1. Kapitel
"Hey Camilla. Wie geht's?", Mein Herz setzt für einem Moment aus. Ich atme tief durch. Nach zwei Jahren sollte ich mich doch eigentlich daran gewöhnt haben. Doch trotzdem erschrak ich mich jedes Mal, wenn sie plötzlich in meinem Kopf auftauchte. Diese fremde Stimme die ich gerade gar nicht gebrauchen konnte.
"Camilla?", fragt er wieder. "Tut mir leid, Xavier. Ich habe gerade keine Zeit zum Reden", antworte ich ihm in meinen Gedanken und frage mich wie viel Klamotten ich wohl in den kleinen Koffer bekommen würde.
"Was ist denn los?", fragt Xavier erneut. Ich seufze. Wird er vielleicht Ruhe geben, wenn ich es ihm erzähle? "Ich werde auf eine neue Schule geschickt. Ein Internat", erzähle ich ihm. "Wieso? Was ist passiert?", will er wissen. "Xavier! Ich muss packen! Aber denkst du ich sollte ein rotes oder ein blaues Kleid mitnehmen?"
"Blau.", antwortet er, "Auf welche Schule wirst du denn jetzt gehen?"
"Nevermore", sage ich, doch es kommt keine Antwort. Entweder hat Xavier seine Gedanken also von meinen abgeschottet oder er hat zum Reden keine Zeit mehr. Mir ist es gerade sowieso lieber, wenn seine Stimme nicht die ganze Zeit in meinem Kopf herumgeistert.
Ich befolge also seinem Rat und packe das blaue Kleid ein. Während ich weiter Klamotten und andere Dinge in meinen Koffer einsortiere denke ich über den ersten Tag nach als Xaviers Stimme in meinen Gedanken aufgetauchte.
Ich war 14 gewesen und hatte mir durch meine Airpods Musik angehört. Ich musste wohl die ganze Zeit in meinem Kopf mitgesungen haben, denn nach einiger Zeit hörte ich plötzlich eine mir unbekannte Jungenstimme in meinen Gedanken. "Könntest du bitte aufhören?", bat mich diese. Nachdem ich den größten Schreck meines Lebens überwunden hatte und mein Herz wieder in normaler Geschwindigkeit schlug, versuchte ich der Stimme zu antworten. Oder eher sie etwas zu fragen.
"Wer bist du?", hatte ich sie in meinen Gedanken gefragt und gehofft das die Stimme darauf antworten würde. Sie sagte eine Zeit lang nichts, und als ich kurz davor war zu glauben, ich hätte meinen Verstand verloren, hörte ich sie wieder. "Xavier. Xavier Thorpe. Und du?" "Camilla White", erwiderte ich etwas verängstigt. Xavier schien das alles ein bisschen besser aufzunehmen als ich, auch wenn ich bis heute glaube, dass er in der kurzen Pause zwischen meiner Frage und seiner Antwort ebenfalls einen halben Herzinfarkt erlitten hat.
Nachdem wir uns eine Zeit lang unterhalten hatten, verschwanden meine Zweifel sowie meine Angst und wir öffneten uns einander immer mehr. Und heute nach etwas mehr als zwei Jahren sind wir zu besten Freunden geworden und wissen so gut wie alles übereinander. Doch in letzter Zeit ist es anders. Er bricht immer mittendrin den Kontakt ab und ich habe das Gefühl, dass ich langsam mehr als nur Freundschaft für ihn empfinde. Jeden Tag versuche ich mir einzureden, dass es Unsinn ist. Wir haben uns noch nie gesehen. Wie soll ich mich dann in ihn verliebt haben? Und selbst wenn, er hat vielleicht eine Freundin. Und wahrscheinlich gibt es in seinem Umfeld eh andere, hübschere Mädchen, in welche er verliebt sein könnte. Diese Liebe würde hoffnungslos sein.
"Camilla?! Kommst du? Das Taxi ist da!", ruft meine Mutter von unten. Am liebsten würde ich jetzt nicht runterkommen. Zu ihr und meinem Vater, welche mich einfach kaltherzig abservieren. Irgendwo ins Nirgendwo zu dieser Nevermore Academy, der Schule für Außenseiter. Und wieso? Wegen diesen Kräften. Kräfte, um die ich nie gebeten hatte und doch bekam. Kräfte, die mich umbringen werden, wenn ich nicht lerne wie ich sie kontrollieren kann.
"Camilla! Kommst du jetzt bitte runter?!" "Ich komme ja schon!", rufe ich, werfe schnell die letzten Sachen in den Koffer und mühe mich damit ab, ebendiesen zu schließen. Nachdem ich das geschafft habe, eile ich die Treppe hinunter, ziehe Schuhe und Mantel an, verabschiede mich von meinen Eltern und steige in das Taxi.
Während der langen Fahrt höre ich Musik und singe zwischendurch leise mit, was den Taxifahrer aber nicht zu stören scheint. Dann nach mehreren Stunden kommen wir an der Nevermore Academy an. Ihre meterhohen Mauern ragen majestätisch in den Himmel hinauf und enden in altmodisch gestalteten Dächern.
Das ist also meine neue Schule. Super.
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