FÜNF
Die nächsten Tage nehme ich kaum wahr, es ist, wie ein Kreislauf. Aufstehen, Schule, Arbeit, Schlafengehen.
Meine Haare sehen aus als hätten sie noch nie einen Kamm gesehen, doch weder mich noch meine Mutter störte es, die mir sonnst immer verbot so aus dem Haus zu gehen. Aber jetzt war es allen egal und niemand sprach mich darauf an.
Am dritten Tag werden die Punkte bekannt gegeben. Wir alle sitzen vor dem Fernseher und wieder habe ich die Mischung aus Angst und stiller Hoffnung, die einfach nicht verschwinden möchte.
,,Guten Abend, meine Damen und Herren. Ich darf sie zur 47. Bekanntgabe der Punkte willkommen heißen!", beginnt Maddox, wie immer ist er elegant gekleidet und wie immer ist er gut gelaunt. Ja, weit weg von uns, im Kapitol sind die Hungerspiele keine Verluste sondern eine Bereicherung des Lebens und irgendwann, das verspreche ich, kriegen sie es zurück.
Die ersten Distrikte haben gute Punktzahlen. Dieses Jahr gehört auch Distrikt 4 zu den Karrieros.
,,Kommen wir nun zu Distrikt 5, Rouven Vikai mit einer Punktzahl von zwei!" Wie erstarrt blicke ich auf den Fernseher. Zwei. Das ist selbst für Distrikt 5 niedrig.
Es ist still im Raum, noch nicht einmal der Atem von uns ist zu hören. Ich bin wie in einer Schockstarre.
,,Er kann es noch schaffen-", versucht Leian uns doch noch Hoffnung zu geben aber ich unterbreche ihn es ist vorbei.
,,Nein", sage ich und meine das auch so. Rouven ist Tod. Mit zwei Punkten wird er nicht weiter kommen vielleicht mit etwas Glück nicht gleich am Anfang, aber die Karrieros werden ihn nicht vergessen. Meine Finger krallen sich in den Stoff des Sofas. Noch nicht einmal weinen kann ich.
,,Es sind nur Punkte!", entgegnet Leian. Er wird alles tun die Hoffnung nicht aufzugeben, er selbst wird niemals aufgeben, selbst wenn wir Rouven dort auf diesem Fernseher sehen, weit weg von uns, wie das Messer in seiner Brust steckt.
,,Hör auf!", schreie ich und spüre wie Tränen der Verzweiflung in mir hochkommen. ,,Es ist vorbei, ein für alle mal!", meinte Stimme zittert.
,,Nein!", die Stimme meines Bruders ist fest. ,,Wenn du die Hoffnung jetzt aufgibst-", ich unterbreche ihn. ,,Welche Hoffnung?! Leian, er ist weg! Für immer!"
,,Ich will dich nicht auch noch verlieren!" Tränen funkeln in seinen Augen.
,,Es reicht! Du weißt es selbst, er wird nicht mehr nach Hause kommen." Und damit verlasse ich das Wohnzimmer.
Mutter und Vater haben nichts gesagt, weder zu Leian noch zu mir, wir alle sind gleich. Wir alle wollen keine Hoffnung, wollen Rouven nicht noch einmal verlieren. Leian ist anders, er sieht nur das gute und er wird nicht aufgeben.
In einer Ecke in meinem Zimmer setze ich mich, die Knie ziehe ich nah an meinen Körper, umschlinge sie mit den Armen und lege meine Stirn darauf. Es ist vorbei.
Am späten Abend, es muss schon nach Mitternacht sein, kommt mein Bruder herein, in seiner Hand einen Teller dampfendes Essen. Seine Augen sind rot und verschwollen, seine Haare wild verstrubbelt und dennoch lächelt er.
Dankbar etwas zu essen nehme ich es an und verschlinge das heiße Fleisch und die Beilage in wenigen Momenten.
Stumm nimmt er den Teller wieder mit, bleibt kurz in der Tür stehen als ob er was sagen will, wendet sie dann jedoch wortlos um.
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