20 || "Ich brauche dich"
My Blood - Twenty One Pilots
Ein nerviges Geräusch riss mich aus dem Schlaf, es ähnelte dem Signalton, wenn man Nachrichten empfing. Das verwunderte mich ein bisschen, da ich mein Handy nachts eigentlich immer ausschaltete.
Als ich mich gerade wieder auf die Seite drehen wollte, um weiterzuschlafen, erklang der Ton nochmal und dieses Mal konnte ich ihn eindeutig als meinen Nachrichten-Ton identifizieren.
Genervt griff ich nach meinem Handy, wenn dies jetzt nur ein ätzender Snap von Team Snapchat war, dann würde ich mein Handy wahrscheinlich aus Frust gegen die Wand werfen. Niemand hatte das Recht, meinen heiligen Schlaf zu stören.
Tatsächlich wurden mir aber drei neue Nachrichten auf WhatsApp angezeigt, alle waren von Noah. Verwirrte runzelte ich die Stirn, was wollte der denn um diese Uhrzeit von mir? Ich entsperrte mein Handy und ging auf den Chat:
Bist du wach?
?
Komm schon, Lu, wer schläft denn schon um diese Uhrzeit?
"Ich. Ich schlafe um diese Uhrzeit, naja eigentlich", dachte ich mir, schließlich war es bereits halb drei nachts. Die eigentliche Frage war aber, was Noah von mir wollte. In meinem Magen breitete sich ein mulmiges Gefühl aus, war ihm etwas passiert? Brauchte er meine Hilfe?
Jetzt bin ich wach... Was ist dein Grund, meinen Schönheitsschlaf zu stören?
Innerhalb von Millisekunden verfärbten sich die kleinen Häkchen blau und ich sah, wie Noah tippte.
Ich hole dich ab, warte in 10 Minuten draußen auf mich
War das sein Ernst? Zuerst nannte Noah mir keinen Grund, was mit ihm los war, sondern sendete mir nur kryptische Nachrichten und jetzt wollte er mich auch noch abholen, nachts um halb 3?!
Lol Noah, ich bin mir nicht sicher, ob du weißt, wie man Uhren liest, aber es ist 02:35 Uhr. Eine Uhrzeit, um die normale Menschen schlafen und nicht nachts herumfahren
Bitte, Luna. Komm einfach raus, ich brauche dich
Noah klang echt verzweifelt, was das mulmige Gefühl in meinem Magen immer stärker werden ließ. Ihm ging es nicht gut, das spürte ich. Deshalb seufzte ich einmal auf, willigte gedanklich aber bereits ein.
Okay, bis gleich
Ich sendete die Nachricht ab und sprang schnell aus meinem Bett, um mich umzuziehen. Nachdem ich mir einen Hoodie und eine Jeans übergezogen hatte, blickte ich nochmal auf mein Handy, das mir eine neue Nachricht von Noah anzeigte.
Danke, Lu. Sonst hätte ich jetzt wieder umdrehen müssen
Fassungslos schüttelte ich den Kopf. Noah war einfach schon losgefahren, bevor er überhaupt meine Zustimmung erhalten hatte, dieser Junge war einfach unverbesserlich.
Leise schlich ich die Treppe herunter und machte einen kurzen Zwischenstopp in der Küche, um heißen Kakao zu kochen. Irgendwie hatte ich da so eine Vorahnung. Den Kakao füllte ich anschließend in eine Thermoskanne und stopfte ihn zusammen mit einer Wolldecke in meinen Rucksack. Dann schnappte mir meinen Schlüssel und zog dann die Tür hinter mir ins Schloss.
Genau in diesem Moment hielt auch schon der schwarze Range Rover von Noah vor der Einfahrt und Noah stieg aus. Mit schnellen Schritten lief ich auf ihn zu und schloss ihn in eine feste Umarmung, ich hatte einfach das Gefühl, dass er das gerade brauchte. Noah erwiderte diese und presste mich so fest an seinen Körper, dass nicht mal ein Blatt Papier mehr zwischen uns gepasst hätte.
Mein Kopf lag auf seiner Brust, weshalb ich seine unregelmäßig Atmung spürte. Mit der Zeit beruhigte sich Noah zwar etwas, aber ich hielt es trotzdem einfach nicht mehr aus, ich musste wissen, was ihn so aufgewühlt hatte.
"Was ist passiert, Noah?", fragte ich und schob ihn ein bisschen von mir weg, um ihn sanft anzuschauen.
"Können wir bitte nicht darüber sprechen? Zumindest nicht hier." Noah wendete seinen Blick von mir ab und sah zu Boden, aber trotzdem hatte ich den Schmerz in seinen blauen Augen bemerkt. Was auch immer passiert war, es hatte ihn echt mitgenommen. So aufgewühlt hatte ich Noah bisher nur selten gesehen
"Soll ich fahren?", meinte ich deshalb vorsichtig. Es war mir lieber, wenn Noah in seinem Zustand nicht fuhr.
Noah zuckte nur wortlos die Schultern und überreichte mir dann den Schlüssel. So stiegen wir beide ins Auto und ich startete den Motor. Langsam fuhr ich aus der Einfahrt und bog auf die Straße. Ich hatte bereits eine Idee, wo ich hinwollte und fuhr somit zielstrebig aus der Stadt heraus.
Nach einiger Zeit führte die Straße immer stärker bergan und gab somit einen wunderschönen Blick auf die Stadt frei. Vor der nächsten Kurve kam ein Rastplatz und genau hier machte ich Halt. Ich parkte das Auto so, dass der Kofferraum vor dem Abhang stand und man somit von dort aus perfekt auf die beleuchteten Häuser herabblicken konnte.
Noah und ich stiegen aus und während ich die Decke im Kofferraum ausbreitete und den Kakao herausholte, zündete Noah sich eine Zigarette an. Bei diesem Anblick fiel mir auf, wie lange ich ihn eigentlich schon nicht mehr rauchen gesehen hatte.
Nachdem ich alles vorbereitet hatte, setzte ich mich einfach still in den geöffneten Kofferraum und beobachtete, wie Noah unruhig vor mir auf und ab lief. Was war nur los mit ihm? Es tat mir in meinem Herzen weh, zu sehen, dass es ihm nicht gut ging.
Nach einigen Minuten trat Noah schließlich seine Kippe aus und setzte sich zu mir.
"Kakao?", fragte ich ihn nur und streckte ihm einen dampfenden Becher entgegen, welchen er dankend annahm.
So saßen wir eine ganze Zeit stumm nebeneinander und tranken unseren heißen Kakao. Auch wenn es mir auf der Zunge brannte Noah zu fragen, was passiert war, hielt ich mich zurück. Ich wollte ihn zu nichts drängen, es reichte mir schon einfach für ihn da zu sein.
"Ich habe mich mit meinen Eltern gestritten", vernahm ich plötzlich Noahs raue Stimme. "Aber nicht nur so ein bisschen, sondern so richtig. Es sind bestimmt fünf Teller dabei zu Bruch gegangen", murmelte er.
Mein Blick begann wie von selbst Noah nach äußeren Verletzungen abzuscannen, was ihm offensichtlich auffiel, denn er lachte trocken.
"Kein Angst, mich hat keiner getroffen", meinte er mit einem höhnischen Unterton in der Stimme und auch wenn mich diese Aussage eigentlich beruhigen sollte, bewegte sie das Gegenteil.
Hatte Noahs Vater etwa versucht, ihn mit Tellern abzuwerfen?! Denn weder Noahs Mutter, noch Noah traute ich zu, andere Menschen absichtlich körperlich verletzen zu wollen. Bei uns in der Familie kam es nach einem Streit auch mal zu einem lauten Türenknallen, aber das stand ja in keinem Vergleich zu dem, was Noah mir gerade erzählte.
"Mein Vater hat mir mal wieder vorgeworfen, wie nutzlos ich sei und warum er mich überhaupt ernähren würde, während meine Mutter nur tatenlos daneben stand", fuhr Noah nach einer kurzen Pause fort. "Er hasst mich dafür, dass ich mich nicht für seine Firma interessiere, so wie mein großer Bruder. Naja, eigentlich hasst er alles an mir und das lässt er mich jedes Mal aufs Neue spüren.
Ich weiß, dass alle an unserer Schule glauben, ich hätte alles, aber das stimmt nicht. Von materiellen Dingen kann man auf Dauer nicht glücklich werden und genau deshalb beneide ich alle, die eine Familie haben, die sie lieben. Als ich heute bei euch mitgegessen habe, hat es das mir nochmal vor Augen geführt, wie eine liebevolle, intakte Familie aussieht und wie kaputt meine eigene ist... Ich halte das nicht mehr lange aus, Luna."
Noahs Worte verschlugen mir vollkommen den Atem und es dauerte einen Moment, bis ich mich wieder halbwegs gesammelt hatte. Auch ich hatte mich am Anfang von Noahs scheinbar perfekten Leben trügen lassen und nun offenbarte er mir, was ich schon seit längerer Zeit befürchtete. Wie viel Leid konnte ein Mensch bitte erfragen? Womit hatte Noah so etwas verdient? Er tat mir in diesem Moment so unfassbar leid.
Sanft legte ich meinen Arm um ihm. "Ich bin immer für dich da, Noah. Egal was ist, ob ich schlafe, wir Streit haben oder ich mit eigenen Problemen zu kämpfen habe, ich bin immer für dich da."
Noah lehnte seinen Kopf an meine Schulter. "Ich weiß, Luna und dafür liebe ich dich."
Bei seinen Worten setzte mein Herz für einen Schlag aus und ich verschluckte mich vor Überraschung. Ich versuchte mein Husten zu unterdrücken, doch trotzdem wurde mein Körper von einem leisen Keuchen erschüttert.
Noah sah auf und suchte mit seinen funkelnden Augen die meinen. "Ich meine es ernst, Luna. Ich liebe dich."
Ich brauchte einen Moment, um zu realisieren, was Noah da gerade zu mir gesagt hatte. War das gerade real? Hatte Noah mir wirklich seine Liebe gestanden? Erwiderte er meine Gefühle auf die gleiche Weise?
Ja, er hatte diese drei magischen Worte wirklich zu mir gesagt und es fühlte sich so unglaublich gut an. Die Schmetterlinge in meinem Bauch erwachten zum Leben und ein elektrisches Kribbeln durchfuhr meinen gesamten Körper.
Ich drohte vor Glück fast zu platzen, auch wenn mir die Situation dafür reichlich unpassend vorkam. Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass sich ein glückliches Lächeln auf meine Lippen schlich.
"Ich liebe dich auch, Noah", erwiderte ich seine Worte. In diesem Moment war es mir scheißegal, dass wir uns erst seit etwas mehr als zwei Monaten kannten, es fühlte sich einfach so richtig an. Ich liebte diesen Jungen mit jeder Faser meines Körpers und ich wusste, dass ich alles für ihn tun würde.
Auch über Noahs Lippen zog sich ein leichtes Lächeln. Vorsichtig legte er seine Hand in meinen Nacken und zog mich sanft zu sich heran. Nur wenige Millisekunden später trafen unsere Lippen auf einander und ein leidenschaftlicher Kuss entbrannte.
In diesem Kuss lagen so unglaublich viele Emotionen, Trauer, Sorge und Angst, aber gleichzeitig auch so viel Hoffnung, Zärtlichkeit und Verlangen. Das war bei Weitem der intensivste Kuss, den ich in meinem Leben je gehabt hatte. Viel zu früh lösten wir uns wieder von einander, beide völlig außer Atem.
"Wow, Luna. Das war unglaublich", setzte Noah an und schenkte mir ein strahlendes Grinsen. "Ich weiß, dass ich vor einer Woche noch meinte, dass ich es gerne langsam angehen lassen würde, aber gerade heute habe ich realisiert, dass ich ohne dich einfach nicht mehr kann. Ich brauche dich, Luna. Um es jetzt nochmal anders zu formulieren: Möchtest du meine feste Freundin sein?"
Würde ich nicht schon auf Wolke Sieben schweben, hätten diese Worte mir jetzt den Rest gegeben. Mein Herz hämmerte so stark gegen meine Brust, dass ich befürchtete, dass es jeden Moment vor Glück explodieren könnte.
"Nichts lieber als das", antwortete ich deshalb strahlend und kuschelte mich an Noahs Brust. Er schlang seine Arme um mich und wiegte mich sanft hin und her. Ich atmete dabei seinen vertrauten Geruch ein und versuchte zu realisieren, dass dieser Moment gerade wirklich wahr war und ich mich nicht in einem Traum befand.
Plötzlich räusperte sich Noah. "Du meintest heute Nachmittag doch, dass du gerne meine Familie kennenlernen würdest. Wenn du das wirklich ernst meinst, könntest du am Samstagabend zu der Business-Veranstaltung, die meine Eltern organisieren, mitkommen. Das ist ein großes Essen zu dem potenzielle Geschäftspartner eingeladen werden. Du musst natürlich nicht ja sagen und ich kann vollkommen verstehen, wenn du es lieber nicht willst, aber ich würde mich sehr freuen, da ich nicht weiß, wie ich das alleine durchstehen soll."
Ich sah zu ihm auf. "Natürlich komme ich mit. Zusammen stehen wir den Abend schon durch", meinte ich optimistisch.
Ich brannte darauf mir ein eigenes Bild von Noahs Vater und Bruder zu machen und würde mir diese Gelegenheit deshalb ganz sicher nicht entgehen lassen. Gleichzeitig wollte ich auch Noah beistehen, da ich ahnte, dass der Streit, von dem er mir erzählt hatte, auch mit dieser Veranstaltung zusammenhing.
"Danke, Lu", antwortete Noah und platzierte einen sanften Kuss auf meiner Schläfe.
Und so saßen wir noch eine ganze Zeit in dem Kofferraum von Noahs Range Rover und blickte auf die beleuchtete Stadt. Hier oben fühlte ich mich frei, so als könnten mir meine Ängste und Sorgen nichts mehr anhaben und so schien es Noah ebenfalls zu gehen, denn er entspannte sich immer mehr und riss wieder Witze, als wäre nie etwas gewesen.
Auch wenn Noah sich mir heute ein großes Stück geöffnet hatte, blieben immer noch so viele Fragen offen. Aber auch auf die würde ich bald eine Antwort erhalten, da war ich mir sicher.
Heyho,
das heutige Kapitel kommt etwas später als sonst, weil ich heute meine Oma besucht habe. Kennt ihr die Klischee-Omas, die ihre Enkel nur so mit Essen vollstopfen? Genau so ist meine, ich fühle mich echt so vollgefressen 😂😂 Omas sind einfach die Besten!💗
Sooo jetzt haben sich unsere beiden endlich die Liebe gestanden, mal gucken, wie das weitergeht... Was denkt ihr, wie Lunas erste Begegnung mit Noahs Familie ablaufen wird?🙈
Tschüsseldorf, bis nächsten Donnerstag!
Eure Amy🌚
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