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Taylor
Ich träume. Und doch habe ich so unglaubliche Schmerzen. Was als Albtraum begann, wendet sich langsam durch den Nebel hindurch, zum Guten. Ich träume, wie Mason und Jonathan mit einer Hand voll Männer mein Gefängnis stürmen, meine Peiniger niederstrecken und mich retten. Ich träume, wie mich Jonny bedeckt, in seinen Armen wiegt und mir zuflüstert, dass alles wieder gut wird, dass ich in Sicherheit bin. Oh bitte. Lass mich nie wieder aus diesem Traum aufwachen. Ich ertrage keine weitere Sekunde den Anblick meiner Vergewaltiger.
Wieder und wieder haben sie sich von mir genommen, was sie wollten. Und bei jedem Mal haben sie einen Teil meiner Seele entrissen. Es ist nicht mehr viel übrig. Diesen Teil, den sie niemals von mir haben können, gehört meinen Kindern. Egal, was mit mir jemals geschehen wird, ich muss für sie stark sein. Funktionieren.
Mein Traum lichtet sich allmählich, bekomme mit, wie um mich herum gesprochen wird. Es sind Männerstimmen. Mein Körper verkrampft automatisch bei dem Klang des tiefen Basses. Es geht wieder los, es wird nicht enden.
Doch unter die dunklen Stimmen mischt sich eine hohe, klare. Sie ist definitiv weiblich. Und dennoch schaffe ich es nicht, den Nebel zu durchbrechen, meine Augen zu öffnen. Ich will schlafen. Einfach nur schlafen und die Schmerzen und Erinnerungen an die letzten Tage hinter mir lassen.
Ich bin in Bewegung, das spüre ich. Irgendwas wird mit mir gemacht. Es fühlt sich gut und warm an. Es umhüllt mich wie einen schützenden Mantel. Danach werde ich weich gebettet und wieder legt sich Wärme über mich. Wärme, die mir die letzte Zeit verwehrt wurde. So kalt war es in meinem Gefängnis. So eisigkalt. Meine Traumwelt wird wieder dichter und sperrt mich in einen Kokon schöner Gedanken ein. Ich genieße es, der Realität zu entkommen und so gebe ich mich der Illusion hin.
Jonathan
Was haben die verdammten Bastarde ihr nur angetan? Der Tod war zu gnädig für diese Monster.
Taylor in diesem Zustand in meinen Armen zu halten, hat alles in mir zerbrochen. Sie so zu sehen, erfüllt mich mit unendlicher Wut und einem tiefen Schmerz. Wir hatten ihr versprochen, auf sie aufzupassen. Wir haben kläglich versagt. Ich fühle eine so große Schuld in mir, dass ich nicht weiß, wie ich jemals damit leben soll. Das Geschehene kann ich nicht mehr rückgängig machen. Ich kann ihr nicht das Trauma abnehmen.
Wenn ich mich schon so hundeelend fühle, wie geht es dann erst Taylor? Wie wird sie damit umgehen können? Wie lange wird es dauern, bis sie geheilt ist? Innerlich geheilt ist? Wird sie überhaupt heilen können? Ich weiß es nicht. Was ich aber weiß, ist, dass wir für sie da sein werden, egal wie lange es dauert, bis sie sich besser fühlt. Ich werde sie nie wieder allein lassen.
Mason und ich sitzen im Wohnzimmer. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Düsteren Gedanken. Ich sehe es meinem besten Freund an. Er quält sich ebenso, wie ich. Jedes Mal, wenn er kurz davor ist loszuheulen, dreht er sich weg, sodass ich nur noch sein Schniefen hören kann. Oh Mason, mir geht es doch nicht anders.
"Wird sie es jemals verarbeiten können?", spricht er die Frage aus, die ich mir auch schon so oft in dieser kurzen Zeit gestellt habe. Lange sehe ich Mason an. Ich habe einfach keine Antwort auf diese beschissene Frage. "Ich weiß es nicht. Ich denke aber, sowas kann man niemals richtig verarbeiten." Er nickt lediglich und gibt sich wieder seinen Dämonen hin.
Ich war Rosi so dankbar, als sie sofort herbeigeeilt kam und sich um Taylor gekümmert hat. Keiner von uns hat sich getraut, sie anzufassen. Allein ihre Reaktion, auf unsere Stimmen, hat mir schon gezeigt, dass sie sich noch immer nicht darüber bewusst ist, dass sie in Sicherheit ist.
Was ist, wenn wir sie gar nicht mehr berühren dürfen? Wenn sie unsere Nähe nicht mehr erträgt? Oder unsere Zuneigung ihr gegenüber? Es würde mich vollends zerbrechen. Ich will nicht mehr ohne sie sein. Ich brauche sie, wie die Luft zum atmen. Das ist mir nun klar geworden. Nur leider zu spät, wenn ich Pech habe.
"Ich gehe hoch und sehe nach ihr", verkünde ich und erhebe mich aus dem Sessel. Mason hebt seinen Blick und springt ebenfalls auf. "Ich komme mit!" Noch einmal schnieft er kräftig und versucht sich zu sammeln, wischt sich mit der flachen Hand übers Gesicht. Fast zeitgleich atmen wir tief ein und wieder aus, straffen die Schultern und machen uns auf den Weg nach oben.
Langsam schiebe ich die Tür auf, nachdem ich sachte angeklopft habe. Das Letzte was ich will, ist sie zu erschrecken. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie wach ist. Auf den Anblick war ich nicht vorbereitet. Sie liegt zusammengerollt, in Embryonalstellung im Bett und weint herzzerreißend. Ihr Körper bebt und sie schlottert vor Kälte. Mit schnellen Bewegungen sind wir an ihrem Bett und setzen uns jeweils einer links und einer rechts von ihr, auf die Bettkante.
Taylor quietscht erschrocken, reisst ihre Augen auf und macht sich noch kleiner, als sie eh schon ist. "Shhh, Kleine. Wir sind's. Mason und Jonny. Du bist in Sicherheit. Alles wird wieder gut.", flüstert ihr Mason zu, will sie berühren, zieht aber seine Hand zurück. Er hat Angst vor ihrer Reaktion.
Stoßweise keucht die gebrochene Schönheit, sieht sich hektisch um und beginnt erneut zu weinen. "Jonny! Mason!" Mehr bekommt sie nicht über die Lippen. Und unsere Namen waren auch nur ein Hauchen zwischen dem Schluchzen.
"Hör zu Kleine. Rosi hat dich gebadet und umgezogen. Wir haben eine Ärztin besorgt, die demnächst herkommen und dich untersuchen wird. Es ist wichtig, dass du das zulässt. Du hast einiges abbekommen." Und nun strecke auch ich meine Hand nach ihr aus, streichele hauchzart über ihren Kopf, runter über ihre Haare. Sofort zuckt sie unter der Berührung zusammen und rutscht ein wenig weg von mir. Als hätte ich mich verbrannt, ziehe ich ruckartig meine Hand zurück und bereue es, das getan zu haben. Ich wollte sie nicht verängstigen.
"Ich, es... es tut mir leid!" Der Satz ist kaum zu verstehen, so sehr weint sie. Doch ich weiß sofort, für was sie sich entschuldigt. Für ihre Reaktion, mir gegenüber. Diese Erkenntnis sticht so sehr in meinem Brustbereich, dass ich mir am liebsten das Herz herausreissen würde.
"Bitte entschuldige dich dafür nicht. Hörst du? Niemals! Wir... wir sind für dich da. Du bekommst von uns alles, was du brauchst. Wenn du deine Ruhe haben möchtest, bekommst du sie. Wenn du von uns gehalten werden willst, dann werden wir da sein. Ich verspreche dir, du musst da nicht alleine durch." Es fällt mir so extrem schwer, meine Stimme fest klingen zu lassen. Mehrmals muss ich den Klos in meinem Hals herunterschlucken, meine Tränen wegblinzeln, um Taylor zu zeigen, dass wir stark für sie sein werden.
Mason reicht ihr ein Glas Wasser und hilft ihr dabei, sich etwas aufzurichten und hinzusetzen. Keine einzige Sekunde sieht sie einem von uns Beiden in die Augen. Der Blick ist immer auf die Decke gesenkt. Taylor nimmt das Glas entgegen und trinkt es in zwei Zügen leer.
Haben diese Dreckschweine ihr Wasser verwehrt? Hat sie etwas gegessen? "Hast du Hunger?", spricht Mason meine Gedanken aus. Taylor schüttelt den Kopf, gleichzeitig knurrt ihr Magen so laut, dass man ihn noch neben einem Presslufthammer hören würde. Beschämt verzieht sie das Gesicht, neue Tränen schimmern in ihren Augen. Diese sind trotz des gesenktem Blickes zu erkennen.
"Ich besorge dir was zu Essen, keine Widerrede. Rosi hat gekocht. Extra für dich, damit du wieder zu Kräften kommst. Ihre Worte, nicht meine!", schmunzelt Mason verlegen. "Jonny, bleib bei Taylor, ich bin gleich wieder da." Nickend sehe ich meinem Freund hinterher, weiß nicht, wie ich mich Taylor gegenüber verhalten soll. Möchte sie meine Nähe? Wohl eher nicht. Oder? soll ich sie allein lassen? Ich weiß es nicht. Also entschließe ich mich dazu, die unangenehme Stille zu durchbrechen.
"Soll... soll ich dich vielleicht lieber alleine lassen? Möchtest du deine Ruhe haben?" Nervös spiele ich mit meinen Fingern, kratze mich dann doch im Nacken, nur, um überhaupt etwas zu tun. Ihr Blick huscht für eine Sekunde zu mir, als sie hastig mit dem Kopf schüttelt und den Blick wieder senkt. "Bitte. Geh nicht." Es ist nur ein Flüstern und fast bin ich der Meinung, mich verhört zu haben. Doch ich denke, ich habe die richtigen Worte gehört.
"Darf... darf ich dann... also.." Fuck ist das schwer! Wieso finde ich nicht die richtigen Worte? Sonst bin ich doch auch nicht so? Ich spüre, wie sich mein Puls beschleunigt, als ich den Mut fasse, um sie zu fragen. "Darf ich dich... in meinen Armen halten? Möchtest du das?" Ich flüstere ebenso, wie sie es getan hat. Und dennoch versteht sie mich. Es dauert einige Sekunden, ehe sie zögerlich nickt und etwas näher an mich heranrutscht. Sofort schließe ich die Lücke zwischen uns, drücke sie behutsam an mich und vergrabe meine Nase in ihrem duftendem Haar.
Gott, sie hat mir so gefehlt! Ich dachte, ich hätte sie verloren. Ich bin so unwiderruflich und bis über beide Ohren in diese Frau verliebt. Ich will alles für sie sein! So wie sie es für mich ist.
Leise seufzt sie, beginnt sich in meinen Armen zu entspannen und atmet endlich ruhiger. Ihre Reaktion lässt auch mich etwas entspannen. Ihre kleinen Finger krallen sich in mein Shirt, als wäre ich ihr Rettungsanker. Ich bin da. Und ich bleibe bei dir meine Liebe.
Gegen die Tränen, die mir aus den Augenwinkeln rinnen, kann ich nichts tun. Mit meinem Daumen, versuche ich sie wegzuwischen, ehe sie auf Taylor fallen. "Es tut mir so leid, was du durchmachen musstest, meine Kleine. Es tut mir so unendlich leid, dass wir dich nicht beschützen konnten. Das wird nie wieder passieren. Das verspreche ich dir. Bei meinem Leben." Meine Stimme klingt nicht annähernd so fest, wie ich es mir vorgestellt hatte. Taylors Hände krallen sich noch fester an mich, falls das überhaupt noch möglich ist.
Mason kommt mit seiner aufgesetzten guten Laune in das Schlafzimmer und hält ein Tablett in seinen Händen. Es duftet himmlisch und dagegen kann sich auch Taylor nicht verwehren. Schnell wische ich meine restlichen Tränen vom Gesicht, während sie sich aufrichtet und auf das Essen blickt. Ihr Magen beginnt wieder zu knurren und beschämt legt sie sich eine Hand auf den Bauch.
Mason stellt das Tablett auf dem Nachtschrank ab und plappert munter drauf los. "Rosi hat ihre berühmten Spaghetti Bolognese gezaubert. Sie werden dir schmecken, versprochen. Und für Vitamine hat sie auch gesorgt. Sieh mal, eine riesen Schüssel Salat."
"Ich möchte nichts essen.", wispert sie und dreht sich weg von den Speisen. Verwirrt schauen Mason und ich uns an. Ihr Magen spielt ein Höllenkonzert, wie kann sie da behaupten, nichts essen zu wollen? "Du hast Hunger, erzähl uns nichts. Und jetzt hopp, hopp. Hinsetzen und essen. Keine Widerrede!", versucht Mason Taylor zu überzeugen.
Sie jedoch, beginnt mit bebenden Lippen den Kopf zu schütteln. Tränen bilden sich schon wieder in ihren türkisenen Augen. "Okay, wenn du nicht willst, ist das in Ordnung. Aber kannst du uns wenigstens sagen, warum du nicht essen möchtest, wo du doch so offensichtlich Hunger hast?" Wieder schüttelt sie mit dem Kopf, legt ihre Hände aufs Gesicht und schluchzt.
Nicht gut. Gar nicht gut! Was haben sie mit ihr gemacht? "Hast du denn die letzten Tage etwas gegessen?", frage ich vorsichtig nach. Sie nickt zaghaft und weint weiter. "Musstest du etwas dafür tun, um Essen und Trinken zu bekommen?" Ich habe ins Schwarze getroffen. Diese dreckigen Schweine! Taylor beginnt geräuschvoll zu heulen. Ihr ganzer Körper bebt.
"Shhh, Kleine. Alles Okay. Du kannst so viel essen und trinken, wie du möchtest. Niemand wird etwas von dir verlangen. Du bist zu Hause! In Sicherheit!" Wieder schüttelt sie ihren Kopf, ihr Gesicht immer noch in Ihren Händen vergraben. "Möchtest du vielleicht wieder zurück in meine Arme kommen? Bis du dich beruhigt hast?" Dieses Mal nickt sie und schmeißt sich mir entgegen. Sie drückt ihr Gesicht an meine Brust und umschlingt meinen Körper mit ihren Armen.
Ratlos sehen Mason und ich uns an. Taylor ist ein einziges Wrack. Und nun gilt es, sie wieder auf die Beine zu bekommen.
Das wird offensichtlich ein langer Weg für Taylor. Lasst uns hoffen, dass sie heilen kann ❤️🩹
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