twenty four
★☆★
Jazzmusik war eines der ersten Dinge in die ich mich in der großen, weiten, unbekannten Außenwelt verliebt hatte.
Hier wirkten die fröhlichen Klänge fehl am Platz. Sie drangen aus Bars und Salons der Bourbon Street, dessen Fenster finster wie der Himmel waren.
Keine Menschenseele tummelte sich die Straße entlang, oder verließ eines der Etablisments.
Hin und wieder mischte sich Gelächter, sowie Stimmengewirr unter die Musik nur um wieder zu verstummen. Jedes Mal blieb ich stehen den Kristall krampfhaft umklammernd. Die Stimmen an diesem verlassenen Ort jagten mir einen Schauer über den Rücken.
Meine zügigen Schritte hallten von den Gebäuden wieder. Ich hatte nicht vorgehabt anzuhalten bis plötzlich wenige Meter entfernt von mir auf meiner linken Seite Licht aus dem Glasfenster eines Clubs strahlte. Ebenso wie es die Schatten unter den Vordächern durchbrach zerschnitten Stimmen von Menschen die Stille als hätte das Licht sie mit sich gebracht. Es zog mich an wie eine Motte. Die Scheiben waren an den Rändern gegerbt von der Witterung. Sie mussten bereits in den Rahmen gesteckt haben bevor New Orleans zu einer Touristenattraktion geworden war. Meinen Herzschlag spürte ich vom Kopf bis in meine Zehenspitzen hinein. Gleichzeitig kribbelte meine Haut durch die mich umgebende Magie. Ich selbst war ein Teil des Zaubers, der diesen Ort erschaffen hatte. Mit angehaltenem Atem lugte ich in das Innere der Bar hinein. Ich sah Leben. Menschen tanzten auf einer Tanzfläche vor der Bühne auf der Livemusik gespielt wurde. Fasziniert betrachtete ich das bunte, ausgelassene Treiben. Ich konnte ihre Energien spüren, eine Wärme, die ich nicht ganz fassen konnte. An dieser Stelle musste der Schleier dünn genug sein, dass sich beide Seiten berührten, vielleicht sich sogar überlappten.
Eine Schnittstelle.
Das musste es sein wovon Kol gesprochen hatte. Die Toten waren auf der Anderen Seite gefangen gezwungen den Lebenden zuzusehen.
War es nur schmerzhaft, oder vielleicht von Zeit zu Zeit tröstlich einen Einblick in die Welt hinter dem Schleier zu erhalten? Ich hing an einem dünnen Faden an der Seite auf die ich gehörte und doch verhinderte er nicht, dass ich die Kälte und Trostlosigkeit spürte. Ich hatte eine Dankbarkeit, einen Augenblick der freudigen Überraschung empfunden beim Anblick der Menschen, beim Klang der Musik und dem Gefühl der Wärme. Wenn in einer Welt des Stillstandes, dem man unmöglich entkommen konnte, einige wenige Sekunden Abwechslung, einige Bruchteile der lebendigen Gegenwart alles waren was man zu bekommen zu erwarten hatte nahm man sie mit Kusshand, oder verkroch sich in der Dunkelheit.
Keinen Wimpernschlag später starrte mir eine düstere Leere entgegen. Die Reflexion meines Gesichts ließ mich erschrocken zurückfahren. Vergangen war das Licht und der Klang als hätte es sie nie gegeben.
Die Stille verfolgte mich auf Schritt und Tritt. Obgleich die Straßenbeleuchtung die Straßen erhellte erhielt ich den Eindruck mit jedem zurückgelegten Meter weiter von Schatten eingekreist zu werden. Aus der Dunkelheit raunte es, drang Geflüster. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen. Meine Finger krallten sich um die Kette an der der leuchtende Kristall hing.
An jeder Kreuzung musste ich halt machen, um die Richtung zu ermitteln. Einige Schritte nach rechts. Der Ring wurde kälter.
Geradeaus? Kalt.
Links? Ja, nach links.
Eine Windböhe wirbelte Blätter vom Boden auf.
"Kol, wo bist du?", murmelte ich ohne eine Antwort zu erwarten.
Der Ring an meinem Finger war lediglich lauwarm, als ich vor großen, massiven Eisentoren zum Stehen kam. Sollte das ein Scherz sein? Wollten die Ahnen mich in die Irre führen?
Ich war nicht zu stolz mir meine Furcht einzugestehen. Ich hatte Angst den Friedhof zu betreten. Ich hatte Angst überhaupt hier zu sein. Bereits in New Orleans, meinem New Orleans, war ich zu feige gewesen alleine das Anwesen zu verlassen. Keinen Fuß hatte ich vor die Tür gesetzt. Nichts hatte ich gesehen. Ich war nicht die Bourbon Street entlanggeschritten, die Tag für Tag direkt vor meiner Nase lag. Stattdessen hatte ich mich mit dem Blick aus meinem Zimmer hinunter auf sie begnügt. Ich war nicht in den Plattenladen gegangen den ich von dort aus sehen konnte.
Mehr als vor der Außenwelt fürchtete ich mich jedoch vor dem unbestreitbaren Einfluss, den die Mikaelsons auf mich hatten. Ich war bereit den Tod auf Elijahs Bitte hin zu überlisten.
Ich schlief seelenruhig in meinem Bett Tür an Tür mit einem der wohl gefährlichsten, ältesten Wesen der Geschichte.
Um dem Ganzen das Sahnehäubchen aufzusetzten stand ich im Reich des verstorbenen Übernatürlichen, erschaffen von einer mächtigen Hexe vergangener Zeit, nur um mit einem erdolchten Urvampir zu sprechen.
Das war Wahnsinn. Ich war dem Wahnsinn verfallen.
Was war aus 'ich möchte ein normales Leben' geworden?
Einer Hexensekte war ich entkommen. Ich hatte mir ein normales, menschliches Leben verdient. Kaum fing ich wieder an zu praktizieren fand ich mich in einer Lage wieder, die ich keinem Menschen erklären könnte ohne in einer geschlossenen Psychatrie eingewiesen zu werden.
Wieso konnte ich mich nicht für einen Typen aus dem Teeshop interessieren? Ich war nicht wählerisch. Ein Mensch wäre schön gewesen.
Sich in einen Menschen zu verlieben wäre leichter gewesen. Friedlicher. Problemloser.
Aber nein...
Es war nichteinmal ein Vampir.
Kein Urvampir.
Genau genommen war ich nach und nach einem Geist verfallen.
★☆★
Warum wurde eines Tages entschieden unsere Toten in steinernden Kisten zu lagern?
Brauchte man einen verrottenden Leichnam, um denen die man liebte zu gedenken?
Ich hasste Friedhöfe. Nicht zuletzt, da ich nah dran gewesen war auf einem zu sterben. Ihre Toten hier zu bestatten kam mir insbesondere für Hexen heuchlerisch vor. Sie gaben viel drauf eines mit der Natur zu sein, doch wenn es für sie an der Zeit war zur Erde zurückzukehren wurden die Meisten in Familiengräbern und Gruften beigesetzt. Sie waren ein Sammelpunkt der Ahnen.
Hier gab es kein Licht. Inmitten der anwärenden Nacht kam mir das matte Leuchten meines Kristalls wie ein Leuchtfeuer vor, das meine Position verriet. Ich rechnete fast damit von Armen gepackt und bis in alle Ewigkeit in eines der Gräber gezogen zu werden. Mit weichen Knien schlich ich voran. Da der Lichtkegel den Boden ausleuchten musste war ich blind für alles was nicht einen Meter vor meinen Füßen lag. Alles was mich weitergehen ließ war der wärmer werdene Ring.
Die Temperatur stieg bis sie an der Gabelung vor einer Gruft einen Weg suggerierte, den ich nicht erfreut war einzuschlagen. Entsetzt schüttelte ich den Kopf. Mehr als die drei Stufen und das untere Ende der tragenden Säulen vor der massigen Steintür konnte ich nicht ausmachen. Ich sollte die Gruft betreten? War es nicht genug, dass ich auf diesen verdammten Friedhof gekommen war?
Nein.
Auf keinen Fall.
Kommt nicht in Frage.
Niemals.
...
Doch wohin sollte ich sonst gehen?
Der Ring war mein einziger Anhaltspunkt. Ohne ihn hatte ich nichts. Der Weg in die Gruft war der einzige, den er mir zeigte.
Wieso um alles in der Welt sollte Kol in dieser Gruft sein?
Konnten fremde Geister einen in Fallen locken? Würde ich in dieser Todesfalle eingeschlossen werden bis mein Körper verdurstete, verhungerte, oder meine Organe aufgaben?
"Kol?", meine Stimme wurde von der Stille verschluckt.
Zitternd stieß ich die Luft aus, die ich angehalten hatte.
Es war nur eine Gruft.
Nur eine Gruft.
Ich konnte selbst nicht fassen was ich im Begriff war zu tun, als ich die Stufen aus grauem Stein hinaufstieg.
"Aperi te!", eine Handbewegung und Stein mahlte über Stein, um den Weg freizugeben.
Moder und Kälte schlugen mir entgegen. Es roch nach Fäulnis und abgestandener Luft. Eine unangenehme Feuchtigkeit empfing mich noch bevor ich eintrat. Keines der Grablichter war entzündet. Der Schein des Kristals erhellte die Hälfte des Innenraums. Diese Gruft war alt. Moose hatten sich an den Innenwänden gebildet.
Wieso wuchsen Pflanzen an einem solchen Ort?
Unweigerlich fragte ich mich ob dies überhaupt der Fall war. Wenn die Andere Seite aus unendlichen Ebenen bestand konnte nicht sein, dass all das nicht mehr war als eine Erinnerung?
Der Raum war leer. Wie konnte das sein, wenn er sich doch erhitzt hatte?
Ich hatte versagt. Der Zauber hatte versagt.
Ein Geräusch als hätte jemand einen kleinen Stein fallen gelassen ließ mich zum Eingang herumfahren.
Niemand war zu sehen.
Auf dem Boden jedoch lag ein längliches Etwas. Hatte ich ihn übersehen? Einen kleinen Stein? Nein, ein Stück von einem Stock? Ich sah mich um bevor ich in die Hocke ging, um es aufzuheben. Es war ein Stück Holz, ungefähr so lang wie mein Finger. Die glatte Oberfläche schien bearbeitet worden zu sein, glatt geschmirgelt. An beiden Enden waren Löcher eingelassen an denen Lederbänder angebracht waren. Symbole waren in das selbstgemachte Armband eingeritzt worden.
ᚺᛖᚾᚱᛁᚲ
Buchstaben? Hmtri? HM+RI?
Ein Freundschaftsarmand?
Während ich das Holzstück begutachtete stellten sich meine Nackenhaare auf. Verwundert hob ich den Kopf. Etwas hatte sich verändert. Ich konnte es spüren. Ich konnte spüren...
Aus dem Augenwinkel machte ich etwas auf meiner rechten Seite aus. Direkt auf meiner rechten Seite. Ich drehte kaum meinen Kopf bis ich ein bleiches Gesicht erkannte. Von schulterlangen, dunklen Haare umraht hatte das Gesicht mit scheinbar schwarzen Augen über meine Schulter geblickt. Mein Herz blieb stehen. Der Junge, dessen Körper von Finsternis verschluckt zu sein schien drehte langsam seinen Kopf.
"Buh!"
Ich schrie und fiel in die Dunkelheit.
★☆★
Hallo ihr Lieben!
Zurzeit habe ich eine Schreibblockade und tue mich ein wenig schwer damit meine Fanfictions zu meiner eigenen Zufriedenheit weiterzuschreiben, obwohl ich bereits was geschehen soll.
Jedenfalls hoffe ich, dass euch dieses Kapitel gefallen hat.
Wie immer freue ich mich sehr über Kommentare.
Votes sind natürlich ebenfalls sehr willkommen;)
Pünktlich zum Ende von 2022 jetzt noch dieses Kapitel.
Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr und alles Gute für 2023!
Frohes Neues! Ich stoße mit euch an 🥂
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