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Mason
Im Haus herrscht seit Tagen eisige Stimmung. Taylor ist nur noch mies drauf und traurig. Mary redet mit keinem und ignoriert uns. Jonny verbringt die meiste Zeit in der Lagerhalle, herrscht die Jungs an und sieht zu, dass die Ware über den Tisch geht. Liona verhält sich still und versucht nicht in die Schusslinie zu geraten. Und ich? Ich sehe mir das Ganze aus der Ferne an und versuche gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Taylor gefällt mir nicht. Sie vermeidet es, mit uns intim zu werden, sogar allein zu sein. Sie flüchtet regelrecht vor uns. Sie hatte die letzten Tage noch zwei Sitzungen bei Dr. Green. Dennoch weiß sie nicht damit umzugehen.
Ich sitze im Wohnzimmer, mit dem Laptop auf dem Schoß und arbeite ein wenig. Kundenaquiese, Lieferanten bespaßen, was eben so anfällt. Mary und Liona kommen gerade nach Hause, ich kann es an dem Gepolter und Getrampel hören. Beide kommen ins Wohnzimmer, doch Mary sieht mich nur entgeistert an.
"Na ihr Zwei. Wie war die Schule?" Liona kommt zu mir und umarmt mich, Mary bleibt, wo sie ist und wirft mir und ihrer Schwester Todesblicke zu. Sie dreht sich ohne ein Wort um und verlässt das Wohnzimmer.
Laut seufze ich, sehe Liona an und zucke mit den Schultern. Sie macht es mir nach und lächelt. „Ich gehe mal mit Mary sprechen. Fang doch schon mal mit dein Hausaufgaben an, ich bin gleich bei dir."
Ich steige die Treppe hoch, gehe den Flur entlang und klopfe an ihre Zimmertür. „Nein!", schreit sie von innen. Es interessiert mich aber nicht, also öffne ich die Tür und trete ungebeten ein.
„Mary. Wie lange möchtest du uns noch böse sein? So kann es doch nicht weitergehen." Sie reagiert nicht, hat ihr Gesicht in ihr Kissen gedrückt und liegt bäuchlings im Bett.
"Geh weg, Mason. Ich will nicht mit dir reden!" Ich setze mich auf ihren Bettrand, lasse mich jetzt bestimmt nicht abwimmeln. "Mary, deine Mom ist wirklich sehr glücklich mit Jonny und mir. Momentan belastet sie die Situation so sehr, dass sie nur noch weint. Möchtest du deine Mom denn nicht glücklich sehen?"
Ruckartig springt sie auf und sieht mich mit wutverzerrter Miene an. "Wen interessiert es hier überhaupt, ob ich glücklich bin? Ich will das einfach nicht. Das ist keine normale Beziehung, von der wir hier reden! Was werden die anderen Schüler und meine Freunde sagen, wenn sie es rausbekommen? Und das werden sie!"
Ich atme tief durch, um nicht ebenfalls laut zu werden. Ich denke, das wäre jetzt äusserst kontraproduktiv. "Warum interessiert es dich so sehr, was die Anderen denken, wenn wir als Familie glücklich sind?"
"Wir sind keine Familie! Niemals! Ich habe einmal den Fehler gemacht und meiner Freundin - zumindest dachte ich, sie wäre meine Freundin - alles erzählt, was zuhause abgeht und sie hat es in der Schule weitererzählt. Ab da war ich nur noch der Freak! Und das bis Heute noch! Was denkst du, werden sie mit mir machen, wenn das mit euch rauskommt?" Mittlerweile weint Mary bitterlich. Sie zieht zwischendurch die Nase hoch und hat einen kleinen Schluckauf.
"Es ist mein letztes Wort. Ihr könnt so nicht zusammensein!" Sie schmeißt sich zurück auf ihr Bett und vergräbt wieder ihr Gesicht im Kissen.
„Mary, bitte denke daran, dass wir uns lieben und zusammen sein möchten. Deine Mom ist glücklich mit uns. Es tut mir so leid, was du in der Schule durchmachen musstest. Ich verspreche dir, wir alle stehen hinter dir und wenn du möchtest, reden wir mit den Lehrern, damit du geschützt wirst."
Es gibt kein durchdringen bei der Zehnjährigen, daher verlasse ich das Zimmer. Es ist nicht das erste Mal, dass wir versuchen mit ihr zu reden. Jonny hat den besten Draht zu ihr, beißt aber ebenso auf Granit.
Ich weiß nicht mehr, was wir noch tun können. Ich habe bedenken, dass Taylor uns verlassen wird. Es würde ihr ähnlich sehen. Sie tut alles für ihre Kinder.
Jonny und Taylor kommen gerade zur Haustür rein, als ich den Weg nach unten nehme und noch auf der Treppe stehe. Sie sieht angespannt aus. Die Beiden schleppen die Einkäufe in die Küche, ich sprinte nach unten und nehme Taylor die schwere Tüte ab.
Irgendwie ist die Luft zum Schneiden dick. Ob etwas zwischen ihnen beim einkaufen vorgefallen ist? Ich versuche per Augenkontakt mit Jonny zu kommunizieren, er jedoch gibt mir zu verstehen, dass wir es später besprechen werden.
„Hey, Kleine. Du siehst so angespannt aus. Wie wäre es mit einer Massage von mir?" Ich trete von hinten an sie ran, lege meine Hände auf ihre Schultern und möchte ihren Hals küssen. Abrupt dreht sie sich von mir weg und schnaubt.
„Mason! Lass das bitte! Wenn uns Mary sieht, wird es nur noch schlimmer!"
Oh, okay. Sie hat wirklich miese Laune. "Was ist los, Kleine? Ist irgendwas passiert?" Ich sehe sie abwartend an und hoffe auf eine Antwort. Doch wieder schnaubt sie nur und schüttelt ihren Kopf.
"Für euch scheint das Alles so einfach zu sein, nicht wahr!? Mary redet nicht mehr mit mir. Die Leute beginnen über uns zu reden und zu allem Überfluss hat mich heute Marys Klassenkameradin mit Jonny beim Küssen gesehen, wo sie doch erst gestern mich mit dir im Park dabei erwischt hat! Es wird die Runde machen und ich werde meine Tochter verlieren! Warum wollt ihr das nicht verstehen?"
Ich sehe sie entgeistert an und schlucke schwer. Nach der Auseinandersetzung von eben mit Mary, wiegen Taylors Worte schwer. Mary hatte mir erzählt, dass sie gemobbt wurde. Wenn das Mädchen aus ihrer Klasse das mit uns verbreitet, könnte es wieder losgehen.
"Taylor, jetzt warte doch erstmal ab. Vielleicht erzählt das Mädchen gar nichts? Vielleicht machst du dir umsonst Sorgen?", versucht Jonny sie zu beschwichtigen. Der Schuss geht allerdings nach hinten los. Taylors Mimik verfinstert sich noch mehr, wutentbrannt sieht sie ihn an.
"Was weißt du schon, Jonny? Huh? Hättest du auch nur die leiseste Ahnung davon, was wir und vor allem die Kinder durchmachen mussten, würdest du so nicht reden! Ich mache mir umsonst Sorgen? Mag sein! Doch lieber sorge ich mich einmal mehr, als meine Kinder zu vernachlässigen!"
Jonnys Blick ist auf den Boden gerichtet. Bisher haben wir drei noch nie so eine heftige Auseinandersetzung gehabt. Die Situation belastet die ganze Familie und die Stimmung ist kaum noch zu ertragen.
Taylors Augen beginnen zu schimmern. Sie legt sich ihre Hand über das Gesicht und beginnt zu schluchzen. Ich möchte sie so gerne in den Arm nehmen, ihr über den Rücken streicheln und ihr zuflüstern, dass alles wieder gut wird. Doch sie lässt mich nicht. Als ich nach ihrer Hand greife, zuckt sie weg und streckt die Hände abwehrend vor ihren Körper.
"Ich... ich kann das so nicht mehr! Ich... ich muss an meine Kinder denken!" Immer wieder schüttelt sie mit dem Kopf, während stille Tränen ihre Wangen herunterlaufen.
"Was genau, willst du uns damit sagen?", möchte Jonny mit erstickter Stimme von unserer Partnerin wissen. Doch sie weint einfach weiter, schnieft und schlägt sich erneut die Hände vor ihr Gesicht.
"Machst du etwa gerade mit uns Schluss?", flüstere ich ängstlich. Ich möchte nicht, dass es endet. Ich liebe sie so sehr! Ich möchte weiterhin mit ihr zusammensein, sie glücklich machen und Mein nennen können. Der Gedanke daran, dass sie nicht mehr bei uns ist, schnürt mir die Kehle zu und treibt auch mir Tränen in die Augen.
"Ich... sehe einfach...keine andere Lösung!"
"Das kannst du nicht machen! Wir lieben dich! Und du liebst uns! Wir gehören zusammen! Ich war mir bei einer Sache noch nie so sicher in meinem Leben! Du... du kannst uns nicht verlassen!" Jonny rauft sich die Haare und läuft hektisch hin und her. Er ist absolut aufgebracht und auch er realisiert gerade, dass wir von unserer Liebsten abserviert werden.
Taylor sieht ihn flehend an. Ein stummer Versuch ihrerseits, dass er es gut sein lässt und es hinnimmt, wie es ist.
"Ich... Nein! Das kann und will ich einfach nicht akzeptieren! Ich liebe dich! Ich werde dich nicht verlieren! Du bist der einzige Mensch, für den ich jemals solche Gefühle hatte! Das... das geht nicht! Ich werde nochmal mit Mary reden!"
Ihre Augen werden groß und die Panik macht sich in ihrer Mimik breit. "Nein! Lass sie endlich in Ruhe! Hör auf, auf sie einzureden!"
"Sie hat recht. Ich habe vorhin nochmal versucht mit ihr zu reden. Es gibt kein Durchkommen und sie wird auch nicht von ihrer Meinung abweichen." Jonny und ich sehen uns lange an, kommunizieren wortlos und müssen uns eingestehen, dass wir Taylor gerade verlieren.
Die Erkenntnis verpasst mir einen Schlag in die Fresse. Ich fühle mich, als würde mir jemand ein Messer ins Herz rammen und es ganz langsam hin und her drehen. Wenn ich es jetzt nicht schaffe, mich zusammenzureißen, dann werde ich gleich vor den beiden wie ein kleines Baby heulen.
Jonny sieht nicht besser aus. Er ist leichenblass und seine Augen schimmern ebenfalls verdächtig. Er schüttelt immer wieder mit dem Kopf, kann nicht glauben, was hier gerade passiert.
"Dann... dann ziehen wir eben wieder aus und wir sind heimlich zusammen! Egal, was du verlangst, wir werden es tun! Aber bitte, Taylor. Beende nicht unsere Beziehung!"
Ich erkenne meinen besten Freund nicht wieder. Noch nie habe ich ihn so dermaßen vor jemanden zu Kreuze kriechen sehen. Er ist ebenso verliebt, wie ich. Er würde alles für Taylor tun.
"Ich kann nicht... Bitte... Ich... ich kann das nicht mehr! Bitte akzeptiert es. Es ist... aus."
Ihre Worte sind nicht mehr, als ein Flüstern, dennoch bringen sie meinen Kopf zum Dröhnen, als wäre ich gegen eine Wand gelaufen. Jonny zieht scharf die Luft in seine Lungen, als Taylor fluchtartig aus der Küche rennt. Sie lässt uns fassungslos und gebrochen zurück. Und wir liebeskranke Trottel lassen es auch noch mit uns machen.
Ich habe das Gefühl, als würde mir schwarz vor Augen werden. Halt suchend, stütze ich mich an der Arbeitsplatte ab und lasse den Kopf hängen. Ich versuche tief ein und auszuatmen, schließe meine Augen, damit dieses verdammte Schwindelgefühl endlich verschwindet. Jonnys Hand legt sich auf meine Schulter und er drückt sie leicht, um mir zu signalisieren, dass er bei mir ist.
"Atme, Mason. Atme! Es ist noch nicht vorbei, das verspreche ich dir! So schnell werden wir sie nicht verlieren!"
Ich wünschte, ich könnte seinen Worten Glauben schenken, jedoch weiß ich es besser. Taylor ist eine Löwin. Sie hat schon so viel mehr Scheisse in ihrem Leben gefressen, als das hier! Und immer ging es nur um ihre Kinder. Nie würde sie etwas tun, was sie in Gefahr bringt oder ihr Wohlergehen gefährden könnte.
"Wir haben sie verloren, Jonny! Finde dich damit ab!"
Ich löse mich abrupt von der Küchenzeile und stürme aus dem Raum. Die zu schnelle Bewegung hat allerdings zur Folge, dass mir noch mieser zumute wird und ich mich am Handlauf der Treppe regelrecht nach oben ziehen muss, um nicht den Halt zu verlieren. Ich schaffe es irgendwie in mein Zimmer, knalle die Türe hinter mir zu und schmeiße mich aufs Bett. Ich ziehe tief Luft durch meinen Mund ein, doch sie erreicht einfach meine Lungen nicht. Ein Erstickungsgefühl breitet sich aus, wogegen ich anzukämpfen versuche. Immer wieder schnappe ich nach Luft, lasse mir Jonnys Worte durch den Kopf gehen. Atme, Mason. Atme!
Wenn es doch so einfach wäre!
🥺🥺🥺
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