Kapitel 5
Gegen die Wand zu starren, wie ein verrückter, hilft nichts. Wie auch immer. Wie soll ich dies alles ertragen? Früher oder später sage ich doch sowieso alles und allen, was in mir hervorgeht. Bis auf das kleinste Detail. Warum tue ich verdammt nochmal manchmal geheimniskrämerisch? Wieso...?
"Alles okay bei dir?" Ayleen sieht mich an.
"Ja." Zögerlich beiße ich mir auf die Lippe. Was sollte ich ihr sagen?
"Bist du immer noch bei deinem letzen Vortrag in Gedanken? Hat er dich so emotional mitgenommen?"
"Du weißt genau, wie schwer es für mich ist, über meine Gefühle zu reden", werfe ich ihr vor.
"Und dennoch tust du es. Bemerkenswert. Du bist wirklich was besonderes." Amüsiert inspiziert sie mich genauesten.
"Ich kann nun mal nicht damit umgehen, es ist... Ich kann es nun mal nicht."
"Genau, wenn wir schon mal dabei sind, in wen bist du eigentlich verliebt?", fragt sie mich scheinheilig. Damit kriegt sie es hin, eine rasende Wut in mir auszulösen. Warum habe ich auch nur ansatzweise, über meine Gefühle in Hinsicht Liebe geredet? Warum habe ich gesagt, was ich empfinde? Fast schon habe ich mit sowas rechnen können, aber ich habe doch an ihrer Freundlichkeit appelliert. Zu meinen Leid.
"Das geht dich gar nichts an", bringe ich zischend hervor und muss verwundert feststellen, dass sie bestürzt wirkt. Zutiefst bestürzt. Habe ich ihr Vertrauen missbraucht? Hätte ich ihr lieber irgendwas gesagt?
"Jetzt komm mir bitte nicht auf die Tour. Ich will keinen Streit. Können wir bitte Routine bewahren?"
"Okay", meine ich und zähle bis drei. Eins, zwei, drei.
"Was werden wir als nächstes machen?", beginnt sie die folgende Unterhaltung mit einer plötzlichen Gelassenheit.
"Ich weiß nicht. Es hat mich ziemlich viel Überwindung und Kraft gekostet, und ich weiß nicht, ob es ein Fehler war."
"Du kannst beruhigt sein, es wird schon kein Fehler gewesen sein. Vertraue mir. Ich bin bei dir. Ich stehe dir bei. Ich werde dir immer beistehen. Egal was passiert."
"Egal, was passiert", wiederhole ich ihren letzten Satz und versuche ruhig zu atmen. Es wird schon alles gut werden.
"Was stört dich?"
"Verschiedene Sozialschichten. Unterbezahlung vieler sozialer Berufe und Überbezahlung anderer Berufe. Leute, die mehr verdienen, als Leute, die soziale Berufe haben, obwohl sie weniger leisten. Viele Leute schätzen viele soziale Berufe nicht Wert. Andere würden zwar gerne in dem Beruf arbeiten, sind sich aber wegen dem Beruf unsicher, wegen der geringen Bezahlung. Dabei werden oft viele soziale Berufe, Leute, die in ihnen arbeiten, gesucht. Es heißt, das Geld reicht vorne und hinten nicht. Aber weshalb? Genau, weil es eben so gut Leute gibt, die nicht viel machen, sich die Hände nicht schmutzig machen wollen und dennoch mehr verdienen, als Leute, die sich die Hand aufreisen und viel tun, nur für wenig Geld. Alle Menschen sind gleich, unabhängig davon, wer sie sind und wo sie hineingeboren wurden. Alle Menschen sind gleich. Ja klar. Vielleicht vor dem Gesetzt, wenn überhaupt, aber im echten Leben ist es nicht so. Man kann sagen, was man will, es ist... Das Leben ist nun mal nicht fair, ganz egal, was auch immer einer einen vorzugaukeln versucht. Es ist traurig, dass vieles nicht selbstverständlich ist, was selbstverständlich seien sollte. Es ist... Warum gibt es verschieden Sozialschichten? Wo bleibt da der Sinn? Wo bleibt dort die Moral? Wie können wir in Ruhe leben...? Wir wollen doch nur, dass es uns gut geht, in Wahrheit ist es uns vollkommen egal, was mit den anderen ist, solange wir nicht mit konfrontiert werden. Ich meiner klar, solange es einen nicht betrifft , ist es einfach. Man kann alles leugnen, solange man es nicht sieht. Und wenn, es kümmert einen doch nur, damit die Leute einen nicht für herzlos halten, aber es trifft einen nicht. Wenn es einen trifft, zerbricht man innerlich daran. Man will es vielleicht nicht zugeben, aber dennoch. Wie viele berühmte Künstler hatten zu ihren Lebzeiten kaum etwas? Wie viele konnten sich vielleicht gerade noch so am Leben halten. Und jetzt? Jetzt sind sie berühmt. Aber was bringt es ihnen jetzt? Wäre es für sie nicht besser gewesen, wenn sie zu Lebzeiten berühmt gewesen wären und die Menschen dort sie schon zu schätzen gewusst hätten? Klar, wir können vieles leugnen, wir können sagen, dass alles nicht stimmt, aber wir wissen innerlich, dass es doch war ist. Egal wie gerne wir es nicht war hätten, wir können es wohl oder übel nicht vermeiden. Aber gut. Was soll ich schon zu sagen können? Ich sage doch nur, was die Leute denken, was fakt ist, aber wer kann es schon beurteilen? Woher soll ich es schon beurteilen können? Ich bin doch niemand. Ein Nichtsnutz."
"Sag sowas nicht", fleht Ayleen mich an.
"Tut mir leid, aber es bringt doch nichts. Okay, vielleicht kann ich viel erreichen, aber wem bringe ich was? Ich habe keine Lust auf Mitleid und dies ist genau der Grund, wieso ich nicht sage, mein Beileid. Es ist besser jemanden aufzubauen, als noch mehr Salz in die Wunde zu streuen und ich habe letztens ein Buch gelesen, bei dem es wortwörtlich drinnen vor kam. Ich meinte nur so: Da bekommt das Sprichwort, Salz in die Wunde streuen eine ganz neue Bedeutung. Aber ja. Würdest du dich besser fühlen, wenn jeder sagen würde, es tut mir leid? Würde es dir gut tun? Würdest du es hören wollen? Ich glaube, wenn jemand sprechen will, wird er es schon tun. Ich glaube, ich persönlich bräuchte Ruhe und einfach nur jemand, der für mich da ist. Jemand, der mich in den Armen hält, wenn ich auf den Boden falle, jemand, der mir aufhilft, wenn ich am Boden liege. Jemand, der einfach nur da ist und alles erträgt. Jemand, an den ich mich lehnen kann, wenn mich nichts mehr hält. Aber ich habe nicht mal einen Freund und in Wahrheit brauche ich dies im Alltag. Meine Psyche ist so zerstört, so zerbrechlich, auf sich selbst beruhen und ich habe niemanden mit dem ich reden kann. Ich will niemanden verletzen, aber Schweigen bringt auch nichts. Ich bin froh, dass du da bist."
"Ja und ich werde immer für dich da sein. Ich werde dir zuhören, wenn du jemanden zum Reden brauchst. Ich werde bei dir sein, wenn du mich am dringendsten brauchst. Versprochen."
"Ich schätze es wert und ja, aber dennoch, ich weiß nicht. Ich will einen Freund, aber wahrscheinlich werde ich immer Single bleiben. Single like a Pringle. Und ich mag Pringles. Das Singleleben hat auch Vorteile aber dennoch. Allein dieser winzige Wunsch, bringt einen innerlich zum Träumen und wünschen. Aber wahrscheinlich werde ich niemanden finden, den ich so lieben kann. Selbst wenn, wer sagt, dass er mich dann auch liebt."
"Wer nichts wagt, der nicht gewinnt", bringt sie das Sprichwort auf den Punkt. Sie hat recht. Ich muss es wagen. Aber...
"Aber ich habe Angst. Was wenn ich es bereuen werde?"
"Du wirst es nur bereuen, wenn du es nicht tust."
"Augen zu und durch." Ich atme tief ein und aus und rüste mich für die nächsten Schritte. Ich zittere vor Angst.
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