Muss ich originell sein, um Erfolg zu haben?
Jaein.
Beziehungsweise... Nein. Um Erfolg zu haben, muss man (leider) nicht originell sein. Gewisse Themen werden in der Literatur immer und immer wieder aufgenommen und ähnlich, gar gleich behandelt. Nun... das ist vielleicht erst einmal eine schockierende Nachricht für einige Autoren, aber es ist die Wahrheit: Man kann mit einer Geschichte Erfolg haben, die es so schon einmal gab. Ob man demnach aber auch als Autor anerkannt wird, und seine Werke wertgeschätzt werden, das ist eine andere Frage.
Es hat jedoch auch etwas Positives, dass es eigentlich so ziemlich jede Geschichte schon einmal gab. Man muss sich nicht mehr den Druck machen, 100% originell zu sein, denn das ist unmöglich.
Denkt doch mal an euren Lieblingsfilm...
Gab es den so ähnlich schon mal?
Existiert irgendwo auf der Welt, möglicherweise sogar in einem anderen Land genau so eine Geschichte bereits in Buchform?
Vielleicht ist es auch eine TV-Serie?
Möglicherweise könnt ihr dies nicht mal wissen, weil es in einer fremden Sprache verfasst wurde?
Das ist natürlich keine Einladung, um wild irgendwelche Geschichten zu kopieren, und sie als eure zu verkaufen, denn das geht tatsächlich nicht, und könnte sogar zu gerichtlichen Prozessen führen. Aber... es geht hier rein um die Kopfeinstellung.
Schreibe ich eine Geschichte, weil ich etwas zu erzählen habe und meine Leser damit erreichen möchte? Oder... Schreibe ich eine Geschichte, weil ich einzigartig sein will, und den Lesern etwas liefern möchte, was sie noch nie zuvor und jemals in ihrem Leben gelesen haben?
Für diejenigen, die sich für die erste Variante entschieden haben: Herzlichen Glückwunsch, ihr habt verstanden, worum es sich bei Geschichten handelt. Für diejenigen, die Variante Nr.2 anspricht, es tut mir leid euch enttäuschen zu müssen – ich musste es auch erst lernen –, aber leider habt ihr eine falsche Vorstellung, was es bedeutet, Geschichten zu schreiben, und ihr macht euch einen unglaublichen Druck 'perfekt' und 'einzigartig' zu sein.
Nun, ich will natürlich auch nicht sagen, dass ihr eurer Kreativität keinen freien Lauf lassen sollt – ganz und gar nicht –, denn das ist wirklich wichtig, dass ich gerade das tut. Aber habt dabei immer im Hinterkopf:
Jeden Handlungsstrang gab es schon einmal. Keine Originalität.
Schreibstile variieren zwar, aber wir lassen und bewusst und unbewusst von unseren Vorbildern oder unserem Umfeld inspirieren. Keine Originalität.
Die Charaktereigenschaften eurer Hauptcharaktere, gehören schon anderen Hauptcharakteren von bereits veröffentlichten Büchern. Und selbst diese veröffentlichten Bücher haben diese nicht zum ersten Mal veröffentlicht. Keine Originalität.
Eure Struktur, die hat sicherlich auch schon einmal jemand verwendet. Keine Originalität.
Der Spannungsbogen, die Rollenverteilung, den inneren und äußeren Konflikt eures Protagonisten, den gab es so schon einmal, das versichere ich euch. Keine Originalität.
Das hört sich alles hart an, aber eigentlich ist es eine Erleichterung und ziemlich hilfreich, wenn man sich bewusst wird, dass Geschichten schreiben auf einem Fundament basiert, was bereits in allen möglichen Formen gemeisselt und aufbereitet wurde, es kommt nur darauf an, wie ihr das Fundament nutzt, um dort euer Haus, eure Geschichte drauf zu bauen.
Ein anderes Beispiel wäre: Eine Suppe kochen. Das Rezept der Suppe kann verändert werden, aber es bleibt eine Suppe, die bereits existiert. Man kann die Zutaten ändern, die Reihenfolge oder die Gewürze... achtet besonders auf die Gewürze, denn das ist euer Markenzeichen, euer Erkennungsmerkmal. Aber die Suppe an sich, die kann man nicht verändern, und egal, wie oft man es versucht, man wird nur scheitern, in dem Versuch, eine Suppe zu kreieren, die es noch nie irgendwo schon einmal gab.
Stattdessen müsst ihr so denken...
Wie gestalte ich mit den Zutaten, die ich habe, eine Suppe, die überzeugt?
Wie baue ich auf dem vorhandenem Fundament ein Haus, welches sofort deutlich macht, dass ich (meine Geschichte) hier wohne (wohnt)?
Wie entdecke ich meine eigene Autoren-Stimme, die mir das gewisse Etwas gibt?
Die Mischung aus Handlung, Idee, Charakteren, Schreibstil, Spannungsbogen, Worldbuilding, Konflikten etc. machen eure Geschichte zu etwas Originellem und zu EURER Geschichte, während das Grundprinzip, die Grundidee der Geschichte, wahrscheinlich schon mehrmals behandelt wurde, oder so ähnlich bereits existiert. Aber ihr habt den Kochlöffel gerührt und ihr habt die Zutaten geschält, verfeinert, geschnippelt und in den Topf gegeben. Ihr habt die Reihenfolge nach eurem Geschmack gewählt, zeigt, was ihr anbieten möchtet und könnt. Und darauf kommt es an.
Vertraut mir, eine Geschichte zu erfinden, wo eurer rechter Zeh mit dem Euter einer Ziege einen Roadtrip durch Kalifornien macht, und sie sich dabei verlieben (Okay, komischer Fetisch), und aus welchem Grund auch immer der Zeh die Eigenschaft hat, dass er Russisch spricht und in der Freizeit Saltos macht, weil er besonders ist und nicht wie alle anderen Zehen, ist es einfach nicht wert. Nur um originell zu sein, muss man sich nicht verbiegen und verdrehen, um auf absurde Geschichten zu kommen, nur, weil man denkt, sie existieren noch nicht.
'Tribute von Panem' war beispielsweise weder das erste Buch, welches eine Dystopie behandelte, noch das erste Buch mit einer starken weiblichen Protagonistin – dennoch wurde die Reihe oft mit der Nachfolger-Trilogie 'Die Bestimmung' verglichen. Dies ist aber nur so, weil Tribute von Panem für einen Umschwung in den Kinos geführt hat: Der Start von erfolgreichen Teenie-Dystopie-Adaptionen in den Mainstream-Medien. Die Autorin sorgte mit ihren Büchern dafür, dass diese Filme beliebt wurden, weil es eine Geschichte ist, die es so zwar schon mal gab, aber nicht auf diese Art und Weise, nicht mit diesen Gewürzen, dieser Reihenfolge oder diesem Mauerwerk. Denn Jugendromane gab es schon viele, "Battle Royale" kamen schon in einigen Geschichten vor, Dystopien wurden schon ausgiebig behandelt, Charaktere wie Katniss, ja, die gab es bereits, und auch die Zukunft wurde schon dutzend Mal in der Literatur erwähnt — aber das alles kombiniert, macht es zu dem Meisterwerk der Autorin.
Demnach ist es auch nicht verwerflich, wenn man sich inspirieren lässt, oder wenn man sich an Trends orientiert. Originalität kommt nicht von der einer originellen Grundidee, sondern von eurer persönlichen Note.
Buchstaben oder das Alphabet existieren bereits, aber ihr schreibt es in eurer Handschrift, und die gehört allein euch – sie macht euch originell!
Ich komme auf dieses Thema, weil ich in den Kommentaren zu einem alten Kapitel gelesen habe, dass einige der Meinung waren, man sollte nicht nach den Trends gehen, weil man lieber originell ist, sich von der Masse abheben möchte und seine eigene Geschichte schreibt. Genau so denkt schätze ich mal jeder Autor, wenn er noch in den Startlöchern steht. Die Wahrheit ist jedoch, dass es unmöglich ist, 100% originell zu sein. Es ist einfach nicht möglich, außer man geht in das Absurde, wo es sehr schwer wird, eine glaubhafte Geschichte zu entwerfen.
Zumal Trends ja auch nicht bedeuten, dass man dieselbe Geschichte immer und immer wieder in den Top 10 sieht. Es geht darum, dass ein gewisses Genre beispielsweise grade in den Trends und angesagt ist.
Beispiel: Liebesromane sind so ziemlich immer angesagt, weil die Liebe uns immer im Leben begleitet und viele Leser gerne über die Liebe lesen. Und besonders in diesem Genre ist Wiederholung einfach Gang und Gebe. Ein Autor fällt nicht auf, weil die Geschichte an sich, sich so sehr von anderen abhebt, sondern weil die Mischung aus dem Gesamtpaket einen Wiedererkennungswert hat, die Charaktere glaubhaft sind, und sie sich mit ihnen identifizieren können. Es sind die Gewürze, die die Geschichte besonders machen, denn im Grundprinzip ist es genau dasselbe, wie in jedem anderen Liebesroman: Zwei Menschen verlieben sich. Und auch jedes mögliche Ende, was nach dieser Idee folgt, existiert bereits mehrfach.
Bitte macht euch nicht den unnötigen Druck, und denkt von euren Stories, dass sie einzigartig sein müssen. Denkt lieber daran, wie viel Herzblut ihr in eure Charaktere steckt, wie viel Wiedererkennungswert in euren Worten verpackt ist und wie das Gesamtkonzept eure persönliche Note deutlich macht. <3
(Bitte versteht dieses Kapitel nicht falsch. Es geht auf gar keinen Fall darum, dass ich es euch nehmen möchte, dass ihr kreativ seid und auf neue Ideen kommt, neue Mischungen, die ihr noch nicht oft gehört habt, oder Ähnliches. Sondern ich möchte, beziehungsweise ich rate euch einfach, dass ihr den Gedanken los lasst, dass ihr etwas erschaffen wollt, was es so noch nie gab – denn außer, ihr habt die Geschichte wirklich Wort zu Wort kopiert, ist es sowieso immer eure Geschichte und euer Meisterwerk in eurer Handschrift! Das Prinzip der Geschichte, den Inhalt und Konflikte etc, wird es dennoch schon einmal in einem anderen Buch gegeben haben.)
"There are no original stories – Only original ways to tell them."
Cheers und viel Erfolg beim Suppe kochen und Häuser bauen,
Nikolina :)
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