Kapitel 15 - Nihilla - keine Wahl
Die Flure der Schule waren leer, als Nihilla sich ihren Weg in Richtung des Ausgangs suchte.
Leise konnte sie bereits die Stimmen der Massen an Schülern in der großen Halle hören.
Es war gut, dass sie alle dort waren und niemand in den Fluren, der sie erwischen konnte, hoffentlich galt das auch für die Lehrer.
Ihre Tasche hatte sie magisch verkleinert und in die Bauchtasche ihres Pullovers gesteckt.
Er war schwarz, dunkel genug um vom Schloss unsichtbar zu sein.
Erst recht im Wald würde sie so keiner erkennen.
Nur jetzt in der Schule bot die Farbe wenig Schutz.
Dafür waren die Gänge zu hell erleuchtet.
Sie versuchte so gewöhnlich wie immer auszusehen.
Schließlich war es nicht verboten um diese Uhrzeit noch einen Nachtspaziergang zu unternehmen und den Rest musste ja schließlich keiner wissen.
Vermutlich würde sie auch jeder für das verrückt halten, was sie hier taten.
Doch hatten sie eine Wahl?
Josie und Chris waren Menschen mit denen sie verbunden war, irgendwie.
Insbesondere durch die Tatsache, dass nicht mal ein Jahr Altersunterschied hatten, was vermutlich nicht jeder von sich behaupten konnte.
Was auch immer ihr Vater damals getrieben hatte, es war seltsam, auch wenn sie jetzt zweifelsohne froh war, diese Menschen zu haben.
Die letzten Monate waren gefüllt mit wundervollen Erinnerungen.
Sie hatten einen riesigen Fehler begangen und dann diese Menschen hier als ihr Schutzschild verwendet, doch dann waren sie mehr geworden.
Die innigen Gespräche mit Josie und ihr dasein als Zwillinge.
Es war schön gewesen und hatte irgendwie Spaß gemacht.
Sie hatte nie jemanden an sich heran gelassen und jetzt erkannte sie erst, was sie daran hatte.
Josie war das beste Mensch, den sie in der letzten Zeit kennenlernen durfte.
Vermutlich auch der Nervigste, aber das war nun auch der Grund warum sie dieses Mädchen nicht einfach ihrem Schicksal überlassen konnte.
Sie musste ihre Schwester retten, egal um welchen Preis.
Die Vorraum der Großen Halle war leer, als sie die Stufen vom Gemeinschaftsraum hinaufstieg.
Vorsichtig trat Nihilla aus dem Schatten.
Die Türen waren nur angelehnt, aber das laute Stimmengewirr und das Geklapper von Geschirr ließ keinen Zweifel daran, dass noch gegessen wurde.
Dennoch bedacht auf ihre Schritte bewegte sie sich zum großen Portal fort, als eine bekannte Stimme sie zum Stehen brachte: "Und Sie glauben wirklich, dass Professor Dumblesore mich um diese Uhrzeit noch sehen möchte?"
Eine weitere ihr bekannte Stimme antwortete: "Keine Diskussion Mister Gambol, Sie kommen jetzt mit mir und selbst wenn der Schulleiter dann beschließt das Gespräch auf Morgen zu verschieben, so möchte er sie jetzt zumindest sehen, also befolgen wir diese Anweisung."
Ihr Blick wanderte zur großen Marmortreppe hinauf.
Und tatsächlich, am obere Ende standen Levin und Professor Crowley sich direkt gegenüber und starrten sich an.
Das hatten ihnen wirklich noch gefehlt.
Für einen kurzen Moment kreuzten sich ihre Blicke und Levin versuchte mit seinen Augen irgendetwas zu sagen, aber der Augenblick war zu kurz um seinen Blick zu deuten.
Eine weitere Interaktion war ebenfalls nicht möglich, da er und ihr Professor begannen die Treppen hinaufzusteigen.
Was sollte sie jetzt tun?
Es wäre wohl die beste Möglichkeit unbemerkt abzuhauen.
Aber wenn sie jetzt verschwand, würde sie die anderen drei im Stich lassen.
Ohne ihren Bruder konnte sie den Ort nicht finden, an dem sich die anderen beiden aufhielten und ohne den Ort zu finden, würde sie sie auch unmöglich retten können.
Sie könnte zurück in den Gemeinschaftsraum gehen und dort auf ihn warten in der Hoffnung, dass es schnell gehen würde.
Andererseits könnte sie ihnen auch folgen und irgendwie versuchen Levin aus dem Büro rauszuholen mit irgendwelchen Zaubern.
Das würde mit einem Dumbledore zwar sehr schwer werden, aber versuchen musste sie es irgendwie.
Denn einfach die Zeit hier in Hogwarts zu vergessen und ihre Geschwister im Stich zu lassen, dass konnte sie nach den letzten Wochen einfach nicht.
Es war wirklich still im Schulhaus als sie in Richtung des Büros von Professor Dumbledore schlich.
Die Schritte der beiden Männer in ihrer Nähe konnte sie immer hören.
Sie wusste, dass sie Passwort brauche würde, um hinter den goldenen Greif zu kommen.
Denn das war schon bei ihrem ersten Mal in diesem Schloss gewesen.
Ironischerweise war es auch damals Professor Crowley gewesen, der sie dorthin geführt hatte.
Genau wie jetzt auch.
Obwohl er davon wohl nichts ahnte.
Keiner der beiden war bisher stehen geblieben, also schien sie auch niemand bemerkt zu haben.
Levin hatte sie war an der Treppe gesehen, aber vielleicht glaubte er, dass sie zurück in den Gemeinschaftsraum verschwunden war oder einfach abgehauen.
Die Möglilchkeit bestand noch.
Sie war noch unbemerkt.
Niemand würde es mitbekommen, wenn sie sich jetzt umdrehen und verschwinden würde.
Untertauchen wäre möglich.
Die Flucht aus diesem Land in ein anderes.
Weg von den Behörden, weg von ihren Taten.
Untertauchen und sich nicht mehr mit den Themen beschäftigen.
Das hörte sich verlockend an, zu verlockend.
Die ganze Welt würde ihr offen stehen mit einer neuen Identität oder etwas Ähnlichem.
Ein neues Leben fernab dieses ganzen Stresses.
Aber sie würde Menschen im Stich lassen.
Menschen die vermutlich in diesem Moment gefoltert und eingesperrt wurden und sie hatte die Möglichkeiten ihr Leben zu retten.
Denn würde sie jetzt verschwinden, dann klebe Blut an ihren Händen und es wäre nicht das ihre.
In Gedanken hatte sie nicht darauf geachtet wohin sie ging und plötzlich befand sie sich mitten in einem Gang ihrem lächelnden Verteidigungslehrer gegenüber.
"Miss Gambol, ich hatte schon gehofft, dass Sie zu uns finden, ohne das wir einen Suchtrupp losschicken müssten. Professor Dumbledore möchte auch mit Ihnen prechen."
Und damit war sie gefallen.
Ihre Entscheidung.
Jegliche Möglichkeiten jetzt noch ohne viel Aufsehen einfach zu verschwinden, waren erstmal verpufft.
Sie nickte ihrem Lehrer nur zu, antwortete aber nicht auf seine Aussage.
Was sollte sie auch sagen?
"Ich muss ehrlich gestehen, ich dachte kurz, dass du dich einfach aus dem Staub machst," Levin war an sie herangetreten und murmelte ihr die Worte ins Ohr.
"Das habe ich für einen Moment selbst gedacht," Nihilla konnte die Worte nicht aufhalten, sie flossen einfach aus ihrem Mund bevor sie genauer darüber nachdachte.
Andererseits hatte sie ihm schon ganz andere Geständnisse gemacht, da war das hier fast schon lachhaft.
Aber vermutlich nicht das worüber sie gerade nachdenken sollte.
Professor Dumbledore war nicht dumm.
Was wenn er bescheid wusste?
Was wenn er ihre letzten Geheimnisse einfach verriet?
Sie hatte so viele Monate diese Mauer aufrecht erhalten und sie werde sie nicht jetzt in den letzten Momenten zum Einsturz bringen lassen.
Dafür war sie zu weit gekommen, hatte zu viel riskiert und zu viel aufgegeben.
Nicht auch noch das.
Sie hatten kein weiteres Wort miteinander gesprochen bis sie das Büro des Schulleiters erreichten.
Auch als sie dieses betraten blieb es still, Professor Dumbledore schien nicht hier zu sein.
Professor Crowley wies den beiden einen Platz vor dem großen Schreibtisch des Direktors zu und er selbst stellte sich in die Nähe eines Bücherregales, um dort einige Titel zu lesen und Buchrücken zu betrachten.
Was für eine spannende Beschäftigung.
Die Maske, die sich schon immer über sein Gesicht zog, verlieh ihm dabei etwas Dunkles majestätisches.
Aber dennoch wirkte er gespenstisch, wie er dort stand, vollständig in schwarz gekleidet, als gäbe es kein Licht in dieser Welt.
Und war es nicht auch irgendwie so?
Wollte ihr dort jemand ein Zeichen senden, dass es keine Hoffnung mehr gab?
Andererseits bildete sie sich vermutlich viel zu viel auf soetwas ein.
Ihr Lehrer lief schon seit Beginn des Schuljahres so durch das Schloss und nur weil die Situation gerade etwas düsterer war, konnte sie doch jetzt nicht alles darauf beziehen.
Durchatmen und versuchen ruhig zu bleiben, das sollte jetzt die Devise sein.
Professor Crowley war gegangen.
Verwirt schaute sie der nun verschlossenen Tür entgegen.
Er hatte auf seine Armbanduhr geschaut, dann geeseufzt, sie ermahnt nichts dummes anzustellen, dann gegangen und hatte die Tür hinter sich verschlossen.
Sie waren hier in dem wohl wichtigsten Raum der gesamten Schule, neben ihr ein potenzieller Todesser, und man hatte sie einfach in Dumbldores Büro alleine gelassen.
Musste sie das verstehen?
Wollte sie das verstehen?
Vermutlich nicht.
Levin jedenfalls schien die Situation bereits voll auszukosten und inspizierte irgendein Gefäß auf der Höhe des Kamins.
Plötzlich stieß er einen Pfiff durch die Zähne aus: "Ich weiß, wie wir hier wegkommen."
Bitte was?
Sie starrte ihn an.
"Na los, sag schon. Wie möchtest du aus einem abgeschlossenen Raum fliehen," ihre Stimme löste ein schiefes Grinsen auf seinem Gesicht aus.
"Wer sagt denn, dass wir den Raum durch die Tür verlassen. Das hier ist Flohpulver und ich kenne zufälligerweise die genaue Bezeichnung eines Kamines, der genau wie dieser hier an das Flohnetzwerk angeschlossen ist," einen Moment verstummte er, als versuche er ihre Reaktion einzufangen, "genau einen Kamin im Hauptquartier des dunklen Lords."
Das konnte er doch nicht ernst meinen.
Diese beiden Gebäude waren miteinander verbunden?
Er schien ihre Verwirrung lesen zu können, denn er grinste: "Die Familie Black wohnt recht abgelegen und möchte natürlich öfters mal am Leben in der Zaubererwelt teilnehmen, daher gibt es einen Salon, der so mit der Außenwelt verbunden ist. Der große Salon im westlichen Flügel des Anwesens der Familie Black. Das musst du genau so aussprechen, damit du dort ankommst."
Sie nickte.
Immernoch viel zu betäubt um etwas zu sagen.
Levin schob sie auf den Kamin zu, hielt ihr eine Hand mit Pulver hin, welches sie entgegen nahm.
Auf diese Art war sie noch nie gereist.
Ihr Herz hatte angefangen zu klopfen.
War das hier die richtige Entscheidung?
Nun es gab nur einen das herauszufinden.
Sie drehte sich mit ohrenbetäubendem Tempo um sich selbst.
Immer mal wieder konnte sie Öffnungen, die an Zimmer erinnerte erkennen, aber ehe sie einen Blick darauf werfen konnte, hatte sie sich schon weitergedreht.
Sie Sekunden schienen sich endlos in die Länge zu ziehen, bis sie schließlich auf eines der hellerleuchteten Zimmer zuraste.
Asche flog ihr ins Gesicht und etwas drückte auf ihre Brust, dass ihr das Atmen untersagte.
Langsam sah sie den Raum näher kommen, wie er vor ihr langsam Gestalt annahm, bis sie vor dem Kamin auf den Boden fiel und stark anfing zu husten.
Ihre Lungen waren wieder frei und sie konnte wieder atmen, aber die Asche wirbelte immer noch in ihren Augen und ihrem Rachen herum.
Für einen Moment hörte sie auch nichts, bis ein dumpfer Aufschlag neben ihr ihr Gehör wieder in Takt setzte.
Levin war neben sie gefallen.
Auch er schien kurz benommen, fing sich aber schneller wieder und ließ seinen Blick schweifen.
In seinen Augen spiegelte sich Unglaube und Verwirrung und langsam folgte Nihilla seinem Blick.
Im Raum stand eine lange große Tafel.
An ihr hatten mehrere Männer und Frauen Platz genommen.
Am Kopfende saß die wohl furchteinflößenste Gestalt, die sie jemals zu Gesicht bekommen hatte.
Helle Haut, dunkle Kleidung und gespenstisch rote Augen, die zu ihnen hinab blickten.
Sie wandte sich ab.
Dieses dunkle Stechen verursachte Kopfschmerzen in ihrer Schläfe.
Aber das musste der dunkle Lord sein.
Sie waren geradewegs in eine Besprechung geplatzt.
Was hatten sie nur getan?
Hier gab es keinen Ausweg, keine Chance zu fliehen oder ihre Geschwister zu retten.
Wäre es nicht doch besser gewesen bei Dumbledore zu bleiben und mit ihm zu sprechen?
Diese Option war ihr noch gar nicht in den Sinn gekommen.
Er hätte ihnen helfen können.
Ob er von dieser Verbindung der Kamine wusste?
Ob er kommen würde?
Aber wozu denn?
Sie waren doch nicht wichtig für ihn und hatten nebenbei auch sein Büro missbraucht.
Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, wie Levin versuchte sich hochzurappeln und sofort von zwei Personen in die Mangel genommen wurde.
Ehe sie diese genauer in Augenschein nehmen konnte, spürte sie selbst zwei Paar Hände, die nach den ihren griffen und sie auf die Beine zogen.
Nihilla versuchte sich gegen den festen Griff zu wehren, aber eine Stimme an ihrem Ohr ließ sie erstarren: "Noch eine Bewegung und ich verspreche dir, ich werde dich dazu zwingen, dass du deiner Schwester die Kehle durchschneidest."
Eine weibliche Stimme, diabolisch, das pure Böse.
Die Gestalt am Kopfende hatte sich erhoben und schritt durch den Raum langsam auf sie zu.
"Nun mein lieber Leviathan, ich hatte von dir einen deutlich impolsanteren Auftritt erwartet, anstatt mir direkt vor die Füße zu fallen. Das macht so vieles so viel einfacher, weißt du das?"
Diese Stimme war ebenso kalt, wie es das Äußere vermute ließ.
Es sprach eine Ironie aus ihr heraus, die ihr ein Schaudern über den Rücken jagte.
Sie spürte ein Kribbeln auf ihrer Haut, als er oder vielmehr es weitersprach: "Wollen wir doch mal sehen, wie lange dein Kampfgeist aufrecht erhalten werden kann. Crucio."
Ihr Körper fühlte sich an, als ob tausend Nadeln sie aufeinmal durchstechen würden.
Der Schmerz war unbeschreiblich.
Sie spürte nichts mehr.
Da war nur noch dieses Gefühl innerlich zerrissen zu werden, als ob jeder Muskel jede Faser ihres Körpers brannte.
Langsam, unendlich langsam schien der Schmerz abzunehmen oder bildete sie sich das nur ein?
Ihre Glieder waren taub, aber sie spürte nichts mehr, selbst der Schmerz hatte sich abgeflacht.
Nur ein dumpfes Pochen und die Erinnerung blieb.
Langsam schlug sie ihre Augen auf.
Sie lag wieder auf dem Boden, unfähig sich zu bewegen.
Jede Zelle ihres Körpers schien wie gelähmt, als ein eisiges freudloses sardistisch Lachen an ihr Ohr schallte.
"Nun Leviathan, du machst lieber das was ich dir sage oder deine Schwester wird Runde 2 zu spüren bekommen und glaub mir ich werde nicht noch einmal so gnädig sein."
Diese eiskalten Worte brannten sich in ihren Kopf und mit ihr dieses eisige Gesicht mit den roten blitzenden Augen.
Sie wollte aufstehen, für sich eintreten, aber ihre Stimme war betäubt und ihre Glieder schmerzten.
Keine Chance, sie würde es nicht schaffen aufzustehen.
Wäre es nicht eine viel angenehmere Variante einfach zu sterben?
Diesem Schmerz auf ewig zu entfliehen?
Sie wusste nicht, was um sie herum geschah.
Sie merkte nicht, wie sie hochgehoben und weggetragen wurde.
Alles befand sich in einem undurchsichtigen Schleiher von Rauch.
Die aufkeimende Kälte um sie herum nahm sie kaum wahr und auch das Rasseln einer Tür und das Schaben auf dem Boden.
Das letzte was sie sah, bevor sie in das Land der Träume abdriftete, waren die verschwommenen Umrisse eines Gesichtes, das dem Ihren so ähnlich war.
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