Captive Glorestor
Wörter: 6130
Info: Dieser One Shot spielt irgendwann in Bruchtal.
Macil7 ich hoffe, er gefällt dir, du hattest dir vor ein paar Monaten - es sind heute auf den Tag genau 5 Monate - ja mal einen One Shot mit Glorestor gewünscht.
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Es war mit Abstand das schönste Gefühl, das er in seinem ganzen langen Leben gefühlt hatte. Erestor lachen zu sehen.
Sie waren in den Wäldern um Bruchtal herum spazieren und ein freches Eichhörnchen hatte Glorfindel soeben eine Nuss an den Kopf geworfen. Es war nicht das erste Mal, dass ihm das passierte. Deshalb fuhr er herum und funkelte das hinterhältige Tierchen drohend an. Doch sobald er Erestors Lachen hörte, erwärmte sich sein Herz und er vergaß all seine Wut.
Er drehte sich wieder zu Erestor um, der ihn hemmungslos auslachte und musste auch lachen. Jedem anderen wäre er böse gewesen, aber nicht ihm. Er brachte es schlichtweg nicht über sich. Es ging nicht.
Vor einer Stunde hatte er sich endlich getraut, ihn zu einem Spaziergang durch den Wald aufzufordern und er hatte die Einladung gern angenommen. Er hatte Erestor noch nie so locker und zufrieden erlebt.
Sein Herz machte Freudensprünge, als der Dunkelhaarige sein Lachen in den Griff bekam und ihn glücklich anlächelte. Die Sonne schien ihm ins Gesicht und ließ seine Augen noch mehr strahlen als sie es sowieso schon taten.
Ein seliges Lächeln schlicht sich auf Glorfindels Züge und er wäre am liebsten ewig hiergeblieben, um ihn anzusehen. Sie sahen sich einen wunderbaren Moment lang in die Augen bis Erestor schüchtern wegsah und demonstrativ eine kleine, leuchtend rote Blume betrachtete, die auf der Lichtung wuchs. Glorfindel folgte seinem Blick und trat neben ihn.
>>Magst du Blumen?<<, fragte er neugierig und Erestor zuckte zusammen, als hätte er gar nicht mitbekommen, dass er so nah neben ihm stand.
>>Was?<<
>>Du schaust die Blume jetzt schon ziemlich lange an.<< Glorfindel musste schmunzeln und Erestors Hautton passte sich der Farbe der Blume an.
>>Jeder mag doch Blumen.<<, versuchte er sich kleinlaut rauszureden und starrte weiterhin die Blume an.
Über die Verlegenheit des Elben leise lachend hockte Glorfindel sich hin und pflückte die Blume. Dann überreichte er sie mit einer leichten Verbeugung Erestor, dessen Augen freudig anfingen zu leuchten. Er schnupperte daran und schloss die Augen, um den Geruch besser genießen zu können.
>>Hast du das gehört?<<, fragte er irgendwann und sah abwesend zum Waldrand.
Glorfindel schüttelte den Kopf ohne seinen Blick von ihm zu nehmen. Er hörte überhaupt nichts. Nicht einmal die Vögel, die sonst ununterbrochen ihre Lieder sangen. Erestor wandte seine Aufmerksamkeit erneut der Blume zu.
>>Danke<<, sagte er bedächtig und sah lächelnd zu ihm hoch.
Glorfindel machte einen Schritt auf ihn zu und einen wunderbaren Moment lang sahen sie doch einfach nur in die Augen. Er war kurz davor, etwas zu wagen, das er sich schon seit Monaten wünschte, als Erestor sich erneut wegdrehte und in den Wald starrte.
Und dann hörte er es auch. Leises Knurren und zischendes Geflüster. Als würden sich versteckt zwischen den Bäumen zahlreiche Wesen aufhalten und sie beobachten.
>>Du hörst das auch, oder?<<, fragte Erestor nervös nach. Glorfindel antwortete nicht, sondern zog nur wortlos sein Schwert.
Dann tauchten die ersten Umrisse zwischen den Bäumen auf. >>Orks!<<, stellte Glorfindel grimmig fest und stellte sich vor den unbewaffneten Erestor, als die Orks aus dem Wald stürzten und sie angriffen. Was verdammt wollten die hier?
Endlich zahlte es sich aus, dass er immer ein Schwert bei sich hatte und die Orks, die es wagten ihn direkt anzugreifen, starben zuerst. Doch obwohl Glorfindel einer der mächtigsten Krieger Mittelerdes war, konnte er nicht gegen so viele Gegner auf einmal kämpfen. Und so sahen sie sich bald von Feinden umzingelt.
Leider musste selbst Glorfindel zugeben, dass er das allein nicht schaffen würde. Und Erestor war unbewaffnet auch keine sonderlich große Hilfe. Also gab er ihm sein Schwert und zog ein Messer. Mehr Waffen hatte er nicht dabei. Er hatte schließlich nur einen harmlosen Spaziergang machen und nicht in einen verdammten Krieg ziehen wollen.
Um das Schwert entgegen nehmen zu können, musste Erestor die rote Blume fallen lassen und sie landete lautlos auf der Erde.
Die beiden Elben hielten sich tapfer, aber irgendwann schaffte es ein Ork, Glorfindel das Messer abzunehmen, das sich in seinen Rippen verkeilt hatte. Und ohne Waffen war es alles andere als einfach, sich gegen den nicht enden wollenden Ansturm der Orks zu verteidigen. Geschweige denn sie zur Strecke zu bringen.
Als immer mehr Orks ihn umringten, sah er sich nach Erestor um. Aber der war leider selbst sehr beschäftigt und konnte ihm nicht zur Hilfe kommen. Glorfindel suchte nach einem Ausweg, war allerdings nicht erfolgreich. Er fluchte.
Dann unternahm er einen zaghaften Versuch, dem Ork, der ihm am nächsten stand, die Waffe wegzunehmen. Sehr zu seinem Pech war er wohl an einen ungewöhnlich intelligenten Ork geraten. Er durchschaute sein Vorhaben und machte im letzten Moment hastig einen Schritt zur Seite, sodass Glorfindel ins Leere stolperte.
Die umstehenden Orks nutzten die Chance, überwältigten ihn und hielten ihm sein eigenes Messer an die Kehle. Missmutig gab er es schließlich auf, sich zu wehren.
Ein Ork brüllte auf einer anderen Sprache einen Befehl und die Orks wichen schlagartig von Erestor zurück, der ihnen irritiert hinterher sah. Dann drehte er sich um und riss schockiert die Augen auf, als er realisierte, was gerade passiert war.
Er hob das Schwert höher und machte einen Schritt auf Glorfindel zu, doch der Ork drückte das Messer stärker an dessen Hals, sodass Erestor stehen bleiben musste. Glorfindel sog scharf die Luft ein, als es in seine Haut schnitt und er spürte, wie ein paar warme Tropfen Blut zähflüssig seinen Hals hinunterliefen.
Er bemerkte, wie Erestor die Zähne aufeinander presste, um nicht die Fassung zu verlieren. Glorfindel sah ihm an, dass er mindestens genauso gerne wie er selbst diese Orks zur Strecke bringen wollte.
Dann meldete sich der Ork zu Wort, der den blonden Elben festhielt. >>Wirf das Schwert weg oder ich zerfetze ihm die Kehle!<<, verlangte er mit dem unangenehmen Akzent seiner Art.
>>Bring dich in Sicherheit.<<, forderte Glorfindel Erestor auf, >>Ich komme schon klar.<< Das Messer an seinem Hals strafte ihn Lügen.
Der Blick des Dunkelhaarigen flog immer wieder zwischen den Orks um ihn herum und Glorfindel hin und her. Er suchte nach einer Möglichkeit, wie sie beide unbeschadet hier weg kommen konnten. Offenbar fand er keinen, denn als der Ork seine Forderung wiederholte, senkte er widerwillig das Schwert und ließ es schließlich zu Boden fallen.
Glorfindels Augen weiteten sich. Was tat er da? Wieso nutzte er diese Chance nicht? Er wollte nicht zusehen müssen, wie er diesen abscheulichen Kreaturen in die Hände fiel. Er warf ihm einen verständnislosen Blick zu, als einige Orks ihn fesselten und zu ihm brachten.
Bevor er etwas sagen konnte, erklärte Erestor entschlossen: >>Ich werde dich garantiert nicht hier zurücklassen.<< Glorfindel öffnete den Mund, um zu protestieren, aber er ließ ihn nicht zu Wort kommen. >>Auf. Gar. Keinen. Fall.<<
Mit großen Augen sah Glorfindel ihn an und wollte gerade etwas erwidern, als ein lähmender Schmerz durch seinen Kopf schoss. Erestors schockiertem Blick entnahm er, dass seine Vermutung stimmte. Diese elenden Orks wollten ihn bewusstlos schlagen. Aber nicht mit ihm, sagte er sich.
Während er verbissen gegen die Ohnmacht ankämpfte, aber die Welt unaufhaltsam anfing sich zu drehen, bekam er nur noch mit wie Erestor erschrocken seinen Namen rief und verzweifelt versuchte, zu ihm zu gelangen. Dann schenkte Glorfindel ihm ein beruhigendes Lächeln, bevor alles um ihn herum schwarz wurde und er das Bewusstsein verlor.
☆☆☆
Als er aufwachte, wurde er von hämmernden Kopfschmerzen in Empfang genommen. Er griff sich stöhnend an den Kopf und zwang sich mühsam dazu, die Augen zu öffnen. Er befand sich in einer Höhle. Es war feucht und bitterkalt. Das erste, das er darüber hinaus wahrnahm, war das Klirren von Ketten. Er sah hoch und erblickte Erestor, der sich trotz seiner Ketten bemühte, noch etwas näher zu ihm zu rutschen.
Um wieder halbwegs klar denken zu können, blinzelte Glorfindel ein paar Mal und setzte sich auf. Er sortierte seine Gedanken und versuchte Prioritäten zu setzen. Die unwesentlicheren Dinge würden warten müssen.
>>Geht es dir gut?<<, fragte er also, da ihm nichts wichtigeres einfiel als das.
>>Und das fragt ausgerechnet derjenige, der gerade aus einer Ohnmacht aufgewacht ist, nachdem er brutal von Orks zusammengeschlagen wurde?<<, antwortete Erestor mit einer Gegenfrage und lachte trocken. Dabei zuckte er mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen und Glorfindel saß auf der Stelle kerzengerade da. Was hatten sie ihm angetan?
>>Du hast Schmerzen?<<, stellte er alarmiert fest und sah ihn fragend an.
>>Sie wollen Informationen über Imladris und Lord Elrond. Über die Verteidigung.<<, erklärte Erestor und sah zu Boden, sodass ihm sein dunkles Haar ins Gesicht fiel. >>Sie haben mein Schweigen nicht sehr freundlich aufgenommen.<<
>>Was haben Sie mit dir gemacht?<<, wollte Glorfindel wissen und seine grenzenlose Wut ließ es weniger einfühlsam klingen als es ursprünglich gemeint war.
Statt einer Antwort hob Erestor bloß den Kopf und blickte ihn - das erste Mal seit er aufgewacht war - direkt an, damit Glorfindel sein verletztes Gesicht sehen konnte. Die kaltherzige Wut in den blauen Augen des Blonden wich Mitgefühl und Sorge.
Erst als er sicher war, dass keine der Verletzungen besonders gefährlich war, fragte er, wie lange er ohne Bewusstsein gewesen war.
>>Von gestern Abend bis jetzt.<<, vermutete Erestor und war froh, das Thema wechseln zu können. >>Ich glaube, es ist mittlerweile Nachmittag.<<
>>Du glaubst?<< Erestor hatte sonst ein ganz hervorragendes Zeitgefühl. Er stand immerhin jeden Morgen von ganz allein um Punkt 5 Uhr auf und Glorfindel hatte keinen blassen Schimmer, wie er das anstellte. Insbesondere fragte er sich, wie er es fertig brachte, immer so unglaublich früh aufzustehen.
>>Ja, ich glaube.<<, erwiderte Erestor leicht gereizt, >>Ich bin unsicher. Es war eine lange Nacht.<<
In diesem Moment schwor Glorfindel sich, jeden, der ihm etwas angetan hatte oder es noch tun würde, dafür bitter bezahlen zu lassen. Doch er sprach es nicht aus, da Erestor offensichtlich nicht darüber sprechen wollte und das respektierte er.
>>Wo sind wir?<<, fragte er also stattdessen, um von dem Thema abzulenken, aber er bekam bloß ein Kopfschütteln als Antwort. Keine Ahnung, sollte es wohl bedeuten.
Und wahrscheinlich würde sich daran auch sobald nichts ändern. Also beschloss Glorfindel, dieses Problem auf später zu verschieben und fing stattdessen an, probeweise an den Fesseln zu ziehen. Von beiden Händen lief je eine Kette aus grobem, dunklem Metall zur Wand hoch und dann weiter in eine Ecke, wo sie sich mit denen von Erestor trafen.
>>Das hat keinen Zweck.<<, meinte dieser niedergeschlagen.
Doch davon ließ Glorfindel sich jedoch nicht großartig beirren und zog weiter daran, bis er feststellte, dass hier tatsächlich nichts zu machen war. Erestor beobachtete ihn die ganze Zeit über mit hochgezogenen Augenbrauen und lächelte ihn müde an. Scheinbar amüsiert über die kläglichen Versuche des Blonden, sich zu befreien.
Leise fluchend gab Glorfindel auf und ließ seinen Kopf nach hinten an die kalte Steinwand fallen. Gönnte sich einen kurzen Moment der Entspannung. Wegen der schrecklichen Kopfschmerzen schloss er die Augen und wünschte sich, das Pochen in seinem Schädel möge einfach verschwinden.
Er zuckte erschrocken zusammen, als Erestor leicht seine Kleidung beiseite schob, die nur noch in Fetzen an ihm herab hing. Der andere sah ihn entsetzt an und erst jetzt bemerkte er, dass er Erestors Hand gepackt hatte. Verlegen ließ er ihn los und wartete darauf, dass Erestor zurückwich und sich abwandte.
Doch das tat er nicht. Es entstand lediglich eine kurze unangenehme Pause, bevor Erestor leise sagte: >>Du bist verletzt. Das muss versorgt werden.<< Er deutete auf das Blut, das an dem Rest von Glorfindels Oberteil klebte.
Bis gerade hatte er gedacht, es wäre nicht seines gewesen. Nun war er sich da nicht mehr so sicher. Da ihm sowieso alles wehtat – besonders der Kopf – konnte er absolut nicht sagen, ob geschweige wie schlimm er verletzt war.
>>Das geht schon.<<, log er. Sie hatten genug Sorgen und solange er vor Schmerz nicht wieder ohnmächtig wurde, würde er es schon aushalten. Seine Gesundheit war jetzt zweitrangig. Erst einmal mussten sie hier raus.
>>Lass mich dir helfen.<<, bat Erestor und ließ nicht locker, >>Bitte.<< Er sah ihn fast flehend an und Glorfindel wusste sofort, dass er nachgeben würde. Nie könnte er ihm etwas ausschlagen. Egal was.
Also nickte er und lehnte sich wieder an die Wand an. Ein selbstzufriedenes Lächeln auf den Lippen, das Glorfindels Schmerzen ein wenig linderte, entfernte Erestor die Überreste des Hemds. Schmunzelnd verkniff sich der Blonde eine anzügliche Bemerkung, als er Erestor kurz dabei erwischte, wie er ihn mit offenem Mund anstarrte.
Dann schloss er erneut die Augen und ließ zu, dass Erestor ihn verarztete. Obwohl er der Meinung war, dass dieser maßlos übertrieb und so tat, als stünde Glorfindel kurz vor dem Tod.
☆☆☆
>>Das reicht jetzt.<<, sagte er schmunzelnd, als Erestors Kopf bereits zum dritten Mal auf seine Schulter herab sank. Dagegen hatte er an sich zwar rein gar nichts, aber der andere sah aus, als könnte er kaum noch die Augen offen halten. Wie lange war er wach gewesen? Etwa seit gestern morgen? Das waren sicherlich über 30 Stunden. Kein Wunder, dass er todmüde war. >>Danke<<, fügte er noch hinzu, >>Du solltest dich jetzt auch ausruhen.<<
>>Nein, das passt schon.<<, erwiderte Erestor stur und versuchte vergeblich, sein Gähnen zu unterdrücken.
>>Du schläfst ja fast beim Reden ein.<<, stellte Glorfindel amüsiert fest, >>Schlaf ein paar Stunden. Bitte.<<
Ohne weiter zu protestieren – er hatte wohl nicht mehr genug Energie dafür – nickte Erestor und suchte nach einer halbwegs gemütlichen Schlafposition auf dem doch sehr ungemütlichen und wirklich kalten Steinboden.
Als seine Suche erfolglos blieb, legte Glorfindel irgendwann fürsorglich einen Arm um seine Schulter und zog ihn zu sich, sodass er mit dem Kopf auf seinem Schoß einschlafen konnte. Nach ein paar angespannten Herzschlägen, spürte er, wie Erestor sich entspannte und fuhr mit einer Hand durch dessen dunkles Haar.
Dann hob Erestor noch einmal den Kopf, damit er in Glorfindels blaue Augen sehen konnte. >>Danke<<, flüsterte er kaum hörbar, kuschelte sich an ihn und war innerhalb weniger Sekunden eingeschlafen.
Ein wenig überfordert, streichelte Glorfindel weiter sein Haar und sah gedankenverloren zu, wie es seidig durch seine Finger glitt. Währenddessen vollführte sein Herz Freudensprünge.
In den für ihn viel zu kurzen Stunden, die Erestor an ihn geschmiegt verschlief, hing er seinen Gedanken nach und versuchte verbissen, einen Weg zurück in die Freiheit zu finden. Er musste einfach einen finden. Schließlich saßen sie nur in dieser verdammten Höhle fest, weil er sich unbedingt von ein paar dahergelaufenen Orks hatte überwältigen lassen müssen. Sein Versagen war der einzige Grund dafür, dass Erestor nun in einer solchen Gefahr schwebte. Er konnte damit leben, sich selbst in diese Lage verfrachtet zu haben. Er war schon in weitaus aussichtsloseren Situationen gewesen und immer mehr oder weniger unversehrt entkommen.
Aber der bloße Gedanke, Erestor könnte etwas zustoßen und dann auch noch seinetwegen... Dieser Gedanke allein erfüllte ihn mit einer grenzenlosen Angst, die ihn beinahe lähmte. Er konnte kaum klar denken. Geschweige denn einen Plan ausarbeiten, um hier rauszukommen. Und wie sollte er so bitte seine Fehler wieder gutmachen? Er verzweifelte schon daran, herauszufinden, wohin der zweite Ausgang aus dieser Höhle führte, weil ihn diese unvorstellbare Angst förmlich niederdrückte.
Mit zitternden Händen fuhr er sich durch sein goldenes Haar und lachte traurig. Nie hätte er gedacht, dass es so dermaßen schwer war, solche Gefühle auszuhalten ohne sich vollkommen darin zu verlieren und durchzudrehen. Doch das war er nicht bereit zulassen.
Also nahm er sich zusammen und starrte in den dunklen Gang. Er lag gegenüber von dem anderen, der wahrscheinlich ins Freie führte. Doch anders als das Tageslicht, das vom Höhleneingang her gedämpft zu ihnen drang, erwartete sie in dem anderen Gang nur pures Schwarz. Oder besser gesagt würde diese Dunkelheit sie erwarten, falls es ihnen gelang, sich zu befreien, was momentan extremst fragwürdig war. Und dann war da auch noch die Frage, ob es überhaupt klug wäre, diesen Weg einzuschlagen. Sie hatten keine Ahnung, was sie dort erwartete, aber der Höhleneingang wurde mit Sicherheit bewacht und war daher keine wirkliche Option.
Auf einmal veränderte sich etwas in der absoluten Schwärze. Ein leichtes Flackern wie von einem Feuer. Glorfindel zwang sich dazu, seine aufkommende Verzweiflung beiseite zu schieben. Ihm war nur allzu bewusst, dass dieses Licht kein gutes Zeichen war. Denn Fackeln trugen sich nicht allein durch die Gegend.
Er wurde endgültig aus seinen Schuldgefühlen gerissen, als er das Geräusch von Schritten und die feindseligen Stimmen der Orks vernahm.
>>Erestor<<, flüsterte er und störte damit schweren Herzens dessen friedlichen Schlummer, >>Du musst aufwachen. Sie kommen.<<
Der Dunkelhaarige schlug die Augen auf und ließ sich von Glorfindel in eine aufrechte Position helfen. Sein Blick flog kurz zu dem Gang, in dem der dumpfe Fackelschein bereits zu einem blendend hellen Leuchten angeschwollen war.
Augenblicklich brachte er einen angemessenen Abstand zwischen sich und Glorfindel, damit man sie nicht mit ihrer Nähe zueinander erpressen konnte, wie Glorfindel begriff.
Keine Sekunde zu früh verbannte Glorfindel Verzweiflung und Angst aus seinem Gesicht und setzte eine undurchschaubare Maske auf.
Dann erschienen aus dem Gang zehn Orks. Ohne Fesseln hätten sie selbst mit Waffen kein sonderlich großes Hindernis dargestellt, aber so... Sie hatten ihre Gesichter zu grässlichen Grimassen verzogen, die entfernt an ein Lächeln erinnerten.
Einer von ihnen trat aus der Gruppe und machte sich an der Befestigung von Erestors Ketten zu schaffen. Als Glorfindel begriff, was er vorhatte, sprang er auf und stellte sich soweit wegen seiner eigenen Fesseln möglich vor ihn. Nur über seine Leiche würde er zulassen, dass sie Erestor mitnahmen.
Der Ork lachte ihn voller Spott aus und wollte an ihm vorbei gehen. Glorfindel beförderte ihn mit einem gezielten Tritt zu seinen Kumpanen zurück.
Die nächsten drei Orks hatten wohl aus den Fehlern ihres Kollegen gelernt und näherten sich ihm nun mit gezogenen Waffen. Ein grimmiges Lächeln schlich sich auf das Gesicht des Elben, bevor auch diese Orks quer durch den Raum flogen.
Ehe noch mehr Orks dieses Schicksal erleiden konnten, bellte einer von ihnen – er schien das Sagen zu haben – einen Befehl auf der gehässigen Zunge seiner Art und zwei von ihnen lösten sich aus der Gruppe. Sie gingen zu Glorfindels Verwunderung allerdings nicht auf ihn zu, sondern an ihm vorbei ans andere Ende der Höhle. Dort wo seine Ketten befestigt waren. Das war gar nicht gut.
Sein Herz überschlug sich fast vor Panik, als ihm bewusst wurde, dass er nichts tun konnte. Entweder er blieb wo er war und ließ zu, dass er an seinen Fesseln zurückgezogen wurde oder er verhinderte, dass die zwei Orks ihn zurückhalten konnten. Egal was er tat, er würde seine Position verlassen müssen und sie würden Erestor mitnehmen. Dieser war noch immer völlig fertig und würde sich nicht ausreichend wehren können. Glorfindel würde es schon wieder nicht verhindern können. Er würde erneut versagen.
Viel Zeit blieb ihm nicht, um großartig seine Chancen abzuwägen, also entschied er sich dazu, so lange es ging an Erestors Seite zu bleiben. Er funkelte die restlichen Orks mit Mordlust in den Augen an, aber sie grinsten ihn nur boshaft an.
Dann hatten die beiden Orks es geschafft, seine Ketten zu entwirren und mit einem enormen Ruck wurde daran gezogen. Glorfindel wurde nach hinten gerissen und konnte sich nur so gerade eben auf den Beinen halten. Er hielt dagegen, so gut er konnte, aber bald stand er mit dem Rücken so eng an der Höhlenwand, dass er sich kaum noch bewegen konnte. Für die Orks schien es nicht schöneres zu geben, als sich in seinem Leid zu suhlen.
Erst jetzt setzten sich die anderen Orks in Bewegung und zogen Erestor unsanft auf die Beine. Er unternahm einen halbherzigen Versuch, sich loszureißen, aber es hatte keinen Sinn.
Sobald sie ihn ans andere Ende der Höhle gebracht hatten, wurden Glorfindels Fesseln losgelassen. Obwohl er wusste, dass es zwecklos war, versuchte er verzweifelt, zu ihm zu gelangen. Er zerrte an den Ketten bis sie in seine Haut schnitten, aber sie gaben nicht nach. Erestor war so nah und doch konnte er ihn nicht erreichen.
>>Lasst ihn in Frieden!<<, schrie er in seiner Verzweiflung, erntete jedoch nur sadistische Schadenfreude.
Bevor man ihn endgültig in den dunklen Gang zerrte, blieb Erestor ein letztes Mal stehen und drehte sich um. >>Mach dir keine Sorgen. Ich halte das schon aus.<< Er schenkte Glorfindel ein leicht gezwungenes Lächeln. Er wusste, dass das nicht stimmte. Er wollte Glorfindel bloß beruhigen.
>>Lasst ihn in Frieden.<<, wiederholte dieser seine Forderung, die jetzt kaum mehr als ein erbärmliches Flehen war. Jeder Faser seines Körpers widerstrebte es, nichts tun zu können. >>Bitte!<<
Dann war Erestor weg und es wurde unerträglich still.
>>Bitte<< Glorfindel sank auf die Knie. Seinen tränenverschleierten Blick noch immer auf die Dunkelheit gerichtet, in der Erestor soeben verschwunden war. >>Bitte<<
Er war sich nicht sicher, wie lange er so an Ort und Stelle verweilte. Auf den Knien und noch immer in seine Fesseln gelehnt, während ihm die Tränen still übers Gesicht liefen. Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an, doch es konnten nicht mehr als ein paar Sekunden gewesen sein.
Schließlich zwang ihn eine Bewegung im Augenwinkel dazu, den Kopf zu heben. Zwei Orks sahen höhnisch grinsend auf ihn herab. Es waren die beiden, die ihn von Erestor weggezerrt hatten. Und Glorfindel war schmerzlich bewusst, warum sie ihren Kumpanen nicht gefolgt waren.
Sie fanden seinen Schmerz offenbar so amüsant, dass sie ihn nicht mit ihren Artgenossen teilen wollten. Sie fühlten sich wahrscheinlich unglaublich schlau wegen dieses genialen Plans. Wieso sollten sie sich auch damit begnügen, bloß bei der Folter des anderen Elben zuzusehen, wenn hier ein potentielles Opfer völlig unbewacht herumlag?
Doch da hatten sie nicht mit Glorfindel gerechnet. Denn dessen pure Verzweiflung wurde zunehmend zu unfassbarer Wut.
Also richtete er sich auf und sah den beiden Orks trotzig entgegen. Die Mühe, sich die Tränen wegzuwischen machte er sich nicht. Er musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht direkt auf sie loszugehen. Doch er schaffte es, seine Wut zeitweise zu zügeln und wich Schritt für Schritt zurück. Die Orks freuten sich darüber und lachten sadistisch.
Hätten sie etwas genauer auf seinen grimmig entschlossenen Gesichtsausdruck geachtet, wäre ihnen vielleicht aufgefallen, dass sein Handeln reine Taktik war. Er brachte Spiel in seine Ketten, um vernünftig kämpfen zu können. Denn außer diesen Ketten hatte er leider keine Waffen. Bis auf ihn selbst.
Von den zwei Orks ließ er sich zurück drängen, bis er wieder fast mit dem Rücken an der Wand stand. Danach blieb er sehr zum Verblüffen der Orks stehen und konnte sich ein überhebliches Grinsen nicht verkneifen. Sie tappten ihm direkt in die Falle. Die beiden wechselten einen kurzen Blick, unsicher was zu tun war.
Genau diesen kurzen Augenblick der Unaufmerksamkeit nutzte Glorfindel aus. Blitzschnell machte er einen Schritt auf den nächsten Ork zu und versetzte dem zweiten eine kräftigen Schlag, sodass er erstmal aus dem Weg war. Während dieser sich aufrappelte, wickelte er in einer fließenden Bewegung seine Kette um den Hals des ersten und zog die Schlinge zu.
Ehe die beiden begriffen hatten, was geschehen war, hatte Glorfindel schon die gebogene Klinge des jetzt heftig nach Luft schnappenden Orks an sich gebracht und hielt damit den zweiten Ork auf Abstand.
Der erste Ork angelte hektisch nach seiner Waffe und griff ins Leere, während der Elb, den er eigentlich hatte foltern wollen, seinen Körper als lebendigen Schild nutzte. Zu seinem großen Pech war sein Kumpane mit der Situation mehr als überfordert und nicht sehr treffsicher, was zur Folge hatte, dass er den Elben nicht einmal, seinen Kollegen dafür umso öfter traf.
Während die Kräfte des Orks stetig nachließen, zog Glorfindel die Kette bei jedem der rasselnden Atemzüge fester. Sobald er das Bewusstsein verloren hatte und erschlafft war, stieß Glorfindel den stinkenden Körper des Orks von sich, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben.
Anstatt außer Reichweite zu bleiben, wo er sicher gewesen wäre, ging der zweite Ork direkt auf ihn los, um seinen Kumpel zu rächen, was ihm einen recht schnellen Tod bescherte.
Anschließend ging Glorfindel sicher, dass der erste Ork auch wirklich tot war, damit er falls er doch noch lebte keinen Alarm schlagen konnte. Bei dem anderen war das nicht nötig, denn der lag gut verteilt in der Höhle und würde ganz sicher nicht mehr aufwachen.
Danach schaffte er es mit der Orkklinge, seine Fesseln abzuschlagen und verließ – nicht ohne sämtliche Waffen der Leichen mitzunehmen – die Höhle auf dem gleichen Weg wie die Orks, die Erestor verschleppt hatten. Mit eiserner Entschlossenheit, jeden zu töten, der Erestor angerührt hatte und einem Schwert in jeder Hand.
Der Tunnel war lang und dunkel und führte tiefer in den Fels hinein, als er vermutet hatte. In unregelmäßigen Abständen hingen Fackeln an der Wand, die den Gang bestenfalls spärlich beleuchteten. Und es war ungewöhnlich still. Viel zu still für Glorfindels Geschmack. Wo waren all die Orks hin? Er hatte da eine ganz schlechte Vorahnung und beschleunigte seinen Schritt abermals.
Am Ende des Gangs fand er den Eingang zu einer weiteren Höhle vor. Glorfindel hielt sich im Schatten verborgen und riskierte einen Blick. Dieser Raum war bedeutend größer als die Höhle, aus der er kam. Er war förmlich vollgestopft mit Orks, die sich hier um einen einzelnen, besonders großen Ork in ihrer Mitte versammelt hatten, der ihr Anführer zu sein schien.
Und vor diesem Monster kniete mit gesenktem Kopf Erestor, der von zwei weiteren Orks an Ort und Stelle gehalten wurde. Nicht um seine Flucht zu verhindern, sondern damit er nicht zusammen brach. Für einen schrecklichen Moment blieb Glorfindels Herz bei diesem Anblick stehen. Erestor atmete schwer und sah aus als würde er tatsächlich einfach in sich zusammen sacken, wären da nicht die zwei Orks, die ihn halbwegs aufrecht hielten. Der Großteil seiner Kleider lag zerfetzt auf dem Boden verteilt und ein paar kleinere Schnitte zogen sich über seinen Oberkörper.
Der große Ork brüllte eine unverständliche Frage, die wohl etwas mit Informationen über Imladris zu tun hatte. Erestor reagierte nicht und Glorfindel war sich unsicher, ob er einfach zu schwach war oder ob er geheime Informationen zurückhielt. Er hoffte inständig, dass letzteres der Grund für sein Schweigen war.
Einer der Orks, die ihn festhielten, riss Erestors Kopf am langen, dunklen Haar nach oben und fuhr ihn an, dass er gefälligst antworten sollte. Erleichterung durchflutete Glorfindel, als endlich der abwesende Ausdruck aus Erestors Augen wich und er dem Anführer der Orks stur entgegen blickte. >>Ihr könnt mich alle mal!<<, sagte er entschieden, rein gar nichts preis zu geben, aber man hörte die Erschöpfung deutlich aus seiner Stimme heraus.
Unter normalen Umständen hätte Glorfindel gelacht. Erestor fluchen zu hören, war wahrlich ein seltenes Privileg. Doch jetzt war er einfach nur stolz darauf, dass der Dunkelhaarige so tapfer durchhielt, obwohl ein Teil von ihm sich wünschte, Erestor würde reden. Nur damit sie ihn in Ruhe ließen und er nicht länger leiden musste. Aber das war keine Option. Weder für ihn noch für Glorfindel selbst. Niemals würden sie ihre Heimat oder ihre Freunde verraten.
Aus dem Schatten beobachtete Glorfindel, wie der große Ork die Hand hob und er wollte sich instinktiv schützend vor Erestor stellen. Doch er war viel zu weit weg. Er hätte es nie rechtzeitig durch den Raum geschafft, um bei ihn zu sein, bevor der harte Schlag des Orks ihn traf. Die Menge jubelte und Glorfindels Herz schrie ihn förmlich an, er solle etwas unternehmen. Sie durften ihm das nicht länger antun. Nicht ihm.
Dann warf er alle Pläne, sich unauffällig und taktisch klug zu verhalten, über Bord und trat aus den Schatten, die beiden Orkschwerter in den Händen und einen vor Wut rasenden Ausdruck in den blauen Augen.
Entschlossen dazu, nicht eines dieser elenden Monster hier lebendig wieder rauskommen zu lassen, stellte er sich in den schmalen Eingang der Höhle. >>Hört auf damit!<<, verlangte er drohend und wurde prompt ausgelacht.
Drei Orks unternahmen einen lächerlichen Versuch, ihn wieder gefangen zu nehmen und erlitten das gleiche Schicksal wie ihre zwei Kollegen von vorhin. Der Rest wich hektisch zurück.
>>Ich sagte,<<, wiederholte Glorfindel nun lauter, >>hört auf damit! Lasst ihn frei.<< Er deutete mit einem Schwert auf Erestor und sie wichen seiner Klinge aus. >>Sofort!<<
Schlagartig wurde es sehr still in der Höhle. Glorfindel nutzte die kurze Verwirrung und sah sich den Raum genauer an. Kein anderer Ausgang bis auf diesen. Keine Nischen oder mögliche Verstecke. Keine lästigen Hindernisse, die beim Abschlachten von diesem verabscheuungswürdigen Pack störten. Keine einzige Möglichkeit zur Flucht. Für niemanden.
Es gab nur die 20 bis 30 Orks, die sich jetzt zwischen ihm und Erestor aufbauten. Er erhaschte einen flüchtigen Blick auf Erestors erleichtertes aber vor allem besorgtes Gesicht, bevor sie die Reihen schlossen und somit den Blick auf ihn versperrten.
Er schaute in die hässlichen Fratzen der Orks, die ihn ängstlich – und teilweise wütend – anstarrten. Sie erkannten wohl das dunkle Blut ihrer toten Artgenossen, das noch nicht getrocknet war und auf seiner Kleidung glänzte.
>>Bringt mir seinen Kopf!<<, ertönte der Befehl des Anführers und die Orks setzten sich in Bewegung.
Ein erbarmungsloses Lächeln schlich sich auf Glorfindels Züge, als er den ersten Ork mit der Waffe seines Toten Kumpels von seinem erbärmlichen Schädel befreite.
☆☆☆
Glorfindel stand über dem letzten Ork, der es noch wagte, seine Waffe gegen ihn zu erheben, obwohl er schon am Boden lag. Einen triumphierenden Ausdruck im Gesicht stieß er seine Klinge durch das Herz des Orks bis in den Steinboden und wandte sich ab, noch bevor das Leben aus ihm wich. Er hatte Wichtigeres zu tun als Orks beim Sterben zuzusehen.
Danach drehte er sich zu Erestor um. Er wurde noch immer festgehalten. Doch der Anführer der Orks sah inzwischen gar nicht mehr so siegessicher aus, nachdem seine Leute allesamt dem Elben zum Opfer gefallen waren, der ihm entwischt war und dessen Freund sie entführt hatten.
Er musterte Glorfindel nervös und brüllte dann einen Befehl an die letzten beiden Orks. Diese ließen nun Erestor los, der auf der Stelle in sich zusammen sackte und sich gerade noch mit den Händen abstützen konnte, damit er nicht auf dem Steinboden aufschlug. Glorfindel spürte einen schmerzhaften Stich in seinem Herzen, als er ihn so sah. Gleich würde er bei ihm sein. Gleich würde er ihm helfen können.
Die zwei Orks waren ob des kürzlichen Ablebens ihrer Kumpane auffallend zögerlich. Aber sie schienen mehr Angst vor ihrem Anführer zu haben als vor dem mit dem Blut ihrer Freunde überströmten Elben. Sie waren leicht zu töten.
Leider hatte der große Ork die kurze Zeit genutzt, die der Kampf angedauert hatte und grinste ihn nun grausam an. Glorfindels Herz blieb fast stehen, als er sah wie er Erestor sein Messer an den Hals hielt.
>>Lass die Waffen fallen oder dein Freund stirbt!<<, fauchte er und ließ keinen Zweifel daran, dass er seine Drohung ohne zu zögern wahr machen würde.
Glorfindels Augen zuckten hin und her, während er nach einem Ausweg suchte. Er fand keinen. Er hatte schon wieder versagt. Schließlich blieb sein Blick an Erestor hängen. Doch dessen Ausdruck war weder verzweifelt oder wütend, sondern voller Vertrauen.
Fluchend schmiss Glorfindel die Schwerter auf den Boden. Er durfte Erestor keinesfalls noch mehr gefährden.
Der große Ork lachte überheblich. Böser Fehler. Er war sich seiner Sache viel zu sicher. Er hätte wissen müssen, dass jede noch so kleine Unaufmerksamkeit seinen Tod bedeuten konnte.
Im Gegensatz zu dem lachenden Ork wusste Erestor das sehr wohl. Er nutzte den kurzen Moment der Unachtsamkeit und befreite sich mit Leichtigkeit aus dessen Griff.
Als der Ork sich umdrehte und nach ihm greifen wollte, hob Glorfindel flink eines der Schwerter wieder auf und griff ihn unverzüglich an. Der überraschte Ork schaffte es mit Müh und Not, den Angriff abzuwehren und die Klinge von sich weg zu schieben. Glorfindel ließ ihm keine Zeit zu Verschnaufen und ließ seine Schwert erneut auf die Waffe seines Gegners niederfahren.
Mit jedem Schlag fiel es dem Ork schwerer, die Hiebe abzuwehren oder ihnen auszuweichen. Schließlich schaffte er es einmal nicht und schrie auf, als Glorfindels Klinge sich in seinen Bauch bohrte. Der Elb zog sie im nächsten Moment zurück und schlug ihm mit einer schwungvollen Bewegung den Kopf von den Schultern. Dieses Schicksal war Glorfindels Meinung nach noch viel zu gut für ihn.
Er wartete nicht bis er tot war, sondern stolperte zu Erestor, der an eine Wand geflüchtet war. Er kniete neben ihm nieder und schloss ihn wortlos in seine Arme. Eine Sekunde später schlang auch Erestor seine Arme um Glorfindel und für einen kurzen Moment war alles um sie herum egal.
>>Es tut mir so unsagbar leid.<<, brabbelte Glorfindel in das dunkle Haar seines Freundes und versuchte vergeblich seine Tränen zurückzuhalten. >>Ich hätte verhindern müssen, dass sie dir etwas antun. Dass sie dir wehtun. Ich habe versagt. Bitte verzeih mir.<<
Erst passierte gar nichts, doch danach löste Erestor sich aus ihrer Umarmung und sah ihm ins Gesicht. >>Du hast mir das Leben gerettet. Du hast nicht versagt. Ich bin dir unendlich dankbar, Glorfindel.<< Er schenkte ihm ein aufmunterndes und ehrliches Lächeln.
Der Blonde schüttelte verwirrt den Kopf. >>Aber sie haben dir wehgetan. Sie haben dich mitgenommen und ich habe nichts getan. Es ist allein meine Schuld, dass sie dir diese schrecklichen Dinge angetan haben.<<
Aber anstatt wütend auf ihn zu sein, nahm Erestor sanft und dennoch bestimmt sein Gesicht in die Hände. >>Nur dank dir werden sie nie wieder irgendjemandem Leid zufügen.<<, tröstete er ihn und sein Blick wurde noch etwas weicher. >>Jetzt wird alles gut.<<
Dann strich er ihm zärtlich über die Wange und wischte ihm so sacht die Tränen weg. Glorfindel sah ihn mit großen Augen an und er zog ihn nochmal in eine Umarmung und wartete geduldig ab, bis er sich beruhigt hatte.
Danach ließ er sich von Glorfindel auf die Beine ziehen und sie verließen gemeinsam die Höhle.
Als sie schließlich ins Freie traten, hatte die Dämmerung bereits eingesetzt. Und obwohl erst ein einziger Tag seit ihrem harmlosen Waldspaziergang vergangen war, kam es Glorfindel vor wie ein ganzes Leben. So viel war seitdem geschehen.
In der Ferne war das Heulen der Wölfe zu hören. Doch Glorfindel bemerkte es kaum. Er war viel zu beschäftigt damit, Erestor so gut wie möglich beim Laufen zu unterstützen, obgleich dieser behauptete, es würde ihm schon viel besser gehen. Glorfindel hätte ihn am liebsten getragen.
Erneut war das Heulen der Wölfe zu hören. Dieses Mal nicht mehr so weit entfernt. Das waren keine Wölfe, wurde es Glorfindel schlagartig bewusst. Nein, das waren Warge. Und Orks.
Glorfindel blickte zu Erestor. Dessen panischer Blick bestätigte seine Vermutung. Einen Herzschlag lang sahen sie sich in die Augen. Dann rannten sie los. Glücklicherweise ging es Erestor tatsächlich besser als befürchtet.
Sie wussten nicht genau, wie weit die Orks noch entfernt waren, aber ihnen war klar, dass ihr Vorsprung von Sekunde zu Sekunde nur so dahinschmolz. Sie mussten sich schleunigst etwas einfallen lassen. Doch selbst falls sie ein gutes Versteck fanden, würden die Warge sie aus einer Entfernung von mehreren Meilen wittern können.
Schließlich war es Erestor, der den rettenden Einfall hatte. Er zeigte auf eine Klippe. >>Wir müssen springen.<<
>>Bist du lebensmüde?!<<, entgegnete Glorfindel entgeistert.
>>Vertrau mir.<<, meinte Erestor bloß und nichts war Glorfindel je leichter gefallen.
Ohne weiter darüber nachzudenken lief er dem Dunkelhaarigen hinterher und sprang ohne zu zögern in den Abgrund. Sie fielen kurz und landeten dann mit einem lauten Platschen in einem See.
Das Wasser war bitterkalt und schnitt erbarmungslos in ihre Haut, während sie sich gegenseitig unter Wasser hielten, um sich nicht zu verraten. Sie tauchten eilig zur Klippe zurück und versteckten sich dort unter einem Felsvorsprung. Hier waren sie vor den Blicken der Orks verborgen, falls diese überhaupt gesehen hatten, wie sie gesprungen waren. Erst jetzt wagten sie es, wieder aufzutauchen.
>>Sind sie weg?<<, fragte Erestor und schnappte heftig nach Luft.
Bevor er noch etwas sagen konnte, hielt Glorfindel ihm den Mund zu und schüttelte den Kopf, während er ebenfalls versuchte, leise seine Atmung unter Kontrolle zu kriegen. Erestor wehrte sich nicht und blieb still, nachdem er seine Hand weggenommen hatte.
Als sie von oben das Fluchen der Orks hörten und wie es sich zügig entfernte, schwammen sie schließlich zum Ufer.
Schließlich standen sie tropfend wieder auf festem Boden und waren endlich in Sicherheit. Jetzt war es das erste Mal wahrhaft ruhig. Sie grinsten sich an.
>>Wir haben es geschafft!<<, freute sich Erestor und sah mit leuchtenden Augen zu Glorfindel auf. >>Ich...<< Er geriet ins Stocken als wüsste er nicht, wie er sich ausdrücken sollte und ließ den Kopf hängen.
>>Schon gut.<<, sprach Glorfindel leise und strich ihm das triefende Haar aus dem Gesicht, das wie dunkle Tinte durch seine Finger floss. Erestor blickte mit großen Augen zu ihm hoch und schien vergessen zu haben, was auch immer er hatte sagen wollen.
Dann machte Glorfindel einen letzten Schritt auf ihn zu und legte seine Lippen sanft auf seine. Sein Herz fing wie wild an zu klopfen, während sie sich küssten.
Nun wurde ihm klar, dass er sich geirrt hatte. Gestern hatte er sich geirrt, als er gedacht hatte, niemals glücklicher sein zu können. Denn das hier war das schönste Gefühl der Welt. Vielleicht würden im Laufe der Zeit noch schönere Gefühle dazukommen, aber er war sich ohne jeden Zweifel sicher, dass jedes einzelne davon in irgendeiner Art und Weise mit Erestor zu tun haben würde.
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So, das ist jetzt bestimmt schon der dritte oder vierte Glorestor One Shot, den ich angefangen habe. Aber den hier habe ich endlich auch mal fertig geschrieben.
Irgendwie ist er um einiges länger geworden als die anderen, aber er gefällt euch hoffentlich trotzdem.
Ich liebe dieses Ship einfach!
Übrigens ist der Titel eine Anspielung auf das Buch "Captive Prince" von C. S. Pacat. Habt ihr das zufällig gelesen? Es soll glaube ich ganz gut sein und ich will es demnächst mal lesen.
Macil7 hoffentlich kannst du dich überhaupt noch daran erinnern, dass du dir Glorestor gewünscht hast. Hat leider so fünf Monate länger gedauert, als geplant...
Eure LivielFinarfiniel ☆
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