gemeinen Efeu. Der Topf war zu klein und ich habe nicht umgetopft, aber sonst sind Pflanzen immer gut bei mir aufgehoben", gebe ich voller Stolz von mir. Meinen Pflanzen geht es gut, egal wo sie sind. Selbst die Orchideen im Büro sehen besser aus durch meinen Kauf. Miran lächelt deshalb. "Hier." Er schiebt mir den Teller mit den Spiegeleiern zu. "Entlasten Sie mich von dem Eigelb." Entlasten? Ich empöre mich kopfschüttelnd. "Sie verpassen alles Gute in Ihrem Leben, wenn Sie so weitermachen." Daraufhin schiebe ich die hartgekochten Eier zu ihm. "Entlasten Sie mich vom Eiweiß." "Befehlen Sie Ihrem Chef etwas?" "Meine Wohnung, meine Regeln. Das steht auch so im Arbeitsvertrag." Von dem ich kaum noch etwas weiß. Ich weiß nur, dass mein Herz jedes Mal ein Ticken schneller rast, sobald er mich anlächelt.
Ich hätte noch Stunden mit ihm frühstücken und noch Tage mit ihm in der Küche für den Abwasch stehen können. Oft war es ruhig zwischen uns, doch trotz der Angst, dass er meine Worte nicht vergessen hat, war es unglaublich beruhigend für mich. In der Luft wiegt eine angenehme Mischung aus Harmonie und Ausgeglichenheit, vermischt mit leichten Ansätzen seines Parfüms. Es tut mir im Herzen weh, dass er sich sein Jackett anzieht. "Moment." Bevor er geht, möchte ich ihm eine Flasche mit dem Saft auffüllen. So hat er etwas von mir bei sich. "Das ist für Sie. Sie mochten den Saft doch." Meine Hand zittert beim Übergeben der Flasche voller lächelnder Pflanzen mit Kulleraugen. "Passen Sie gut auf die Flasche auf. Das ist meine Lieblingsflasche." Seine Augenbrauen heben sich. "Und Sie vertrauen sie mir an? Ich fühle mich geehrt." Die Worte bleiben mir im Hals stecken, also nicke ich verstummt. Damit gewähre ich ihm nur noch mehr Einlass in mein tollpatschiges Herz. "Gehen Sie liebevoll mit der Flasche um." "Werde ich, Shirin. Machen Sie sich keine Sorgen." Okay. Ich sollte ihm nicht weiter im Weg stehen, wenn er zur Tür möchte, dennoch habe ich das Gefühl, wie eine Klette an ihm im Flur zu kleben. Sein Velassen macht mich traurig, aber spätestens morgen sehen wir uns.
"Dann bis morgen, Chef." Ich presse mich an den Rand der geöffneten Tür, hin- und hergerissen, mich in seine Arme zu werfen, als er sich verabschiedet. "Bis morgen, Shirin." Mein Blick senkt sich verlegen bei seinem schönen Aussehen und diesem unwiderstehlichen Lächeln. "Ja, bis morgen", murmele ich. Wenn er weiterhin hierbleibt, drückt sich das Holz in meine Lungen. Ich blicke noch einmal auf, um den letzten Augenblick seiner Präsenz in meiner Wohnung festzuhalten. Als er dann wirklich weg ist, gleite ich meine Wohnungstür hinab. Mein Herz pocht mir bis zum Hals. Meine Hormone drehen durch. Ich weiß nicht einmal mehr, ob er mein Schwarm ist oder ich mich wirklich in ihn verliebe, obwohl wir nur wenige intime Momente hatten. Aber daran sehe ich doch, dass nur wenige Momente reichen, um sich in das Herz des anderen zu schleichen. Doch da stoße ich schon auf die ernüchternde Frage: Habe ich denselben Effekt auf ihn? Ich fahre mir betrübt über mein Pflaster. Vielleicht findet er mich sympathisch und nett, aber mehr auch nicht. Vielleicht passe ich gar nicht in sein Beuteschema ... und das verletzt mich. Ich halte mir angestrengt den Kopf, weil ich kurz davor bin zu weinen. Das macht mich verdammt sensibel, wenn ich ehrlich bin. War ich vorhin zu ehrlich? Ich weiß es nicht.
Ich weiß nur, dass ich das Risiko eingehe, mich in Hände fallen zu lassen, ohne jegliches Wissen, aufgefangen zu werden.
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