17. Kapitel
Plötzlich durchbrach ein lautes Donnergrollen den Austausch der Familiengeschichten und binnen Sekunden öffnete der nun dunkle Himmel seine Schleusen. Vor Schreck waren einige Ponys gescheut und so lief die Gemeinschaft Gefahr, sich im Wald zu verlieren.
„Bleibt zusammen! Mir nach!", brüllte Thorin. Der Wind, der eindeutig die Unwetterwolken zu ihnen gebracht hatte, peitschte dem Mädchen den Regen ins Gesicht. Sie schmeckte die bitteren Tropfen, voll des Aroma des Waldes.
Linda kniff ihre Augen zusammen, um überhaupt noch etwas erkennen zu können. Sie lehnte sich auf Athenas Hals, damit sie näher zum Ohr des Tieres kam. „Komm, weiter geht's!" Auf ihren sanften Schenkeldruck reagierte die Stute endlich und trabte ein wenig panisch weiter, glücklicherweise dem Zwergenkönig hinterher.
Thorin führte sie noch weiter in den tiefen, dichten Wald hinein. Ob das bei Gewitter so ratsam war? Aber andererseits würde ihnen nichts geschehen, wusste Linda... hoffte sie.
Ihre Reittiere stampften durch immer tiefer werdende Pfützen, in denen keine Sonnenstrahlen schimmerten, denn der Himmel war behangen von kohlrabenschwarzen, regenschweren Wolken. Alle Zwerge hielten die Köpfe gesenkt und hatten die soweit vorhandenen Kapuzen aufgesetzt.
Bei jedem Blitz, der das tropfende Laub der Bäume noch unheimlicher wirken ließ, zuckte Ori ein wenig zusammen und auch Bilbo sah immer wieder ängstlich in den Himmel. Linda hatte ebenfalls ihren Umhang umgelegt und grub bei jedem Donner ihre Fingernägel in ihre Faust. Ihren Blick ließ sie teils über die umherstehenden, riesigen Bäume, teils furchtsam über das Firmament schweifen. Die Ponys schnaubten trotz der wiedergewonnenen Kontrolle ihrer Reiter über sie unruhig und peitschten mit ihren Schweifen.
Doch so schnell wie das Gewitter gekommen war, verzog es sich auch wieder, der Regen jedoch prasselte unaufhörlich weiter. Schon nach einer Minute hatte Linda genug. Sie knurrte und kuschelte sich tiefer in ihren weiten Überwurf hinein, was aber nicht sehr brachte, da das Wasser bereits durch jenen drang und ihn schwer auf ihren Schultern lasten ließ. Längst schon klebten ihre Haare an ihrer Stirn und das Leder in ihren Händen entglitt ihr immer wieder.
Gefühlte Stunden später, die Linda mit dem Denken von „Ich hasse Regen. Ich hasse Regen. Ich hasse Regen. Ich hasse Regen." verbracht hatte, probierte Bofur neben dem Mädchen, seine Pfeife zu entzünden. Das wiederum hob ihre Stimmung ein wenig, denn jetzt kam etwas, das sie kannte.
Dori meinte von irgendwo miesepeterisch: „Herr Gandalf, könntet Ihr etwas gegen diese Überschwemmung tun?"
„Es regnet, Meister Zwerg, und es wird regnen, bis es aufgehört hat zu regnen. Wollt Ihr das Wetter auf der Welt ändern, müsst Ihr Euch einen anderen Zauberer suchen." Der Maia klang genauso genervt von dem Dauerregen wie sie alle.
„Gibt es welche?", fragte der Hobbit neugierig.
Und da Linda immer noch sehr gereizt von der Gesamtsituation war und ihre Wut irgendwie loswerden musste, fing sie laut genug, um von jedem verstanden zu werden, an zu klugscheißern: „Ja, es gibt insgesamt fünf Zauberer, auch Istari genannt. Der Oberste ist Saruman der Weiße, er hat sich in Isengard niedergelassen. Alatar und Pallando (das ist Quenya, es gibt nur diese Namen), die Blauen Zauberer, sind in den Osten Mittelerdes gegangen und niemals zurückgekehrt."
„Dann gibt's noch Radagast den Braunen. Er ist eine sanfte Seele, der die Gesellschaft von Tieren vorzieht. Er wacht über die riesigen Waldgebiete, die sich weit im Osten erstrecken, und das ist auch gut so, denn das Böse wird immer wieder versuchen, dort Fuß zu fassen." Dass sie mit den beiden letzten Stellen Gandalf an genau dieser Stelle zitiert hatte, brauchte ja keiner zu wissen.
Der graue Zauberer nickte nur knapp als Bestätigung, darauf schien Bilbo besänftigt. Wieder war nur das Schmatzen der aus dem Schlamm herausgezogenen Ponyhufe und das Prasseln des Regens auf das Blätterdach, welches langsam aber sicher nachließ, zu hören.
Vielleicht würden sie das unablässige Nieseln, das die Wolken nun niederregnen ließen, an heißen Tagen als angenehm empfinden, doch die beachtliche Länge des Wolkenbruches strapazierte die Nerven aller. Stur schwiegen die Zwerge, ein munteres Geplauder entsprach eindeutig nicht ihrer Gemütslage, selbst der humorvolle Bofur zog seit dem fehlgeschlagenen Versuch des Entzündens seiner Pfeife eine finstere Miene.
Linda unterdessen war wieder etwas optimistischer, sprach aber auch nicht. Sie ließ lieber ihren Gedanken freien Lauf. Augenscheinlich. Tatsächlich beobachtete sie die Gemeinschaft. Die Gesichter erkannte sie zwar nicht - das wäre auch viel zu auffällig gewesen - , aber beispielsweise flocht Dori seinem Pony die Mähne.
Wenn dies als Antiaggressionstherapie zu verstehen sein sollte, dann wirkte sie nicht. Denn als Dwalin die Zöpfe sah, knurrte Dori nur und widmete sich Mordplänen, nach Lindas Überlegungen.
Dwalin ritt gerade weiter nach vorne und reihte sich hinter Gandalf und Thorin ein. Óin hatte genauso wie sie den kräftigen Zwerg mit seinen Blicken verfolgt, jetzt besah er sich vermutlich die Umgebung, die aus Bäumen, Bäumen und nochmals Bäumen bestand.
Der Hobbit hatte ein wenig mit seinem Reittier zu kämpfen und ihm kam keiner der umgebenden Zwerge zu Hilfe, was Linda mit einem finsteren Blick bedachte. Langsam konnten sie ihre Ablehnung auch mal ablegen, diese sturen Zwerge! Schließlich half Bombur dem Halbling dadurch, dass er sein Tier neben Bilbos lenkte, der ihm erleichtert und dankbar zunickte.
Des Weiteren geschah nichts Aufregendes mehr, bis sie nun bei mehr oder weniger strahlendem Sonnenschein, der ihre Klamotten trocknete, ein Ende des dichten Waldes erreichten. Linda lächelte wieder. Eigentlich war es doch ganz schön.
Sie überquerten eine größere Wiese, bis sie zu einem auf einer Seite bewaldeten Hügel voller Felsbrocken kamen. Jetzt grinste das Mädchen. Das würde ein Spaß werden!
Der Zwergenkönig ritt voraus. „Hier schlagen wir unser Nachtlager auf. Fíli, Kíli, versorgt die Ponys und bleibt bei ihnen. Óin, Glóin-"
„Ja?"
Die Schwarzhaarige hatte sich von Athena geschwungen und betrachtete die Ruine des ehemaligen Bauernhofes.
„-macht ein Feuer."
„Ist recht."
„Ich glaube, es wäre klüger, weiterzuziehen", sprach der graue Zauberer laut genug, um von allen verstanden zu werden. Thorin trat zu ihm in das Innere des zerfallenen Hauses und ab diesem Zeitpunkt hörte das Mädchen nicht mehr zu. Sie schnallte ihr Gepäck von dem Sattel herunter und legte es zur Seite, zuerst würde sie noch ein wenig helfen.
Athena blieb so oder so stehen und sie hielt währenddessen Bilbos Pony ruhig, damit der Meisterdieb absteigen konnte. Sein Mienenspiel zeigte eindeutig, wie froh er über das Ende dieses Rittes war. Linda nahm auch die Taschen von Bilbos Stute ab und drückte sie dem Halbling in die Arme.
„Alles in Ordnung? Gandalf, wo willst du hin?", fragte dieser erstaunt den Maia, der vor unterdrückter Wut schäumend von seinem Gespräch mit Thorin zurückkam.
„Ich suche die Gesellschaft des Einzigen, der hier noch bei klarem Verstand ist."
„Und wer ist das?"
„Ich, Herr Beutlin! Das waren genug Zwerge für einen Tag."
1081 Wörter, 02.09.2020
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