Chemie
,,Gute Chemie zwischen zwei Menschen ist offensichtlich, egal was sie tun. Denn das ist etwas, das niemand verbergen kann. Sie sind so offensichtlich in Einklang und Harmonie miteinander.''
Ob du einen Liebesroman schreibst oder einfach nur eine tiefe Freundschaft darstellen möchtest: Chemie zwischen deinen Figuren ist eine wichtige Grundlage. Denn echte Beziehungen lassen deine Welt realistischer erscheinen.
Aber wie sieht gute Chemie eigentlich aus?
Spannend wird es bei der Reaktion
Wenn die verschiedenen Figuren dann aufeinander treffen, ist eigentlich aus einer gewissen Lebenserfahrung heraus schon klar, was passieren dürfte. Ob es kracht oder funkt. Wo es passt und wo es hakt. Der Leser hat da eine Erwartung, die von den Figuren erfüllt werden kann – oder eben nicht. Spannender wird es, wenn sie sich dann in einer Situation begegnen, die diese „normale" Reaktion nicht zulässt und die Figuren sich bewegen müssen. Die Chemie einer Geschichte verlangt, dass die Figuren aufeinander reagieren. Sie abstoßen oder anziehen, sich dadurch individuell verändern oder gemeinsam etwas neues gestalten.
Was meine ich mit Chemie?
Als Chemie bezeichne ich im Folgenden die ungezwungene Interaktion zwischen deinen Figuren, die ein sicheres Anzeichen für eine tiefe Freundschaft oder auch beginnende romantische Beziehung ist. Hierbei ist es wichtig, dass ich bei der Chemie nicht zwischen einer romantischen und freundschaftlichen Beziehung unterscheide. Eine gute romantische Beziehung sollte im Idealfall die meisten (wenn nicht alle) Aspekte einer Freundschaft haben. Und letztendlich soll mit der Chemie zwischen deinen Figuren nur eines erreicht werden: Deine Leser sollen spüren, dass deine Figuren zusammenpassen. Ob das im freundschatlichen oder im romantischen zutrifft, ist dabei zweitrangig.
Humor
Humor verbindet. Und damit ist er ein hervorragendes Mittel, um die Figur sowohl dem Menschen vor dem Buch nahezubringen, als auch den anderen Protagonisten. Nichts verbindet mehr als miteinander lachen. Nichts trennt nachhaltiger als jemanden zu verlachen.
Beobachten
Menschen, die einen beschäftigen, beobachtet man. Das sind die, die man liebt, ebenso wie die, über die man sich aufregt. „Was macht er denn jetzt schon wieder?", „Allein, wie der grinst!". Wenn man unsicher ist, schaut man automatisch entweder zu der Person, die man liebt (um sich zu verstärken) oder der, die man fürchtet (um sich zu schützen – oder um zu drohen).
Einen weiteren Effekt hat das Beobachten natürlich auch noch: Freunde, Liebende und Feinde kennen sich. Da reichen kleine Gesten, nonverbale Zeichen, die der andere sicher deuten kann. Das reicht bis an Gedankenlesen. Was enorme Nähe signalisiert, wenn die eine Figur ausspricht, was die andere sagen wollte.
Das Verhalten untereinander
Die stärksten Freundschaften beginnen oft schon in der frühen Kindheit. So banal es auch klingt: Um zu zeigen, dass Figuren Chemie haben, müssen sie zeigen, dass sie sich in der Anwesenheit der anderen Person wohl fühlen. Sie müssen ihre Anerkennung/Liebe deutlich zeigen. Das kann sich je nach Persönlichkeit deiner Figuren unterschiedlich ausdrücken.
Gleichberechtigung
In einer funktionalen Beziehung geht es immer um Geben und Nehmen. Dabei geht es nie nur um einen Partner, denn eine solche Beziehung gerät immer aus den Fugen. Sie sind gleichberechtigt und das erhält die innige Beziehung im Gleichgewicht.
Orientierung an anderer Figur
Wenn man sich bei einer Person wohl fühlt, dann zeigt man das instinktiv, indem man sich in ihrer Nähe aufhält. Das kann sich dadurch äußern, dass sie in Gruppen nebeneinander stehen. Oder auch, dass sie ganz natürlich den Arm umeinander legen, sich berühren – Berührung muss nicht immer romantisch sein! – oder einfach nur anschauen.
Ein interessanter Effekt: Wenn eine Person Bestätigung sucht, dann schaut sie instinktiv zu der Person, die sie am liebsten mag. Um also zu zeigen, dass zwei Personen auf der selben Wellenlänge sind, ist es sinnvoll, wenn sie sich in solchen Situationen gegenseitig anschauen.
Freundschaftliches Necken
Wer kennt nicht die Stadien der Freundschaft: Man ist sich sympathisch. Man redet miteinander. Dann unternimmt man viele Dinge miteinander. Man vertraut sich sein Innerstes an. Und zu guter Letzt fühlt sich so wohl beieinander, dass man sich gegenseitig wüst „beschimpfen" kann, ohne Angst zu haben, dass es falsch verstanden wird. Nichts zeigt deinem Leser schneller als eine „Jo, Bitch!"-Begrüßung, dass sich zwei Figuren nahe stehen. Natürlich sollte sie zu der Dynamik der Figuren passen, aber ich denke, es ist klar, worauf ich hinaus will.
Gedanken lesen
Gute Freunde entwickeln eine eigene Sprache untereinander. Damit meine ich keine eigenen Worte (obwohl das auch passieren kann), sondern die nonverbalen Zeichen, die instinktiv verstanden werden. Auf Uneingeweihte mag dies tatsächlich wie Gedankenlesen wirken, denn viele kennen diesen Effekt nur von Geschwistern oder Zwillingen. Doch wenn sogar Freunde untereinander „Gedanken lesen" können, demonstriert das, wie nah sie sich stehen und wie viel Zeit sie schon miteinander verbracht haben müssen. Zwei Figuren, die man für Geschwister halten könnte, sind ein starkes Zeichen für gute Chemie (allerdings weniger erstrebenswert, wenn es sich um eine romantische Beziehung handeln sollte.)
Vertrauen
Vertrauen ist eine komplexe Emotion, die auf viele unterschiedliche Weise gebaut werden kann. Sie benötigt eine Grundlage aus Hoffnung oder Glauben, dass der Gegenüber das – höchst subjektive – „Richtige" macht. Je mehr Risiko eine Situation mit sich bringt, desto stärker muss das Vertrauen in die andere Person sein. Vertrauen entsteht in Situationen, in denen der Vertrauende mehr verlieren als gewinnen kann. Er riskiert zum Beispiel einen Schaden oder eine Verletzung, indem er sich auf die andere Person verlässt. Das kann mit kleinen Dingen beginnen wie zB. „Ich vertraue dir, dass du daran denkst, die Materialien für unseren Vortrag mitzunehmen." und langsam zu größeren Vertrauensbeweisen eskalieren. Vertrauen manifestiert sich aber auch in Handlungen, die den Vertrauenden (emotional) verletzlich machen, wie zum Beispiel das Anvertrauen eines Geheimnisses. Sobald das Vertrauen auf so eine Weise demonstriert wurde, ist der Gegenüber auch deutlich bereiter, sich selbst zu öffnen und anzuvertrauen. So entsteht ein hin und her des Vertrauens, das letztendlich dazu führt, dass sich beide Figuren immer näher fühlen.
Frei Reden
Meine persönlich liebste Art Chemie zu zeigen, ist wenn die Figuren voreinander vollkommen frei reden. Das können sie tun, weil sie keine Angst haben, von der anderen Person verurteilt zu werden. Sie trauen sich komplett offen voreinander zu sein und ihre Meinung selbstbewusst zu vertreten. Gleichzeitig sollte die Meinung von der Anderen Person akzeptiert werden. Vor seinen wahren Freunden, muss man sich nicht verstellen oder seinen eigenen Mund verbieten. Diese Kombination aus Ehrlichkeit und Akzeptanz kann wunderbar starke Szenen schaffen, die das Innenleben deiner Figuren beinahe perfekt zeigen kann. Das ist für den Leser schön und für die Figuren ebenso, muss aber sparsam eingesetzt werden, um seine Wirkung zu entfalten.
Gemeinsamkeiten und Grenzen
Wenn du die Möglichkeit hast, entweder eine Gemeinsamkeit zwischen zwei Figuren zu zeigen oder ihre Grenzen zu demonstrieren, rate ich immer zuerst zu den Grenzen. Gute Chemie zeigt sich dadurch, dass die Figuren ihre gegenseitigen körperlichen, emotionalen und moralischen Grenzen kennenlernen. Die Grenzen des Anderen zu wissen und zu akzeptieren zeigt, dass sich die Figuren respektieren. Und Respekt impliziert zu einem gewissen Grad auch Vertrauen. Es demonstriert außerdem, dass sich die Figuren gut kennen und mit den Eigenheiten des Anderen umgehen können Zusätzlich bieten Grenzen auch bei Figuren, die sich gut verstehen, Konfliktpotential, das deine Geschichte vorantreiben kann. Gemeinsamkeiten können zeigen, dass deine Figuren auf einer Wellenlänge sind und sich ergänzen. Das Konfliktpotential bleibt allerdings aus.
Show, don't tell: Bauchkribbeln muss man fühlen
Ein weiterer wichtiger Punkt: Show, don't tell. Chemie entsteht erst, wenn der Leser sie fühlt. Deswegen schreibe ich zum Beispiel nicht von irgendeiner mystischen Anziehungskraft, der beide nicht widerstehen können – stattdessen schreibe ich von hüpfenden Herzen, ausgelöst durch einen einzigen Blick, einem warmen Kribbeln im Bauch, wenn er sie flüchtig berührt, oder glühender Wut, wenn er es mit einem Wort schafft, dass sie ihm am liebsten den Kragen umdrehen würde.
Die Figuren bestimmen, wo es langgeht!
Sonst noch was?
Ja. Meine Figuren müssen sich echt anfühlen. Wenn ein Autor seine Figuren gut kennt, merkt er auch ganz schnell, wenn er versucht, ihnen etwas aufzuzwingen, das er sich in seinem Kopf zwar schön vorgestellt hat, auf dem Papier aber nicht funktioniert. Wenn er es dann doch durchboxt, werden die Charaktere plötzlich unstimmig, Dialoge lesen sich hölzern, Situationen wirken konstruiert und für den Leser ist der ganze Zauber dahin. Um das zu verhindern, bleibe ich beim Schreiben immer flexibel und lasse meine Figuren auch mal von der Leine. Dann wird eine Szene eben nicht so, wie ich das wollte. Ein Satz, den er unbedingt zu ihr sagen sollte, wird gestrichen, weil er jetzt doch nicht passt und gekünstelt wirkt. Ich hänge nicht zu sehr an meinen eigenen Gedankenkonstrukten, wenn ich merke, dass ich die Figuren dafür verbiegen müsste. Solange ich nicht das Ziel (also den roten Faden und das angestrebte Ende) aus den Augen verliere, kann sich der Weg dahin auch mal ändern. Schließlich führen viele Wege nach Rom.
Wenn zwei Menschen eine gute Chemie verbindet, wirst du nicht sehen, wie sie sich beschweren, weil sie sich beide um das Glück des anderen kümmern. Sie sind füreinander da. Auch dann, wenn schlechte Zeiten auf sie zukommen. Sie geben sich gegenseitig Halt, wenn eine Krise aufkommt. Das gilt sowohl bei einer innigen Freundschaft, als auch für eine gute Beziehung.
Liebe Grüße
Natalia
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