VIER
Ich lehne mich mit dem Rücken an die Hauswand und blicke durch den summenden Zaun. Der Zaun, der unseren Distrikt umgibt, steht durchgehen unter Strom, keine Chance zu verschwinden. Wohin auch? Wir arbeiten, bekommen dafür Geld und kaufen uns davon das nötige Essen. Ich kann nicht Jagen und weiß auch nichts über Pflanzen. Genauso wie Rouven. Aber er ist klug und er lernt schnell.
,,Valeska, ich habe nicht vor zu töten", hallt wieder Rouvens Stimme in mir wieder. Die Stimme, die ich nie wieder real hören kann. ,,Wie willst du gewinnen? Wie?", flüstere ich vor mich hin und blicke hinaus durch den Zaun. Unendliche Freiheit, nichts als Wiesen und Wald.
Wieder merke ich, was für eine Leistung Mutter gebracht hatte, den Tod ihres Bruders zu verkraften. Sie hat es nicht gut überstanden und sich deshalb etwas gesucht, womit sie den Schmerz, den er hinterlässt, besser verkraften kann. Ich bin nicht so stark.
Aber nicht nur ich werde seinen Tod nicht gut überstehen. Die einzige, an der ich mich jetzt noch festhalten kann, ist Brina. Aber mein Vater hat sie wegeschickt, als ich sie dringend brauchte.
Die Wut auf das Kapitol ist gigantisch. Der Krieg ist mittlerweile 47 Jahre her und immer noch werden jedes Jahr 23 Kinder getötet.
Ich weiß nicht wie, ich weiß nicht wann, aber irgendwie bin ich zuhause angekommen. Niemand schlief, alle saßen um den kleinen Esstisch in unserer Küche. Als ich die Tür aufstoße hoben sie alle ihre Köpfe, ein kleiner Hoffnungsschimmer war in all ihren Gesichtern zu erkennen und auch ich habe unbewusst gehofft, dass auch Rouven dort sitzen würde.
Ich setzte mich nicht zu meiner Familie an den Tisch, was hätte es für einen Sinn? Stattdessen laufe ich hoch in mein Zimmer und lasse mich dort auf mein Bett fallen. Kurz darauf muss ich eingeschlafen sein, denn am nächsten Morgen wachte ich derselben Position wieder auf.
Die Arbeit im Stromkraftwerk nach der Schule dauert nicht so lange wie sonst. Vor Beginn der Ernte hört sie auf, wir alle müssen nach Hause gehen.
Als ich die Tür aufstoße, sehe ich bereits alle vor dem Fernseher sitzen, drei. Nur drei warten auf mich und es werden nie wieder vier sein.
,,Dieses Jahr war die Ernte wieder hervorragend, nicht?", spricht Caesar Flickerman in die Kamera. Hinter ihm werden die Bilder der diesjährigen Tribute eingeblendet.
Langsam trete ich näher, jedoch setzte ich mich nicht auf das Sofa, sondern bleibe dahinterstehen. Meine Augen gleiten über die Bilder und bleiben bei meinem Bruder hängen. Stumme Tränen bahnen sich einen Weg über mein Gesicht.
Caesar verschwindet und statt ihm sieht man den Wagen von Distrikt 1 vorrollen.
Die Haare des Mädchens sind ein wahres Kunstwerk. Sie sind nach oben gesteckt worden und golden. Das Mädchen trägt ein weißes Kleid, welches elegant auf den Boden fällt und ihre bemuskelte Figur positiv betont. Ihr Gesicht ist stark geschminkt, wobei besonders ihr Gold angemaltes Lid auffällt. Der Junge trägt einen weißen Anzug und sine gelockten Haare, ob natürlich oder nicht, sind ebenfalls Gold angemalt worden.
Das Mädchen aus Distrikt 2 hat ein schmales, zartes Gesicht. Sie wirkt zu zerbrechlich für die Hungerspiele, jedoch hat auch sie sich wahrscheinlich freiwillig gemeldet.
Gespannt mit Mischung aus Angst und Hoffnung, warte ich, bis der Wagen von Distrikt 5 zu sehen ist. Es sieht einfach nur lächerlich aus. Rouven trägt klassisch einen Anzug und Eris trägt ebenfalls typisch ein Kleid. Beides ist schwarz und mit einer Lichterkette umwickelt was wahrscheinlich den Strom darstellen soll.
Aber schlimmer ist Rouvens Gesicht. Er lächelt in die Menge aber seine Augen weinen. Jedoch bahnt sich keine Träne einen Weg nach unten. Ich spüre, wie ich wieder anfange ebenfalls zu weinen.
Die anderen Distrikte fliegen an mir vorbei für mich sind sie nicht wichtig und doch weinen wahrscheinlich auch bei ihnen zuhause die Familien. Erst in diesem Jahr bemerke ich, was die Hungerspile wirklich sind.
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