Kapitel 4 - Chris - neue Familie
Chris rannte.
Das war das einzige, was er gerade tun konnte.
Er musste diesen Gestalten entkommen.
Sie hatten ihn verwechselt.
Ihn für jemand anderen gehalten und wollten ihn gefangen nehmen.
Es war ihm ein Rätsel, wie er entkommen war.
Er war leise gewesen, aber ausschließen, dass ihm jemand folgte, konnte er nicht.
Jetzt lief er so schnell, wie ihn seine Füße trugen.
Unter sich konnte er immer wieder das Knacken von Ästen hören, die unter seinem Gewicht zerbrachen.
Hoffentlich waren sie nicht zu laut.
Nach jedem zweiten Schritt vergewisserte er sich, dass niemand hinter ihm war.
Vor ihm lichtete sich der Wald leicht.
Er brach aus dem Gebüsch heraus, stolperte und fiel auf seine Knie.
Krampfhaft versuchte er Luft in seine brennenden Lungen zu bekommen.
Chris hob seinen Blick und zwei Zauberstäbe waren auf sein Gesicht gerichtet.
Sein Blick wanderte zu den Trägerinnen herauf und für einen Moment blieb ihm die Spucke weg.
Ihm waren noch nie Zwillinge zu Gesicht gekommen, die sich derart ähnlich sahen, mit dem Unterschied, dass eine von ihnen deutlich kleiner war.
Er wollte sich räuspern und etwas sagen, aber eines der Mädchen kam ihm zuvor: "Wer bist du?"
Ja?
Wer war er?
Seinen echten Nachnamen konnte er ihnen niemals sagen, ebenso wenig wie den Nachnamen seiner Mutter.
Vielleicht war der Name seines Vaters eine bessere Idee?
"Christiano Gambol, aber Chris reicht."
Die Reaktion dieser Worte schlugen bei den beiden Mädchen ein, wie eine Bombe.
Die kleinere der beiden starrte ihn einfach nur entgeistert an, während die zweite begann jeden einzelnen seiner Gesichtszüge zu mustern.
Sie flüsterte ihrer Schwester etwas zu und diese nickte, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
"Beweise es," die Stimme des kleineren Mädchen drang an ihn heran und er schluckte.
Er besaß keinen Ausweis oder der gleichen.
Da fiel ihm etwas ein.
Er hatte das Bild.
Dort stand der volle Name drauf.
Vorsichtig nahm er es aus seiner Tasche heraus und hielt es den beiden Mädchen hin: "Mein Vater. Alexander Gambol."
Er zeigt auf den Schriftzug am unteren Bildrand.
Die Ähnlichkeiten in ihren Gesichtern waren deutlich zu erkennen, das mussten sie einfach sehen.
Tatsächlich warf die rechte der beiden einen Blick darauf und schüttelte dabei den Kopf: "Wie viele sollen das denn noch werden?"
Was meinte sie damit?
Sein Blick glitt über die Lichtung und der Körper eines Jungen kam im Hintergrund in Sicht.
Er lag auf dem Boden und schien zu schlafen.
Chris Blick ging zurück zu den Mädchen und er begann ihre Gesichtszüge genauer zu inspizieren.
Sie glichen einander.
Nein, nicht nur das.
Sie glichen den seinen?
Ja, die Gesichtszüge und die Augen.
All die Dinge, die er von seinem Vater geerbt hatte, fanden sich auch an diesen beiden Mädchen wieder.
War es vielleicht das, waren sie verwandt und hatten den Namen seines Vaters erkannt?
"Wer seid ihr?" vielleicht konnte ihm das Aufklärung dazu schaffen.
Beide warfen sich einen bedeutsamen Blick zu und nickten fast synchron, bevor die Größere das Wort ergriff: "Mein Name ist Patricia Gambol und das hier neben mir ist meine Zwillingsschwester Josephine."
Der gleiche Nachname.
Sie mussten verwandt sein.
Die andere Schwester beantwortete das schnell: "Wir haben den gleichen Vater, wie du."
Diese beiden Mädchen dort, waren seine Schwestern.
Erst schüttelte er nur ungläubig den Kopf, dann kam ein leichtes Lächeln über seine Lippen.
Er hatte noch eine Familie.
Vielleicht konnte er hier glücklicher werden.
Der Wald zog an ihnen vorbei.
Sie liefen nun schon mehrere Stunden in Richtung Norden, auf der Suche nach einem bestimmten Ort.
Patricia lief an der Spitze ihrer Gruppe und schaute immer wieder auf ein kleines rundes Ding in ihrer Hand.
Was genau es war, wusste er nicht, aber es schien ihr zu sagen, in welche Richtung sie zu laufen hatten.
Hinter ihr lief seine andere Schwester, das hörte sich für ihn immer noch unfassbar surreal an.
Ihr Zauberstab zeigte auf eine Trage, die zwischen ihnen schwebte.
Auf ihr lag Levin, der vierte in ihrem Bunde.
Ihm ging es schlecht und sein Zustand verschlechterte sich mit jedem Schritt den sie gingen.
Er schien Schmerzen zu haben, denn regelmäßig stieß er Laute aus, die genau darauf schließen ließen.
Sein Körper bebte und der Schweiß stand auf seiner Stirn.
Irgendein Zauber hatte ihn getroffen und in diesen Zustand versetzt.
Niemand wusste wie man ihn da wieder herausbringen konnte.
Es wurde gerade dunkel, als sie eine Lichtung erreichten.
Patricia hielt an und drehte sich zu ihnen um: "Ich würde sagen, wir übernachten hier."
Nickend unterdrückte Chris ein Gähnen.
Sie waren den gesamten Tag gelaufen.
Josie tat es immernoch und murmelte leise Zauber vor sich hin, vermutlich einige Schutzzauber.
Er selbst zog ein kleines Zelt aus seinem Rucksack.
Vorsichtig legte er das Leinen auf dem Boden aus und begann die einzelnen Verstrebungen ineinander zu stecken.
Nach wenigen Augenblicken gesellte sich ein zweites Paar Hände dazu.
Während Josie sie sehr fasziniert auf das schaute, was sie da taten, schien Patricia genaustens Bescheid zu wissen.
Gemeinsam ging es wirklich schnell bis es stand.
"Da passen wir aber niemals alle rein," die größere der beiden Schwestern schaute skeptisch auf das kleine Zelt.
Er lächelte ihr nur zu: "Magie"
Gemeinsam betraten sie das Zelt und in seinem Inneren erwartete sie eine volleingerichtete Wohnung für sechs Personen.
Der Anblick der Einrichtung versetzte ihm einen Stich ins Herz.
Das hier erinnerte ihn alles an zu Hause.
Die tiefroten Teppiche und die helle Bettwäsche waren aus ihrem Haus übernommen und an der einen Wand hingen Bilder seiner Familie.
Er drehte sich um.
Die beiden Mädchen waren wieder aus dem Zelt verschwunden und er nutzte die Zeit, um alle Fotografien von den Wänden herunterzunehmen und unter seinem Bett zu verstauen.
Die letzten Wochen hatte er ihren Anblick irgendwie noch beruhigemd gefunden, aber jetzt begann ein Neues Leben für ihn, in dem diese Leute nichts mehr zu suchen hatten.
Trotz des schwülen Sommerabends, kroch die Kälte Chris' Wirbelsäule hinauf.
Sie waren schon seit Stunden fort.
Jede Minute, jede Sekunde die verstrich erhöhte die Gefahr.
Seit zwei Tagen waren sie in diesem Wald.
Jeden Tag hatte sich jemand auf den Weg gemacht, Hilfe zu finden, doch erfolglos.
Dabei hatten sie sie noch nie dringender gebraucht, als in diesem Moment.
Er spürte jeden Herzschlag in seiner Brust.
Im Moment war es das einzige, woran er sich klammern konnte.
Sein Körper hatte angefangen zu zittern.
Was würde passieren, wenn das hier nicht gut ausging?
Was sollten sie dann tun.
Halt.
Daran durfte er gar nicht erst denken.
Er hatte diese Menschen vor drei Tagen kennen gelernt, eine Familie gefunden und sie waren jetzt schon mehr, als er sich je zu träumen gewagt hatte und sie hatten es soweit geschafft, irgendwie würden sie an ihr Ziel kommen.
Ein lautes Stöhnen zog ihn aus seiner Gedankenwelt zurück in die wirkliche.
Er schaute auf.
Dort lag er.
Die Schweißperlen liefen über seine Stirn und er stöhnte von den Schmerzen, die ihn durchzogen.
Er schritt die wenigen Schritte durch das Zelt an ihn heran und griff nach seiner Hand.
Sie war eiskalt, aber die Berührung schien ihn etwas zu beruhigen, dennoch konnte Chris sehen, wie sein Körper kämpfte.
Wie lange würde er noch durchhalten?
Wenn nicht bald etwas geschah, dass auf eine sofortige Hilfe hoffen ließ, dann wusste er, was die Antwort war.
"Dort vorn ist es schon," Chris schreckte hoch.
Sein Kopf war auf die Liege vor ihm gesunken.
Er musste eingenickt sein, aber diese Stimme, war die wirklich gewesen?
Das musste sie.
Er hatte deutlich die Stimme einer seiner Schwestern gehört.
Waren sie endlich zurück?
Er stand auf und trat an den Eingang des Zeltes heran.
Vor ihm lag nur der dunkle Wald.
Hatte er sich das ganze nur eingebildet?
Er wollte sich gerade wieder umdrehen, als er ein Licht aufblitzen sah.
Sein Blick glitt zurück und tatsächlich da kamen sie.
In seiner Brust kroch ein seltsames Gefühl hoch.
Es konnte das beste und das schlechteste bedeuten, dass sie jetzt kamen.
Der Ausdruck der Sorge hatte wohl in seinem Gesicht gestanden, denn plötzlich begann Josie zu lächeln und zu nicken.
In seiner Brust löste sich etwas und er hatte das Gefühl endlich wieder richtig durchatmen zu können.
Er stützte sich an den Balken, der am Eingang stand.
"Chris, wir haben etwas gefunden. Dort geht es aus dem Wald raus und da steht das Schloss," erleichtert atmeten sie beide aus.
"Wir müssen uns beeilen. Ich weiß nicht wie lange er noch durchhält," in seiner Stimmr schwebte Panik mit, aber Josie nickte.
Die beiden betraten das Zelt, in dem bereits Patricia stand und Dinge einpackte.
"Josephine, kümmerst du dich um Levin? Dann packen Chris und ich hier alles andere zusammen," diese nickten und räusperte sich: "Und nenn mich nicht Josephine."
Die Angesprochene schüttelte nur den Kopf und Chris grinste.
Schweigend machten sie sich an die Arbeit.
Die kurzzeitige Freude, die ihn durchfahren hatte, ließ nach und machte wieder Platz für die Kälte.
Was, wenn sie es nicht schaffen würden?
Es hing so viel daran.
"Patricia, Chris, ich kriege ihn nicht hoch, kann einer von euch mir hefen?" Josies Stimme klang bittend, fast flehend.
Er nickte sofort, was war das für eine Frage?
Patricia war der gleichen Meinung und nickte ihnen zu: "Chris, Josephine, bringt ihn raus, dann kann ich auch alles andere hier deutlich beschleunigen."
Sie nickten.
Jeder von ihnen legte sich einen Arm über die Schulter und hoben ihn an.
Eigentlich war es mehr Chris der ihn trug.
Er war schon groß, aber Levin überragte sie alle.
Insbesondere Josie war winzig gegenüber ihm und konnte nicht viel tun, außer ihn an der Hüfte unterstützend zu tragen.
Chris spürte seine Körperwärme.
Er glühte.
Draussen hatte Josie bereits eine Trage bereit gelegt, auf der sie den Jungen nun vorsichtig ablegten.
Mehr als ein leises Stöhnen gab er nicht von sich.
Besorgt blickte sie auf ihn hinab.
Sie musste hoffen, sie konnten es schaffen.
Der Wald schien kein Ende zu nehmen.
Unendlich viele Bäume reihten sich aneinander.
Sie hatten kein Wort miteinander gesprochen, seit sie aufgebrochen waren.
Schweigend gingen sie hintereinander.
Josie hatte sich daran gemacht, sich um Levin zu kümmern.
Doch die frische Luft schien ihm gut zu tun.
Er atmete viel freier als davor und seine Brust hob und senkte sich ein wenig gleichmäßiger als noch Stunden zuvor.
Das ließ sie etwas durchatmen.
Er lebte noch und solange das der Fall war, konnten sie weiterhin etwas für ihn tun.
"Wir sind da," Patricias Stimme von Anfang des Zuges ließ ihn aufschauen.
Am Liebsten hätte er aufgeschrien vor Freude.
Ein großes mittelalterliches Schloss erhob sich über einem dunklen See.
Sie hatten es geschafft, dass musste die Schule sein, von der seine Schwestern geprochenen hatten.
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