1. Winter
„Euer Hoheit, Euer Hoheit, so wartet doch", rief mir Jarfel, ein kleiner Kobold und mein Kammerdiener hinterher. Seine kleinen Beine versanken bei seiner Verfolgung von mir immer wieder im tiefen Schnee und seine Haare waren übersät mit Schneeflocken. Auch in meinem seidigen roten Fell verfingen sich die zarten weißen Flocken.
Doch ich dachte überhaupt nicht daran auf den älteren und erfahrenen Kobold zu hören und nutzte meine flinken und starken Pfoten um noch schneller über den Schnee zu preschen. Ich liebte das Gefühl der Freiheit, dass sich immer stärker in mir ausbreitete, je weiter ich mich vom Schloss entfernte. Ich liebte die Fuchsgestalt. Sie war klein, aber dafür flink, schnell und ausgerüstet mit scharfen Zähnen und Krallen. Auf jeden Fall war sie besser geeignet um durch den Schnee zu tollen als die Lieblingsgestalt meines Vaters, welchen man eigentlich nur in dieser, einem Löwen zu Gesicht bekam.
Knack.
Aufgeschreckt durch das Geräusch, stemmte ich die Pfoten in den Boden und stellte lauschend meine Ohren auf. Aufmerksam suchte ich die Umgebung mit meinen Augen ab. DA! Da hatte sich etwas bewegt!
Es sah seltsam aus und bewegte sich äußerst unbeholfen. Es schien kein Fell außer am Kopf zu haben und es bewegte sich auf zwei ungelenkig aussehenden Beinen, die noch mehr im Schnee versanken als die von Jarfel. Zudem schien ihm nicht mal bewusst zu sein wie viele Geräusche es machte mit seinen langen Beinen. Auch das Gesicht war komisch. Sehr flach mit einer kleinen Nase. Eventuell noch mit einem Koboldgesicht zu vergleichen, doch erstens war deren Hautfarbe blau, zweitens besaßen sie eine deutlich längere Nase und längere Ohren und drittens hatten sie alle einen dicken langen weißen Bart. Dieses Ding wirkte absolut harmlos. Ich konnte nichts gefährliches an ihm erkennen. Keine Klauen, keine Stacheln...einfach nichts. Selbst Kobolde hatten scharfe weiße Zähne und die galten schon als ungefährlich, was vielleicht daran lag, dass sie sehr friedliebend waren und ihre Zähne selten verwendeten, dennoch wirkte dieses Ding im Vergleich zum Kobold noch weniger gefährlich. Außerdem sah das Ding verloren aus und wirkte als könnte es jeden Moment umkippen. Was es auch tat. Mit einem lauten Knirschen verschwand das Ding der Länge nach im Schnee.
Unglaublich neugierig hüpfte ich auf die Stelle zu wo ich das Ding im Schnee hatte verschwinden sehen. Dort angelangt schlich ich mich langsam an das gähnende Loch heran, welches von dem Ding hinterlassen worden war, und blickte vorsichtig über die Kante, wobei ich meine Neugier nur sehr schwer in Zaum halten konnte und das Ding am liebsten so schnell wie möglich untersucht hätte.
Kaum hatte ich über die Kante gelinst, starrte ich in zwei dunkelblaue Augen, die mich verängstigt ansahen, in denen sich aber auch ein Hauch von Neugier spiegelte. Das Ding tat nichts weiter als zitternd im Schnee zu liegen während sein Atem schneidend und langsam durch die Luft schnitt. Es war sich wohl wirklich nicht bewusst, wie laut es war und was für Wesen es damit anlocken könnte. Weitaus unfreundlichere Gesellen als mich und ich konnte sehr unfreundlich werden, wenn es nötig war. Doch vielleicht lockte es genau so seine Beute an, indem es sich schwach darstellte und sie so zu sich lockte um sie dann zu packen, zu betäuben und dann zu fressen.
„An Eurer Stelle würde ich hier ganz schnell wieder verschwinden, Euer Hoheit", keuchte Jarfel, der auch endlich zu mir aufgeschlossen hatte und sich mit seiner kleinen klobigen Hand an der Seite hielt und nach Atem rang, jedoch nur halb so laut wie das Ding in der Schneegrube. ,,Das da ist uns unbekannt und keines der fünfhundert aufgezeichneten Wesen der Aceus. Das heißt wir wissen nicht wie intelligent es ist oder ob es uns überhaupt freundlich gesinnt ist. Es könnte uns nach unserem Wissen jederzeit angreifen!", fuhr Jarfel fort und wiederholte damit Worte, welche ich schon sehr oft zu hören bekommen hatte, da ich bei meinen Streifzügen durch das Königreich häufig auf Neues stieß und es jedes Mal die gleiche Predigt gab.
Deshalb rollte ich nur mit den Augen als ich ohne auf den Kobold zu hören einfach in das Schneeloch und auf das Ding draufhüpfte, welches dabei furchtsam die Augen zukniff. Klar hatte Jarfel auch irgendwie Recht und es gab Dinge bei denen man wirklich besser dran war wenn man davor weglief, aber dieses Ding wirkte komplett ungefährlich und noch dazu so als könnte es Hilfe gebrauchen. Solch ein Ding würde ich sicher nicht ignorieren.
„Was bist du und wie kann ich helfen“, fragte ich das Ding, wessen Körper sich unter meinen Pfoten eiskalt anfühlte. Doch das Ding verdrehte nur die Augen nach oben und regte sich daraufhin nicht mehr. Selbst das Zittern hörte auf.
„Jarfel ich glaube kaum, dass uns das Ding gerade etwas anhaben kann."
„Das wissen wir ni...."
„JARFEL", knurrte ich und brachte den Kobold zum Verstummen.
„Wenn überhaupt stirbt das Ding gerade", fuhr ich eindringlich fort.
„Wir müssen es mitnehmen"
„Das ist nicht Euer Ernst, Euer Hoheit", sagte Jarfel ungläubig und starrte das seltsame Ding an als hätte es irgendeine ansteckende Krankheit.
„Doch das ist mein voller Ernst", erwiderte ich und sprang wieder aus der Schneegrube.
„Ich möchte das du es mir auf den Rücken legst, damit ich es nach Hause tragen kann."
„Du willst es mit ins Schloss nehmen? Damit es gleich die ganze Königsfamilie ermorden kann?", fragte Jarfel aufgebracht und schüttelte vehement seinen blauen Kopf.
„Tut mir leid Euer Hoheit, aber das kann ich einfach nicht gutheißen. Ich weiß um Euer gutes Herz, aber dies ist eine grässliche Kreatur, welche im Schloss nichts zu suchen hat"
Jarfels Worte waren wahr. Es wäre wirklich nicht verantwortlich eine fremde Kreatur mit ins Schloss zu nehmen, in welchem sich ein Haufen verschiedener Aceus befand, wovon einige dort lebten, einige nur dort waren um mit dem König zu sprechen und wieder einige waren dort um geheilt zu werden. Zudem war es wirklich nur irgendeine Kreatur.....
„Trotzdem müssen wir etwas tun", murmelte ich und scharrte mit den Pfoten. Ich musste mir schnell was überlegen, denn ich wusste nicht wie lang das Ding die Kälte noch überstehen würde. Was mich wieder daran erinnerte wie wenig angepasst es an diese Welt schien. Fast wirkte es als hätte man es aus einem Bild ausgeschnitten um es auf ein anderes drauf zu kleben.
„Nun Euer Hoheit, wenn sie darauf bestehen, können wir das Ding mit zu mir nach Hause nehmen", grummelte da auf einmal Jarfel und wurde rot, was bei einem Kobold ziemlich lustig aussah, denn bei deren blauer Haut sah das "Rot werden" aus wie tiefes Violett.
Schnurrend legte ich ihm meine Pfote auf seine Schulter. ,,Danke Jarfel" , sagte ich und war nun doch froh den griesgrämigen Kobold dabei zu haben. Auch wenn er es nie zugeben würde, hatte er mindestens ein genauso gutes Herz wie er es mir zusprach.
„Aber sobald es etwas kaputt macht, fliegt es raus!", drohte Jarfel, worüber ich nur schmunzeln konnte.
Er würde es eben nie einsehen.
„Na dann hilf mir mal", sagte ich nur und schloss konzentriert meine Augen. Langsam tastete ich in meinem Inneren nach den Strömungen die mich am Leben hielten und jeder Kreatur eine Form gaben. Dann packte ich in Gedanken danach und begann die Strömungen zu verformen. Sofort spürte ich wie sich auch mein Äußeres nach meinem Willen veränderte. Meine Knochen brachen und formten sich unter leichten Schmerzen neu. Früher hatte ich bei diesem Veränderungsvorgang geschrien, nun nahm ich genau wahr wie die Beine und der Hals länger, der Rücken und der Kopf breiter und die Schultern stabiler wurden. Zum Schluss ging mein Fell in Flammen auf.
,,Ich bin jedes Mal erstaunt über die Fähigkeiten der königlichen Familie, aber wieso ein Ikarus?", fragte Jarfel. „Ein Flammenpferd ist nun wirklich nicht das Erste, was mir in den Sinn kommen würde, wenn ich jemanden vermutlich nicht flammfesten transportieren müsste", fügte er etwas sarkastisch hinzu und verschränkte die Arme. „Zudem weil ich selbst auch nicht flammfest bin"
„Ihr werdet Euch nicht mal verbrennen. Ich kann die Flammen auf einer Temperatur halten, sodass alte Kobolde wie du vielleicht höchstens einen warmen Hintern bekommen...", meinte ich und konnte mir ein Grinsen, bei dem Gesichtsausdruck den Jarfel machte, nicht verkneifen. Zum einen sah er aus als wollte er sich über das "alt" aufregen, doch zum anderen fand er den Gedanken an einen warmen Hintern offensichtlich nicht schlecht.
„Na gut, vielleicht war das keine schlechte Idee...."
„Jarfel komm schon", bettelte ich.
„Ok sie war gut. Nun zufrieden?", grummelte er, während er mit seiner Koboldkraft, welche um ein Vielfaches seine Größe übertraf, das Ding auf meinen Rücken hob. Danach stieg er selbst auf.
„Also worauf warten wir?", wollte Jarfel wissen, da stob ich schon los durch den Schnee in einer so hohen Geschwindigkeit, dass der Schnee unter meinen Hufen zu schmelzen begann.
Doch als würde der Schnee merken, dass er an einer Stelle verschwand, folgte er mit immer dichter werdenden Schneeflocken, sodass es immer genügend Schnee gäbe.
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