𝖅𝖊𝖍𝖓𝖙𝖊𝖘 𝕶𝖆𝖕𝖎𝖙𝖊𝖑
Lilian holte mich im Keller ab. Zusammen machten wir uns auf den Weg zum Thronsaal zu der Besprechung mit Sir ‚Schlachtfeld-Profi' Lorten.
Als wir den Thronsaal erreichten, war er bereits dort. Ein großer, schlanker Mann, mit einem Fellmantel, schickem Hut und teuren Schuhen. Er fuhr mit den Fingern über seinen dünnen Schnurrbart und betrachtete das vor ihm Aufgestellte Miniatur-Schlachtfeld. Es zeigte die Grenze von Arîs zu Xetras. Kleine Figuren bildeten die Armeen und Einheiten, was mich an Claires Spiel erinnerte.
„Meine Königin!" Sir Lorent hatte uns entdeckt und machte einen Knicks. Dann deutete er auf den mächtigen Thron.
„Wenn sie sich setzten würden, könnten wir gleich beginnen."
Ich sah zum Thron hinüber und dieses ungute Gefühl stieg in mir auf. Ich hatte Angst.
„Geben sie sich einen Ruck!" flüsterte Lilian in mein Ohr und schubste mich leicht nach vorne.
Ich ging auf den Thron zu und setzte mich. Wieder drang diese Kälte in mich, doch sie war schwächer als das letzte Mal. Unsere Temperaturen glichen sich einander an, wobei ich eindeutig kälter wurde. Er gab mir genau den Halt und das Selbstbewusstsein, das ich brauchte.
„Fangen wir an." meinte ich und zuckte an meiner lauten Stimme zusammen.
„Na dann..." Sir Lorten rieb sich die Hände und beugte sich über das Feld.
„Ich würde sie als erstes ein wenig aufklären. Die roten Figuren", er zeigte auf den kleineren Anteil der Figuren, „das sind wir und die blauen, das ist die Armee von Xetras."
Er schaute mich fragend an, und ich nickte als Zeichen, dass ich es verstanden hatte.
„Nun, hier oben hat Xetras bereits die Oberhand. Hier unten...", er rannte von der einen zur anderen Seite des tiefen Tisches „ist sozusagen Gleichstand. Unsere Armeen sind einfach zu schwach."
„Das kommt davon, wenn man hilflose, arme Leute als Soldaten benutzt." meinte ich wütend und er sah mich fragend an.
„Ach das meint ihr. Ja, das war die Idee ihres Vaters."
War ja mal wieder klar.
„Ich hielt es schon da nicht für eine gute Idee. Die sind viel zu schwach. Wir sollten unsere Gefangenen in den Krieg schicken!" meinte er grübelnd.
„Ernsthaft?" schrie ich und fuhr erneut an der Lautstärke meiner Stimme zusammen. Das war der Thron. Er benutze meine Wut.
Ich atmete einmal tief ein und aus.
„Was denkt ihr, wird Xetras als nächstes tun?" fragte ich dann leiser.
Sir Lorten grübelte und ihm stieg sichtlich der Qualm aus dem Kopf.
„Sie könnten einfach wie jedes Mal erneut angreifen. Das würde es aber in die Länge ziehen. Nein,nein,nein..."
Er stützte sich auf dem Tisch ab.
„Vielleicht wird er den Krieg irgendwie beenden wollen?" fragte ich, in der Hoffnung, auch ein wenig helfen zu können.
„Das ist es!" schrie er fast freudig.
„Gute Neuigkeiten?" fragte Lilian, die sich bis jetzt rausgehalten hatte. Sie hatte sich an eine der Säulen gelehnt.
„Nein, im Gegenteil."
All meine Hoffnungen flogen davon.
„Xetras wird wahrscheinlich zur letzten Schlacht übergehen."
Jetzt löste sich Lilian von ihrer Säule.
„Was?! Schon?!"
Irritiert sah ich zwischen den beiden hin und her.
„Ist das den so anders? Er wird doch einfach angreifen und hoffen zu gewinnen, wie jedes Mal, oder?"
Sir Lorten zog sich einen Stuhl heran.
„Leider nicht. Wen einer den anderen zur letzten Schlacht auffordert, wird der, der Gewinnt, endgültig gewinnen. Es werden Regeln wie bei einem Spiel festgelegt, an die sich die Könige halten müssen."
Na toll. Als hätte ich nicht schon genug Probleme, um die ich mich kümmern musste, kam auch noch das hinzu.
„Regeln wie...?" fragte ich.
„Anzahl der Soldaten, Ort des Kampfes, Waffeneinsätze, und so weiter. Bei den Göttern, wie so hab ich das übersehen?"
Lilian verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ja, warum haben sie das übersehen?" fragte sie wütend.
„Meine Königin, ich bräuchte ein wenig Zeit um mir etwas auszudenken."
„Wie lange?"
Er sah auf das Mini-Schlachtfeld und seufzte.
„Ein zwei Tage."
Das war lange.
„Beeilen sie sich."
Er nickte und ich stieg von meinem Thron. Wieder ließ mich der fehlende Halt fast hinfliegen, doch ich konnte mich kontrollieren. Etwas benommen verabschiedete ich mich von Sir Lorten und Lilian und verließ den Thronsaal.
Shadow wieherte, als sie mich sah. Freudig begrüßte ich sie und streichelte ihr über das, vom gerade angefangenem Regen, nasse Fell.
„Wollen wir einen kleinen Ausritt machen?" flüsterte ich ihr ins Ohr. Dann kletterte ich über den Zaun und stieg auf.
Wir verließen die Koppel, in dem Shadow über den Zaun sprang. Danach ritten wir in Richtung Friedhof. Er war etwas abgeschieden, ruhig und wunderschön. Von weitem sah man die hellrot leuchtenden Rosen, die die Gräber verzierten. Ich stieg von Shadow ab und lief tiefer hinein. Shadow folgte mir wie immer ohne Widerspruch. Wir gelangten an das Grab meiner Mutter, das ich schon so oft besucht hatte. Die Blumen, die ich vor ein paar Monaten gesät hatte, streckten sich jetzt in voller Pracht dem Regen entgegen.
Neben dem Grab meiner Mutter war nun das meines Vaters. Um ehrlich zu sein, hatte ich es noch nicht einmal besucht. Ich wusste nicht wieso.
Angst?
Schuldgefühle?
Trauer?
Sein Grab hatte einen silbernen Grabstein und die Einschriften waren mit Diamanten verziert. Es ähnelte sehr dem meiner Mutter, doch wirkte um einiges prachtvoller. Tausende schwarze Rosen blühten in dem kleinen Beet vor seinem Grabstein. Sie waren das Zeichen, wenn ein König oder eine Königin durch andere getötet wurde. Ich kniete nieder und sah auf die Einschrift. Dann senkte ich mein Blick und schaute auf das Beet.
Ich stand gerade wirklich vor dem Grab meines Vaters. Als Königin von Arîs.
Eine Träne lief mir über die Wange, sie war wärmer wie die Tropfen des Regens, der auf mich prasselte.
Shadow beugte sich vor und schnupperte an einer Rose.
Dann nahm sie sie in den Mund riss sie raus.
„Hey!"
Bevor ich sie ihr wegnehmen konnte, kaute sie bereits genüsslich darauf herum. Ein Lächeln breitete sich in meinem Gesicht aus und ich fiel Shadow um den Hals. Ich vergrub mein Gesicht in ihr warmes, weiches Fell.
Im nächsten Moment wurde der Himmel heller. Das letzte mal als ich das erlebt hatte, war die Welt um mich herum explodiert. Doch als ich in den Himmel sah, sah ich nur einen roten Punkt, der langsam auf das Schloss zuflog.
Dann erkannte ich, dass es sich um einen Vogel handelte.
Einen Phönix, die Überbringer von Botschaften in einer Schlacht.
Ein Phönix, das Symbol von Xetras.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro