Kapitel 8: April
Wolf
Der Köningstag rückte näher und Wolf spielte schon eine Weile mit der Idee, den Feiertag für den Laden auszunutzen. Es würden jede Menge Leute in die Stadt kommen, nicht nur aus den Niederlanden. Der Koningsdag zog jedes Jahr Unmengen von Touristen an. Die ganze Stadt würde im Ausnahmezustand sein. Die Leute würden Trinken, Feiern und Dummheiten begehen. Dummheiten wie ein Tattoo.
Pearl hatte keine Skrupel völlig Betrunkene zu tätowieren, und auch wenn er es sich nicht gerne eingestand, so brauchte er dringend die Einnahmen. Wenn sie es richtig anstellten, könnten sie an nur einem Tag eine Menge Geld verdienen.
Das Studio lief gut, aber eben noch nicht super. Die Miete für diesen Monat würde er bezahlen können, aber Wolf wollte sich nicht von einem Monat zum nächsten hangeln. Sein Laden sollte bekannt werden, berühmt! Die Leute sollten von weither kommen, um sich bei ihm den Körper verschönern zu lassen. Und der Köningstag könnte ihm dabei helfen.
Wolf hatte lange darüber nachgedacht. Es würde nicht ausreichen, einfach zu öffnen und ein Schild auf die Straße zu stellen. Nein, sie mussten das größer aufziehen. Und wenn sie so viele Kunden wie möglich bedienen wollten, durften sich die Leute keine großen, aufwendigen Tattoos auswählen. Die würden einfach zu lange dauern. Und was sie auch nicht gebrauchen konnten, waren sogenannte „Kneifer". Kneifer waren Kunden, die sich ewig lange beraten ließen, Katalog um Katalog wälzten, nur um am Ende doch kein Tattoo zu wollen. An normalen Tagen was das okay. Wolf begrüßte es sogar, wenn sich seine Kunden ganz, ganz sicher waren. Ein Tattoo konnte man schließlich nicht mit Wasser und Seife abwaschen. Aber an einem Tag wie Koningsdag, musste ein anderes Konzept her. Und das hatte er sich schon ausgedacht. Jetzt musste er nur noch Pearl davon überzeugen.
Er wartete, bis das Geschäft leer war, dann drehte er sich zu Pearl um. Sie wischte gerade ihren Stuhl mit Desinfektionsmittel ab, nachdem sie einer Kundin ein älteres Tattoo aufgefrischt hatte.
„Hey, Pearl, hast du einen Moment?"
„Na klar, was gibt's?"
Wolf entschied sich, direkt mit der Tür ins Haus zu fallen. „Der Königstag steht an. Und wir müssen mehr Umsatz machen. Unsere Bekanntheit steigern."
„Ja?" fragte sie und runzelte misstrauisch die Stirn.
Jetzt oder nie, dachte er.
„Ich denke, wie sollten einen Flash machen."
Pearl hielt mitten in der Bewegung inne. Langsam drehte sie sich zu ihm um. „Das ist ein Scherz, oder?"
Er schüttelte den Kopf. „Wir brauchen den Umsatz."
Pearl schnaufte, bevor sie sich wieder der Liege widmete. „Flashs sind für Amateure und mittelmäßige Möchtegern Tätowierer. Ich bin ein Künstler! Ich mache keinen Flash, nie im Leben."
Wolf hatte von Pearl nichts Anderes erwartet. Bei einem Flash konnten sich die Kunden ein Tattoo aus vorbereiteten, bereits fix und fertig gezeichneten Tattoos aussuchen. Es waren meist kleine, einfache Tattoos, die nur wenig Zeit in Anspruch nahmen. Flash Tattoos stellten meist nur wenig Ansprüche an die Kunst und an den Kunden. Aber Wolf hatte noch ein Ass im Ärmel.
„Bin ganz bei dir, aber wir werden es anders machen. Wir machen einen Königs Flash. Eine Art Premium Flash."
Pearl wischte die Liege trocken, dann drehte sie sich ganz zu ihm um und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie meinst du das?"
„Wir machen keine Null-Acht-Fünfzehn Tattoos bei dem Flash. Das ist nicht unser Stil oder unser Niveau. Keine Herzchen und Sternchen und langweilige Totenköpfe. Nein, wie machen Custom Brand Flash Tattoos."
Er sah, wie Pearl den Kopf zu Seite legte und den Mund verzog. „Du meinst, wir tätowieren bei dem Flash nur unsere eigenen typischen Designs?"
„Genau. Wir bereiten beide ein paar geeignete Tattoos vor, machen daraus Flashs und bieten diese an jeden an, der will. Einfache Arbeit, schnelles Geld und gute Werbung."
„Und ich kann machen, was ich will? Freie Hand bei den Designs?"
„Ja." Wolf nickte. „Du machst deine, ich mach meine." Unwillkürlich hielt Wolf den Atem an. Er wollte, dass Pearl seine Idee gut fand und von sich aus mitmachte. Er wollte nicht den Boss heraushängen lassen. Zu seiner Erleichterung nickte Pearl.
„Deal." Sie stieß sich von der Liege ab, an der sie gelehnt hatte und ging in Richtung Toiletten. Dabei rief sie über die Schulter. „Orks! Ich werde nur Orks anbieten. Und Trolle! Ha! Das wird toll."
Wolf seufzte, schloss die Augen und massierte sich die Nasenwurzel.
Oh Mann....
~*~
Matty
„Findest du, ich sollte die orange-farbenen Kronen-Kekse mit ins Sortiment nehmen? Oder doch lieber die Flaggen Kekse in Rot-Weiß-Blau?" fragte Matty und rieb sich das Kinn mit seinem Kugelschreiber. Als er keine Antwort erhielt, rief er etwas lauter: „Mark? Kronen oder Flaggen Kekse?"
„Was?" fragte Mark abgelenkt. Er saß auf der Couch, seinen Computer auf den Knien.
„Soll ich zum Königstag lieber Kekse in der Form von Kronen backen, oder Kekse in der Form der Flagge? Ich kann mich nicht entscheiden und für beide habe ich keine Zeit."
Mark sah nicht von seinem Bildschirm auf. „Keine Ahnung. Kronen."
Matty kaute auf seinem Stift herum. „Aber bei Kronen würde ich noch was Orangenes anbieten. Ich habe schon so viele Sachen mit orangener Glasur oder orangener Füllung."
„Dann nimm die Flaggen."
„Aber dann muss ich drei verschiedene Glasuren anmischen und das glasieren wird ewig dauern."
„Dann mach eben was Anderes. Meine Güte, es sind nur Kekse!" sagte Mark genervt und sah auf. „An dem Tag sind sowieso alle betrunken. Da erinnert sich später keiner mehr an deine Kekse."
Okaaaaay, dachte Matty und presste die Lippen aufeinander. Er wusste ja, dass Mark viel Stress auf der Arbeit hatte, aber deswegen musste er nicht gleich gemein werden. Ohne zu antworten drehte sich Matty wieder zu seinen Notizen und strich sowohl die Kronen-Kekse wie auch die Flaggen-Kekse durch. Er hatte keine Lust mehr darauf. Er würde einfach gar keine Kekse anbieten. Aus die Maus.
„Bist du jetzt sauer?" kam Marks Stimme von der Couch. Er klang immer noch genervt, wenn auch etwas entschuldigend.
„Nein", sagte Matty knapp.
Mark seufzte, dann fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht. „Es tut mir leid, okay? Ich habe einfach viel um die Ohren auf der Arbeit. Ich habe es nicht so gemeint."
„Okay."
„Du nimmst aber auch immer alles gleich so persönlich."
Für eine Weile sagte keiner der beiden etwas, doch dann fragte Matty: „Wenn du so viel zu tun hast, dann hattest du wohl noch keine Zeit, um dir die Sache mit den Motorrädern anzuschauen, oder?"
Fast jeden Tag dröhnten jetzt Motorräder durch die kleine Grachtenstraße, um vor dem Tattoostudio zu parken. Matty störte sich unbändig daran, auch wenn sich bisher noch kein Kunde beschwert hatte. Er hatte gehofft, dass Mark schon eine Lösung für das Problem gefunden hatte.
Doch Mark sah ihn nur verständnislos an. „Welche Motorräder denn?"
„Na, die vor meiner Bäckerei. Die, die immer vor dem Legendary parken."
Als Mark ihn immer noch verwirrt ansah, fügte Matty hinzu: „Du hast versprochen, dass du dir das mal ansiehst. Vielleicht kann ich ja bei der Gemeinde ein Durchfahrtverbot oder so beantragen. Du wolltest dich mal schlaumachen."
„Das hab ich nie gesagt. Davon höre ich jetzt zum ersten Mal."
Matty sah seinen Freund verwirrt an. „Aber, wir haben doch darüber geredet. Du hast gesagt, du schaust mal, ob du was findest."
Mark schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, wovon du redest. Sagt mir gar nichts."
„Aber..."
„Außerdem kenne ich mich damit gar nicht aus", sagte Mark und widmete sich wieder seinem Computer. „Nicht mein Fachgebiet."
Matty wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Sie hatten doch darüber geredet, oder? Er meinte, sich genau zu erinnern. Sie hatten auf der Couch gesessen und Mark hatte versprochen, sich darum zu kümmern. Oder nicht? Langsam drehte Matty sich wieder zu seinen Notizen. Vielleicht hatte er sich das Gespräch ja auch nur eingebildet...
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