Ein Jahr später
„Das darf wirklich nicht wahr sein! Es ist schon wieder passiert! Wenn ich die Sonnendeppen dabei erwische, werde ich ihnen so etwas von den Arsch aufreißen!"
Sebastian starrte wütend auf sein Handy und fluchte laut vor sich hin.
„Was ist passiert?"
Ava lag faul auf dem Sofa. Ein Bein hatte sie lässig auf die Rückenlehne gelegt, das andere lag auf der Sitzfläche. Eine Flasche Wodka stand neben ihr, sie spielte schon seit Stunden Videospiele...ein perfekter Tag!
„Ach komm schon! Du weißt genau, was ich meine! Seit einem halben Jahr geht das nun schon so! Sobald wir schlafen meint irgend so ein Sonnenarsch, er muss unsere Arbeit erledigen. Ich habe mich schon bei Luna beschwert, aber Helios behauptet, es wäre keine seiner Söhne! Sie halten sich an das Abkommen und greifen nur im äußersten Notfall ein. Immer wieder versichern sie, dass sie nicht unsere Arbeit erledigt haben."
Haben sie auch nicht! Aber das werde ich dir nicht auf die Nase binden!
Sie wusste genau, wer dafür verantwortlich war. Ihr Vampirkumpel versorgte sie mit genügend Freizeit. Sie grinste heimlich vor sich hin.
Seit einem Jahr gingen sie gemeinsam auf die Jagd. Der gesamte Süden war nun Dämonenfrei, denn Jason nutzte ihren Urlaub um weitere Dämonen zu töten. Alleine! Er hatte einmal gemeint, dass es zwar Spaß machen würde, mit ihr gemeinsam zu jagen, aber ab und zu wollte er einfach mit ihr abhängen.
So nutzten sie die freie Zeit und unternahmen Dinge, wie es Kumpel nun mal machten. Gerade gestern Nacht hätten sie fast den Sonnenaufgang verpasst und das nur, weil sie in einem Marathonbilliardspiel fest gesessen hatten. Ihre Beine hatten schon angefangen zur rauchen, als sie endlich zu Hause angekommen war. Als sie später mit Jason telefoniert, gab er lachend zu, dass es ihm nicht anders ergangen war. So war es immer mit ihm. Ava vergaß einfach die Zeit, wenn sie mit Jason zusammen war.
Manchmal lagen sie auch einfach nur auf einer Wiese und betrachteten die Sterne. Sie erzählte viel von sich und Jason wollte alles wissen. Wie es als Mondjäger war und wie sie im vorherigen Leben so gewesen war.
Als sie einmal erwähnte, dass sie ihre alten Freunde vermisste, brachte er sie am nächsten Tag in die Kneipe, die sie immer besucht hatte. Er legte einen Schein um sie beide. Ava musste zugeben, dass er tatsächlich viel mächtiger als sie war. Das lag vor allen Dingen daran, dass er eben schon Jahrhunderte auf dem Buckel hatte. Doch Jason machte es nichts aus. Er versicherte ihr sogar, dass sie enormes Potential hatte und um einiges mächtiger war, als die Mondjäger, die ihm sonst so begegnet waren.
Sie saß an diesem Abend unerkannt zwischen ihren alten Freunden und hörte ihnen zu. Sie musste bei ihren Geschichten lachen, auch wenn sie ab und zu nicht ganz verstand, was sie erzählten. Es waren schon so viele Jahre vergangen. Aber das machte Ava nichts aus. Sie wollte erfahren, wie es nach ihrem angeblichen Tod weitergegangen war.
Dann spürte sie Tränen ihre Wange herunterlaufen. Einen Moment bedauerte sie ihr jetziges Leben. Sie hätte gerne wieder bei ihren Freunden gesessen und mit ihnen das Leben genossen. Aber das war nicht mehr möglich. Nie wieder würde sie mit ihren Freunden zusammensitzen können und über lustige Geschichten lachen können. Sie würde auch keine Kinder bekommen und mit ihren Mann alt werden können. Ava wusste, dass sie das am meisten vermisste. Gut, vielleicht nicht unbedingt das Alt werden, aber dennoch die Möglichkeit, eines Tages aus zu ruhen. Nicht an die Unterweltbewohner und die mächtige Verantwortung zu denken.
Sie hatte Sebastian zwar verziehen, aber manchmal bedauerte sie es, dass ihr keine Wahl gelassen wurde. Auch wenn Luna so darauf bestanden hat. Ava verstand nicht, warum Sebastian ihren Auftag ohne Wenn und Aber erfüllt hatte.
Ja, an diesem Abend wurde ihr bewusst, was sie alles verloren hatte. Nein, sie dachte daran, dass sie auch jede Menge gewonnen hatte, aber die Traurigkeit überwiegte einfach.
Jason hatte es sofort bemerkt. Er hatte ihre Hand genommen und sie aus der Kneipe geführt. Dann hatte er sie einfach in seine Arme geschlossen und sie weinen lassen, ohne irgendwelche Fragen zu stellen.
Er wusste viel von ihr, aber sie kaum etwas von ihm. Was seine Vergangenheit anging, schwieg er lieber. Ava hatte es einmal versucht ihn aus zu fragen, doch sie hatte keine befriedigende Antwort bekommen. Er wollte einfach nicht darüber reden. Irgendwann hatte sie eingesehen, dass sie es besser sein ließ!
Er brachte ihr viele nützliche Dinge bei und Ava hatte schon ein schlechtes Gewissen, weil sie ihm nichts beibringen konnte. Er wusste schon alles, was sie wusste.
Mittlerweile konnte sie ihre Gedanken vor Sebastian verbergen, bei Jason war es aber immer noch nicht möglich! Sie hatte das Gefühl, dass sie das auch gar nicht wollte.
Jason konnte aber nun mittlerweile nach einer Schlacht Whiskey mit ihr trinken, ohne ihn danach wieder aus zu kotzen. Das war jetzt zwar nicht lebensnotwendig, aber immerhin musste sie nun nach einer Schlacht nicht alleine trinken. Das wenigstens eine Sache, die sie beigebracht hatte. Und nach einer Weile gab er zu, dass er dieses Ritual sehr gerne hatte.
Sebastians Fluchen holte sie wieder in die Wirklichkeit zurück.
„Nun mach doch nicht so einen Aufstand, Sebastian! Wir haben mehr Freizeit! Na und? Ist doch schön!"
Er hüpfte über die Rückenlehne des Sofas und landete mit seinem Hintern auf ihren Bauch. Ihr blieb einen Moment die Luft weg, bevor sie anfing zu strampeln, um ihn los zu werden.
„Bist du irre? Beweg deinen Arsch von mir herunter!"
Er dachte nicht daran.
„Ich denke, dir ist nicht klar, was es für Konsequenzen nach sich zieht, wenn wir unsere Quote nicht erfüllen. Wenn wir nichts zu tun haben, dann werden wir überflüssig, Küken! Luna hat schon Pläne für uns gemacht! Sie will uns trennen. Ich soll wieder nach Asien und du sollst nach England!"
Sie erstarrte.
„Bitte? Was soll ich in England? Da regnet es die ganze Zeit. Ich habe keinen Bock auf ewiges Pisswetter!"
Er ging endlich von ihr herunter und setzte sich vor sie auf den Boden.
„Frag mich doch mal! Ich falle in China wie ein bunter Hund auf unter den ganzen kleinen chinesischen Männern. Du solltest nach Asien und nicht ich!"
Ava wusste, was er damit meinte. Immerhin war er eins sechsundachtzig groß. Der Durchschnittchinese war zwanzig Zentimeter kleiner. Sebastian fiel dort wirklich auf. Gegen ihren Willen musste sie bei dieser Vorstellung grinsen.
Ihr gefiel die Aussicht, die sie betraf, aber noch weniger. Sie wollte nicht nach England. Sie wollte hier bleiben. Bei Jason!
„Und wie verhindern wir das?"
Sebastian zuckte mit den Schultern.
„Es ist kaum noch aufzuhalten. Es sei denn, wir bringen wieder ein paar Unterweltbewohner zur Strecke. Auch du! Zufällig weiß ich, dass du gestern niemanden getötet hast!"
Nun zuckte sie mit den Schultern.
„Es ist ja niemand mehr da, den es sich umzubringen lohnen würde!"
Er blickte sie mit einem traurigen Dackelblick an.
„Na denn: Good bye, my dear! "
Ava sprang vom Sofa auf.
„Na denn: Let's go killing some werewolves! "
Er lachte laut auf.
"Dein Englisch ist genauso Scheiße, wie deine Ausreden! Irgendwann musst du mir erklären, was du die ganze Nacht so treibst, während ich schwer schufte. Und vor allem, mit wem!"
Sie warf ihm ein Sofakissen an den Kopf. Bisher hatten weder er noch die anderen herausgefunden, dass sie mit einem Vampir befreundet war. Und das würde auch so bleiben, wenn es nach ihr ging. Bisher hatte Luna sie auch nicht mehr auf Jason angesprochen. Aber das hatte sich wohl geändert. Luna schien einige Andeutungen gemacht zu haben, sonst wäre Sebastian bestimmt nicht auf diesen Gedanken gekommen, dass sie die Nächte mit jemanden verbringen würde, der nicht zu den Mondjägern gehörte.
„Ach du armer, schwer arbeitender Mann! Zufällig weiß ICH, dass du dich mit Konrad zum Saufen triffst! Erzähl mir doch nichts! Und ich hänge mit niemanden ab!"
Ohne weiter auf Sebastian zu achten, zog sie ihre neue Lederjacke über. Jason hatte sie ihr gekauft, als Ersatz für die, welche er zerrissen hatte. Sie liebte diese Jacke. Sie war genauso exklusiv und teuer, wie alles, was Jason besaß! Bis vor kurzen hatte er auf immer in verschiedenen Hotels übernachtet, bis es ihm zu dumm wurde. Nun wohnte er unter der Kirche in den versteckten Katakomben, welche die Menschen vergessen hatten.
Ava kam zu ihren Motorrad und steckte ihr Schwert in das Versteck, dass sie in ihrem Bike eingebaut hatte.
Himmel, sie war bisher doch ganz ruhig gewesen, doch nun bemerkte sie, dass dies gar nicht zu traf.
Mist! Sie wollte nicht weg. Und vor allem nicht nach England.
Sie stieg auf ihr Motorrad, ließ den Motor aufheulen und fuhr zur Südstadt. Sie musste unbedingt mit Jason darüber reden. Das durfte so nicht weiter gehen.
Sie fuhr zur Kirche und stellte ihr Motorrad vor dem Eingang der Katakomben ab. Die unterirdischen Tore waren verschlossen und Jason hatte einen Schein darüber gelegt. Er war wohl noch beim Essen.
Nachdenklich ging sie zur Treppe und schaute auf die Uhr. Verdammt, sie war ja auch noch viel zu früh dran.
Sie wollte auf ihn warten, holte ihre Zigaretten hervor. Gerade als sie sich setzten wollte, näherte sich jemand.
„Sieh mal an. Ich hab doch gesagt, dass wir uns wieder treffen, Ava!"
Erschrocken fuhr sie herum.
Der verdammte Ire! Was machte er denn hier?
Flynn trat aus dem Schatten heraus und Ava konnte nicht anders, als anerkennend durch die Zähne zu pfeifen. Er hatte sich in dem Jahr verändert. Und wie! Sie konnte sich noch an den dürren, etwas unbeholfenen Kerl erinnern, dem sie vor einem Jahr den Arsch gerettet hatte. Von dem Kerl war aber jetzt nichts mehr zu sehen.
Flynn hatte mächtig an Muskelmasse zugelegt. Er war zwar nicht so muskulös wie Jason, konnte sich aber sehen lassen. Sein Kinn trug er hoch, was ihn ein arrogantes Aussehen verlieh. Sein halbherziges Lächeln verstärkte diesen Eindruck noch. Die Niedlichkeit war komplett aus seinem Gesicht verschwunden. Er sah gut aus, dass musste selbst Ava zugeben.
„Sieh mal an! Bist du wieder auf der Suche nach Selbstbestätigung, Sonnenscheinchen?"
Er lachte kurz auf.
„Du hast also immer noch Haaren auf den Zähnen, wie ich sehe! Selbstbestätigung brauche ich mir dank dir nicht mehr zu besorgen!"
Er setzte sich auf die Treppe und stellte lässig ein Bein auf.
„Wegen mir? Warum?"
Er lachte leise.
„Kannst du dich nicht mehr daran erinnern? Ich habe mir deine Lorbeeren einverleibt. Dimitri war schwer beeindruckt von deiner Arbeit. Natürlich ist er immer noch der Meinung, ich wäre es gewesen. Er kam dann doch zu dem Schluss, dass er mich lieber zum Kämpfer ausbilden lassen sollte. Er ist wohl der Meinung, dass ich keine...wie hast du gesagt...Laborratte werden sollte! Noch am selben Tag fing ich mit meiner Ausbildung an und ohne mich selbst loben zu wollen, habe ich wohl Talent dazu!"
Er klopfte einladend auf die Treppe, doch Ava blieb stehen und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Irgendwie interessierte sie das alles nicht.
„Na dann, herzlichen Glückwunsch! Und was willst du nun von mir?"
Er seufzte leise.
„Sei doch nicht so biestig! Seit einem halben Jahr versuche ich nun, mich bei dir zu bedanken. Ich dachte, es sei nicht so schwer dich zu finden. Aber da lag ich komplett falsch. Immer wenn ich dich gefunden habe, bist du wieder verschwunden. Wie machst du das?"
Ich werde dir bestimmt nicht erzählen, dass Jason einen Schein um uns legt, sobald wir zusammen sind, Scheißkerl!
Er sah sie erwartungsvoll an, aber sie schwieg eisern. Sie starrte ihn nur missbilligend an. Ava hatte ihm geholfen. Na und? War das ein Grund, sie zu suchen?
Wieder seufzte er.
„Du traust mir nicht! Kann ich verstehen. Ich habe ja auch einiges über euch Mondjägern gehört. Ich kann es allerdings nicht glauben, denn ich habe ja dich kennengelernt. So schlimm könnt ihr einfach nicht sein!"
Sie lachte freudlos auf.
„Glaub es ruhig! Wir sind eben anders als ihr!"
Er nickte und setzte sein arrogantes Lächeln wieder auf.
„Das weiß ich doch! Und ich bedaure manchmal, dass ich zur falschen Uhrzeit gewandelt wurde. Ihr scheint mehr Spaß zu haben als wir!"
Ava setzte sie sich doch zu ihm auf die Treppe, allerdings hielt sie genügend Abstand ihm. Er sollte sich nur nicht einbilden, dass sie sich mit ihm länger als nötig unterhalten wollte. Aber sie wollte ihm mal ihre Meinung über seinem Verein halten! Das war schon längst überfällig, dass ihnen jemand mal die Meinung geigte.
„Du bedauerst es? Kann ich mir vorstellen. Eure verdammten Regeln würden mir auf den Geist gehen. Warte mal, meine Talente würden bei euch untergehen! Ihr seid ja ein reiner Männerklub!"
Er zuckte mit den Schultern.
„Das hält einen vielleicht aber auch Ärger vom Hals!"
Ava schnaubte unwillig.
„Ihr seid so ein verstaubter Haufen! Habt ihr Schiss vor Sex? Glaubst du, ich treibe es jede Nacht mit meinem Mentor, mit dem ich ja schließlich zusammen wohne? Oder mit Konrad? Der ist schließlich auch eine Schnitte! Jetzt will ich dir mal eines sagen, eure verdammt altmodische Einstellungen gehen mir so auf den Senkel! Ihr meint, ihr wärt so erhaben! Seid ihr aber nicht! Ihr seid genauso verdammte Killer wie wir! Vielleicht sogar noch schlimmer, weil ihr dazu noch abgöttisch seid! Alles, was ihr tut, entschuldigt ihr damit, dass ihr es ja in Helios Namen macht. Und ihr kackt uns an, weil wir Spaß haben? Ihr seid so beschissene Arschgeigen! Fickt euch doch selbst ins Knie und lasst uns in Ruhe!"
Er stand auf und zog sie mit sich. Eine Millisekunde sah er in ihr Gesicht, dann küsste er sie stürmisch.
„Und? Tust du es?", fragte er, als er ihre Lippen endlich freigab.
Sie war immer noch wie erstarrt.
„Was?"
Er sah ihr ernst in die Augen.
„Treibst du es mit deinem Mentor?"
Sie hörte ein bedrohliches Knurren, wusste aber nicht, ob sie es ausgestoßen hatte.
„Nein!"
Ihren letzten Funken Verstand zusammen nehmend, rammte sie ihr Knie in seinen Unterleib. Stöhnend sackte er zusammen und blieb auf der Treppe liegen.
„Wag es ja nicht noch einmal mich zu küssen, Ire! Und solltest du noch einmal so idiotische Fragen stellen, die dich absolut nichts angehen, dann kannst du dich von deinem Schwanz verabschieden."
Sie drehte sich um.
„Warte bitte!"
„Was denn noch? Willst du einen Nachschlag?"
Er schüttelte den Kopf und kramte etwas umständlich eine Flasche aus einer Manteltasche.
„Die wollte ich dir eigentlich zum Dank schenken. Jetzt denke ich, er wäre besser als Entschuldigung geeignet."
Ava schaute auf das Etikett. Whiskey! Ein Jameson crested ten. Geschmack hatte er ja, dass musste sie ihm lassen.
„Das war nicht zu entschuldigen, Ire! Überlege dir das nächste Mal lieber, wem du die Zunge in den Hals steckst!"
Die Flasche steckte sie trotzdem ein. So einen guten Tropfen durfte man nicht verschwenden!
„Verpiss dich in dein Kloster und lass mich in Ruhe!"
Er lag immer noch auf dem Boden, fing aber an zu lachen.
„Das nächste Mal wirst du mich anflehen, dich zu küssen, Ava! Verlass dich darauf!"
Sie schnaubte.
„Bild dir mal nicht so viel ein! So hübsch bist du nun auch nicht! Und ein nächstes Mal wird es auf Garantie nicht geben!"
Immer noch lachend stand er auf, hielt sich aber immer noch den Unterleib.
„Sei dir mal nicht so sicher, du Biest!"
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