56. Kapitel
„- zum Tode." Bei diesen aufmunternden Worten Gandalf stieß auch Linda zu der Gruppe. Sie schaute über die Schulter des Hobbits, der vor ihr stand, zu dem Zauberer, der beide mit seinem Blick suchte.
„Ich werde als erster gehen. Bilbo, und Linda, ihr kommt mit mir", legte der Maia fest. Er redete schon eine ganze Weile mit ihren Kameraden, während beide Nicht-Zwerge sich dies erspart hatten.
Die Khazâd nahmen dies zur Kenntnis. Der Halbling war sich der Sache nicht sicher: „Ist, ist das eine gute Idee?" Stotternd und eingeschüchtert bahnte er sich dennoch den Weg zu Gandalf, Linda auf dem Fuß, die ihn leicht voranschob.
Es war eine gute Idee. Vielleicht auch nicht die beste Lösung, lustig war es für den Zuschauer aber auf jeden Fall. „Ja", bekräftigte der Grauhaarige Lindas Einschätzung.
„Der Rest von euch wartet hier. Und kommt ja nicht, bis ich das Signal gebe!" Eindringlich schaute der Zauberer in die Menge.
„Alles klar, auf das Zeichen warten!" Bofur spähte übereifrig durch das geschnitzte Fenster. Er hatte ihren Gastgeber die ganze Zeit im Blick behalten. Auch die anderen Khazâd nickten zustimmend.
„Und keine raschen Bewegung oder lauten Geräusche, überrennt ihn nicht!" Gandalf hatte sich eindeutig eine Rede zurechtgelegt. Angesichts des Verhaltens der Zwerge in Bruchtal jedoch schien sie nicht unangemessen. Was er lieber alles hätte zweimal sagen sollen, würde Linda ihm im Nachhinein aber auch nicht unter die Nase reiben. Bezogen auf jetzt, meinte sie. Die junge Frau schaute nach draußen und grinste. Wenn sie sich zusammenreißen würde, könnte sie die kommende Szene wirklich genießen.
„Kommt immer nur zu zweit." Kurz wartete der Zauberer. „Nein, eigentlich, Bombur, zählst du als zwei, also solltest du alleine kommen."
Alle Blicke richteten sich auf den gutmütigen Zwerg, der sich wie oft etwas zwischen die Zähne schob. Der Rothaarige nickte verdrossen.
Jetzt schaltete das Gehirn der Abenteurerin mal wieder aus und ihr Gerechtigkeitssinn sich an. Das war äußerst inakzeptabel. So etwas ging gar nicht, selbst nicht bei einem Magier, der älter als alles war! Mochte ja sein, dass es in Mittelerde keine Aktivisten für so etwas gab, doch konnte bitte jemand mal die Regeln der Höflichkeit befolgen? Endlose Jahre lang war der Maia in Gesellschaft von Elben oder ähnlichen gewesen, hatten sie ihm nichts beigebracht? Mit kritischen Blick musterte sie Gandalf.
Der ermahnte die Zwerge zum letzten Mal, dass sie auf sein Zeichen warten sollten. Dann gab er dem Mädchen und dem Halbling einen Wink und stapfte mit ihnen aus dem Haus des Fellwechslers.
Das erste, was Linda in die Augen fiel, war nicht Beorn, sondern der riesige Berg im Hintergrund. Nicht majestätisch wie der Erebor, schlicht unheimlich in Größe und Masse. Ein grauer Gigant, als wäre er vom Himmel gefallen.
Davor hob sich die muskulöse und befellte Statue ihres Gastgebers ab. Er hackte Holz. Schon den ganzen Morgen lang. Trotz dem, dass sich drei fremde Gestalten auf ihn zubewegten, die offensichtlich aus seinem Haus kamen, in welchem er diese Nacht nicht verbringen konnte, ließ er sich nichts anmerken.
Weiter spaltete seine Axt Stamm um Stamm.
Ein wenig beeindruckend fand auch Linda den Gestaltwandler. Zum ersten Mal in voller Größe und sie in unvollständiger, außerdem das geschärfte, riesenhafte Beil in der Hand. Bilbo neben ihr musste erst einmal schlucken. Auch Mithrandir konnte Linda die Nervosität im Gesicht ablesen. Die junge Frau versuchte, der Hintergrund zu sein.
Vor ihnen eröffnete sich eine breite Landschaft. Inmitten des Tales lag eine weite Wiese, dessen Ende sie nicht absehen konnte. Bei Beorn hatten sich einige seiner Tiere niedergelassen. Das Mädchen sah Schweine und Ziegen, Schafe und Hühner.
Hinter ihnen entdeckte Linda eine Holzhütte, weiter dahinter Gestrüpp und Bäume. Sie waren jetzt auf der anderen Seite des Hauses, gestern hatten sie den zum Wald gelegenen Eingang genutzt.
Die drei liefen weiter. Gandalf räusperte sich.
„Du bist nervös", kommentierte der Meisterdieb.
„Hmm?" Der Zauberer sah zu Bilbo.
Ein weiterer Axtschlag ging nieder. Erschreckt drehte sich Mithrandir wieder zu Beorn. „Nervös? Völliger Unsinn", brummelte er.
Sicherlich doch.
Ja, noch immer gefiel sich die Abenteurerin in der Rolle der Kommentatorin. Trotzdem war sie nicht so unbetrübt wie noch zu Beginn ihrer Reise, sie erfreute sich einzig und allein daran, dass sie diese Szenen hautnah miterleben konnte. Noch einmal kamen sie nicht wieder.
„Guten Morgen!", rief Gandalf aus. Er setzte ein Lächeln auf.
Rumms. Noch ein Holzstück bekam die Wut des Fellwechslers zu spüren.
Und noch eins. Beinahe hätte er mit der Ausholbewegung auch seine – unfreiwilligen – Gäste zerkleinert. Der Zauberer war schnell zurückgewichen.
Sie standen nun direkt neben Beorn. Aus dieser Perspektive war er noch einmal riesiger. Selbst der für Menschenverhältnisse nicht kleine Spitzhutträger blickte nach oben.
Derselbe hielt es für notwendig, den Morgengruß in größerer Lautstärke zu wiederholen.
Entnervt hielt der Mensch inne. Der Griff seines Beils ruhte auf seiner Schulter, den Gefährten wandte er den Rücken zu.
„Wer seid ihr?" Mürrisch und drohend schenkte er ihnen endlich Beachtung.
Der Graue Zauberer verbeugte sich. „Ich bin Gandalf, Gandalf der Graue."
Ihr Gastgeber drehte sich um, die Axt behielt er in der Hand. Von oben starrte er anklagend auf sie herab, wie ein großer, alter Baum eines dunklen Waldes, in dessen verwuchsenes Reich sie gerade eingedrungen waren. Seine Augen und sein Bart waren braun, wie das Haar auf seinem Kopf stand er leicht ab.
„Hab' nie von ihm gehört."
Der Gestaltwandler trug allein Hose und Stiefel, ein breiter Gürtel umspannte seinen Bauch. Vor der muskulösen Brust hatte er die Finger um den Beilstiel gelegt.
Mithrandir war so etwas scheinbar nicht gewöhnt. Er fuhr fort: „Ich bin ein Zauberer. Vielleicht habt ihr schon von meinem Kollegen, Radagast dem Braunen gehört. Er lebt in den südlichen Gefilden das Düsterwaldes."
Seit geraumer Zeit versteckte sich Bilbo hinter Linda und dem Grauen Wanderer. Ihm war der große Menschen nicht geheuer. Die junge Frau hatte da mehr Zuversicht. Dennoch, sie war ganz froh, dass Beorn sie ignorierte.
Seine volle Aufmerksamkeit galt Gandalf und der Frage, die er ihm stellte: „Was wollt ihr?"
Kein Reden, eher ein gezischtes Knurren. Linda registrierte dies aufmerksam.
Mit selten gesehener Höflichkeit und diplomatisch anmutender Zurückhaltung antwortete der Maia: „Nun, zuallererst wollen wir euch für eure Gastfreundschaft danken. Ihr habt vielleicht mitbekommen, dass wir Zuflucht in euren Zimmern gesucht haben, letzte Nacht."
Ganz eventuell hat er dies mitgekommen, jaja. Für gewöhnlich bemerkte das Mädchen, wenn sie trotz alles Ziehen und Zerrens ihre Haustüre nicht öffnen konnte, weil kurz zuvor Eindringlinge, die sie quer über ihr Grundstück gejagt hatte, diese verriegelt hatten. Aber bei ihm konnte das durchaus ganz anders aussehen.
Apropos Aussehen: „Wer sind diese kleinen Gestalten?", bohrte der Fellwechsler nach. Natürlich, immer nach der Größe gehen. Sein Blick war auf den Hobbit und sie gefallen.
Bevor sich der Halbling wieder wegducken konnte, stellte ihr grauhaariger Freund ihn als Meister Beutlin aus dem Auenland vor. Sie bekam den Titel Frau Linda aus dem fernen Osten.
Die Miene des großen Menschen verfinsterte sich. „Sie sind keine Zwerge, nicht wahr?"
Jetzt legte er sein riesenhaftes Werkzeug ab. Doch vielleicht auch nur, um damit auszuholen. Man sollte Lindas Furcht an dieser Stelle verstehen, denn dieses gusseiserne Teil war ohne Zweifel größer als die junge Frau.
„Oh nein. Bilbo ist ein Hobbit, aus guter Familie mit tadellosem Ruf. Linda dagegen ist eine Weitgereiste, aber ein Mensch, noch dazu von herausragender Höflichkeit", stellte Mithrandir lächelnd klar.
Oh, danke, Gandalf. Sie konnte nicht verhindern, dass ein Grinsen über ihr Gesicht huschte. Egal, ob die Eigenschaft ausgedacht war oder nicht.
Denn um Beorn von ihrer aller Harmlosigkeit zu überzeugen, musste der Zauberer mit jeder Waffe spielen. Meisterlich, sicherlich. Rhetorik und Geschichten lagen dem Grauhaarigen.
Trotzdem bemerkte das Mädchen seine Unsicherheit. Die Maske ihres Gastgebers aber war undurchdringlich.
1238 Wörter, 23.09.2021
In diesem Kapitel sind leider nicht die originalgetreuen deutschen Synchrontexte verwendet, lediglich eine ungefähre Übersetzung aus dem Englischen von mir, Asche. Nur eine Randbemerkung. Hat jemand die Originalzitate für diese Szene?
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