62. Kapitel
Tatsächlich ging Lindas Taktik auf, sich zu verstecken. Sie kroch tiefer in die Kuhle, bis sie komplett im Dunkeln hockte. Die Spinnen rannten lieber den sich hektisch bewegenden und schreienden Zwergen hinterher. Bis die junge Frau registrierte, dass sie nicht allein in der Höhle war.
Die riesige Spinne hatte sie nicht bemerkt, sie schien zu schlafen. Es war auch keine wie die, vor denen sie davongelaufen war. Irgendwie wirkte sie älter als die gewaltigen Ungeheuer da draußen. Die Beine waren nicht muskulös, sondern dünn, und die Haare überall am Körper ergraut.
Langsam und die Spinne im Auge behaltend kroch die Schwarzhaarige zum Eingang zurück. Sie blickte hektisch ins Freie, aber dort waren die achtbeinigen Jäger noch immer auf der Jagd nach ihren Gefährten. Dann zurück zu der alten Spinne. Wachte sie auf?
Linda war egal, wie viele Monster außerhalb dieser Höhle waren. Alles war besser, als von einer altersschwachen Riesenspinne verspeist zu werden, ohne eine Chance zu haben, wegzurennen. Die Zwerge würden ihr draußen sicher helfen.
Ganz langsam, ganz vorsichtig krabbelte die junge Frau aus der Kuhle. Sie hatte sich kaum umgeschaut, als sie schon entdeckt wurde.
Drei Elbenkrieger (die übrigens aus dem Nichts aufgetaucht waren) zielten mit ihren Bögen auf sie. Super. Arrogante Langhaar-Elfen. Das würde sicher kein Highlight der Reise werden. Außer...
„Na, hast du dich verlaufen?" Eine der Wachen schaute sie misstrauisch an.
Linda schürzte die Lippen und starrte missmutig zurück. „I am not alone, you fools."
„Sprich eine Sprache, die wir verstehen!" Ein anderer, braunhaarig, stieß ihr mit seiner Pfeilspitze beinahe ein Auge aus.
Der Erstere (Linda war sich übrigens sicher, dass es männliche Exemplare waren, im Gegensatz zu manchen Khazâd) wies den Braunhaarigen auf Elbisch auf irgendetwas hin, vermutlich, sie nicht aufzuspießen.
Daraufhin musste der Dritte (blond, aber nicht Legolas Grünblatt, ziemlich unfreundlich aussehend) ein Gespräch anfangen, das Wort „nogoth" fiel mehrmals. Eins der einzigen, das Linda kannte. Vermuteten die Waldelben, dass sie eine Zwergin war?
Ihre Bewacher bedeuteten ihr, dass sie loslaufen sollte (indem sie sie am Arm mitzerrten). Sie führten sie in die Richtung, aus der noch immer Kampfgeräusche zu hören waren und in die ihre Freunde vorhin geeilt waren.
Gerade wurden auch ihre Kameraden von den Elben gefangen genommen. Thorin und Legolas (Grünblatt, Titel: blablabla, ziemlich unhöflich im Hobbit (also zu ihrer Zeit)) starrten sich gegenseitig nieder. Die drei ungebildeten Spitzohren und Linda kamen gerade rechtzeitig, den berühmten Satz des Elbenprinzen zu hören: „Glaubt nicht, ich würde Euch nicht töten, Zwerg. Es wäre mir ein Vergnügen."
In den Augen ihres Anführers und der der anderen Zwerge stand unterdrückte Wut angesichts dessen, dass sie eingekesselt waren und ihre Waffen vor ihren Zweit-Erzfeinden (die ersten waren die Orks) niederlegen mussten. Die Freude darüber, dass diese sie vor den Spinnen gerettet hatten, hielt sich in Grenzen.
Plötzlich hörte jeder der versammelten Elben und Zwerge einen Hilfeschrei. Von außerhalb dieser Versammlung auf einer kleinen Lichtung. Ein Hilfeschrei; denn offenkundig hatten die Wachen bei ihrer Zwergen-Retteaktion einen von ihnen übersehen.
„Kíli!" Das war Fíli. Verzweifelt, denn er war gefangen im Kreis der Elben, sein Bruder aber kämpfte gegen eine riesige Spinne und brauchte ihn.
Dann hörten er und alle weiteren nichts mehr. Die wunderbare Kíliel-Szene war von dieser Lichtung aus leider nicht einsehbar. Linda bedauerte das sehr – naja, mehr, dass Fíli nicht wusste, dass jemand Kíli zur Hilfe geeilt war. Wie auch immer.
Kurz darauf brachte Tauriel den letzten Zwerg auf die Lichtung, auf der sich alle versammelten. Die Zwerge gegen ihren Willen, die Elben ihre Pflicht erfüllend, Eindringlinge gefangen zu nehmen.
Sie begannen damit, ihnen alle Waffen abzunehmen. Kein Elb und keine Elbin kam auf die Idee, Linda zu durchsuchen, die ehrlicherweise doch etwas beleidigt war. Dafür fanden sie bei ihren Kameraden umso mehr.
Dass Legolas sich über Gimli, also seinen besten Freund für immer seit in ein paar Jahren, lustig machte, bekam die Abenteurerin nicht mit, aber wie viele Waffen eine der Wachen Fíli abnahm, schon. Der Zwergenprinz stand nämlich neben ihr. (Linda hatte ihm versucht, ohne Worte klarzumachen, dass es Kíli gut ging und dass sie nicht reden wollte, ihr aber ebenfalls nichts fehlte. Und, dass sie ihn zwar verstand, aber das nicht zeigen durfte. Der Blondhaarige hatte sie skeptisch angeschaut, doch dann war Kíli zum Glück wieder bei ihnen gewesen.)
Eines der sieben Rätsel von Mittelerde: Wie viele Messer und Dolche und weiteres hatte Fíli Durin unter seinem Mantel verstaut, und wie befestigte er die alle überhaupt?
Im Übrigen hatten sich die Spinnen verzogen. Wahrscheinlich kannten sie die Elben gut genug, um zu wissen, dass diese sie einer nach der anderen abschlachten würden, wenn sie nicht verschwindeten. Hätten die KameradInnen diesen psychologischen Vorteil nicht schon früher nutzen können, indem sie sich als langhaarige, hüpfende Waldbewohner verkleidet hätten?
Nun gut. An ihren Plänen musste die Schwarzhaarige wohl noch etwas arbeiten.
Lindas Blick verfing sich im Anführer dieser kleinen Gruppe Wachen. Thranduils Sohn hatte gerade Thorins Schwert in den Händen und betrachtete es verwundert.
Seine Worte konnte die junge Frau nicht verstehen. Doch er behauptete auf irgendeine Weise, sein Volk hätte Orcrist geschmiedet (Hmpf. Könnte sogar stimmen. Denn Orcrist und sein Gegenstück kamen aus Gondolin, das von Noldor und Sindar – wie Legolas – bewohnt worden war. Linda war beleidigt, dass der Elb recht hatte.) und Thorin hätte es nicht geschenkt bekommen – das waren die Worte des Zwergenkönigs gewesen – sondern widerrechtlich an sich genommen.
Das wiederum war ja bekanntlich falsch. Gandalf hatte den sturen Zwerg förmlich überreden müssen, dass dieser die Klinge an sich nahm. Das Mädchen konnte verstehen, dass ihr Anführer sehr genervt von den Waldelben war.
Kurzzusammenfassung dieser ganzen Szenerie: Die Elben waren doof, fesselten sie mit Seilen und – oh, drängten sie, loszulaufen. Dann ging es also in die Hallen beziehungsweise Kerker des Elbenkönigs. Eine Erfahrung, die auf Lindas To-Do-Liste für Mittelerde stand. Nicht.
Im Zwergenmarsch wurde die Gemeinschaft durch den Düsterwald geführt. Nun, die Gemeinschaft minus Gandalf – und Bilbo. Der Hobbit nämlich war verschwunden. Oder, wie das Mädchen wusste, der Halbling trug – Achtung, Spoiler – den Einen Ring. Der Macht. Von Sauron. Böse-böse.
Aber er machte unsichtbar. Und das ist ja auch ein wunderbarer Grund, einen zutiefst gefährlichen Ring trotzdem zu tragen, oder? Um jenes Schmuckstück ging es allerdings erst in ein paar Jahren.
Obwohl – nein, Linda würde sicher nicht allein nach Mordor gehen! Der Herr der Ringe musste so passieren, wie Tolkien ihn geschrieben hatte! Es reichte ja schon, dass sie den Hobbit durcheinanderbrachte.
Dem Fangirl schoss ein deprimierender Gedanke durch den Kopf. Sie wäre dann sowieso schon ziemlich alt, wenn nicht gestorben; also, wenn die Handlung rund um den Ring losging. Hmm. Ließ sich da nicht etwas machen?
Während die Schwarzhaarige über die sehr ferne Zukunft nachdachte (für die sie erst einmal dieses Abenteuer überleben musste), kümmerten sich die Elben, wie freundlich, um ihre Unterkunft für die nähere Zukunft.
Ihr Weg, den die Wachen vorgaben, führte sie über eine sehr schmale Brücke. Ohne Geländer, doch die Verzierungen, die Größe und die unglaubliche Natur überall ließen Linda widerwillig staunen. Die Pforte, die sie durchquerten, war ebenfalls von solch beeindruckender Architektur. Und das Innere der Hallen sowieso.
Die Eldar hatten es verstanden, ihre Häuser und Bauten in die Umgebung einzubetten. Vieles sah aus wie von selbst gewachsen, es verzweigte sich wieder und wieder und war doch filigran. Mit großen Augen sah die Abenteurerin sich um.
Für gewöhnlich stelle man sich unter „Höhlen" etwas Enges, Finsteres vor, das auf jeden Fall in viele kleine Bereiche abgeteilt war. Diese hier aber nicht. Die Bezeichnung „Hallen" für diese halb natürlichen, halb gefertigten Höhlen passte.
Dünne, schmale Pfeiler schienen das Deckengerüst zu tragen. Bezogen auf die Größe (und nichts weiter als das, nur die Größe!) war der Palast vergleichbar mit den Goblinhöhlen. Einfach so riesig, so unschätzbar groß.
Natürliches Licht fiel hinab, selbst in die Kerker, wo die Zwerge und der Teenager untergebracht waren. Schöne Zimmer hatten ihnen die Elben leider nicht zurechtgemacht. Nicht der einzige Unterschied zu Bruchtal. Essen gab es nämlich auch (vorerst) keins, und das fand Linda dann doch ziemlich empörenswert.
Einer nach dem anderen wurde unsanft in eine der in den Stein eingelassenen Zellen geschubst, die dann verschlossen wurden. Man konnte noch so oft daran rütteln, heraus kam hier niemand.
„Das wird euch noch leidtun!" und „Lasst uns hier raus!" schallten den Wachen um die Ohren. Und das waren noch die höflichsten Äußerungen.
1377 Wörter, 30.12.2021
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