Kapitel 4 - Remus (Foxy)
Der Zug pfiff und rauschte, doch es klang anders als sonst. Trostlos. Es fühlte sich falsch an, allein einzusteigen, sich allein eine Abteilung mit Sitzplätzen zu suchen.
Remus ließ sich auf einen der Sitze fallen und starrte aus dem durch die feuchte Septemberluft beschlagenen Fenster. Regentropfen rannen daran herunter. Ein Trauerspiel.
Sie konnten nicht ohne Sirius fahren. Es war falsch.
Aber seit er an jenem Morgen vor einer Woche aus dem Pub spaziert war, hatte Remus den Freund nicht mehr gesehen. Es war, als sei Sirius spurlos verschwunden.
Selbst, als Remus in Florean Fortescue's Eissalon vorbeiging, von dem Sirius gesprochen hatte, sagte man ihn dort, man würde keinen Sirius Black kennen. Remus hatte Florean angestarrt wie einen Wahnsinnigen. Die Freundesgruppe war schon oft in dem Eissalon gewesen und der gutmütige Ladenbesitzer kannte sie alle.
Und selbst wenn es nicht so gewesen wäre, hätte ihm kein Zauberer glaubwürdig versichern können, er wüsste nicht, wer die Blacks sind. Remus schloss daraus, dass Sirius ihn nicht sehen wollte.
"Na, wen seh ich denn daaa?", rief jemand enthusiastisch, während er die Abteilungstür aufriss. James Potter.
Er hatte sich kein bisschen verändert. Dieselben schwarzen Haare, die man nur mit sehr viel Fantasie Frisur nennen konnte.
Dieselbe runde Brille.
Dasselbe verschmitzte, leicht arrogante Grinsen, das jedes Mädchen zum Rot werden brachte, außer Lily Evans. Bei ihr löste es eher den Drang aus, den jungen Potter zu verhexen, wie Remus aus Erfahrung berichten konnte.
Gefolgt von Peter kam James nun hereingestürmt und fiel Remus um den Hals. So, als sei nichts gewesen.
Als seien sie nicht alle im Streit auseinandergegangen, nachdem Sirius sowohl Severus Snape als auch Remus in Lebensgefahr gebracht hatte.
James ignorierte es einfach und machte es unmöglich, die Kontaktaufnahme zu verweigern.
"Mooonnyyyy! Ich hab dich so vermisst! Du bist schon wieder gewachsen, oder?"
Remus schnappte nach Luft. "Du erdrückst mich, James!"
Zu seiner Erleichterung ließ ihn sein Kumpel nun endlich los und ließ sich ihm gegenüber auf den Sitz fallen.
Peter setzte sich mit einem grüßenden Nicken dazu.
"Wo ist Sirius?", wollte der pumelige Junge wissen. "Er hat sich den ganzen Sommer nicht gemeldet."
Remus schluckte. Sirius hatte den beiden also auch nichts erzählt. Dieser Mistkerl. "Er kommt nicht."
"WAS?!" Entsetzen war kein Ausdruck für das, was Peter und vor allem James ins Gesicht geschrieben stand.
Remus fühlte sich mehr als unwohl in der Situation. "Mir hat er es auch nur wie zufällig erzählt. Seine Eltern haben ihn enterbt, ich glaube, er ist abgehauen von Zuhause. Er meint, er hat kein Geld, sich Hogwarts noch zu leisten und will anfangen, in einem Eissalon zu arbeiten. Er - "
Remus verstummte, als James' Nase plötzlich direkt vor seiner hing.
"Du willst mir sagen", stieß dieser aus, "dass du davon wusstest und ihn nicht am Fuß hierher geschleift hast? Er hat dir erzählt, dass er die Schule abbricht, und du lässt ihn einfach machen?!"
Remus blinzelte und starrte verunsichert in James' Augen. "So war das nicht, ich -"
Peter zog James wieder zurück auf seinen Platz. "Was machen wir denn jetzt?"
Potter sprang sofort wieder auf, Remus noch immer fassungslos anfunkelnd. "Na, was wohl?! Sofort wieder aussteigen! Schnell, bevor sich der verdammte Zug in Bewegung setzt! Was seid ihr nur für Freunde?!"
***
Zweieinhalb Stunden später standen alle drei Freunde vor Florean Fortescue's Eissalon.
James starrte verbissen durch das Schaufenster und Remus bildete sich fast ein, eine wütende Rauchwolke über dem Kopf seines Freundes pfeifen zu sehen.
Er erstarrte, als er James' Blick in den Laden folgte und tatsächlich Sirius entdeckte, der mit einem halbherzigen Lächeln Eis ausgab. Heuchler. Er trug eine dunkelblaue Uniform, die mehr an einen stillosen Matrosen erinnerte, der sein Schiff verpasst hatte.
"Okay, Zugriff", knurrte James und sie betraten den Laden.
Ein leises Klingeln verkündete ihr Ankommen und Sirius wandte sich ihnen zu - und erblasste schlagartig.
"J-James. Was macht ihr denn hier, der Hogwarts Express ist doch schon längst abgefahren!", stammelte er und ließ seinen Blick nervös durch den Salon huschen.
Remus bemerkte, wie Sirius es vermied ihn oder James und Peter anzusehen.
"Was denkst du denn?", schnauzte James ihn an. "Dich abholen natürlich. Man kann doch wirklich keine Sekunde alleine lassen, du bist so ein -"
Es folgte ein zehnmütiger Wutausbruch, gespickt mit vielen nicht jugendfreien Ausdrücken, die zwei anwesenden Müttern die Schweißperlen auf die Stirn trieben. Sofort hielten sie ihren Kindern die Ohren zu, die James mit großen Kulleraugen anstarrten.
Nach fünf weiteren Minuten war die Gefahr für die gute Kindererziehung wieder gebannt.
Sirius war unter James' Worten immer kleinlauter geworden. "Schön und gut, dass du so eine starke Meinung dazu hast, aber das hilft mir nicht weiter. Ich hab kein Geld, Jamie, was soll ich machen?"
Auch darauf hatte James "Jamie" Potter, der Retter in der Not, wohl eine Antwort. "Mein Onkel ist gestorben."
"Was?", entfuhr es seinen drei Freunden.
Peter blinzelte erschrocken. "James, das tut mir-"
James winkte ab. "Jaja, danke, passt schon. Mein Punkt ist, dass er mir viel Geld vererbt hat, mit dem du die nächsten zwei Schuljahr locker bezahlen kannst, Padfoot. Und wohnen kannst du auch bei mir, Mum wird sich freuen."
Remus wechselte einen Blick zwischen James und Sirius.
Die beiden starrten sich an, schienen wortlos einen Dialog zu führen, den Außenstehende nicht verstehen konnten. So war es schon immer gewesen.
Es gab Sirius plus James, James plus Sirius, und dann nebenbei noch Remus und Peter. Potter und Black hatten eine Freundschaft, die Remus sich nicht einmal erträumen konnte. Es war leicht, zwischen ihnen unterzugehen.
"Nein, James. Das nehme ich nicht an."
Anklagend drehte sich James zu Remus. "Sag du doch auch mal was, Moony!"
Remus hob nur eine Augenbraue, kam der Aufforderung dann jedoch nach. "Sirius, die Uniform ist scheiße und steht dir wirklich schrecklich."
Sirius verschränkte gekränkt die Arme. "Na danke, du mich auch."
Jemand räusperte sich hinter den Freunden und erregte ihre Aufmerksamkeit. Ihre Augen wurden groß.
Die Frau, die vor ihnen stand, war ihnen nur allzubekannt, geliebt und vergöttert, aber auch gefürchtet für ihre Strenge und ihre Prüfungen. "Auf die Erklärung bin ich gespannt", sagte sie spitz.
"Professor McGonagall!", japste Peter und versteckte sich hinter Remus.
Dem war der Mund aufgeklappt. "Sollten Sie nicht in Hogwarts sein?"
McGonagalls Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. "Dasselbe könnte ich Sie Vier fragen. Was soll das hier? Ich denke, ich muss nicht erwähnen, dass das Nachsitzen bedeutet. Für Sie alle, ausnahmslos!"
Remus öffnete den Mund, klappte ihn jedoch wieder zu. Es war nicht seine Aufgabe, die Situation zu erklären. Diesmal war Sirius an der Reihe.
Das wusste Black wohl auch, denn: "Ich kehre nicht zurück nach Hogwarts, Professor. Ich habe kein Geld dafür, ich kann es nicht bezahlen. James, Remus und Peter haben den Zug verlassen, um mich zu überreden, doch noch meine Meinung zu ändern. Aber ich kann nicht."
Er klang traurig. Müde. Resigniert. Fast schon mitleidserregend, wenn er nicht Sirius Black gewesen wäre.
McGonagall schnaubte. "Mister Black, ich will Sie ja nicht enttäuschen, aber das Schulgeld für Ihre letzten zwei Jahre in Hogwarts wurde bereits in einem einmaligen Betrag vorgelegt. Und nun kommen Sie. Allesamt! Ich werde nicht Ihretwegen das Festmahl verpassen."
James fiel Sirius jubelnd um den Hals, der verblüfft erstarrt war, während die Lehrerin sie aus dem Eissalon hinausscheuchte.
Remus blieb zurück.
"Kommen Sie, Mister Lupin", drängte Professor McGonagall ihn und er trat langsam auf sie zu.
"Professor?", fragte er flüsternd, bedacht, dass nur sie seine Stimme vernehmen konnte.
Sie sah ihn abwartend an und er nahm es als Aufforderung, weiterzusprechen. "Das waren Sie, oder? Das Geld? Sie haben Sirius die Schulausbildung bezahlt, oder?"
Die Lehrerin schwieg für einen Moment, bevor sie antwortete. "Mister Black soll es unter keinen Umständen erfahren, hören Sie, Lupin?"
Remus nickte erleichtert und folgte ihr aus dem Eissalon - auf den Weg zurück nach Hause. Zurück nach Hogwarts.
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