Es hätte auch unser Abschluss sein können
Marthas Sicht:
Fast zwei Wochen ist es her, dass wir eine Einladung hier für bekommen haben und nun sitzen wir im Publikum. Gespannt hören wir der Rede von unserem ehemaligen Schuldirektor zu und warten darauf, dass endlich hier mal mehr wieder geht, dass die Abiturienten endlich ihre Zeugnisse bekommen und wir endlich zum spaßigen Teil des frühen Abends gehen können. Und nun ging es auch los, nacheinander rief Herr Chung die Abiturenten auf die Bühne, um ihr Zeugnis abzuholen. Und mal wieder realisierte ich, dass wir beide heute auch da vorne hätten stehen können, wenn wir nicht gegangen wären. Aber wir sind zwei Jahre früher gegangen. Und bereuen tu ich es nicht, denn ich liebe mein Leben so wie es jetzt ist.
Ich lebe mit meiner besseren Hälfte an der Nordsee. Till und ich sind glücklich dort wo wir sind, denn wir haben uns und sind dort zusammen und dass ist das was zählt.
Ich bin mal wieder tief in meinen Gedanken versunken, dass ich gar nicht merke, dass die Zeugnisausgabe schon vorbei ist und die meisten bereits schon aufgestanden sind und sich am Buffet ranzumachen.
Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch und frage mich, wo denn eigentlich Till steckt, denn ich merkte auch gar nicht, dass er aufgestanden war, ist ja nicht schlimm dacht ich mir und versinke noch einmal kurz in Gedanken. Diesmal geht es um mein erstes Jahr auf dem Einstein und plötzlich realisiere ich, dass das schon verdammt lange her ist. Damals war ich noch ein Zwerg, wie Lenni immer sagte, und wild, hab das Internat genervt, besonders meinen lieben Bruder, aber auch andere Menschen wie die Schiller und die Rottbach. Die anderen Internatsjahre gingen auch sehr sehr schnell vorbei. Und durch Schicksal, dass unsere Schulen zusammengelegt wurden, fand ich meine bessere Hälfte. Zwei Menschen, die sich gehasst haben, haben gelernt sich zu lieben. Hätte ich mich damals nicht von Kasimir getrennt, waren Till und ich nicht so glücklich, dann würde ich wahrscheinlich allein an der Nordsee oder dort mit Kasimir sein. Mal wieder bin ich froh, dass ich mich damals getrennt habe. Denn Till und ich können nicht ohne uns, das geht einfach nicht.
Plötzlich umarmt mich irgendwer von hinten, an der Umarmung erkenne ich, dass es nicht Till ist, sondern Sibel. Sibels Umarmungen behalten immer viel Liebe und Geborgenheit und mal wieder freue ich mich, meine beste Freundin umarmen zu können. Sie lächelt mich an, stellt sich mir gegenüber und streckt mir eine Limonade in die Hand, sie weiß immer was der andere braucht.
Ich: „Danke Sibel, die Limonade konnte ich echt gut jetzt gebrauchen."
Sibel: "Man Martha, ich hab dich echt dieses Jahr vermisst, letztes Jahr zwar auch, aber dieses Jahr noch mehr."
Ich: "Ich dich auch Sibel, ich wollte schon viel früher dich besuchen kommen, aber in der Seehundstation war zu viel los, da war nichts mit Urlaub. Und wenn ich Frei hatte, dann war das zu kurz um für nach Erfurt zu fahren."
Sibel: "Alles gut, ist doch nicht schlimm. Ich hätte ja auch in den Ferien zu euch kommen können, aber gerade die letzten Ferien verbrachten wir alle mit Lernen."
Ich: "Wenigstens sehen wir uns jetzt."
Sibel: "Ja das stimmt. Wir alle sind sehr sehr froh, dass ihr beide hier sein könnt und die Zeit dazu gefunden habt her zu fahren."
Ich: "Wenn mir jemand vom Einstein Post schickt, dann komm ich nicht, weil ich denke es ist eine meiner Pflichten, sondern weil es eins meiner Zuhause ist und man hier immer mit offenen Armen empfangen wird."
Sibel: "Zuhause hört sich gut an."
Und wieder werde ich von hinten umarmt, diesmal erkenne ich, dass es Till ist.
Till: "Wer hat was von Zuhause gesagt?"
Sibel: "Wir. Martha hat nur gesagt, dass das Internat für sie immer ein Zuhause ist."
Till: "Und ich bin etwa nicht dein Zuhause?"
Ich: "Spinner, du wirst für immer mein Zuhause sein."
Till: "Dann bin ich beruhigt."
Er küsst mich und wir versinken kurz in einem Kuss, nach dem wir uns wieder voneinander lösen merke ich, dass Sibel verschwunden ist. Oh man. Ich denke, wenn Till und ich hier geblieben wären wir hätten jeden genervt und vor allem wenn wir uns mal streiten oder diskutieren sind wir schlimm, aber das weiß jeder auf dem Einstein.
Till: "Schatz, ich hab Hunger, lass mal schauen ob es irgendwo was zu essen gibt. Da du schon was zu trinken hast, gehe ich davon aus, du wirst wissen wo was zu trinken und was zu essen gibt."
Ich: "Nö ich weiß es nicht, aber bestimmt beim Eingang oder in der Küche und bevor du frägst wo ich schon was zu trinken her habe, Sibel hat es mitgebracht. Wir sollten vielleicht einfachmal in den Hof gehen."
Till und ich laufen gemeinsam mit verschränkten Händen in den Hof und wir werden von einer bunten Feier empfangen, an der einen Seite gibt es Stände mit verschiedenen Getränken und auf der anderen Seite wurde ein Buffet aufgebaut und in der Mitte wurden Stehtische oder auch kleine Sitzmöglichkeiten aufgebaut. Und dann wurde alles noch schön dekoriert, wie damals an der Waldretterparty nur die Artisten fehlen.
Und mal wieder spreche ich unbewusst meine Gedanken aus und als Till drauf antwortet, realisierte ich es. Ich lache los und wir machen uns auf den Weg zum Buffet.
Dort treffen wir auf Badu, Viktor und Pawel, die uns glücklich ansehen und mich herzlich begrüßen, da sie nur mich begrüßen, gehe ich davon aus, dass Till die anderen drei schon getroffen hat.
Viktor: "Ey, ihr wisst nicht, was dieses Jahr versteigert wurde."
Badu: "Haha das war zu lustig, alle sind darauf abgegangen."
Pawel: "Wir hoffen das Martha nicht eifersüchtig wird."
Ich runzle die Stirn und warte darauf, dass die drei uns erzählen über was sie reden.
Till: "Jungs jetzt sagt schon."
Viktor: "Die Schiller hat letztens Dinge aus der Fundkiste verteilt, darunter war auch deine Trinkflasche Till."
Badu: "Viele Mädels haben so laut geschrien, weil sie deine Trinkflasche haben wollten, dabei stand TNT drauf, ."
Ich fing an zu lachen, weil ich das so lustig finde, dass alle Tills Flasche haben wollten, dabei konnte es auch die von Timo oder Nick sein, haha.
Till: "Da seht ihr sie lacht. Ich glaub die Flasche war nicht mal von mir."
Jetzt konnten sich die anderen auch nicht mehr zusammenreisen und mussten ausgiebig lachen. Nach dem wir uns wieder zusammengerissen hatten und auch am Buffett nun dran waren, holten wir uns ausgiebig was zu essen und setzten uns gemeinsam in eine Sitzecke. Till, der Getränke holen war, verteilte sie, setzte sich neben mich und legte ein Arm um mich.
Ich: "Ich wäre echt gerne hier gewesen die letzten zwei Jahre."
Till: "Ich auch, aber ich denke, sonst wäre es nie so wie jetzt."
Und statt zu antworten, lächelte ihn an und nickte nur, denn ich wusste genau was er damit meint.
Pawel: "Ihr seid echt kitschig. Aber mit euch wäre es die letzten zwei Jahre echt lustig gewesen. Ich denke ihr beide hättet so viel Mist gebaut, aber bestimmt auch Streiche gemacht."
Till: "Wir? Nie im Leben hätten wir daran gedacht, dies zu tun."
Wir aßen und lachten zusammen, immer wieder kamen bekannte Gesichter auf uns zu, begrüßten uns, unterhielten sich mit und uns und fragten vor allem mich wie die Seehunde sind. Darunter auch Herr Chung, Herr Hauser und Frau Schiller ließen sich bei uns blicken, freuten sich uns zusehen und haben sich mit uns unterhalten.
Irgendwann stand ich auch wieder auf, um auf die Toilette zu gehen. Bereits im Eingangsbereich fiel mir auf, es war immer noch wie damals, alles war in schlichten Farben gestaltet und grau, eine ätzende Farbe, wie ich damals fand. Aber jetzt find ich sie sogar schön. Schnell ging ich auf die Toilette und musste anschließend doch noch eine kurze Runde durchs Internat laufen und am Tanzsaal blieb ich stehen. Und schon wieder denke ich an den Tag zurück, als mein Leben eine 180 Grad Wendung gemacht hat und nun der beste Tag meines Lebens ist der mir bis jetzt geschehen ist. Ich wage es nun doch als ehemalige Schülerin in den Tanzsaal reinzugehen und merke auch hier ist fast einiges gleichgeblieben. Ich gehe an die Fensterfront, mache ein Fenster auf und lasse meine Augen über den Internatshof schweifen. Kurz bleib ich hier stehen, denke noch einmal an meine Internatszeit zurück, doch dann mach ich das Fenster auch wieder zu und gehe nach unten.
Als ich wieder im Hof stehe, werde ich von Sibel empfangen. Sie nimmt mich mit, auch wenn ich nicht weiß wohin, lasse ich mich von ihr leiten, weil ich genau weiß, dass sie ein Plan von diesem Abend hat.
Wir enden dort wo bereits auch unser Tag angefangen hat, und zwar an der Bühne, doch diesmal nicht um irgendwelches langsame Reden und Zeugnisvergaben zuzuhören, sondern das Theaterstück anzuschauen. Denn dieses konnte nie wirklich zu Ende aufgeführt werden.
Sibel setzte sich neben mich und kurz darauf kam auch nun der Rest zu uns. Till verschränkte seine Hand mit meiner und warten darauf, dass sich der Vorhang hebt und das Theaterstück losgeht.
Arg viel weiter kamen sie nicht, denn diesmal wurden sie von Pawel unterbrochen. Pawel hatte es echt nicht immer einfach am Einstein und ich kann ihn verstehen, dass er seinen Abschlussstreich noch durchführen will. Auch wenn mir das Theater schon gefallen hat, freu ich mich noch auf den Abschlussstreich, denn von Sibel weiß ich, dass dieser echt wohl gut sein soll. Und mal wieder denke ich, es hätte auch unser Abschluss sein können, doch wir sind zwei Jahre früher gegangen und haben unseren Abschluss, aber ohne Streich, gemeinsam spontan auf der Waldretterparty gefeiert und dann sind wir gegangen, an die Nordsee. Auch wenn es immer noch schön ist dort zu sein, mit Till und zwischen Robben, Wasser und Strand, habe ich das hier vermisst. Es war jahrelang mein Zuhause, dann haben wir es verlassen und uns ein Leben an der Nordsee aufgebaut, dass wir noch täglich leben.
Ich wäre gerne hier gewesen und Till auch auch, wir hätten unser Abschlussjahr zusammen mit den anderen machen können, den Abschlussstreich planen und alles andere Lustige mitmachen können. Die Schiller nerven, Streiche, Unruhe stiften, mit Till Zeit genießen, mit den anderen Sommerabenden genießen. Doch wir sind zwei Jahre früher gegangen und jetzt wieder hier und das ist trotzdem schön.
Auch Cäcilia wäre hier zusammen an unserem Abschluss dabei, aber die ist mit Leni und co in die USA gegangen. Wenigstens sind beide glücklich zusammen, Fernbeziehungen funktionieren eh nicht, hat man ja bei mir und Hasimir, äh Kasimir gesehen. Hasimir, da zeigt sich der schlechte Einfluss von Till.
Wieder widme ich mich dem Abschlussstreich, mittlerweile sind auch Sibel und Badu vorne auf der Bühne, denn Viktor, der beim Theater mitspielte, stand da eh immer noch.
Ich muss sagen, dass es äußert, amüsant war, da auf der Bühne die Lehrer leiden zu sehen, weil sie dachten, dass sie sonst was über den Kopf kriegen würden.
Nach dem der grandiose Abschlussstreich nun auch vorbei war, begann Rosa nun auch noch mit einer kurzen Rede. Irgendwo haben wir auch aufgeschnappt, dass das ihre letzten Wochen auf dem Einstein sind und sie die Schule auch früher verlässt, so wie wir.
Was wäre wenn wir nicht früher gegangen wären, damals hatte ich etwas Angst an die Nordsee zu gehen, weg vom meinem zweiten Zuhause, weg von meinen Freunden und auch etwas Angst vor dem was kommt, deswegen habe ich mir auch nach der Waldretterparty den Abschied schwer gemacht, aber irgendwo wusste ich, dass man sich immer wieder sieht und natürlich freute ich mich damals auch auf die Zeit allein mit Till an die Nordsee zu gehen. Jeder kennt das doch schließlich neu wo zu sein und Angst oder eher Respekt vor der Sache zu haben, aber wir haben es geschafft.
Rosa: „Abschiede sind schwere, doch Verbindungen zu Menschen reisen nicht einfach ab, sie überwinden Länder, Ozeane und die Zeit. Alte Kapitel schließen sich, um neue beginnen zu lassen, denn vielleicht sind Abschiede schwer, aber dafür ist es umso schöner, wenn man sich wieder sieht. Einer für alle und alle für Einstein."
Und was in Rosas kurzer Rede genannt wurde, damit hat sie recht. Till und mein Abschied von hier fiel uns beiden nicht leicht, aber die Menschen wieder zu sehen ist so schön.
Ich mein Cäcilia und Leni sind in den USA und wir haben immer noch manchmal Kontakt und nach zwei Jahren an der Nordsee sein, haben Till und ich auch noch Kontakt zu den hier und zu vielen anderen Ehemaligen.
Dieser Abschied damals war schwer, aber war nicht für immer. Denn man verabschiedet sich von der Zeit und nicht von den Menschen. Ein Abschluss bedeutet auch Abschied, es hätte heute auch unser Abschluss sein können, aber unser Abschluss ist bereits gewesen.
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