Kapitel 11 - Chris - aufgeflogen
Die Tür wurde aufgerissen und die Jungen, mit denen er zusammenwohnte, stürmten herein.
Sie wirkten verärgert, abgehetzt und irgendwie deprimiert, bevor Chris nun nachfragen konnte, öffnete James bereits den Mund: "Das kann doch wirklich nicht wahr sein. Erst scheint die Sache bei Dumbledore nichts gebracht zu haben und jetzt ist Josie auch der Meinung, dass wir lügen. Die wollen das doch nur nicht sehen, oder?"
Sirius setzte sich auf sein: "Oder sie wissen es und uns möchte keiner einweihen. Ich meine, Josie kann mir nicht erzählen, dass sie das nicht wusste. Ich meine er ist ihr Bruder."
Chris starrte die beiden an.
Was war mit seinen Geschwistern los?
Sprachen sie über ihn oder über Levin?
Ziemlich sicher über letzteren, sonst hätten sie ihn doch einfach gefragt, immerhin wohnten sie in einem Zimmer.
Genau auf diesen Gedanken schien Remus jetzt auch zu kommen, denn er wendete sich Chris zu: "Was weißt du über deinen Bruder?"
Er starrte die Jungs an: "Warum wollt ihr das wissen?"
Der Ausdruck in ihren Augen machte ihm Angst.
Was hatten sie vor?
Diese Frage beantworteten sie ihm nicht.
Sie schauten ihn einfach nur weiter an.
Er wollte etwas sagen, reagieren, aber kein englischer Satz formte sich auf seiner Zunge.
Mit einem italienischen Redeschwall hätte er sie überschütten können, aber auf Englisch funktionierte es nicht, wollte es nicht funktionieren.
Gähnende Momente der Stille breitete sich durch den Raum aus und keiner schien gerade zu wissen, was er tun sollte.
Remus schaute ihn erneut an: "Wir sind uns ziemlich sicher zu wissen, dass dein Bruder in einem Krieg da draußen kämpft, aber nicht auf unserer Seite."
Erneute Stille.
Was erzählten die da?
Ja, sein Bruder war seltsam und vieles in seiner Vergangenheit war unklar.
Chris wusste nichts über ihn, aber das?
Nein das konnte nicht sein.
Diesen Gedanken verdeutlichte er mit der Geste, die sofort auf Reaktionen stieß.
Remus drehte sich frustriert um.
Peter starrte ihn einfach nur weiter an.
Sirius formte seine Augen zu Schlitzen und seine Hand wanderte unter die Bettdecke hinter sich und dann war da noch James.
Er war einen Schritt nach vorne getreten und die Worte, die nun aus seinem Mund kamen, brachten ihn aus der Fassung: "Ich würde wirklich nochmal darüber nachdenken, mein Lieber. Schließlich wollen wir ja nicht, dass jeder hier erfährt wer ihr seid. Was anderes als ihr vorgebt. Ihr seid keine Geschwister, nicht wahr Stoneheart?"
Er musste hier weg, er musste hier ganz schnell weg.
Chris fand Josie im Gemeinschaftsraum.
Als sie in sein Gesicht blickt, erhob sie sich wortlos und griff nach seinem Arm.
Nur ein paar Minuten später stand er in einem großen Raum.
Wirklich erinnern, wie er gerade hierher gekommen war, konnte er sich nicht.
"Was ist passiert?" Fragte Josie, "Du bist kreidebleich im Gesicht."
Chris starrte sie an, das Adrenalin schoß durch seine Adern. Er brauchte noch einen Moment bevor er antworten konnte, dann kamen endlich die Worte aus seinem Mund: "Sie haben es herausgefunden. Sie kennen unsere richtigen Namen."
"Wer?" fragte Josie sofort, "Von wem sprichst du?"
Ihre Hände legten sich um seine Schultern und aus seinem Mund kam nur ein Name, nur ein Vorname: "James"
Mehr brachte er nicht heraus.
Die Erinnerungen über das gerade eben kamen wieder hoch.
Wie hatten die Jungs das herausgefunden?
Niemand in diesem Schloss hatte seinen Nachnamen je verwendet.
Er hatte ihn nicht mal seinen Geschwistern verraten.
Woher wussten sie das?
"Hör zu Chris. Ich muss die anderen holen. Bleib kurz hier, ja? Wir werden eine Lösung finden," ihre Stimme war ruhig und holte ihn aus seinen Gedanken heraus.
Vermutlich hatte sie recht.
Gemeinsam würden sie schon eine Lösung für das ganze hier finden.
Vielleicht musste er jetzt ehrlich sein und ihnen genau sagen, was ihn in dieses Land geführt hatte.
Die Minuten zogen sich wie Stunden in die Länge.
Warum brauchten sie solange?
Immer wieder drängten sich diese durchdringenden Augen vor seine eigenen.
Er konnte diesen Blick, der aus James Potter Augen gesprochen hatte nicht loswerden.
Wenn sie seinen Namen kannten, dann kannten sie auch den seiner Geschwister.
Er hätte nicht wegrennen dürfen.
Vielleicht hätte es etwas gebracht dort zu bleiben und zu reden, herauszufinden, was passiert war, woher sie das wussten oder gleich alles abzustreiten, aber jetzt saß er hier in einem fremden Raum, alleine.
Die vier wussten jetzt mit Sicherheit, dass sie richtig gelegen hatten.
Was würden sie mit dieser Information anfangen?
Ihn verpetzen?
Den Schulleiter informieren?
Vermutlich würde es nicht mehr lange dauern, bis die Behörden hier vor der Tür standen.
Er musste fliehen, weg von hier.
Sie durften ihn auf keinen Fall kriegen.
Das italienische System ging streng um mit Straftätern in ihren Reihen.
Er wollte, nein, er konnte es nicht riskieren dafür eingesperrt zu werden.
Niemals durfte das passieren.
Die Tür öffnete sich und Josie trat ein, gefolgt von den anderen beiden.
Levin sah angespannt aus und auf seinem Gesicht hatte sich eine tiefe Sorgenfalte gebildet.
Konnte es wahr sein, was ihm seine Zimmergenossen anvertraut hatten?
Steckte hinter diesem Jungen ein Anhänger einer bösen Gemeinschaft, die es auf die gesamte Zaubererwelt abgesehen hatte?
Seine schwarzen Haare fielen hinter seiner Brille vor seine strahlenden Augen.
Diese Farbe, sie verkörperte etwas unbeschreibliches.
Neben ihm ging Patricia.
Sie war das Ebenbild Josies, wenn auch deutlich größer.
Dieses ungleiche Zwillingspaar hatte er noch nie richtig verstanden.
Sie sahen sich so ähnlich und hätten sich nicht mehr unterscheiden können.
Die eine offen und gutherzig, die andere verschlossen und kalt.
Sie setzen sich in einen Kreis.
Stille hing im Raum.
Keiner schien zu wissen, was er sagen sollte, bis Josie das Wort ergriff: "Wir haben ein Problem. Die vier Jungs aus Chris' Schlafsaal haben seinen Nachnamen herasusgefunden. Nicht nur den, unseres Vaters, sondern auch seinen echten."
Stille senkte sich über den Raum, jetzt war es raus.
Eigentlich sollte er erleichtert sein, aber der Kloß in seinem Hals blieb.
Diese Menschen hier waren in den letzten Wochen zu einer Familie für ihn geworden.
Josie war der wichtigste Mensch für ihn in diesem Schloss und auch die anderen beiden waren ihm irgendwie ans Herz gewachsen.
Vielleicht mussten sie jetzt ehrlich zu einander sein.
Seine Vergangenheit würde er nicht preisgeben, um keinen Preis der Welt, aber ihre echten Namen waren vielleicht doch ein kleiner Anfang in eine gemeinsame Zukunft.
Josie schien seine Meinung zu teilen.
Sie war erneut die erste, die das Schweigen brach: "Ich finde, wir sollten ein wenig ehrlicher zueinander sein."
Levin hob seinen Arm, doch Josie unterbrach seinen Versuch eines Einwandes: "Ich möchte nicht, dass hier jeder seine Vergangenheit erzählt. Das werde ich selbst nicht tun, aber unsere Namen wären ein Anfang."
Erneutes Schweigen.
Es war hier so leise und dunkel, dass sich eben dieses Gefühl auf seine Lunge legte.
Sie fühlte sich trocken an.
Vielleicht sollte er es einfach versuchen und die Worte aussprechen: "Christiano Stoneheart, damit ihr es wisst."
Ein dankbares Lächeln trat in die Augen von Josie und sie war die nächste, die sich dieser Bewegung anschloss: "Josephine Lancaster"
Patricia und Levin schienen noch unschlüssig, ob sie es ihren Geschwistern gleich tun sollten.
Vorallem bei ersterer verstand er die Aufregung nicht, schließlich war ihr Nachname bereits gefallen.
Dem schien sie sich nun auch klar zu werden und sie sprach die erwarteten Worte aus: "Patricia Lancaster"
Sofort glitt sein Blick zu Levin, dieser fokussierte einen Punkt weiter hinter ihnen.
"Ich denke euch sollte bewusst sein, dass wenn ihr meinen Namen erfahrt, euch das in durchaus große Schwierigkeiten bringen könnte, wollt ihr es trotzdem wissen?"
Niemand widersprach.
Chris sah, wie viel Kraft es den Jungen dort kostete die folgenden Worte auszusprechen: "Mein Name ist Leviathan Venis."
Diesen Nachnamen kannte er.
Der Verzeichnis der europäischen Zaubererminister öffnete sich vor seinem inneren Auge.
Frankreich!
Levin war mit dem französischen Zaubereiminister verwandt und vermutlich genau vor ihm auf der Flucht.
Das machte Sinn.
Nur bei seinen Schwestern konnte er sich noch keinen Reim auf etwas derartiges machen.
Der kalte Wind wehte durch Chris' Haare une kitzelte an seinem Nacken.
Über ihm strahlte der Vollmond zu ihm herab.
Er hatte sich auf den Astronomieturm geflüchtet.
Es war Freitagnacht und kein Unterricht auf dem Turm.
Er würde hier also seine Ruhe haben.
Das brauchte er jetzt auch.
Er dachte an den Nachmittag zurück.
Die anderen drei waren verschwunden.
Sie hatten sich geeinigt.
Sie würden weiter machen wie bisher.
Kein zu enger Kontakt zu den vier Gryffindor Jungs, aber auch keine offene Feindschaft.
Dennoch wollte Chris warten, bis er in den Schlafsaal zurückkehrte.
Er hatte Angst davor, wie der Empfang aussehen würde.
Man würde ihn mit Fragen löchern.
Seine Flucht war eindeutig gewesen.
Diese vier Jungen kannten die Wahrheit, zumindest einen nicht unwesentlichen Teil davon und mit einem Namen war es oft sehr einfach den Rest heraus zu finden.
So hatte er heute den Namen seines Bruders erfahren.
Leviathan Venis, ein Junge, der seit mehreren Monaten auf der Flucht vor dem französischen Zaubereiministerium war.
Der Minister sein eigener Onkel.
Um an diese Information zu kommen, hatte Chris lediglich eine Zeitung der letzten Tage suchen müssen und da stand alles über diese Person.
Mit ihm war es schwerer, aber vermutlich nicht unmöglich und das war es, was ihm genau in diesem Moment solche Sorgen bereitete.
Die Tür zur Plattform öffnete sich und Chris schaute hoch.
Scheiße!
Dort stand sein Lehrer für Astronomie in der Tür.
Die Nachtruhe hatte schon längst angefangen, aber er saß hier noch.
Professor Yong hob eine Augenbraue und starrte ihn an: "Was machen Sie um diese Uhrzeit hier oben, Mister Gambol?"
Was sollte er jetzt sagen?
Die Wahrheit kam nicht in Frage, aber er konnte versuchen möglichst nah bei ihr zu bleiben.
"Ich musste einfach einmal raus Professor. Es ist hier doch schwerer als erwartet und ich habe etwas Zeit für mich gebraucht."
Das stimmte irgendwie und doch so gar nicht.
Die strahlend hellblauen Augen bohrten sich in ihn.
Sein Lehrer hatte seine Lüge bestimmt erkannt.
"Ich glaube nicht, dass das die ganze Wahrheit ist, aber ich bin mir auch sehr sicher, dass Sie, egal, was ich versuche, mir niemals die ganze Wahrheit erzählen werden."
Das stimmte.
Darum blieb er still.
Es würde nichts bringen, das abzustreiten.
Sein Lehrer seufzte und mit dem, was er nun tat, hatte Chris nicht gerechnet.
Er hielt die Luft an, als Professor Yong sich ihm näherte und dann setzte er sich neben ihn.
Dann senkte sich Stille über den Turm.
Nur noch das leise Rauschen des Windes war hörbar.
Er musste etwas sagen, denn es fühlte sich nicht angenehm an, hier so zu sitzen.
"Warum schicken Sie mich nicht einfach zurück in meinen Gemeinschaftsraum?"
Ein leises Lachen verlies seinen Lehrer: "Man sollte niemanden an einen Ort zwingen, an den er oder sie nicht möchte und damit du hier keinen Blödsinn anstellst, bin ich hier geblieben."
Chris wollte etwas auf diesen Satz erwidern, aber ein Heulen lässt ihn aufschrecken.
Schneller als er es mitbekommen konnte, stand er auf den Beinen und schaute über die Brüstung.
Was war das gewesen?
Ein Wolf?
Nein, irgendwie hatte es sich anders angehört.
"In diesen Wäldern? Das kann nicht sein," Professor Yong war ebenfalls aufgestanden und starrte über die Brüstung hinweg.
"Was war es, Professor?"
Der Angesprochene atmete einmal tief ein und wieder aus: "Ziemlich sicher ein Werwolf."
Schneller als Chris schauen konnte, stand er wieder im Gemeinschaftsraum seines Hauses.
Fast schon blitzartig hatte ihn sein Lehrer hierher gebracht.
Ein Werwolf auf dem Gelände von Hogwarts.
Was hatte der hier verloren und wie war er hierher gekommen?
Er konnte sich noch leibhaftig an die Figur aus dem Unterricht auf Durmstrang erinnern.
Dieser Mensch, der sich einmal im Monat in einen Wolf verwandelte und jeden ermordete, der ihm in den Weg kam.
Vielleicht war es doch Zeit wieder in seinen Schlafsaal zu gehen.
Er würde den Fragen schon irgendwie standhalten.
Das würde er schaffen.
So viel hatte er schon hinter sich.
Die Kommentare und Beleididungen der anderen Schüler.
Da dürfte er das hier auch schaffen und jetzt hatte er noch Familie bei sich.
Josie würde ihn auffangen, da war er sich sicher.
Langsam stieg er die Treppenstufen hinauf und als er die Tür vor sich hatte, atmete er noch einmal tief durch, bevor er die Klinke hinunter drückte.
Der Schlafsaal war leer.
Fünf Betten standen hier und alle waren leer.
Wo waren die anderen vier?
Warum standen sie nicht direkt vor ihm und drückten ihm den Zauberstab auf die Brust, um an Antworten zu kommen?
Eigentlich sollte er mehr als nur glücklich mit dieser Situation sein.
Keiner war hier um ihn auszufragen, sondern er war allein.
Genau jetzt hätte er durchatmen können, aber in seiner Brust klopfte es dennoch.
Was war hier nur los?
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