rebel heart; stephen strange
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Ich weiß nicht, ob Stephen nach mir gesucht hat, denn ich habe dafür gesorgt, dass er - wenn er mich suchen würde - auf keinen Fall findet. Dennoch stelle ich mir diese Frage, doch schnell versuche ich sie aus meinem Gehirn zu verbannen.
Ich sollte nicht so über meinen Lehrer denken - nicht so über Dr. Strange denken, denn er ist eben er. Zudem älter. Um einiges älter, was mich eigentlich nicht stört - wieder schweifen meine Gedanken ab und störrisch, wie ein Pferd, schüttel ich meinen Kopf.
Diese Gedanken sind lästig, doch es ist nicht das erste Mal, dass ich mich erwische, an meinen Lehrer zu denken. Vielleicht bin ich auch deswegen so Konfrontationsfreudig. Doch ich darf so nicht denken, viel mehr sollte ich seine Schülerin bleiben, die ihm auf die Nerven geht.
Ich habe mich aus Kamar-Taj rausgeschlichen, bin den ganzen Tag durch Nepal gelaufen, habe Leute beobachtet, vielleicht einen Apfel geklaut und ansonsten nichts weiter gemacht. Langsam dämmert es und ich weiß, dass ich es nicht weiter hinauszögern kann. Ich muss zurück. Ob ich es will oder nicht.
Ich habe selten Angst und auch jetzt verspüre ich nicht wirklich Angst, dennoch ist in meiner Brust ein beklemmendes Gefühl, als würde etwas Schlimmes passieren - und ich sollte recht behalten.
Schon von weitem spüre ich, dass etwas nicht stimmen kann, doch als ich Kamar-Taj betrete, bleibt mir die Luft weg. Es herrscht die komplette Verwüstung hier, dennoch ist niemand zu sehen.
»Hallo?«, rufe ich, als ich das Hauptgebäude betrete. Während hier normalerweise immer reger Verkehr herrscht, ist es beinahe schon gespenstisch still.
Was ist passiert? War ich wirklich so lange weg?
Ein lautes Geräusch lässt mich zusammenzucken, bevor ich direkt in die Richtung renne, aus der es gekommen ist. Ich hechte die Treppen hoch, springe über ein Loch im Boden und will gerade um die Ecke laufen, als ich zwei Arme um mich spüre, die mich davon aufhalten und mich hoch heben.
»Lass mich los!«, knurre ich, trete und schlage um mich, spüre schon wie warm meine Hände werden, als eine bekannte Stimme in mein Ohr dringt. »Y/N, ich bin es.«
»Stephen?«, japse ich. Er lässt mich runter, dass ich mit meinen Beinen wieder den Boden berühren kann, dennoch hält er mich noch fest umschlungen und presst mich gegen seinen Rücken.
»Was?«, frage ich laut, doch schnell presst er seine Hand auf meinen Mund, erstickt damit meine Laute und zieht mich in eine Nische, wo er mich umdreht und warnend ansieht.
Ein Schnitt ist quer über seine Wange und ehe ich nachdenken kann, was ich überhaupt tue, strecke ich meine Hand aus und streiche leicht darüber. »Was ist hier los?«, hauche ich und entferne schnell meine Hand, als mir klar wird, dass ich gerade meinen Lehrer über die Wange gestreichelt habe.
»Wir werden angegriffen«, murmelt er schwer atmend, dann erst fällt mir auf, dass sein Umhang auch schon schlimm zugerichtet aussieht. »Wer?«, frage ich sofort, doch er schüttelt seinen Kopf.
»Ich bringe dich erstmal in Sicherheit«, er lässt von mir los, macht einen Schritt nach hinten, während er im gleichen Moment seine Hand hebt und mein Blick auf seinen Sling Ring fällt.
»Stephen, ich kann kämpfen - ich kann euch helfen«, flehe ich ihn an, doch er schüttelt nur seinen Kopf.
»Nein«, sagt er kalt und beschwört ein Portal. Kurz blicke ich zurück, die Geräusche werden immer lauter. Was es auch ist, es kommt rasend schnell auf uns zu.
»Ich kann euch helfen«, beharre ich weiter. Freiwillig werde ich sicherlich nicht in dieses Portal gehen. »Das kannst du nicht, du bist noch nicht bereit. Du kannst es noch nicht einmal kontrollieren, wenn du es jetzt einsetzen würdest, dann machst du ganz Nepal den Boden gleich«, sagt er hitzig und ich stocke.
»Du glaubst nicht an mich«, meine Stimme zittert bei dieser Erkenntnis. Aber klar, warum sollte es auch anders sein? Ich bin am Ende nur ein Freak. Ein Freak, dem Hoffnung gemacht wurde. Mit den ganzen Trainingsstunden, die rein nichts gebracht haben.
Wut steigt in mir auf, doch diesmal versuche ich es nicht einmal zu kontrollieren. Wieso auch? Es ist doch sowieso egal.
Stephens Pupillen werden augenblicklich größer, als er bemerkt, was ich vorhabe, doch bevor ich überhaupt meine Hand heben kann, ist er schneller und eine plötzliche Kraft zieht mich in das Portal und mit einem Mal stehe ich nicht mehr in Nepal, sondern in einer ziemlich großen, teuren Designer Wohnung.
Schnell drehe ich mich um, blicke in Stephens Gesicht, will ihn anschreien, doch bevor ich meinen Mund überhaupt öffnen kann, ist das Portal verschwunden und ich bin allein.
~
Stunden vergehen. Stunden, in denen ich nicht nur mehr als einmal darüber nachgedacht habe, die Wohnung zu zerlegen. Ich bin absolut sauer, doch diesmal breitet sich die Wut nicht in mir aus.
Bin ich kaputt?
Normalerweise würde ich in so einer Situation schon das Ausmaß meiner Wut spüren, doch vielleicht überschattet die Sorge um Stephen und Kamar-Taj sie. Ich weiß es nicht, mich lässt dieses Ungewissen einfach nur durchdrehen.
Gerade als ich einen weiteren Kreis im Wohnzimmer laufe, höre ich hinter mir ein Geräusch, ich drehe mich um und ein blutender Stephen stürzt mir plötzlich in meine Arme.
»Fuck - was ist passiert?«, rufe ich erschrocken aus und hieve den größeren irgendwie auf die Couch. »Nichts«, hustet er und legt stöhnend seinen Kopf auf die Couch.
»Nichts?!«, keife ich, stemme meine Hände in die Hüfte, während ich ihn anfunkle.
»Es ist alles wieder gut«, hustet er. »Danach sieht es nichts aus«, murmle ich und verschwinde in die Küche, in der ich vorhin - wenn ich mich recht entsinne - einen Erste-Hilfe-Koffer gesehen habe.
Als ich ihn gefunden habe, gehe ich wieder ins Wohnzimmer. Stephen liegt schwer atmend und unverändert auf der Couch. Seufzend knie ich mich vor ihm hin, reiße sein Oberteil mit meinen Händen auf und fange an, seine Wunden notdürftig zu desinfizieren.
Er verzieht keine Miene, während ich beginne, vorsichtig seinen Oberkörper zu verbinden. »Du hättest mich nicht wegschicken dürfen«, sage ich, helfe ihm dabei, seinen Oberkörper hoch zu stützen, damit ich den Verband um ihn wickeln kann.
»Es war die sicherste Option - für mich und für dich«, brummt er. Wütend kneife ich meine Augen zusammen und ziehe den Verband extra fest, dass es auf seine Wunde drückt und er leise aufzischt. »Oh, sorry. Tat das weh?«, frage ich zuckersüß, bevor ich den Verband wieder lockere und ihn verbunden wieder auf die Couch sinken lasse.
»Du wirst es irgendwann verstehen, Y/N.« Stephen klingt erschöpft, dennoch verdrehe ich meine Augen. Ich erhebe mich und schaue auf die Uhr, die an der Wand hängt.
»Es ist spät, du solltest schlafen«, sage ich kalt und lasse ihn alleine. Soll er doch auf der Couch versauern, ich werde mich in sein Bett legen, was erstaunlich weich aussieht.
Ich habe noch nie in so einem weichen Bett geschlafen, sodass ich nicht von allein aufwache, sondern der Geruch von frischen Kaffee mich weckt. Kurz bin ich verwundert, wo ich mich befinde, doch ziemlich schnell fallen mir die Geschehnisse vom gestrigen Tag ein.
Ich schwinge meine Beine aus dem Bett und tapse, nur mit dem Shirt bekleidet, was ich mir gestern aus dem Kleiderschrank geklaut habe, in die Küche, wo ein erstaunlich munterer Stephen steht.
»Dir scheint es wieder gut zu gehen«, sage ich kühl.
Stephen dreht sich zu mir um und hält mir eine dampfende Kaffeetasse hin, die ich annehme und sofort dran nippe. Währenddessen erwische ich ihn, wie er mich einmal mustert und sein Blick, länger als üblich, auf meinen nackten Beinen ruht.
»Ich hatte eine ziemlich gute Ärztin«, schmunzelt er, während ich ihn nur kalt ansehe. Denkt er, diese Wörter würden mir schmeicheln? Ich kenne seine Vergangenheit mehr als nur gut, doch so einfach würde ich ihm es nicht machen.
»Bist du immer noch sauer auf mich?«, fragt er, während er an der Theke gelehnt steht. Er trägt nur eine lockere Hose und kurz ruht mein Blick auf seinen verbundenen Oberkörper. »Du hast nichts getan, dass ich dir verzeihen könnte«, mit diesen Worten drehe ich mich um.
»Was ist so falsch daran, dich retten zu wollen? Warum seid ihr Frauen alle nur so kompliziert?«, platzt es aus Stephen heraus und blitzschnell drehe ich mich um.
»Ernsthaft? Wir Frauen sind kompliziert? Weißt du was, du bist einfach nur ein arroganter Mistkerl, der nicht verarbeiten kann, dass er kein Oberarzt mehr ist. Du behandelst jeden von oben herab, als ob du etwas besseres wärst und weißt du was?«, rege ich mich auf, gehe einen Schritt auf ihn zu, hebe meinen Zeigefinger und pieke ihn in seine Brust.
Seine Lippen sind zu einem schmalen Strich zusammengezogen, während er mich mit einem Blick mustert, den ich nicht deuten kann.
»Ich bin froh, dass du mich weggeschickt hast. Ich war die ganze Zeit alleine, musste mich durchkämpfen, wieso sollte ich mich dann um andere scheren? Weißt du was, Dr. Strange«, diesen Namen spreche ich verächtlich aus.
»Leck mich.«
»Okay«, sagt er einfach und baff kann ich ihn nur ansehen. Okay?
Doch bevor ich die Bedeutung seiner Wörter klar werden kann, hebt er mich plötzlich hoch, setzt mich auf den Tresen ab und geht in die Knie.
Fuck, was ist jetzt los?
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